Aus dem Wort der Wahrheit (Band 5)
gesammelte Vorträge
Die Weisheit der Welt und die Weisheit Gottes
(1. Kor 2)
In 1. Korinther 1 finden wir die großen Grundprinzipien dieses Briefes. Dieses Kapitel endet mit den Worten: „Aus ihm aber seid ihr in Christus Jesus, der uns geworden ist Weisheit von Gott und Gerechtigkeit und Heiligkeit und Erlösung; damit, wie geschrieben steht:,Wer sich rühmt, der rühme sich des Herrn'“ (1. Kor 1,30.31). In dem Herrn Jesus haben wir alles, auch die Weisheit.
Hier im zweiten Kapitel dieses Briefes stellt der Geist Gottes uns noch einmal die Person des Herrn vor – in dem wir alles gefunden haben und in dem Gott selbst alles findet –, damit unser Herz nur von Ihm erfüllt ist. Wenn unsere Gedanken und unsere Herzen nur mit Ihm erfüllt sind, fehlt uns nichts. Viele Menschen behaupten zwar, dass dabei der Verstand zu kurz käme. In Wirklichkeit hat der Verstand, die menschliche Erkenntnis, erst dann das größte Ausmaß erreicht, das einem Menschen überhaupt möglich ist. Christus ist die Weisheit von Gott, die Quelle aller Weisheit. Wenn wir uns daher mit der Quelle der Weisheit beschäftigen, empfangen wir die größte Weisheit, die es geben kann. Das ist genau das Gegenteil von dem, was die Welt sagt, dass jemand, der sich mit dem Herrn Jesus und mit Dingen, die Ihn betreffen, beschäftigt, kurzsichtig, engstirnig und unterentwickelt sei.
Der Mensch hat seinen Verstand von Gott bekommen. Das steht in Verbindung mit dem Geist, von dem wir in Vers 11 dieses Kapitels lesen: „Denn wer von den Menschen weiß, was im Menschen ist, als nur der Geist des Menschen, der in ihm ist?“ Der große Unterschied zwischen dem Menschen und dem Tier besteht darin, dass Gott dem Menschen den Geist gegeben hat. In Hebräer 12,9 wird Gott der „Vater der Geister“ genannt. Nur durch den Geist, den der Mensch von Gott empfangen hat, ist er „Gottes Geschlecht“, wie Paulus es in Apostelgeschichte 17,29 ausdrückt. So heißt es auch in Lukas 3,38, dass Adam ein „Sohn Gottes“ war. Nicht Sohn Gottes oder Kind Gottes in dem Sinn, wie wir es heute sein dürfen, die wir durch den Herrn Jesus zu Gott gekommen sind. Aber Gott wird der „Vater aller“ (Eph 4,6) genannt, weil er uns in seinem Bild erschaffen hat. Darin unterscheidet sich der Mensch von den Tieren, die keinen Geist empfangen haben. Auch sie sind zwar lebendige Seelen, aber sie sind dies nicht dadurch geworden, dass Gott seinen Odem in ihre Nase eingehaucht hat, wie Er es bei Adam tat.
Das große Unterscheidungsmerkmal des Menschen ist also, dass er einen Geist hat, wodurch er bewusst und mit Einsicht handeln kann. Daraus folgt auch, dass die Art und Weise, wie Gott sich offenbart, nicht mit dem Verstand und den Eigenschaften, die Gott selbst gegeben hat, in Widerspruch stehen kann. Allgemein sagt der Mensch, dass man dann an etwas glauben muss, wenn der Verstand sagt, dass es sich um etwas Unmögliches handelt. Denn Dinge, die im Bereich des Möglichen liegen, können ja durch den Verstand erfasst werden. Nun, das steht im Widerspruch zur Schrift. Gottes Wort sagt nicht, dass wir etwas Unmögliches glauben sollen. Alles, was Gott tut, und alles, wovon Gott sagt, dass wir es glauben müssen, ist für den menschlichen Verstand erfassbar.
Doch nun folgen zwei ABER, die der natürliche Mensch dabei häufig übersieht: Der Zustand des Menschen und die Tatsache, dass er ein Geschöpf Gottes ist, der Gott von sich aus nicht erkennen kann. Zum einen ist der Mensch ein Sünder geworden, wodurch seine Verbindung zu der Quelle aller Weisheit unterbrochen und sein Verstand und seine Einsicht verfinstert wurden. Zum anderen ist er ein Mensch und nicht Gott. Gott würdigt ihn zwar nicht herab, wie der Mensch es selbst tut, indem er sagt, er stamme vom Affen ab und habe sich aus Tieren entwickelt. Nein, Gott hält den Adel des Menschen aufrecht. Er ist aus der Hand Gottes hervorgekommen. Er ist von Gott als ein besonderes Wesen erschaffen worden. Er ist das höchste Geschöpf auf der Erde. Er steht über allen Tieren. Kein einziges Tier hat Gemeinschaft mit dem Menschen. Gott hält an dieser Stellung fest, auch nachdem der Mensch gefallen und Gott gegenüber untreu geworden ist. Er berücksichtigt selbstverständlich, dass der Mensch gefallen ist. Wenn Er mit dem Menschen spricht – und Er tut das nicht über unser Verstehen hinaus –, dann berücksichtigt Er, dass der Mensch ein Sünder ist und einen verfinsterten Verstand hat, weil die Verbindung mit dem Schöpfer, der Quelle der Weisheit, unterbrochen ist.
