Glücklich leben als Christ?

Wahre christliche Erkenntnis

Glücklich leben als Christ?

Nachdem der Schreiber sich selbst vorgestellt und die Empfänger des Briefes auf so wunderbare Weise angeredet und charakterisiert hat, folgt der Segensgruß des Apostels:

„Gnade und Friede sei euch vermehrt in der Erkenntnis Gottes und Jesu, unseres Herrn“ (2. Pet 1,2).

Wenn wir fragen, wie wir als Christen glücklich leben können, so finden wir hier eine weitere Antwort: dadurch, dass wir in der Gnade und dem Frieden Gottes leben. Gnade ist Liebe, die wir nicht verdient haben. Sie bildet die Quelle, den Ursprung des Handelns Gottes mit uns. Friede ist der Ausfluss, das Ergebnis davon. Beides, Gnade sowohl als auch Friede, können in einer zweifachen Weise erfahren werden:  in einer grundsätzlichen und in einer mehr praktischen Weise. In der einen sind sie mit dem Gewissen verbunden, in der anderen mit dem Herzen oder der Seele.

Als wir uns in unseren Sünden in Buße und Glauben zu Gott wandten, errettete Er uns durch die Gnade, mittels des Glaubens (Eph 2,8). Und da wir nun gerechtfertigt worden sind aus Glauben, haben wir Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesus Christus (Röm 5,1). Es ist der Friede des Gewissens, das glückliche Bewusstsein davon, dass die Frage unserer Sünde und Schuld vor Gott vollkommen geordnet ist. Dass wir Frieden mit Gott haben, ist heute nicht weniger wahr, als es in der Herrlichkeit des Himmels wahr sein wird. Es ist eine feststehende, unerschütterliche Tatsache.

Aber neben dieser grundsätzlichen Seite gibt es die mehr praktische. Sie hat mit unserem Wandel zu tun, und von ihr ist in dem Segensgruß die Rede. In diesem praktischen Sinn brauchen wir täglich neue Gnade, bedürfen wir oft der Wiedererlangung oder Befestigung des Friedens des Herzens. Auf unserem Weg durch diese Welt gibt es viel Widriges (von Sünde ganz zu schweigen), und ohne eine erneute Inanspruchnahme der Gnade Gottes können wir uns darin nicht den Frieden des Herzens bewahren.

Deswegen wird hier von einer Vermehrung von Gnade und Friede gesprochen: „Gnade und Friede sei euch vermehrt.“ Gott möchte, dass wir uns vermehrt auf Seine Gnade stützen, dass wir sie vermehrt gebrauchen, dass wir uns mehr bewusst werden, wie sehr wir von Seiner Gnade abhängig sind. Der Strom Seiner Gnade ist zwar stets „voll Wassers“ (Ps 65,9), aber wir lassen ihn oft ungenützt an uns vorüber fließen. So nötigt Gott uns zuweilen durch die Umstände, uns wieder mehr auf Seine Gnade zu verlassen. Er weiß, dass wir nur auf diese Weise den kostbaren Frieden genießen können – diese durch nichts zu ersetzende Übereinstimmung des Herzens mit Ihm und Seinen Gedanken. Dann wird auch der Friede tief „wie ein Strom“ (Jes 48,18), weil er auf der Gnade Gottes ruht und auf nichts sonst.

Empfinden wir nicht alle, dass wir gerade in unseren Tagen des Unfriedens, der Zerrissenheit und der Auflösung diesen Frieden nötig haben? Deswegen kommt dieser Segenswunsch wie Balsam in unser Herz.

Außer hier und im ersten Petrusbrief wird nur noch im Brief des Judas der Ausdruck „sei euch vermehrt“ benutzt (1. Pet 1,2; Jud 2). Das ist sicher nicht von ungefähr. Petrus schrieb seinen ersten Brief an leidende Kinder Gottes. Wie sehr haben gerade sie nötig, vermehrt auf Gott zu rechnen und Seine Gnade in Anspruch zu nehmen! Aber der zweite Brief des Petrus und der Judas-Brief blicken voraus auf die letzten Tage, auf das Ende des Zeitalters mit dem vorhergesagten Abfall, und auch für diese Tage verheißt Gott die Vermehrung von Gnade und Friede. Ist das nicht geeignet, uns Trost zu verleihen?

Aber dann folgt ein bemerkenswerter Zusatz, der nur dem zweiten Brief des Petrus eigen ist:

„...in der Erkenntnis Gottes undJesu, unseres Herrn“ (Vers 2).

Gott kann uns Seine Gnade und Seinen Frieden nur auf eine bestimmte Weise vermehren: in einer echten Herzensvertrautheit mit Ihm und Seinem Sohn, unserem Herrn. Das übersehen wir leicht. Nicht selten bewegen wir uns in einigem Abstand von Ihm, oder wir geben uns mit einer kopfmäßigen Erkenntnis Gottes und Christi zufrieden. Davon lesen wir in Kapitel 2, Verse 20–22.

