Ein Volk für seinen Namen (Apg. 18-20)

Auf der Rückreise nach Milet

Ein Volk für seinen Namen (Apg. 18-20)

Das neunzehnte Kapitel der Apostelgeschichte hatte den hingebungsvollen und anhaltenden Dienst des Apostels Paulus in Ephesus vor unsere Herzen gestellt. Eine reiche Ernte konnte damals eingefahren werden. Obwohl Gott in Seiner Vorsehung für lange Zeit ruhige Verhältnisse ohne Verfolgungen gewährte, machte sich der Widersacher schließlich auch hier auf, das so gesegnete Werk zu stören und, wenn möglich, zum Stillstand zu bringen. Er benutzte dazu einen von einem götzendienerischen Silberschmied angezettelten Volksauflauf, der allerdings von der Obrigkeit rasch aufgelöst wurde. Paulus und seinen beiden Reisegefährten geschah bei allem kein Leid. Ungestört konnten sie ihres Weges ziehen. Dennoch hielt Paulus jetzt die Zeit für gekommen, von den Freunden in Ephesus Abschied zu nehmen und weiterzureisen. Damit beginnt das zwanzigste Kapitel.

Über Mazedonien und Griechenland nach Troas

„Nachdem aber der Tumult aufgehört hatte, ließ Paulus die Jünger zu sich kommen und ermahnte sie, nahm Abschied und ging fort, um nach Mazedonien zu reisen. Als er aber jene Gegenden durchzogen und sie mit vielen Worten ermahnt hatte, kam er nach Griechenland. Und nachdem er sich drei Monate aufgehalten hatte und, als er nach Syrien abfahren wollte, von den Juden ein Anschlag gegen ihn geschehen war, wurde er des Sinnes, durch Mazedonien zurückzukehren. Es begleitete ihn aber [bis nach Asien] Sopater, der Sohn des Pyrrhus, ein Beröer; von den Thessalonichern aber Aristarchus und Sekundus, und Gajus von Derbe und Timotheus; aus Asien aber Tychikus und Trophimus. Diese aber gingen voraus und warteten auf uns in Troas; wir aber segelten nach den Tagen der ungesäuerten Brote von Philippi ab und kamen in fünf Tagen zu ihnen nach Troas, wo wir sieben Tage verweilten“ (Apg 20,1–6).

Nicht eher verließ Paulus Ephesus, als bis sich der Tumult gelegt hatte. In Ruhe und Frieden wollte er noch einmal mit den Jüngern dort zusammen sein. Und so ließ er sie zu sich kommen und ermahnte (oder ermunterte) sie. Wie nötig werden sie diesen Zuspruch gehabt haben, gerade jetzt, da der Apostel sie verlassen und sie ohne seine Hilfe in der dem Götzendienst so ergebenen Stadt zurückbleiben würden! Nach dem Abschiednehmen – wie schwer mag es Paulus gefallen sein! – ging er dann fort, um nach Mazedonien zu reisen.

Hier müssen wir uns in Erinnerung rufen, dass das eigentliche, endgültige Reiseziel des Apostels Jerusalem war (Kap. 19,21). Ihm lagen die dort in großer Armut lebenden Heiligen am Herzen, und er war sehr darum besorgt, dass durch Sammlungen von Christen aus den Nationen der Not abgeholfen würde (2. Kor 8; 9). Zuvor aber wollte er nach Mazedonien gehen und die Versammlungen trösten, die auf seinen früheren Reisen und Diensten in jenen Gegenden entstanden waren. „Mit vielen Worten ermahnte“ er sie, was uns aufs Neue daran erinnert, wie wichtig in Gottes Augen die Befestigung und Auferbauung derer ist, die Sein sind. Paulus jedenfalls vergaß über das Gewinnen von Seelen nicht die Beschäftigung mit den Gläubigen und ihre Förderung im Glauben. Wir sehen das hier in Mazedonien noch einmal so deutlich, wenn auch die Berichterstattung darüber in den knappsten Worten geschieht.