Der zweite Punkt ist, wie gesagt, der, dass der Mensch ein Geschöpf ist und nicht Gott. Deshalb kann er die göttlichen Dinge nur dann kennen lernen, wenn Gott sie ihm offenbart. Der Mensch hat einen Verstand bekommen, mit dem er Dinge begreifen kann. Aber allein die Tatsache, dass er Mensch ist, macht klar, dass er Gott nicht verstehen kann, wenn Gott selbst sich ihm nicht offenbart, ihm erklärt, wer Er ist, und ihm seine Gedanken mitteilt. Sollte ein Geschöpf den Schöpfer verstehen können, wissen, wer der Schöpfer ist, was die Gedanken des Schöpfers sind, was der Schöpfer tut, wenn der Schöpfer es ihm nicht offenbart? Wäre der Mensch imstande, nur mit seinem eigenen Verstand zur Erkenntnis Gottes zu gelangen, dann müsste er selbst Gott sein.
Das sind die beiden Beschränkungen, die dem menschlichen Verstand gesetzt sind. Gott kennt und berücksichtigt sie. Er spricht mit ihm als mit einem Sünder und offenbart sich ihm als Gott. Nur durch Offenbarung kann der Mensch Gott kennen lernen. Daraus folgt aber auch, dass die Botschaft Gottes, obwohl sie nicht über unseren Verstand hinausgeht, doch nicht an den Verstand gerichtet ist. Sie teilt die Gedanken Gottes mit, und der Verstand hat die Aufgabe, das anzunehmen, was Gott sagt. Die Botschaft ist aber eigentlich an das Gewissen des Menschen gerichtet, um ihm bewusst zu machen, dass er ein verlorener Sünder ist, der das Gericht verdient hat. Sie will ihn dazu bringen, sich als Sünder zu erkennen und einzusehen, dass er Hilfe von außerhalb braucht. Sie will ihn dazu bringen, dass er die Hilfe annimmt, die ihm von Gott angeboten wird. Gott, der Schöpfer, ist der Einzige, der sie ihm geben kann. Nur Er, der Schöpfer, ist imstande, dem Menschen seine Gedanken mitzuteilen. Der Mensch kann nur dann die Dinge Gottes verstehen, wenn Gott sie ihm offenbart.
Als der Apostel zu den Korinthern kam, verkündigte er ihnen das Wort Gottes nicht in überredenden Worten der Weisheit. In seinem zweiten Brief an die Korinther kommt er darauf zurück, wenn er schreibt: „Wenn ich aber auch ein Unkundiger in der Rede bin“ (11,6). In dem Kapitel zuvor schreibt er davon, dass die Gegenwart des Leibes schwach und die Rede verächtlich sei (10,10). Denn der Apostel Paulus, der in der unmittelbaren Gegenwart Gottes gewesen war und von Gott besondere Offenbarungen empfangen hatte, war sich bewusst, was er in sich selbst war und was der Mensch von Natur ist. Er wusste also, dass ein Mensch nicht mit dem Verstand zu Gott finden kann, dass die Dinge Gottes nur von Gott offenbart werden können und dass nur die Kraft Gottes imstande ist, Herz und Gewissen des Menschen zu erreichen. Darum suchte er auch nicht mit menschlichen Hilfsmitteln, dem Evangelium Eingang zu verschaffen, sondern er vertraute sich der Quelle aller Kraft und aller Weisheit an, nämlich Gott dem Heiligen Geist, der in ihm wohnte und ihn im Namen des Herrn Jesus gebrauchen wollte.
