Skizzen aus dem prophetischen Wort
2. Leitregeln für die Auslegung
Es ist nötig, bei der Auslegung biblischer Prophetie einige wichtige Grundsätze zu beachten.
- Die Bibel ist ihr eigener Ausleger. Wohl ist es wahr, dass die Geschichte auf viele bedeutsame prophetische Aussprüche Licht wirft. Die Geschichte beweist, dass die Bibel wahr ist. Aber wir brauchen die Geschichte nicht, um das zu beweisen. Die Bibel ist das Wort Gottes. Sie ist das „Buch der Wahrheit“ (Daniel 10,21).
- Einen äußerst wichtigen Grundsatz finden wir in 2. Petrus 1,20: „Indem ihr dies zuerst wisset, dass keine Weissagung der Schrift von eigener Auslegung ist.“
Das bedeutet, dass keine Prophezeiung für sich allein dasteht. Jede Prophezeiung wird durch andere Schriftstellen untermauert, und es gibt niemand, der eine Antwort empfing, die anders war als die Antwort, die alle anderen empfingen. Es gibt keine kirchliche Gruppe, keine Sekte oder irgend etwas von der Art, die über eine solche Auslegung verfügen würde. Sie wird nicht für sich allein gegeben. Die gesamte Schrift stützt sich selbst, und jeder, der die Bibel studiert, weiß das. Deshalb sind ausreichende Bibelkenntnisse unerlässlich, damit jede Aussage, die prophetische Dinge angeht, im Licht anderer Schriftstellen überprüft werden kann. - Prophezeiungen des Alten Testaments betreffen irdische Ereignisse. Sie haben viel zu tun mit Reichen, Ländern, Nationen, Völkern; mit Personen wie Königen und Herrschern, mit klimatisch bedingten Erscheinungen wie Hungersnöten, Seuchen, Erdbeben usw. Wenn wir daher die alttestamentlichen Bücher lesen, dürfen wir deren Inhalte nie auf andere Bereiche anwenden, als worauf sie sich selbst beziehen. Wichtig ist dabei, dass die Nationen im Blickfeld der Prophetie immer solche sind, zu denen Israel Beziehungen hatte oder haben wird, sei es als Verbündete, Feinde oder Nachbarn. Das erklärt, warum nicht jede Nation in der Schrift erwähnt wird.
Wir mögen uns bisweilen wundern, dass Nationen wie Amerika, England und andere nicht das Anliegen des Heiligen Geistes zu sein scheinen, der vor langer Zeit jene Männer antrieb, die geschrieben haben. Dagegen nehmen Russland, China und andere deutlich einen wichtigen Platz ein. Das Neue Testament enthält ebenfalls Prophezeiungen, die die Erde angehen. In diesem Zusammenhang stehen viele Aussprüche des Herrn. Und viele Vorhersagen künftiger Ereignisse, die einen großen Teil der Offenbarung Jesu Christi, des letzten neutestamentlichen Buches, ausmachen, beziehen sich ausdrücklich auf Gebiete dieser Erde.
Dennoch enthält das Neue Testament größtenteils Verheißungen – im Unterschied zu Prophezeiungen. Wer an den Herrn Jesus glaubt, findet viele der „größten und kostbaren Verheißungen“ (2. Pet 1,4) und weiß, dass alle Verheißungen Gottes in Ihm Ja und in Ihm Amen sind, „Gott zur Herrlichkeit durch uns“ (2. Kor 1,20). Der Gläubige weiß, dass das Wohlgefallen des HERRN in Seiner Hand gedeihen wird (Jes 53,10). Jeder Vorsatz Gottes, ob durch Prophezeiung oder Verheißung enthüllt, wird in Christus erfüllt werden. Er hat die Antwort auf sie alle. - Alle prophetischen Schreiber des Alten Testaments waren Juden, und ihre Prophezeiungen, die vermittels des Heiligen Geistes gegeben wurden, befassen sich hauptsächlich mit den vorgenannten Nationen, die in der einen oder anderen Weise eine Beziehung zu Israel hatten.
- Prophezeiungen, die direkt die Versammlung Gottes betreffen, finden wir im Alten Testament nicht. In dieser Hinsicht sind die Überschriften in einigen älteren Bibeln irreführend. Sie entsprachen der Ansicht älterer Theologen, die offensichtlich den großen Plan und die Umrisse der Prophetie nicht erkannten, deren Thema das alte Bundesvolk Gottes war und seine gesegnete Sammlung in seinem alten Land.
Zwei Schlüssel
Es gibt hauptsächlich zwei Schlüssel für die prophetische Auslegung. Beide finden wir im Buch Daniel in den Kapiteln 2 und 7 sowie Kapitel 9. Der erste befasst sich mit den „Zeiten der Nationen“ (Lk 21,24). Kapitel 2 handelt von dem Bild, das der König Nebukadnezar in einem Traum sah, und stellt heraus, dass es vier Weltreiche geben würde, nur vier, und zwar bis zu der Zeit, wo Christus Sein Reich aufrichten wird. Es ist wichtig, das vor Augen zu haben. Diese Königreiche werden in den verschiedenen Metallen gesehen, die in den einzelnen Teilen des Bildes verwendet werden. Die Prophezeiung macht deutlich, dass das erste Königreich Babylon ist („Gold“, s. V. 38). Dann heißt es: „Nach dir wird ein anderes Königreich aufstehen, niedriger als du“; das ist Medo-Persien („Silber“). Danach ein „drittes Königreich, von Erz“ (V. 39). Das vierte sollte so stark wie Eisen sein, was sich ganz klar auf Rom bezieht, das auf Griechenland folgte. Die Prophezeiung schließt mit den Füßen und Zehen, die „teils von Töpferton und teils von Eisen“ sind. Die zehn Zehen bilden zehn mit dem vierten Königreich verbundene Könige ab. Auf sie würde ein Stein fallen, der „sich losriss ohne Hände“, und sie zermalmen (V. 34). Der Stein wurde „zu einem großen Berg und füllte die ganze Erde“ (V. 35). Das bedeutet ein Königreich, das „der Gott des Himmels“ aufrichtet (V. 44) und das klar auf das Reich unseres Herrn Jesus Christus hinweist.
In Kapitel 7 begegnen uns vier Tiere, die dieselben vier Königreiche repräsentieren. Es sind vier und nicht mehr, und so wissen wir, dass es eine Weltherrschaft durch eine andere Nation, außerhalb der genannten vier, niemals geben kann. Und am Schluss dieses Kapitels enthüllt die Prophezeiung ebenfalls das kommende Königreich, das einem „wie eines Menschen Sohn“ gegeben wird (V. 13. 14).