Diese Kompaktheit von Lukas ist wahrscheinlich auch der Grund dafür, dass er wohl den dreimonatigen Besuch des Apostels in Griechenland erwähnt, dann aber sogleich wieder auf dessen Reise nach Jerusalem über Mazedonien und Troas zurückkommt. Er übergeht dabei aber völlig, dass Paulus nicht lange Zeit zuvor schon einmal in Troas gewesen war. Der zweite Brief an die Korinther liefert uns die Erklärung des Sachverhalts und das fehlende Bindeglied. Hören wir die Worte des Apostels: „Als ich aber nach Troas kam für das Evangelium des Christus und mir eine Tür aufgetan wurde im Herrn, hatte ich keine Ruhe in meinem Geist, weil ich Titus, meinen Bruder, nicht fand, sondern ich nahm Abschied von ihnen und zog fort nach Mazedonien“ (2. Kor 2,12.13). Sein Aufenthalt in Troas war also äußerst kurz und ohne Ergebnisse, so dass es für Lukas kaum etwas zu berichten gab. So können wir verstehen, warum der Geschichtsschreiber von jeder Erwähnung dieses Besuchs in Troas absieht.

Nach dem dreimonatigen Aufenthalt in Griechenland, während dem Paulus auch den Römerbrief schrieb, wandten sich die Gedanken des Apostels wieder nach Jerusalem. Es gab zwei Reiserouten. Welche sollte er wählen? Die einfachere war die über das Meer nach Syrien, die zweite führte über Mazedonien. Ursprünglich wollte er die erste Route benutzen. Als er aber von einem Anschlag der Juden gegen ihn erfuhr, entschloss er sich, durch Mazedonien zurückzukehren. Denn auf einem der vielen Schiffe wäre es ein Leichtes gewesen, ihn auf irgendeine Weise unschädlich zu machen und ihn zu beseitigen. Die Entscheidung von Paulus zeigt uns einmal mehr, dass er nicht nur mutig, sondern auch besonnen war und sein Leben nicht leichtfertig aufs Spiel setzte. Er begab sich nicht unnötig in Gefahr. War es nicht von Gott, dass er von dem Anschlag der Juden erfahren hatte?

So kehrte Paulus auf dem Landweg zurück nach Philippi. Sieben Brüder begleiteten ihn. Als erstes wird Sopater (oder Sosipater) genannt. Er war von Beröa. Sein Name wird noch einmal in Römer 16, Vers 21, erwähnt. Aristarchus und Sekundus waren von der Versammlung in Thessalonich. Von Aristarchus hörten wir bereits in Kapitel 19, Vers 29 (siehe auch Kap. 27,2; Kol 4,10; Phlm 24). Sekundus erscheint nur hier. Gajus war von Derbe. Wörtlich heißt es: „Gajus, ein Derber“. Dieser Gajus wird nur hier genannt. Timotheus ist uns schon bestens bekannt. Er kam, wie wir gesehen haben, von Lystra (Kap. 16,1). Auch Tychikus und Trophimus aus Asien sind wohl bekannte Namen. Tychikus wird oft erwähnt. Paulus spricht in Liebe und Wertschätzung von ihm in Epheser 6, Vers 21, und Kolosser 4, Vers 7 (siehe auch 2. Tim 4,12; Tit 3,12). Trophimus kommt noch einmal vor uns in Jerusalem (Apg 21,29). Er war ein Epheser und wird ein letztes Mal in 2. Timotheus 4, Vers 20, genannt.

All diese Diener des Herrn waren geschätzte Mitarbeiter des Apostels Paulus. Sie sahen es als ein Vorrecht an, sich in ihrem Dienst so weit wie möglich diesem gesegneten Werkzeug anzuschließen und in Gemeinschaft mit ihm zu arbeiten. Zur Erfüllung bestimmter Aufgaben sandte Paulus sie an verschiedene Orte, wenn er durch andere Arbeit oder besondere Umstände daran gehindert war, selbst dorthin zu gehen. Andere Arbeiter wieder, wie zum Beispiel Apollos, dienten dem Herrn mehr in selbstständiger Weise und unabhängig von Paulus. Das beeinträchtigte jedoch in keiner Weise seine Liebe und sein Vertrauen zu ihnen.