Der Heilige Geist kannte den Zustand, in dem sich die Korinther vor ihrer Bekehrung befanden. Er wusste, in welcher Gegend sie wohnten: einer Gegend, die für ihre Philosophie bekannt war. Dort waren Menschen, die sich mit der Weisheit der Menschen beschäftigten. So kam Paulus in der festen Absicht zu ihnen, nichts unter ihnen „zu wissen, als nur Jesus Christus, und ihn als gekreuzigt“ (1. Kor 2,2). Hier steht nicht, dass er nichts unter ihnen wissen wollte als nur das Kreuz! So wird der Vers zwar oft gelesen, aber das ist nicht die Bedeutung. Natürlich ist das Kreuz etwas Besonderes: Der Sohn Gottes hat dort sein Leben gegeben, um Gott zu verherrlichen und Sünder zu erretten. Es gibt keinen größeren Ort als das Kreuz von Golgatha, und es gab keine bedeutendere Stunde als die, in der der Herr sein Leben gab und am Kreuz starb. Und doch ist nicht das Kreuz selbst der Gegenstand der Verkündigung des Paulus. Er wollte ihnen nicht das Kreuz bringen und das Werk am Kreuz, sondern die Person vor Augen malen, die ihm selbst und jedem, der Ihn angenommen hat, „Weisheit von Gott und Gerechtigkeit und Heiligkeit und Erlösung“ geworden ist (1. Kor 1,30).
Das Werk auf dem Kreuz ist deshalb so erhaben, weil Er, Jesus Christus, dort das Werk vollbracht hat. Es hat deshalb solch eine unendlich große Wirkung, weil diese Person es getan hat. Deshalb predigte Paulus die Person des Herrn Jesus. Er predigte Ihn als den Gekreuzigten. Er stellte Ihn vor ihre Blicke, weil Er allein imstande ist, Sünder zu erretten: „Kein anderer Name ist unter dem Himmel, der unter den Menschen gegeben ist, in dem wir errettet werden müssen“ (Apg 4,12). Diese Person war der Inhalt seiner Predigten. Das ist eine wichtige Belehrung für uns, wenn wir mit Ungläubigen sprechen. Die Person des Herrn Jesus ist das Zentrum des Evangeliums; natürlich auch das Werk, das am Kreuz geschehen ist, aber das doch deshalb, weil es sein Werk ist. Es ist seine Person, die vorgestellt wird. Wir finden in der Schrift, dass die Apostel nicht aufhören, „Jesus als den Christus zu verkündigen“ (Apg 5,42). Das ist der Inhalt des Evangeliums.
Nur dann, wenn wir uns in den Zustand der Korinther und in ihre Umstände hineinversetzen, sind wir in der Lage, diese Verse richtig zu verstehen. Wir sind an den Gedanken gewöhnt, von einem gekreuzigten Heiland errettet worden zu sein. Die meisten sind von Jugend an damit vertraut. Sogar die Menschen, die in unseren Ländern groß geworden und aus der Welt zum Glauben gekommen sind, haben doch in einem Land gelebt, in dem weitaus die meisten von diesem gekreuzigten Herrn gehört haben und wo Millionen von Menschen wissen, dass sie durch das Werk auf dem Kreuz errettet sind. Das Kreuz Christi ist in christlichen Ländern keine unbekannte Sache, selbst nicht für Ungläubige. Aber wenn wir in die Zeit und die Umstände zurückgehen, in der die Korinther zum Glauben kamen und in der dieser Brief geschrieben wurde, dann werden wir besser verstehen, was der Apostel Paulus damit sagen wollte, dass er nichts anderes unter ihnen wissen wollte als nur Jesus Christus, und Ihn als gekreuzigt.
In Korinth befand sich das Zentrum der griechischen Philosophie und Mythologie, die von Göttern und Halbgöttern berichtete, die große Taten vollbracht hatten. Noch heute sind die Namen und die Lehren der wichtigsten Vertreter der griechischen Philosophie allgemein bekannt, und sie bilden die Grundlage der philosophischen Systeme, die auch heute noch existieren. Sie stellten mit ihrem Intellekt philosophische Systeme auf und verankerten darin ihre Gedanken über den Ursprung der Welt, über den Menschen und das Zusammenleben der Menschen.
Jetzt kam da ein unbekannter Fremder und behauptete, dass all das, was sie als höchste Weisheit ansahen und was für den Verstand des natürlichen Menschen tatsächlich das Höchste ist, Torheit sei. Und dieser Mann sprach von jemandem, der in einem fremden Land gelebt hatte und dort jung gestorben war. Und wie war Er gestorben! An einem Kreuz! Nur Sklaven wurden gekreuzigt. Ein Römer durfte nicht gekreuzigt werden. Der Kreuzestod war der verächtlichste Tod! Und dieser Fremde sagte jetzt, dass nur der Glaube an diesen Gekreuzigten, der schmählich als Verbrecher zu Tode gebracht worden war, erretten konnte. Dieser Gekreuzigte sollte auch noch die Quelle aller Weisheit sein, durch den man allein Kenntnis empfangen konnte. Zudem wurde all das auch noch auf eine völlig andere Weise verkündigt, als die Philosophen bis dahin gewöhnlich ihre Gedanken ausdrückten: nicht in schönen Worten, in ausgeschmückten Sätzen, in formvollendeten Reden, sondern in schwachen Worten. Außerdem war die Person, die diese Botschaft brachte, keine beeindruckende Persönlichkeit. Paulus war wohl ein Mann kleiner Statur – vielleicht anderthalb Meter groß –, möglicherweise eher unansehnlich, wie wir dem zweiten Korintherbrief und dem Galaterbrief entnehmen können. Er erzählte diesen Menschen nun in einer für sie wenig ansprechenden Weise, dass sie alle gerettet werden könnten, weil da in Jerusalem ein Mann den ehrlosen Sklaventod gestorben war! Welch eine Torheit war das für die Griechen!