Das alles sind keine Voraussetzungen für Frucht. Nur wenn wir mit Gott unseren Weg gehen, wird Er sich uns offenbaren. Der Herr Jesus sprach davon in Seinen Abschiedsreden: „Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt; wer aber mich liebt, wird von meinem Vater geliebt werden; und ich werde ihn lieben und mich selbst ihm offenbaren“ (Joh 14,21). Lieben wir wirklich den Herrn Jesus, sehnen wir uns danach, dass Er sich uns mehr zu erkennen gibt? Dann lasst uns Ihm gehorsam sein, und Er wird Sein Wort einlösen. So werden wir mehr und mehr mit Seiner gesegneten Person vertraut, und Gnade und Friede fließen wie von selbst hervor. Was könnte uns – schon in dieser Zeit – mehr beglücken?

Die Erkenntnis Gottes und Jesu, unseres Herrn, nimmt in diesem zweiten Brief des Petrus einen zentralen Platz ein. Viermal benutzt er bei deren Erwähnung das Wort für volle Erkenntnis: >epignosis< (Kap. 1, 2.3.8; 2,20). Tatsächlich ist die Erkenntnis des Herrn der Angelpunkt für unseren Glauben. Ohne sie ist unser Glaubensleben, ist der ganze Glaube leer. Deswegen ist es für uns so wichtig, in der Gnade und Erkenntnis unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus zu wachsen (Kap. 3,18), ist Er doch das Bild des unsichtbaren Gottes. In dem Sohn offenbart sich der Vater, und das in der Kraft des Heiligen Geistes. „An jenem Tag werdet ihr erkennen, dass ich in meinem Vater bin und ihr in mir und ich in euch“, hat der Herr Jesus gesagt (Joh 14,20). Dieser >Tag< ist heute. Wir haben das unendliche Vorrecht, Gott in der vollen Offenbarung, die Er von Sich in Seinem Sohn gegeben hat, zu erkennen. Das ist wahrhaft christliche Erkenntnis.

In den Tagen des Alten Testaments hatte Gott sich nur bruchstückhaft offenbart, Er wohnte gewissermaßen „im Dunkeln“ (1. Kön 8,12); und es war für die Gläubigen aus den Juden, an die Petrus schrieb, wichtig, dies zu erkennen. Zu fest waren sie in den väterlichen Überlieferungen verwurzelt, als dass nicht die Gefahr bestanden hätte, das helle Licht des Evangeliums darüber zu vernachlässigen. Denn so gesegnet die vergleichsweise undeutlichen Offenbarungen Gottes in den früheren Zeiten auch waren, der volle „Lichtglanz der Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes“ ist nur „im Angesicht Jesu Christi“ zu erblicken (2. Kor 4,6). Erst der Herr Jesus hat uns die volle Erkenntnis Gottes, Seines Vaters, gebracht, und zwar nach dem Maß dessen, wie Er Ihn kennt. Dieses Kundmachen Gottes, Seines Vaters, geschah in den Tagen Seines Erdenlebens und auch nach Seiner Auferstehung, so dass Er sagen konnte: „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen“ (Joh 14,9; vgl. auch Kap. 1,18). In seinem ersten Brief drückt Johannes dieselbe Wahrheit so aus: „Wir wissen aber, dass der Sohn Gottes gekommen ist und uns Verständnis gegeben hat, damit wir den Wahrhaftigen erkennen“ (1. Joh 5,20).

Den Wahrhaftigen erkennen – wunderbare Gnade! Ist es nicht seltsam, ja, beschämend, dass wir für das Kostbarste, das es gibt, oft so wenig Interesse zeigen? Wenn wir Gott erkennen, erkennen wir auch, was in Seinem Herzen für uns ist. Und mit diesem Wissen ist sittliche Kraft für einen Wandel in Gottseligkeit verbunden, wie wir sogleich sehen werden.

Doch bevor wir diesen Gedanken weiterverfolgen, sei noch ein anderer Hinweis gegeben: In Vers 1 wird vom Herrn Jesus als Heiland gesprochen, in Vers 2 wird Er als Herr vorgestellt. Das ist der Weg, den Gott uns stets führt, und diese Reihenfolge entspricht auch unserer Erfahrung. Wir haben Christus zuerst als Heiland kennengelernt. Ohne diese Erfahrung wären wir noch in unseren Sünden, ja, wären wir ewig verloren. Aber so grundlegend diese Erfahrung oder Erkenntnis auch ist, Gott möchte nicht, dass wir dabei stehen bleiben. Es ist Seine Absicht, uns weiterzuführen zur Erkenntnis des Herrn – Dessen, der alle Anrechte über uns hat.

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