Die sieben Mitarbeiter gingen nun voraus und warteten in Troas „auf uns“, wie der Chronist sich ausdrückt. Auf diese bescheidene Art und Weises machte er darauf aufmerksam, dass er sich in Philippi nun wieder dem Apostel Paulus anschloss, um ihn fortan zu begleiten. Wir hatten in Kapitel 16, Verse 10 bis 17, gesehen, wie sich Lukas mit dem „wir“ und dem „uns“ einführte, und dasselbe tut er nun hier. Damals war er offensichtlich in Philippi zurückgeblieben (Kap. 16,40), und jetzt treffen wir ihn wieder in dieser Stadt an. Wir können davon ausgehen, dass Lukas all die dazwischen liegenden Jahre (fünf oder sechs Jahre) im Wesentlichen dort im Dienst für den Herrn verbracht hat – ohne den Beistand von Paulus. Jetzt aber heißt es wieder „wir“: „Wir aber segelten nach den Tagen der ungesäuerten Brote von Philippi ab und kamen in fünf Tagen zu ihnen nach Troas, wo wir sieben Tage verweilten.“

Diese sieben Männer gingen also direkt nach Troas, so wollte es Paulus, und dort sollten sie auf ihn und Lukas warten. Wir wissen nicht, warum diese beiden für einige Tage allein in Philippi zurückblieben. Ebenso wenig erfahren wir den Grund dafür, dass ihre relativ kurze Seereise nach Troas ganze fünf Tage in Anspruch nahm. Jedenfalls trafen sie, als sie dort anlangten, ihre sieben Begleiter wohlauf an und verweilten mit ihnen sieben Tage in Troas.

Brotbrechen und Dienst des Wortes

Wie die Versammlung in Troas entstanden ist, wissen wir nicht. Aber sie bestand zu jener Zeit, und wir erleben im Folgenden – namentlich zu Anfang des neuen Abschnitts – ein Stück normalen „Versammlungslebens“, was uns zutiefst zu beglücken vermag.

„Am ersten Tag der Woche aber, als wir versammelt waren, um Brot zu brechen, unterredete sich Paulus mit ihnen, da er am folgenden Tag abreisen wollte; und er dehnte das Wort bis Mitternacht aus. Es waren aber viele Lampen in dem Obersaal, wo wir versammelt waren. Ein gewisser Jüngling aber, mit Namen Eutychus, saß im Fenster und wurde von tiefem Schlaf überwältigt, während Paulus noch weiterredete; und vom Schlaf überwältigt, fiel er vom dritten Stock hinunter und wurde tot aufgehoben. Paulus aber ging hinab und fiel auf ihn, umfasste ihn und sagte: Beunruhigt euch nicht, denn seine Seele ist in ihm. Als er aber hinaufgestiegen war und das Brot gebrochen und gegessen und lange bis zum Tagesanbruch geredet hatte, reiste er so ab. Sie brachten aber den Knaben lebend und wurden nicht wenig getröstet“ (Apg 20,7-–12).

Der Abschnitt eröffnet mit einer äußerst gewichtigen Feststellung: „Am ersten Tag der Woche aber, als wir versammelt waren, um Brot zu brechen …“ (Vers 7).

Hier haben wir die zweite historische Erwähnung des Brotbrechens in der Apostelgeschichte. Die erste hatten wir in Kapitel 2, Vers 46, vor uns. Da wir dort über die Hauptzüge dieser vom Herrn eingesetzten Einrichtung gesprochen haben (siehe „Ein Volk für Seinen Namen“, Teil 1 und 2, Seite 308 bis 312), mag es hier genügen, uns im Blick darauf auf jene Belehrungen zu beschränken, die im vorliegenden Abschnitt enthalten sind.

Es ist der Wille Gottes, dass das, was die Versammlung in Seinen Gedanken ist, schon auf der Erde einen sichtbaren Ausdruck finde. Wie aber kann man die Versammlung Gottes auf der Erde sehen, wie wird sie sichtbar? Dadurch, dass die Heiligen sich zu gewissen Zusammenkünften versammeln und es nach den Richtlinien tun, die Gott dafür niedergelegt hat. Im Ganzen zeigt uns das Neue Testament drei Zusammenkünfte, und nur diese drei, wo Gläubige „als Versammlung“ (1. Kor 11,18), das heißt in ihrem Charakter als Versammlung zum Namen des Herrn Jesus hin versammelt sind. Es sind dies: das Zusammenkommen zum Brotbrechen (Apg 2,42.46; 20,7), das Zusammenkommen zur Auferbauung (1. Kor 14) und das Zusammenkommen zum Gebet (Mt 18,19).

Das ist also das Erste, was wir hier lernen: dass sich die Gläubigen in Troas mit der ausdrücklichen und alleinigen Absicht versammelten, Brot zu brechen. Ganz sicher ist das Zusammenkommen zum Brotbrechen nicht die Gelegenheit, um Bitten vorzubringen, es sei denn die eine: „Komm, Herr Jesus“, denn wir brechen das Brot nur, „bis er kommt“. Auch Gebete für unsere Kranken und Schwachen, Bitten für die verlorene Welt, Flehen für unser eigenes Wachstum und dergleichen mehr haben dort keinen Platz. Wir können dafür jederzeit daheim und in den Zusammenkünften zum Gebet beten; aber dieser neue Dienst, das Brotbrechen, sollte durch Danksagung gekennzeichnet sein.