Außerdem sagte Paulus, dass dieser Mann aus den Toten auferstanden ist – obwohl doch die griechische Philosophie lehrte, dass der Leib völlig wertlos, ja, sogar ein Gefängnis sei, in das der Geist eingesperrt ist und aus dem er befreit wird, wenn der Leib stirbt. So kann man verstehen, warum die Männer von Athen zu lachen und zu spotten anfingen, als Paulus über die Toten-Auferstehung sprach (Apg 17,32). Das konnten sie überhaupt nicht begreifen.
Die Botschaft vom Kreuz, um darauf zurückzukommen, ist für den menschlichen Verstand wirklich eine Torheit (vgl. 2,14). Trotzdem hatte der Apostel Paulus damals, als er zu diesen Menschen kam, sich vorgenommen, nichts anderes unter ihnen zu wissen als Jesus Christus, und Ihn als gekreuzigt. Es geht nicht um das Werk am Kreuz als solches, wie ich schon gesagt habe. Es geht um den Herrn Jesus, der den niedrigsten und verächtlichsten Platz eingenommen hat. Paulus spricht hier nicht über Ihn als denjenigen, der zur Rechten des Vaters sitzt, auch nicht über Ihn als denjenigen, der bald mit den Wolken des Himmels kommen wird (Mk 14,62). Die Lehre von der Person des Herrn Jesus beinhaltet auch diese Wahrheiten. Diese Lehre, wie sie uns das Neue Testament darlegt, spricht nicht nur von seinem Kreuz, sondern auch von seiner ewigen Herrlichkeit und ebenso von seiner moralischen Herrlichkeit als Mensch hier auf der Erde. Es spricht von seinem Kreuz und seinem Werk auf der Erde, aber auch von Ihm, wie Er nun im Himmel zur Rechten des Vaters sitzt und wie Er bald mit den Wolken des Himmels zurückkommen wird, um zu herrschen – wenn Gott seine Feinde zum Schemel seiner Füße legen wird (Ps 110,1). Doch Paulus wusste, was er den Korinthern besonders vorstellen musste, was ihrem Zustand entsprach.
Und er kam nicht in überredenden Worten der Weisheit zu ihnen, um ihnen das Zeugnis Gottes zu verkündigen: „Denn ich hielt nicht dafür, etwas unter euch zu wissen, als nur Jesus Christus, und ihn als gekreuzigt. Und ich war bei euch in Schwachheit und in Furcht und in vielem Zittern; und meine Rede und meine Predigt war nicht in überredenden Worten der Weisheit, sondern in Erweisung des Geistes und der Kraft, damit euer Glaube nicht beruhe auf Menschenweisheit, sondern auf Gottes Kraft“ (1. Kor 2,2-5).
Es ist sehr wichtig für uns zu verstehen, was die Kraft des Evangeliums ist, wenn wir mit anderen sprechen wollen. Der Mensch wird nicht durch seinen Verstand errettet. Er wird nicht dadurch errettet, dass er verstandesmäßig überzeugt wird, wer Gott ist und wer der Herr Jesus ist. Der Teufel weiß sehr gut, wer der Herr Jesus ist! Er zweifelt nicht daran, dass Er der Sohn Gottes ist, der wahrhaftig Mensch geworden ist. Er weiß, dass Er auf dem Kreuz von Golgatha für Sünder gestorben ist. Er weiß auch, dass jeder, der den Herrn Jesus annimmt, errettet wird. Er weiß sogar, dass der Herr Jesus bald wiederkommen wird, um die Lebenden und die Toten zu richten (2. Tim 4,1). Er weiß, dass die Bibel das Wort Gottes ist, Wort für Wort vom Heiligen Geist inspiriert. Er zweifelt keinen Augenblick daran, weil er weiß, dass es so ist. Dennoch wird der Teufel nicht gerettet.
