Jakob - Gott kommt zum Ziel
Jakob und Laban (1. Mo 30,25–43)
Wir brauchen uns nicht lange bei den Ereignissen aufzuhalten, die als nächstes vor unsere Blicke treten. Ebenso wie sich das Eheleben von Isaak und Rebekka deutlich von dem Jakobs mit seinen Frauen und deren Mägden unterscheidet, steht auch das Verhalten Abrams gegenüber seinem Neffen Lot in scharfem Kontrast zu dem Betragen Labans gegenüber seinem Neffen Jakob. Wir erleben jetzt eine noch trübere Atmosphäre als vorher, obwohl Jakob sich in der Hauptsache als ein treuer Knecht erweist, während Laban hinterlistig und selbstsüchtig ist. Aber Gott lässt sich nicht spotten – selbst dann nicht, wenn Er dem Bösen gestattet, sein dunkles Werk zu tun, bis das Gericht wieder für Gerechtigkeit sorgt.
Jakob war ein Mann des Glaubens, doch es mangelte ihm an geistlicher Gesinnung. Daher kam er unter die Züchtigung des Herrn, um mehr und bessere Früchte zu bringen. So wie er daheim betrogen hatte, musste er jetzt dasselbe erleiden, am meisten vonseiten des Bruders seiner Mutter. Seine Geduld, mit der er Labans hartherzige und ungerechte Behandlung ertragen hatte, zeugte von seiner Ergebenheit unter die Wege Gottes. Jetzt konnte er es „ertragen“, langsam wieder emporgehoben zu werden. Der Wendepunkt war eingetreten, als er die göttliche Vergeltung für sein Tun empfangen hatte.
„Und es geschah, als Rahel Joseph geboren hatte, da sprach Jakob zu Laban: Entlass mich, dass ich an meinen Ort und in mein Land ziehe. … Und Laban sprach: Bestimme mir deinen Lohn, und ich will ihn geben. Da sprach er zu ihm: Du weißt ja, wie ich dir gedient habe und was dein Vieh bei mir geworden ist, … und nun, wann soll ich auch für mein Haus arbeiten? Und er sprach: Was soll ich dir geben? Und Jakob sprach: Du sollst mir gar nichts geben; wenn du mir dieses tust, so will ich wieder deine Herde weiden und hüten: … Jedes gesprenkelte und gefleckte Tier, und jedes dunkelfarbige Tier unter den Schafen, und das Gefleckte und Gesprenkelte unter den Ziegen; … das sei mein Lohn. … Und Laban sprach: Siehe, es geschehe nach deinem Wort! … Und Jakob nahm sich frische Stäbe von Weißpappel, Mandelbaum und Platane und schälte weiße Streifen daran. … Und die Herde wurde brünstig vor den Stäben, und die Herde warf Gestreifte, Gesprenkelte und Gefleckte. … Und es geschah, sooft das kräftige Vieh brünstig wurde, dass Jakob die Stäbe vor die Augen der Herde in die Tränkrinnen legte, damit sie bei den Stäben brünstig würden. Wenn aber das Vieh schwächlich war, legte er sie nicht hin. So wurden Laban die Schwächlichen zuteil und Jakob die Kräftigen. Und der Mann breitete sich sehr, sehr aus, und er bekam viele Herden und Mägde und Knechte und Kamele und Esel“ (V. 25–43).
Gott griff gnädig zugunsten seines benachteiligten Knechts ein. Aber können wir uns vorstellen, dass sein Vater oder sein Großvater zu solchen Hilfsmitteln gegriffen hätten, wie er es tat, um angemessenen Lohn für seinen lange und geduldig ausgeführten Dienst zu erlangen? Dennoch ließ sich Gott herab, Jakobs Strategie zum Erfolg zu führen, was ohne seine Macht wohl kaum gelungen wäre.
Das gierige Verlangen Labans, aus Jakobs eigenartigem Vorschlag Nutzen zu ziehen, führte dahin, dass er, der selbstsüchtige Dienstherr, verarmte, wogegen der lange betrogene Knecht wachsenden Wohlstand erlangte. Laban empfand weder Reue darüber, dass er seinen Neffen über Jahre hinweg ausgenutzt hatte, noch zeigte er die geringste Zuneigung für seine Töchter und deren Kinder. Daher war es nur gerecht, dass – so weit es eben ging – dieser Übeltäter Vergeltung empfing und der Betrogene entschädigt wurde.
Auch kann man kaum übersehen, wie außerordentlich angemessen dieses Handeln Gottes gegenüber Jakob war, denn er stellt mehr als jeder andere Patriarch das auserwählte Volk Gottes dar: Ihren nationalen Namen leiten sie von ihm ab; seine wiederholten Widerwärtigkeiten, Fehler und Demütigungen gleichen ihrer wechselvollen Geschichte; auch sie werden – wie Jakob – mit Gott und Menschen kämpfen und siegen (vgl. 1. Mo 32,29). Alles wird die göttliche Barmherzigkeit in ewigen Segen verwandeln, zu Ehren ihres lange verworfenen, dann aber geliebten und geschätzten Messias. In der Tat: Groß wird der „Tag von Jisreel“ sein (Hos 2,2). Aber es wird eine Größe sein, die der Gnade und Barmherzigkeit Gottes zu verdanken ist. Sie ist ein Verdienst dessen, der für sie, für uns und für viele andere starb, als sie sich auf die schlimmste Weise als seine erbittertsten Feinde erwiesen. So wird und soll sich vor Ihm kein Fleisch rühmen, „wer sich aber rühmt, der rühme sich des Herrn“ (2. Kor 10,17).