Das geht deutlich aus der Handlungsweise des Herrn bei der Einsetzung Seines Mahles hervor: Er nahm Brot und dankte. An anderer Stelle heißt es, dass Er segnete oder lobpries. Der Herr stand kurz vor Seinem Kreuzestod. Doch wie groß Sein Leiden auch sein würde – und wer wusste, was es für Ihn in sich barg, als nur Er selbst –, Er sieht den Ratschluss Gottes, sieht das vollbrachte Werk vor sich, das die Grundlage zur Erfüllung dieses Ratschlusses ist, Er überschaut die weit reichenden Ergebnisse Seines Todes, und Sein Herz fließt von Danksagung über. Wir stehen heute hinter dem vollbrachten Sühnungswerk Christi und sind selbst dessen Gegenstände, und was uns ansteht, ist Danksagung, Lobpreis, Anbetung. Sollte dies nicht unsere Antwort auf Sein Vermächtnis sein, das Er uns hinterlassen hat? „Dies tut zu meinem Gedächtnis!“ (Lk 22,19; 1. Kor 11,24) – das ist gleichsam Sein „Testament“ an uns, die Seinen.

Über einen zweiten Punkt gibt uns unser Vers aus Apostelgeschichte 20 Aufschluss, über die Frage nämlich, an welchem Tag und wie oft die Seinen das Brot brechen sollen. Zwar gibt uns die Schrift darüber keine spezielle Anweisung, aber wir wissen, dass die ersten Christen in Jerusalem täglich das Brot gebrochen haben (Kap. 2,46). Doch das scheint nur zu Anfang und in Jerusalem der Fall gewesen zu sein.

Später – in der Zeit von Apostelgeschichte 20 – hatten die Christen in Troas die Gewohnheit, an jedem ersten Tag der Woche, dem Auferstehungstag des Herrn, zum Brechen des Brotes zusammenzukommen. Dass das die Gepflogenheit der Christen zu jener Zeit war, wird noch durch einen besonderen Umstand erhärtet, der nicht unerwähnt bleiben soll. Es scheint nämlich, als habe Paulus die Heiligen in Troas nicht rechtzeitig zur Zeit des Brotbrechens erreicht; denn wir lesen, dass er mit seinen Begleitern sieben Tage dort verweilte. Dieses Verweilen ist umso bemerkenswerter, als er sich sehr gedrungen fühlte, nach Jerusalem zu kommen. Offenbar verweilte er in Troas deswegen so lange, um mit den Gläubigen dort am nächsten Tag des Herrn das Brot zu brechen. Aber nachdem er bis zum Anbruch des Tages geredet hatte, reiste er dann unverzüglich ab. Eine besondere Zusammenkunft zum Brechen des Brotes während der Woche wurde augenscheinlich nicht einberufen. Auch ordnete der Apostel betreffs der Sammlung für die Heiligen an, dass sie an „jedem ersten Wochentag“ bei sich zurücklegen sollten (1. Kor 16,1.2). Es spricht einiges dafür, dass das Zusammenlegen des Gesammelten in Verbindung mit dem Brotbrechen am ersten Tag der Woche geschah.

Das Brotbrechen ist eine stehende, beständige Einrichtung im Haus Gottes bis zur Wiederkunft des Herrn. Sie ist durch nichts zu ersetzen, durch keine Predigt und durch nichts sonst. Sie ist die wichtigste Sache für den Tag des Herrn.

Vom Brotbrechen zu unterscheiden ist der Dienst des Wortes. Die Gläubigen in Troas hatten sich versammelt, um Brot zu brechen. Aber dann sehen wir, wie der Apostel nach dem Brotbrechen sich mit ihnen unterredete und das Wort bis Mitternacht ausdehnte. Er war sich der Gefahren bewusst, die ihn in der Zukunft erwarteten (Kap. 20,23), und so war er umso mehr bemüht, in seinen Abschiedsworten den Jüngern so viel wie möglich die göttliche Wahrheit mitzuteilen. Was für ein hingebungsvoller Arbeiter!