Und kein Mensch wird durch das bloße Wissen der Heilswahrheiten gerettet. Sein Gewissen muss in das Licht Gottes kommen, damit er sich dort als verlorener Sünder vor Gott erkennt, seine Sünde und Schuld vor Ihm bekennt und dann den Herrn Jesus als seinen Retter und seinen Herrn annimmt, als denjenigen, durch den er allein gerettet werden kann. Das ist der errettende Glaube. Es geht darum, den Herrn Jesus anzunehmen, nicht mit dem Verstand, sondern mit dem Gewissen und mit dem Herzen. Mit dem Gewissen, das einsieht, dass man ein verlorener Sünder ist und einen Retter braucht; mit dem Herzen, das durch das Wirken des Heiligen Geistes darauf vertraut, dass der Herr Jesus Sünder errettet.
Deshalb ist es so wichtig, dass wir nicht versuchen, den Verstand eines Menschen von der Wahrheit des Wortes Gottes zu überzeugen, nicht einmal davon, dass er ein Sünder ist oder dass der Herr Jesus der Sohn Gottes ist. Nein, wir müssen danach trachten, sein Gewissen in das Licht Gottes zu bringen, damit er sich selbst darin als Sünder erkennt. Denn wenn er das sieht, nimmt er den Herrn Jesus an, wie Er ihm vorgestellt wird.
Wer anders sollte wissen, was ein Mensch in einem bestimmten Augenblick braucht, als Gott, der das Herz des Menschen von Grund auf kennt? Er durchdringt Seele und Geist bis zur Scheidung (vgl. Heb 4,12.13), bis zur Scheidung des natürlichen Lebens und dessen, was mit dem Geist – dem Verstand und der Erkenntnis – in Verbindung steht. Deshalb hat der Apostel Paulus auch gar nicht erst versucht, die Korinther durch ausformulierte Reden mit logisch durchdachtem Aufbau zu überzeugen. Er war sich völlig bewusst, dass er die Menschen nicht überzeugen und ihr Gewissen nicht in das Licht Gottes bringen konnte. Er war sich völlig bewusst, dass er den jeweiligen Zustand der Menschen nicht kannte, wie auch ein Mensch letztlich sich selbst nicht kennt und nicht weiß, wonach er verlangt. Deshalb ließ sich Paulus von dem Geist Gottes leiten und gebrauchen, damit er auf diese Weise dessen Werkzeug werden konnte. Der Geist Gottes ist es, der allein weiß, was jeder einzelne Mensch in einem bestimmten Augenblick braucht. Das berücksichtigte der Apostel Paulus, damit der Glaube der Korinther nicht auf Menschenweisheit beruhte, sondern auf Gottes Kraft (V. 5).
Das „Geheimnis“ seiner Verkündigung lag darin, dass er den Geist Gottes wirken ließ, der in allen Umständen weiß, was das Gewissen eines bestimmten Menschen in einem bestimmten Augenblick braucht. Wenn der Geist Gottes durch einen Menschen wirken kann, wird das gesegnete Folgen haben, auch wenn jemand einfache Worte spricht und keine flüssige Rede hält, weil es genau das ist, was die Menschen in diesem Augenblick benötigen.
Der Apostel Paulus wollte ihnen also nur Jesus Christus, und Ihn als gekreuzigt, bringen, weil ihr Zustand das erforderte. In ihren eigenen Augen standen sie mit ihrer menschlichen Weisheit so hoch, dass ihnen erst bewusst werden musste, dass sie Sünder waren, deren Rettung nur außerhalb ihrer selbst bewirkt werden konnte. Sie mussten erkennen, dass kein Mensch durch etwas errettet werden kann, das er selbst besitzt oder das er sich mit verstandesmäßiger Anstrengung oder durch gedankliche Höhenflüge erwirbt, sondern nur durch etwas, das völlig außerhalb seiner selbst steht und sich in völligem Widerspruch zu den Gedanken des natürlichen Menschen befindet. Sie mussten sich bewusst werden, dass sie von keinem starken Helden gerettet werden konnten, von keinem der Halbgötter, die sie aus der griechischen Mythologie kannten, sondern nur von dem Gekreuzigten, der wie ein Verbrecher gestorben war. Sie brauchten etwas, das in völligem Widerspruch zu allem Ehrgefühl des natürlichen Menschen und allen Lehrsätzen der Weisheit des natürlichen Menschen stand.
Das heißt aber nicht, dass das Christentum keine Weisheit kennen würde! Ich habe vorhin darauf hingewiesen, dass in Kapitel 1 steht, dass der Herr Jesus „Weisheit von Gott“ ist (V. 30). Er ist die Quelle aller Weisheit. Er wird in Sprüche 8 die Weisheit genannt. In ihm sind verborgen alle Schätze der Weisheit, sagt Kolosser 2,3. Wenn also eine Predigt den Sohn Gottes zum Inhalt hat, dann hat diese Predigt die Quelle der Weisheit in sich. Das ist die wahre Weisheit!
