Herr, lehre uns beten!
3. Wann beten?
Wir bekennen, den Herrn zu kennen und seine Rechte über uns anzuerkennen, doch wenn Er fragen würde: „Wann wendest du dich an mich? Wann betest du?“ Was würden wir Ihm antworten?
Sein Wort lehrt uns, dass Er folgendes von den Seinen erwartet:
Die Bereitschaft zum Gebet
Wir lesen in Ps 32, 6: „Deshalb wird jeder Fromme zu dir beten, zur Zeit, wo du zu finden bist“. Wenn wir bei einer wichtigen Persönlichkeit eine Audienz beantragen, müssen wir oft lange warten, bis wir empfangen werden. Unser Gott ist für seine Kinder ständig verfügbar; immer „zur Zeit, wo er zu finden ist“; nur sind wir nicht immer verfügbar, um zu Ihm zu kommen. Lassen wir die Augenblicke nicht vorübergehen, in denen der Heilige Geist unsere Herzen anweist, uns an unseren Gott zu wenden, uns zu beten nötigt.
Vier Ausdrücke, die das Gebet betreffen, sind unserer Aufmerksamkeit wert: „unablässig“ – „zu aller Zeit“ – „in allen Dingen“ – „an jedem Ort“.
Unablässig beten (1. Thes 5, 16)
Liegt in diesem Vers nicht eine doppelte Bedeutung?
Erstens eine ständige, durchgehende Verwendung des Gebets. Der Psalmist sagt: „Ich aber bin stets im Gebet“ (Ps 109, 4), das zeigt völlige Hingabe zum Gebet Nur der Herr hat dieses Leben des ununterbrochenen Gebets vollkommen verwirklicht. Doch dieselbe Geisteshaltung muss die Treuen kennzeichnen, die Wächter der Mauer in Jes 62,6, von denen gesagt wird, dass „sie keinen Augenblick schweigen. Ihr, die ihr den HERRN erinnert, gönnt euch keine Ruhe und lasst ihm keine Ruhe“. Und Gott hört auf diejenigen, „die ihn erinnern“; sind es für Ihn nicht, wie Er in Zeph 3,10 so schön sagt, „seine Flehenden“?
Doch „unablässig beten“ beinhaltet auch den Gedanken einer Regelmäßigkeit im Gebetsleben. Unablässig beten schließt jede Unterbrechung aus. Ein treuer Bruder hat am Ende seines Lebens einmal gesagt: „Früher betete ich mehrmals am Tag, jetzt nur noch einmal“; aber sein Gebet nahm den ganzen Tag ein. Bei uns braucht der Weg nur leicht zu sein, und schon vergessen wir das Gebet, die Gemeinschaft mit dem Herrn wird unterbrochen. Und die Zeit verstreicht. . . Sie lässt sich nicht zurückholen. Es kann schwer sein, wieder die Regelmäßigkeit im Gebet aufzunehmen, nicht eine Wiederholung, sondern ein verständiges Beten, ins einzelne gehend.
Unablässig beten – machen wir unser Herz weit: Vergessen wir nicht die Kinder der Familie des Glaubens und besonders diejenigen, die in Prüfungen sind, die sich vom Weg des Herrn entfernt oder gar verirrt haben. Wie oft können wir ihnen nur so helfen! Doch das ausdauernde Gebet vermag auch verirrte Schafe zurückzubringen. Zu aller Zeit betend (Eph 6, 18)
Das Wort Gottes spricht von drei Dingen, die von jedem Treuen ständig getan werden sollen:
- das Lob: „Den HERRN will ich preisen allezeit, beständig soll sein Lob in meinem Mund sein“ (Ps 34, 17).
- das Vertrauen: „Vertraut auf ihn allezeit, o Volk! Schüttet vor ihm aus euer Herz! Gott ist unsere Zuflucht“ (Ps 62, 8).
- das Gebet; schon der Herr legt uns ans Herz: „Wacht nun, zu aller Zeit betend“ (Lk 21, 36).
Da bleibt wenig Platz, zu murren oder dem eigenen Willen freien Lauf zu lassen! Selbst wenn die Menge der Arbeit uns bedrückt oder wenn die Umstände besonders widrig sind, es bleibt Raum für das Lob, für das Vertrauen, für das Gebet; dies kann die einzig wahre Zufluchtsstätte in einer solchen Situation sein!
Um allezeit zu beten, ist Selbstbeherrschung nötig, jede Gelegenheit muss genützt werden, die Stunden systematisch eingeteilt sein, ohne Zerstreutheit oder unnütze Gedankenlosigkeit. Warten wir nicht, bis die Umstände uns zum Gebet nötigen.