Der Raum, in dem sie versammelt waren, muss von einiger Größe gewesen sein, denn viele Lampen (Fackeln) waren zu Beleuchtung des Obersaals nötig. Dass diese vielen Fackeln, neben den vielen Menschen, für zusätzliche Erhitzung des Raumes sorgten, ist gut vorstellbar. Eutychus, ein in einem Fenster sitzender Jüngling, wurde denn auch, während Paulus noch weiterredete, von tiefem Schlaf überwältigt und fiel vom dritten Stock hinunter. Er wurde „tot aufgehoben“, nicht „als oder wie tot“: Er war wirklich tot. Es war niemand anderes als Lukas, der geliebte Arzt, der dieses Urteil abgab.

Angesichts des ernsten Zwischenfalls unterbrach Paulus seine Rede, ging hinab, fiel auf ihn und umfasste ihn. Ähnlich hatte es einst der Prophet Elia getan, als er den Knaben der Witwe auferweckte. Doch damals hatte die Seele des Kindes den Körper bereits verlassen (1. Kön 17,21.22). Hier jedoch sagte Paulus, sie sollten sich nicht beunruhigen, denn die Seele sei noch in ihm. Es mussten nur die Bande zwischen Seele und Leib wiederhergestellt werden. Und das geschah durch den Apostel, geschah in der Kraft Gottes. So brachten die Brüder denn den Knaben lebend herzu, und das löste bei den Versammelten tiefe Freude aus: „Sie wurden nicht wenig getröstet.“

Da nun Eutychus neu zum Leben erweckt war, begab sich Paulus noch einmal hinauf in den Obersaal. Zunächst hatte er nach allem, was geschehen war, leibliche Stärkung nötig. Darauf weisen die Worte hin: „Als er … das Brot gebrochen und gegessen hatte.“ Es handelte sich hier nicht um das Brotbrechen als gemeinsame Handlung der Versammlung, sondern um eine persönliche Handlung des Apostels, um das normale Einnehmen einer Speise zu seiner eigenen Erfrischung. Das wird auch dadurch bestätigt, dass die wörtliche Übersetzung bei ›gegessen‹ ›geschmeckt‹ lautet: „Als er … geschmeckt hatte.“ Das deutet auf einen gewissen Genuss hin. Es ist bezeichnend, dass der Herr bei der Einsetzung Seines Mahls gerade dieses Wort vermied, sondern nur sagte: „Nehmt, esst“ (Mt 26,26).

Nach dem Brotbrechen redete Paulus noch lange bis zum Tagesanbruch. Sein Herz war voll des Trostes für seine Brüder; denn er wusste nicht, ob er sie noch einmal wiedersehen würde. Und so schied er von ihnen und hinterließ ihnen Eutychus lebend zu ihrer tiefen Freude.

Die Reise von Troas nach Milet

„Wir aber gingen voraus auf das Schiff und fuhren ab nach Assos, wo wir Paulus aufnehmen wollten; denn so hatte er es angeordnet, da er selbst zu Fuß gehen wollte. Als er aber in Assos mit uns zusammentraf, nahmen wir ihn auf und kamen nach Mitylene. Und als wir von dort abgesegelt waren, langten wir am folgenden Tag Chios gegenüber an. Am anderen Tag aber legten wir in Samos an, und [nachdem wir in Trogyllion geblieben waren,] kamen wir am folgenden Tag nach Milet; denn Paulus hatte sich entschlossen, an Ephesus vorbeizufahren, damit es ihm nicht widerfahre, in Asien Zeit zu verlieren; denn er eilte, um, wenn es ihm möglich wäre, am Pfingsttag in Jerusalem zu sein“ (Apg 20,13–16).

Die Beschreibung der nun folgenden Reise von Troas nach Milet beschränkt sich auf die Nennung der einzelnen Orte, die die Reisegesellschaft nacheinander anlief.

Zwei Bemerkungen erregen indes unsere Aufmerksamkeit. Da ist zum einen der Wunsch des Apostels, die erste Etappe bis Assos – eine Entfernung von gut 30 km – zu Fuß zurückzulegen, während die anderen mit dem Schiff fuhren.