So lesen wir hier weiter: „Wir reden aber Weisheit unter den Vollkommenen“ (V. 6). Das Wort „vollkommen“ hat in der Schrift häufig eine andere Bedeutung, als wir ihm gewöhnlich beimessen. Wir denken da normalerweise an Menschen, die fehlerlos sind. Das griechische Wort bedeutet aber etwas anderes. Es ist das Gegenteil von den „Unmündigen in Christus“, wie sie in Kapitel 3,1 genannt werden. „Vollkommen“ bedeutet „erwachsen“. Jemand, der seine volle Körpergröße erreicht hat, ist erwachsen und in diesem Sinn vollkommen. Wenn dieser Ausdruck nun auf Gläubige bezogen wird, dann bezeichnet er einen erwachsenen Christen, der seine Stellung als Christ kennt und darin lebt. Nun, die christliche Weisheit, die Weisheit des Evangeliums, die Weisheit der Gedanken Gottes, kann nur unter Vollkommenen geredet werden. In Vers 14 heißt es: „Der natürliche Mensch aber nimmt nicht an, was des Geistes Gottes ist, denn es ist ihm eine Torheit, und er kann es nicht erkennen, weil es geistlich beurteilt wird“. Daraus wird deutlich, dass wir uns über diese Dinge nicht mit Ungläubigen unterhalten können. Wie könnte ich mich beispielsweise mit jemandem über die Entrückung und die damit verbundene Herrlichkeit austauschen, wenn er fürchten müsste, dass das Kommen des Herrn sein Gericht bedeuten würde? Wie könnte ich mich mit jemandem darüber unterhalten, dass wir Kinder des Vaters sind, ja, dass wir „Abba, Vater!“ sagen können und Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn haben dürfen, wenn er nicht weiß, dass Gott sein Vater ist und er die Gemeinschaft nicht kennt, die ein Christ mit Gott haben kann? Wie könnte solch ein Mensch etwas davon verstehen, wenn jemand ihm erzählt, welches Glück, welche Freude und welcher Friede sein Herz erfüllt in der Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn? Wer diese Dinge erfahren hat, weiß, dass er sie nicht verstehen konnte, bevor er diese Erfahrung machte. Auch jetzt kann er es nicht wirklich erklären. Und doch werden die Andeutungen, die er darüber macht, von denen verstanden werden, die die Beziehung zu Gott kennen und genießen.
Wir können über die höchsten Dinge im Christentum, über die wirkliche Weisheit des Wortes Gottes, nur mit solchen sprechen, die sich ihrer Vorrechte bewusst sind und die dadurch in der Lage sind, sich ihrer zu erfreuen. Nun ist diese Weisheit keine „Weisheit dieses Zeitlaufs noch der Fürsten dieses Zeitlaufs“ (V. 6). Die Fürsten mögen nach menschlichen Maßstäben die größte Weisheit auf der Erde besitzen, doch ihre Weisheit wird, wie sie selbst, vergehen. Das ist nicht die Weisheit, die von oben ist, die in dem Sohn Gottes gefunden wird. Gottes Weisheit ist ewig, unbegrenzt und endet niemals. Das ist eine völlig andere Weisheit! Es ist „Gottes Weisheit in einem Geheimnis, die verborgene, die Gott vor den Zeitaltern zu unserer Herrlichkeit zuvorbestimmt hat“ (V. 7). Es handelt sich um Dinge, die früher noch nicht offenbart waren und die Menschen nicht kennen konnten, weil sie im Herzen Gottes verborgen waren. In Epheser 1,10 finden wir beispielsweise eins dieser Geheimnisse: Gott hat vor Grundlegung der Welt in seinem Herzen beschlossen, alles, was in den Himmeln und auf der Erde ist, unter ein Haupt, Christus, zusammenzubringen; außerdem sollten wir in Christus Miterben sein.
Nun, es wird für jeden klar sein, dass kein Mensch das je hätte wissen können, wenn Gott es nicht offenbart hätte. Wer von uns kann erzählen, was vor seiner Geburt geschehen ist, wenn er es nicht gehört oder gelesen hat? Wenn das schon auf die Ereignisse auf der Erde zutrifft, wie viel mehr dann, wenn es um die Pläne Gottes geht, die Er in der Ewigkeit vor der Erschaffung der Welt beschlossen hat! Nur durch Offenbarung kann der Mensch davon erfahren. Deshalb ist es eine Weisheit in einem Geheimnis, eine verborgene Weisheit, die Gott vor aller Zeit zu unserer Herrlichkeit beschlossen hat. Der Ratschluss Gottes in Bezug auf seine Kinder war in früheren Zeitaltern nicht bekannt, ist aber jetzt im Christentum offenbart worden, nachdem der Herr Jesus am Kreuz das Werk vollbracht hat und der Geist Gottes, der uns in die ganze Wahrheit leitet, auf die Erde gekommen ist.