Die Einladung des Apostels Paulus, zu aller Zeit zu beten (Eph 6, 10), mag befremden, wendet er sich doch an jemand, der die ganze Waffenrüstung Gottes angelegt hat; tatsächlich, geschützt vor den Anschlägen des Feindes, ist der Gläubige freigemacht von den eigenen Bedürfnissen, sein Herz wird weit und ermöglicht ihm, Teilnahme für andere zu zeigen und auch die Bedürfnisse aller Heiligen zu sehen; „zu aller Zeit betend ... in allem Anhalten und Flehen für alle Heiligen, und für mich“ schreibt der Apostel, in Ketten gelegt, im Gefängnis. Vergessen wir nicht, der Hauptteil des Kampfes gegen die geistlichen Mächte der Bosheit in den himmlischen Örtern wird über das Gebet ausgetragen: Das Gebet trägt manchmal mehr Frucht als eine Arbeit für den gleichen Gegenstand.
„In allem“ beten (Phil 4, 5)
Es handelt sich hier darum, unsere Anliegen vor Gott kundwerden zu lassen, ohne um eine bestimmte Erhörung zu bitten. Tun wir dies „in allen Dingen“? – Die Kleinen wie die Großen, die Glücklichen und die Mühseligen? Nennen wir das, was leicht erscheint, wie auch das Schwere, die Geheimnisse wie das gut Bekannte, Einzelheiten des äußeren Lebens wie auch Dinge, die wir keinem noch so nahestehenden Menschen anvertrauen würden? – Denn denen, die Gott lieben, wirken alle Dinge zum Guten mit (Röm 8, 26). Mögen wir eine solche Geisteshaltung einnehmen, die alles, was uns auf dem Weg begegnet, vor Gott legt und Ihm im Vertrauen übergibt.
Wenn die Last abgegeben wurde, wird der Friede wie eine erste Erhörung empfunden, dieser Friede, der unsere Herzen und unseren Sinn bewahren wird in Christus Jesus. Die Antworten mögen viel später eintreffen, dann, wenn der Herr in seiner Weisheit es zu unserem Guten tun kann.
„An jedem Ort“ beten (1. Tim 2, 8)
Es ist nicht nötig, wie manche, selbst Gläubige, annehmen, zum Gebet an einen geweihten Ort zu gehen. An jedem Ort beten, bei der Arbeit und zu Hause, bei Freunden und am Schreibtisch, auf der Reise und am Ferienort oder auch anderswo. Paulus betete mit seinen Gefährten vor der Abreise (Apg 21, 5); der Psalmist betont, dass der HERR deinen Ausgang und deinen Eingang behüten wird, von nun an bis in Ewigkeit (Ps 121, 8).
Das tägliche Gebet,
sei es im Leben des Einzelnen, oder in der Familie. In 5. Mose 11,18 ermahnt Gott sein Volk, seine Worte auf ihr Herz und auf ihre Seele zu legen, sie ihre Kinder zu lehren, „wenn du in deinem Haus sitzest, und wenn du auf dem Weg gehst, und wenn du dich niederlegst, und wenn du aufstehst“. Ist es nicht mit dem Gebet auch so?
Daniel betete dreimal am Tag. Ohne Zweifel am Morgen, am Mittag und am Abend. Die ernsten Umstände, in denen er sich befand, und das Risiko, das er einging, veranlassten ihn nicht, seine Gebete zu verstärken: Es wird ausdrücklich gesagt, dass er „betete und lobpries vor seinem Gott, wie er vordem getan hatte“ (6, 10). Es war für ihn eine Gewohnheit, eine regelmäßige Vorkehrung, und sicher das Geheimnis seiner Siege.
„Frühe wirst du, HERR, meine Stimme hören, frühe werde ich mein Anliegen dir vorstellen und harren“, sagt der Psalmist (Ps 5, 3). Bringen wir noch in der ersten Stunde des Tages den ganzen Tag vor den Herrn, bitten wir Ihn um Licht und Erkenntnis für das, was kommt. Die Kinder Israel beobachteten in der Wüste vom Eingang ihres Zeltes aus die Wolke, um zu erfahren, ob sie bleiben oder aufbrechen sollten, und auch, um die Richtung zu finden (4. Mo 9). Jesaja sagt prophetisch vom Herrn Jesus: „Er weckt jeden Morgen, er weckt mir das Ohr, damit ich höre“ (Jes 50, 4); hören zieht Gebet nach sich, wie wir es bei Mose sahen. Und in der Bedrängnis: „Am Morgen kommt mein Gebet dir zuvor“ (Ps 88, 13). Lassen wir Ihn die Richtung für den Tag bestimmen, hören wir, was Er uns zu sagen hat in Bezug auf das, was sich ereignen wird, und rechnen wir mit seiner Leitung.