Offensichtlich verlangte es Paulus danach, für einige Zeit allein zu sein, allein mit Gott. Wenn wir die ungeheure Arbeitslast bedenken, die dieser außergewöhnliche Knecht des Herrn zu bewältigen hatte, wird uns sein Wunsch umso mehr verständlich. So köstlich der Genuss der christlichen Gemeinschaft ist, so nötig ist auch zuweilen eine Zeit der Besinnung, der Stille, des Gebets, ja der Isolation. Paulus fühlte das und war deshalb bereit, für eine Zeit von seinen geliebten Mitarbeitern getrennt zu sein. Es ist auch für uns eine weise Sache, bei aller Aktivität für den Herrn, wenn Er sie denn schenkt, immer wieder mit Ihm allein zu sein, um über Ihn und Sein Werk nachzudenken und unsere Verantwortlichkeit tiefer zu empfinden.

Damit kommen wir zur zweiten Bemerkung in unserem Text. Die Reisegefährten des Apostels hatten ihn in Assos aufgenommen, das sie vor ihm erreicht hatten. Sie kamen dann über Mitylene, Chios, Samos und Trogyllion schließlich nach Milet. Und hier bemerkt der Schreiber, Lukas, dass Paulus sich entschlossen hatte, an Ephesus vorbeizufahren, da er andernfalls befürchtete, zu viel Zeit in Asien zu verlieren. Wenn irgend möglich wollte er doch am Pfingsttag in Jerusalem sein.

„An Ephesus vorbeizufahren“ muss dem Apostel nicht leicht gefallen sein. Wie lange hatte er dort gearbeitet, was für innige Bande verbanden ihn mit den Geliebten in dieser Stadt! Zu tief waren die Zuneigungen, zu zahlreich und köstlich die Beziehungen in Christus, als dass er es mit einem kurzen Besuch bei ihnen hätte bewenden lassen können. So entschloss er sich, an Ephesus vorbeizufahren und direkt nach Milet zu gehen.

Die Ansprache des Paulus an die Ältesten von Ephesus

„Von Milet aber sandte er nach Ephesus und ließ die Ältesten der Versammlung herüberrufen“ (Apg 20,17).

Am vierten Tag ihrer Abreise von Assos erreichten Paulus und seine acht Begleiter Milet. Von hier aus ließ Paulus die Ältesten der Versammlung in Ephesus herüberrufen. Es war ja nicht Mangel an Liebe gewesen, der ihn an Ephesus vorüberfahren ließ. Er empfand zutiefst, dass die Heiligen dort gerade in der jetzigen Situation Worte der Gnade, der Tröstung, der Warnung nötig hatten. Und wenn er nicht zu ihnen kommen konnte, so ließ er sie zu sich kommen, das heißt ihre Ältesten. Es war eine ungewöhnliche Vorgehensweise, doch eine sehr glückliche. Denn diese Ältesten hatten das Vertrauen der Versammlung und standen ihr in geistlicher Hinsicht vor. Sie waren in der Tat geeignete Werkzeuge zur Übermittlung dessen, was sie in Milet hörten und erlebten. Auch scheint aus dem weiteren Verlauf des Kapitels hervorzugehen, dass ihrer nicht wenige waren.

Über das Amt des Ältesten haben wir ausführlich gesprochen, als der 23. Vers von Kapitel 14 vor uns war. So mag hier der Hinweis genügen, dass die „Ältesten“ (gr. presbyteros) von Vers 17 unseres Kapitels die „Aufseher“ (gr. epískopos) von Vers 28 sind. Es handelt sich um dasselbe Amt, was immer die Christenheit daraus auch gemacht hat.

Die Rede des Apostels vor den Ältesten in Milet ist eine Abschiedsrede. Zwei weitere große Ansprachen aus seinem Mund sind uns bisher in unserem Buch übermittelt worden. Die erste richtete sich an die Juden in Antiochien in Pisidien (Kap. 13,16–41), die zweite an die Heiden in Athen (Kap. 18). Die dritte wird uns in unserem Kapitel gegeben, und sie richtete sich an die Versammlung. Diese dritte Rede, in der er von sich selbst und seinem Dienst spricht, ist zutiefst bewegend und zugleich von höchstem Interesse und größter Wichtigkeit.

Wir können die Ansprache des Apostels Paulus in vier Abschnitte unterteilen. Der erste macht uns mit dem Geist oder der Gesinnung vertraut, in der er dem Herrn gedient hatte (Verse 19–21). Der zweite bringt vorausschauend die Erwartung von Leiden vor uns und zurückblickend verschiedene Linien seines Dienstes (Verse 22–27). Der dritte Abschnitt enthält Ermahnungen und Warnungen an die Ältesten (Verse 28–31). Und viertens werden uns die abschließenden Worte des Apostels gegeben (Verse 32–35).