Jetzt kann man über diese Weisheit sprechen, weil sie jetzt bekannt ist. Die Fürsten dieses Zeitlaufs kannten sie nicht. Hätten sie sie gekannt, so hätten sie den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt. Hätten die Fürsten dieser Welt gewusst, dass jede Segnung, die es für den Menschen überhaupt gibt und die ganze Zukunft jedes einzelnen Menschen von der Person des Herrn Jesus abhängt, so hätten sie Ihn, den Herrn der Herrlichkeit, nicht gekreuzigt. Sie haben Ihn nicht deshalb gekreuzigt, weil sie sahen, dass in Ihm alle Segnungen waren, sondern weil sie das dachten, was der Hohepriester aussprach: Es ist nützlich, „dass ein Mensch für das Volk sterbe und nicht die ganze Nation umkomme“ (Joh 11,50). Sie kannten das nicht, „was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz aufgekommen ist, was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben“ (V. 9).
Hier haben wir den eigentlichen Inhalt des Evangeliums in seiner umfassendsten Form vor uns: nicht nur die Erlösung des Sünders, sondern alles, was Gott dem Gläubigen gibt. Das sind Dinge, die nicht dem menschlichen Verstand entstammen, ja, die dem Menschen sogar unsichtbar sind. Kein Auge hat gesehen, kein Ohr hat gehört und in keines Menschen Herzen ist aufgekommen, was Gott denen bereitet hat, die Ihn lieben. So weissagte Jesaja (Kap. 64,4), und er sagte damit tatsächlich, dass niemand wissen kann, was Gott ihm wirklich für die Zukunft bereitet hat. Und in diesem Sinn wird unser Text in 1. Korinther 2 von Christen auch häufig zitiert und gesagt: „Wir können also nicht wissen, was wir empfangen werden.“ Doch der nächste Vers zeigt, dass wir jetzt in eine andere Stellung gelangt sind als Jesaja: „Uns aber hat Gott es offenbart durch seinen Geist“ (V. 10). Das „uns“ bezeichnet hier zwar nicht alle Christen, sondern die Apostel und in erster Linie Paulus – aber den Gläubigen sind die Offenbarungen durch die Apostel übermittelt worden.
In Kolosser 1,25 schreibt Paulus, dass er das Wort Gottes vollendet habe, das heißt, dass er die gesamten Gedanken Gottes nun bekannt machte, nachdem er sie selbst durch Offenbarungen erhalten hatte. Gott wollte uns in seiner unendlichen Gnade und Herablassung seine Gedanken mitteilen, und Er gebrauchte als Werkzeug diesen Apostel. Er machte ihn durch Offenbarung mit seinen Gedanken bekannt, mit all den Reichtümern, die Er nach dem Ratschluss seines Herzens für uns vorgesehen hatte und mit all den Segnungen, die uns zu geben Er in seinem Herzen beschlossen hatte, bevor wir geboren waren – ja, vor der Erschaffung Adams, sogar vor der Erschaffung des Weltalls, denn wir sind auserwählt vor Grundlegung der Welt (Eph 1,4). Diese Segnungen sollten unser Teil sein, wenn wir geboren und uns zu Ihm bekehrt haben würden. Die Fülle jener Segnungen hat Gott dem Apostel Paulus offenbart.
Wie hat Gott ihm das alles mitgeteilt? Paulus schreibt es hier: „Uns aber hat Gott es offenbart durch seinen Geist“ (V. 10). Gott der Heilige Geist wohnte in Paulus. Er wohnt auch in jeder anderen Person, die das Evangelium angenommen hat (vgl. Eph 1,13). Wenn der Geist Gottes einen Menschen zur Bekehrung bringt, bewirkt er zu derselben Zeit neues Leben in ihm, das den Charakter dessen trägt, der dieses Leben bewirkt: „Was aus dem Geist geboren ist, ist Geist“ (Joh 3,6). Danach nimmt Er in dem Gläubigen Wohnung. Dadurch entsteht, wie der Herr Jesus selbst sagte, in dem Gläubigen eine Quelle Wassers, das ins ewige Leben quillt (Joh 4,14). Der Heilige Geist wird dort zu einer Quelle der Kraft, die das neue Leben mit dem Herrn Jesus verbindet, der das ewige Leben und auch die Weisheit Gottes ist. So bringt der Heilige Geist eine lebendige Verbindung zwischen dem Gläubigen und der Weisheit selbst zustande. Auf diese Weise ermöglicht Gott es dem Menschen, seine Gedanken zu begreifen. Der Heilige Geist ist der Schlüssel dazu.
