Jakob - Gott kommt zum Ziel
Der Bund zwischen Laban und Jakob (1. Mo 31,22–54)
Jakob war auf der Flucht. Schon bald verfolgte ihn Laban in hitziger Eile und keinesfalls mit freundlicher Absicht. Am Ende musste er sich aber der Tatsache beugen, dass der treue und gnädige HERR Jakob beschützte.
„Und Gott kam zu Laban, dem Aramäer, in einem Traum der Nacht und sprach zu ihm: Hüte dich, dass du mit Jakob weder Gutes noch Böses redest! … Und Laban sprach zu Jakob: Was hast du getan, dass du mich hintergangen und meine Töchter wie Kriegsgefangene weggeführt hast? Warum bist du heimlich geflohen und hast mich hintergangen und hast es mir nicht mitgeteilt – ich hätte dich ja begleitet mit Freude und mit Gesängen, mit Tamburin und mit Laute – und hast mir nicht erlaubt, meine Söhne und meine Töchter zu küssen? Nun, du hast töricht gehandelt. Es wäre in der Macht meiner Hand, euch Böses zu tun. … Und warum hast du meine Götter gestohlen?“ (V. 24–30).
Der Charakter der beiden Männer tritt so deutlich hervor, dass es kaum weiterer Erklärungen bedarf. Hier wird alles ins Licht gestellt. Laban erbrachte den klaren Beweis, wie selbstsüchtig und unehrlich er war. Er und seine Söhne ließen deutlich erkennen, wie sie sich über Jakobs Aufstieg ärgerten, während ihr Besitz sich verringert hatte. Jakob war nicht verpflichtet gewesen zu bleiben. Er hatte auf eine Weisung von Gott gewartet, und der HERR hatte sie ihm gegeben. Seine Frauen waren mit ihm einer Meinung. Deshalb hatte er die erste Gelegenheit ergriffen, um sich davonzumachen, während Laban seine Schafe schor.
Als nun Laban ihn mit seinen Brüdern auf dem Gebirge Gilead einholte, welchen rechtmäßigen Einwand gegen die Flucht hätte er erheben können? Zweifellos hatte die Warnung, die Gott ihm im Traum zukommen ließ, sein schuldbeladenes Gewissen beunruhigt. Aber Laban besaß keine wahre Gottesfurcht. Er hatte auch kein Gefühl für seine Ungerechtigkeit, die selbst dann vorgelegen hätte, wenn Jakob nicht sein Neffe, sondern nur ein treuer Knecht gewesen wäre. Welch ein Gegensatz zu der Situation, als Rebekka damals dasselbe Haus verließ! Das war sicher auch nicht mit Jubel und Gesang, mit Tamburin und Laute geschehen, aber doch begleitet von Liebe, Würde, Gottesfurcht und der Gewissheit von Gottes Segen – der nun weitgehend aus diesem Haus gewichen war.
Wenn Laban sich beklagte, beraubt worden zu sein, dann ging es ihm offenbar vor allem um seine Götzen. Neben seinem Wohlstand lagen ihm diese sehr am Herzen. Und dabei schämte er sich nicht einmal für seinen heidnischen Kult! Wo ein solcher Zustand vorliegt, hat Satan bereits sein finsteres und tödliches Werk begonnen.
„Da antwortete Jakob und sprach zu Laban: … Bei wem du deine Götter findest, der soll nicht leben. Erforsche vor unseren Brüdern, was bei mir ist, und nimm es dir. Jakob aber wusste nicht, dass Rahel sie gestohlen hatte. Und Laban … kam in das Zelt Rahels. Rahel aber hatte die Teraphim genommen und sie in den Kamelsattel gelegt und sich darauf gesetzt. Und Laban durchtastete das ganze Zelt und fand nichts. Und sie sprach zu ihrem Vater: Mein Herr möge nicht zürnen, dass ich nicht vor dir aufstehen kann; denn es ergeht mir nach der Weise der Frauen. Und er durchsuchte alles und fand die Teraphim nicht. Da wurde Jakob zornig und stritt mit Laban“ (V. 31–36).
Jakob wusste nichts davon, dass Rahel – zu ihrer eigenen Schande! – tatsächlich Labans Teraphim gestohlen hatte. Auch in seinem Haus fehlte es offenbar an Gottesfurcht. Sonst hätte Rahel den Götzendienst, egal in welcher Form, gehasst. Vielmehr hatte sie schon bei früherer Gelegenheit einen niedrigen, verwerflichen Aberglauben bewiesen (vgl. 1. Mo 30,14). Das ist oft eine Vorstufe zum Götzendienst. Aber Jakob hegte keinerlei Verdacht, dass die geliebte Frau doch schuldig war. Sonst hätte er nicht leichthin vorgeschlagen, dass der Dieb getötet werden sollte. Und sie, die meinte, Gott täuschen zu können, hatte keine Bedenken, ihren Vater nicht nur zu berauben, sondern jetzt auch noch zu belügen.
Jakob, der das nicht wusste, gerät daraufhin in einen für ihn ungewöhnlichen Zorn. Er stellt Labans Habgier und eklatante Ungerechtigkeit schonungslos ans Licht – von seinem Mangel an Liebe ganz zu schweigen. „Zwanzig Jahre bin ich nun in deinem Haus gewesen; ich habe dir vierzehn Jahre gedient für deine beiden Töchter und sechs Jahre für deine Herde, und du hast meinen Lohn zehnmal verändert. Wenn nicht der Gott meines Vaters, der Gott Abrahams, und die Furcht Isaaks, für mich gewesen wäre, gewiss würdest du mich jetzt leer entlassen haben“ (V. 41.42). Laban kann nichts darauf erwidern, als nur, dass alles, die Töchter, Kinder und Herden, ihm gehöre. Kein Gedanke an Gott, keine Liebe zu seinen Töchtern, Kindern oder zu seinem Schwiegersohn. Aber er versucht, der Sache ein gutes Gesicht zu geben, und fordert einen Bund zwischen sich und Jakob. Dieser überlässt ihm und seinen elenden Gedanken und Ängsten die Aufstellung der Konditionen, bestätigt dann aber den Bund in feierlicher Weise und legt einen passenden Namen für den Ort fest. Zusätzlich schwört er bei der Furcht Isaaks und opfert ein Schlachtopfer, das sie dann miteinander essen.
Für das Auge des Glaubens bietet diese Begebenheit ein trauriges Schauspiel: Wohl wurden Jakob und sein Haus durch Gottes mächtige Hand und Güte gerettet, aber inmitten dieser auserwählten Familie fanden sich Götzenbilder! Die Frau hatte sie gestohlen, und der Mann wusste es nicht! – Laban empfing Vergeltung für seine Bosheit, und Gott hinderte ihn daran, sich seinerseits dafür zu rächen. Stattdessen bat er Jakob, in einen Bund mit ihm einzutreten. Denn da er kein Gottvertrauen besaß, hatte er sogar zu seinen nächsten Verwandten kein Vertrauen. Dann kehrte er „an seinen Ort“ zurück und wir hören nie wieder etwas von ihm. – Doch auch Jakob hatte manches zu lernen, wenn er sein altes, selbstsüchtiges Verhalten und seine Machenschaften der vergangenen Jahre vor dem HERRN abwog!