Paulus – seine Gesinnung und Treue im Dienst

„Als sie aber zu ihm gekommen waren, sprach er zu ihnen: Ihr wisst, wie ich vom ersten Tag an, als ich nach Asien kam, die ganze Zeit bei euch gewesen bin, dem Herrn dienend mit aller Demut und mit Tränen und Versuchungen, die mir durch die Anschläge der Juden widerfuhren; wie ich nichts zurückgehalten habe von dem, was nützlich ist, dass ich es euch nicht verkündigt und euch gelehrt hätte, öffentlich und in den Häusern, indem ich sowohl Juden als auch Griechen die Buße zu Gott und den Glauben an unseren Herrn Jesus [Christus] bezeugte“ (Verse 18–21).

Wenn der Apostel hier einiges über sich selbst und seinen Dienst sagt, so geschah das keineswegs, um sich zu rühmen. Nichts lag ihm ferner als dies. Ja, er nennt es Torheit, wenn er sich den Korinthern gegenüber genötigt sah, von seinen Mühen und Leiden zu sprechen (2. Kor 11).

Der Grund dafür, dass er hier und auch in seinen Briefen auf sich selbst Bezug nimmt, lag vielmehr darin, dass viele der Heiligen noch jung im Glauben waren und bislang nur wenig verstanden, was praktisches Christentum, was wirklicher Dienst für den Herrn ist. Bisher hatten sie nur finsterstes Heidentum gekannt. Jetzt aber brauchten sie Belehrung über den christlichen Weg, und dies nicht allein durch mündliche Unterweisung, sondern auch durch ein lebendiges, persönliches Beispiel. Wir müssen bedenken, dass die ersten Christen noch nicht das geschriebene Neue Testament in Händen hatten. So waren sie auf den mündlichen Dienst angewiesen und auch darauf, dass sie durch das praktische Beispiel und Vorbild ihres Lehrers die rechte „Auslegung“ von allem bekamen. Vom Heiligen Geist inspiriert, konnte der Apostel sagen: „Seid meine Nachahmer, wie auch ich Christi“ (1. Kor 11,1).

Als erstes kommt er auf seinen Dienst zu sprechen: „… dem Herrn dienend.“ Das hier benutzte griechische Wort für ›dienen‹ bedeutet ›als Sklave dienen‹. Paulus verstand sich als Sklave des Herrn. So hatte er sich immer gesehen. Völlig unterwarf er seinen Willen dem seines göttlichen Herrn und nahm alle Weisungen und Befehle von Ihm allein entgegen. Sein Dienst galt ausschließlich dem Herrn. ER war sowohl der Ausgangspunkt als auch der Zielpunkt seines Werkes. Wohl dem, der mit dem Apostel sagen kann: „… dem Herrn dienend.“

Aber dann folgen drei erläuternde Zusätze, die alle durch die eine, voranstehende Präposition (Verhältniswort) ›mit‹ zusammengebunden werden: „… mit aller Demut und (mit) Tränen und Versuchungen.“ Demut war der hervorstechende Charakterzug seines Dienstes für den Herrn. Gewiss, „von Herzen demütig“ war nur Einer, war nur der Herr Jesus (Mt 11,29). Dennoch fand sich auch bei Seinem hingebungsvollen Diener „alle Demut“. Die besondere Größe dieses Mannes lag in seiner Demut. Darin ist er ein nachahmungswürdiges Vorbild für alle Knechte des Herrn – damals wie heute. Wie leicht halten wir uns selbst etwas zugute, während doch alles der Gnade Dessen entspringt, dem wir dienen. Wie angemessen und unverzichtbar ist daher Demut als begleitendes Element unseres Dienstes!

Und dann erinnert Paulus an seine Tränen – Tränen, die sich mit seinem Dienst vermischten. Es mag uns überraschen, dass der Apostel geweint, wiederholt geweint hat. War er doch nichts weniger als ein weichlicher Mensch. Warum weinte er dann? Die Gründe dafür waren verschiedenartig.