Der Heilige Geist, der in dem Apostel Paulus wohnte, gab ihm – der alle Gedanken unter den Gehorsam des Christus gefangen nahm (2. Kor 10,5) – Einsicht in die Gedanken Gottes und teilte ihm mit, was im Herzen Gottes war. Der Apostel Paulus erfüllte daraufhin seine Aufgabe nach dem Willen Gottes und teilte anderen diese herrlichen Dinge mit, inspiriert durch den Heiligen Geist. Denn so wunderbar die Gnade Gottes auch war, alles das einem Menschen zu offenbaren – was hätte es uns genützt, wenn Paulus alles gewusst hätte, aber es uns nicht hätte mitteilen können!
Doch hat er auch Offenbarungen empfangen, die er nicht weitergegeben hat. Im zweiten Brief an die Korinther berichtet er davon, dass er bis in den dritten Himmel, ins Paradies, entrückt wurde, wo er „unaussprechliche Worte hörte, die der Mensch nicht sagen darf“ (12,2ff.). Er hat da etwas gesehen und gehört, was er nie mitgeteilt hat. Er allein wusste um diese Dinge, sonst niemand. Gott wollte nicht, dass sie uns mitgeteilt würden. Was jedoch die allgemeinen Gedanken Gottes betrifft, was Gott für jeden Gläubigen bereitet hat, das will Gott auch uns mitteilen. Nachdem Er es zuerst einem einzelnen Menschen offenbart hatte, damit er es wissen und verstehen kann, gab Er ihm den Auftrag und die Fähigkeit, diese wunderbaren Dinge auch anderen mitzuteilen.
Paulus hatte es von dem Geist Gottes empfangen: „Denn der Geist erforscht alles, auch die Tiefen Gottes. Denn wer von den Menschen weiß, was im Menschen ist, als nur der Geist des Menschen, der in ihm ist? So weiß auch niemand, was in Gott ist, als nur der Geist Gottes“ (V. 10.11). Diese Verse leuchten einem völlig ein. Niemand kennt die Gedanken meines Herzens als nur ich selbst, mein Geist. So kennt auch niemand die Gedanken Gottes als nur Gott allein. Und nur Er, der die Gedanken Gottes kennt, kann sie auch anderen mitteilen.
„Denn der Geist erforscht alles, auch die Tiefen Gottes.“ Vielleicht fragt sich jemand, wieso der Geist alles erforscht, obwohl Er Gott selbst ist. Er weiß doch alles. Wenn Er Gott der Heilige Geist ist, Gott dem Vater und Gott dem Sohn gleich, hat Er dann nicht dasselbe Wissen wie der Vater und der Sohn? Diese Frage ist berechtigt. Nun, hier ist die Rede von dem Heiligen Geist als in Menschen wohnend. Er wohnte in dem Apostel Paulus und wohnt auch in mir und in jedem, der das Evangelium angenommen hat. Darum wird von Ihm gesagt, dass Er sich mit uns einsmacht. So heißt es in Römer 8,26: „Der Geist selbst verwendet sich für uns in unaussprechlichen Seufzern.“ Wir sehen also, dass Er sich mit uns einsmacht, so wie wir hier auf der Erde sind. Er macht sich eins mit uns in den Umständen, in denen wir uns befinden, eins mit uns in unseren Bedürfnissen. Er bittet für uns in unaussprechlichen Seufzern! So wird uns auch hier in 1. Korinther 2 der Geist vorgestellt, wie Er in uns wohnt, sich mit uns einsmacht und insofern alle Dinge erforscht. Weil Er der Geist Gottes ist, kann Er die Tiefen Gottes erforschen und dadurch alles mitteilen, was im Herzen Gottes ist.
In den Versen 12 und 13 sehen wir, auf welche Weise wir das Wort Gottes erhalten haben: „Wir aber haben nicht den Geist der Welt empfangen, sondern den Geist, der aus Gott ist, um die Dinge zu kennen, die uns von Gott geschenkt sind“. Und dann kommt das, worauf ich Nachdruck legen möchte: „Die wir auch verkündigen, nicht in Worten, gelehrt durch menschliche Weisheit, sondern in Worten, gelehrt durch den Geist, mitteilend geistliche Dinge durch geistliche Mittel.“ Es war also nicht der Weisheit des Apostels Paulus überlassen, wie er die Gedanken Gottes weitergeben sollte. Das, was der Apostel schrieb, geschah deshalb in Worten, die der Heilige Geist ihm auszudrücken gab. Er konnte weder die geistlichen Dinge – die der Ewigkeit und dem Himmel angehören – mit seinem Verstand ausdenken, noch teilte er sie mit Worten mit, die er sich selbst ausgedacht hat.