Das Gebet am Abend wird durch Dank geprägt, natürlich ohne die bestehenden Bedürfnisse zu vergessen, seien es die eigenen Bedürfnisse oder die der anderen. Ps 141, 2 sagt uns: „Lass als Räucherwerk vor dir bestehen mein Gebet, die Erhebung meiner Hände als Abendopfer!“ Der Tag ist vorbei, man hat die göttliche Hilfe und den göttlichen Schutz erfahren, und das Herz bringt Ihm Dank dar.
Zur Zeit des Abendopfers stand Esra auf von seiner Demütigung, um sich niederzubeugen auf seine Knie; sein einziges Opfer war sein Kummer (9, 5). Daniel empfing die Offenbarung durch den Mann Gabriel zur Zeit des Abendopfers; zu einer Stunde, in der alles im Dunkel liegt – tatsächlich und moralisch –, wird diesem Mann Gottes ein besonderes Licht gegeben; ihm wird die Zukunft seines Volkes zur Zeit des Endes offenbart.
Mitunter finden wir, dass nachts gebetet wird. In Psalm 119, 62 erhebt der Psalmist um Mitternacht seinen Lobgesang. Die Fürsorge des Paulus veranlasste ihn „Tag und Nacht“ für die Thessalonicher zu bitten, so wie er es auch für sein Kind Timotheus tat (1. Thes 3, 10; 2. Tim 1, 3). Im Gefängnis zu Philippi, die Füße im Stock, erhoben Paulus und Silas um Mitternacht ihre Stimme „und lobsangen Gott“ (Apg 16, 25). Ohne Zweifel ein außergewöhnlicher Fall, doch es war eine Verfassung der Seele vorhanden, die immer das Angesicht des Herrn im Gebet und im Lob aufsucht und nicht murrt und sich beklagt.
Das Gebet in Verbindung mit besonderen Lebensabschnitten
In 4. Mose 28, 3–4 wird berichtet, dass das tägliche Brandopfer morgens und abends dargebracht wurde, ein lieblicher Geruch, ein Feueropfer dem HERRN.
Aber am Sabbat opferte man außer dem ständigen Brandopfer zwei Lämmer zusätzlich: es war ein Tag für Gott, an dem man mit einem doppelten Opfer kam, sowohl am Abend als auch am Morgen. Spricht dies nicht von dem Tag des Herrn und den Opfern des Lobes, die wir besonders an diesem Tag darbringen können?
Im elften Vers heißt es dann, dass man am Anfang jedes Monats zwei junge Farren, einen Widder und sieben einjährige Lämmer verbunden mit Speisopfern aus Feinmehl darbrachte: „Es ist ein Brandopfer, ein lieblicher Geruch, ein Feueropfer dem HERRN“ (V. 13).
In 3. Mose 23 werden Anweisungen bezüglich der Feste des HERRN gegeben, „bestimmte Zeiten, um Gott zu nahen“; es wird uns der ganze Ablauf vom Passah bis zum Laubhüttenfest vorgestellt.
Sprechen diese Feste nicht von den wichtigen Abschnitten des Lebens: dem Tag unserer Bekehrung; dem ersten Sonntag, an dem wir am Gedächtnismahl für unseren Herrn teilgenommen haben; den großen Tagen in der Familie: der Heirat, den Geburten, wenn der Herr uns diese Kleinen anvertraut, damit wir sie für Ihn erziehen; dem Tag der Berufswahl für diese Kinder, die man erzogen hat; dann der Tag, an dem diese heiraten. . . Haben wir uns bei dieser für das ganze Leben entscheidenden Wahl, bei diesen Festen Zeit zu einem ganz besonderen Gebet genommen? Wenn wir wollen, dass diese Augenblicke mit ihren Folgen gesegnet werden, müssen wir uns dann nicht deswegen schon lange vorher im Gebet an Gott gewandt haben?
Finden wir nicht in den Monden (Monaten), diesen Zeitperioden, in denen der Mond zu- und abnimmt, ein praktisches Bild unseres Lebens? Wie leicht wird die kostbare Gemeinschaft, deren wir uns für einige Zeit erfreuten, gestört und bedarf der Erneuerung. Am Neumond war es nötig, besondere Opfer darzubringen (4. Mo 28, 11–15; Esra 3, 5); dies zeigt uns ganz besonders, wie der Herr und sein Werk uns aufs neue beschäftigen muss, damit die Gemeinschaft wiederhergestellt wird: der Neumond geht in den Vollmond über.
Und wenn wir jede Woche unsere Herzen durch Gebet auf den Tag des Herrn vorbereitet haben, wenn jeder in der örtlichen Versammlung es tut, würde dies nicht vermehrtes Lob in der Anbetungsstunde und vermehrten Segen bei der Wortverkündigung zur Folge haben?
Wann beten? – Unablässig – zu aller Zeit – in allen Dingen – an jedem Ort – in jedem Lebensabschnitt.
Herr, lehre uns beten!