Gegen Ende seiner Ansprache kommt er noch einmal auf seine Tränen zurück: „Darum wacht, und denkt daran, dass ich drei Jahre lang Nacht und Tag nicht aufgehört habe, einen jeden mit Tränen zu ermahnen“ (Vers 31). Hier waren seine Tränen der Ausdruck seiner ganzen Innigkeit und Ernsthaftigkeit, mit denen er die Jünger ermahnte – eingedenk der Gefahren, die ihnen drohten. Anders verhielt es sich in Korinth. Als er seinen geliebten Freunden dort seinen ersten Brief schrieb, geschah es ihres fleischlichen Zustands wegen aus vieler Bedrängnis und Herzensangst „mit vielen Tränen“ (2. Kor 2,4). Es war seine überreichliche Liebe zu ihnen, die ihn über sie weinen ließ.

Andererseits erfüllte es den Apostel mit Schmerz, wenn er sehen musste, wie viele sich von dem Herrn Jesus abwandten. Nur „mit Weinen“ konnte er von ihnen als von Feinden des Kreuzes des Christus sprechen (Phil 3,18). In gesteigertem Maß empfand er für seine Brüder und Verwandten dem Fleisch nach „große Traurigkeit“ und „und unaufhörlichen Schmerz“ in seinem Herzen (Röm 9,1–3), weil sie den Herrn, den Christus Gottes, verwarfen. So sehr liebte er sie, dass er gewünscht hatte, ihretwegen durch einen Fluch von dem Christus entfernt zu sein. Nicht, wenn er beleidigt oder gekränkt wurde, vergoss er je Tränen. Tränen entrangen sich seinem Herzen im Dienst für den Herrn nur dann, wenn er feststellen musste, wie die Menschen den Heiland der Sünder ablehnten und verwarfen. Dieser Art waren die Tränen des Herrn Jesus, als Er über die Stadt Jerusalem ihrer Verstocktheit wegen weinte (Lk 19,41).

Als drittes erwähnt Paulus die Versuchungen, die ihm durch die Anschläge der Juden widerfuhren und die ihm eine beständige Quelle der Not waren. Von Anbeginn seines Dienstes an, kaum dass er bekehrt war, „beratschlagten die Juden miteinander, ihn umzubringen“ (Apg 9,23). Und diese Anschläge und Verfolgungen durchziehen den ganzen Bericht des Lukas über den Dienst und das Leben des Apostels seit dessen Erfahrung in Damaskus.

Wie schmerzlich er die Nachstellungen empfand, mögen einige wenige Stellen aus seinen Briefen belegen. Die jungen Gläubigen in Thessalonich erinnert er daran, dass er und Silas in Philippi, ehe sie zu ihnen nach Thessalonich kamen, „gelitten“ hatten und „misshandelt“ worden waren (1. Thes 2,2). Ein wenig später in diesem Brief weist er darauf hin, dass die Juden „uns durch Verfolgung weggetrieben haben und Gott nicht gefallen und allen Menschen entgegen sind, indem sie uns wehren, zu den Nationen zu reden, damit sie errettet werden“ (Verse 15.16). Und wie ergreifend ist die Bitte an seine Brüder in Rom, mit ihm zu kämpfen in den Gebeten für ihn zu Gott, „damit ich vor den Ungläubigen in Judäa gerettet werde“ (Röm 15,30.31)!

Wenn es nun um seine Treue im Dienst für den Herrn ging, so konnte der Apostel die Ältesten daran erinnern, dass er nichts zurückgehalten hatte von dem, was nützlich ist, dass er es ihnen nicht verkündigt und sie gelehrt hätte, öffentlich und in den Häusern (Apg 20,20). Im Ganzen nennt er in den beiden Versen 20 und 21 drei Punkte, die Zeugnis von seiner Treue geben.

Der erste redet von der Weite seines Herzens und der Furchtlosigkeit, in der er nichts zurückgehalten hatte von dem, was nützlich ist, dass er es ihnen nicht verkündigt hätte. Das im Grundtext benutzte Wort für ›zurückhalten‹ bedeutet ›feige zurückweichen, sich scheuen vor, feige verschweigen, hinter dem Berg halten‹. Es kann ja gar leicht geschehen, dass man in der Verkündigung unangenehme Dinge zurückhält. Natürlicherweise schrecken wir zum Beispiel davor zurück, auf unbequeme Folgen des Ungehorsams hinzuweisen. Nicht so der Apostel. Sein alleiniger Beweggrund, seine feste Absicht war, nicht das Geringste von dem zu verschweigen, was seinen Zuhörern nützlich war. Nie suchte er, sich selbst zu schonen; nie war er auf seinen Ruf bedacht. War etwas von den Dingen Gottes für seine Zuhörer nützlich, so verkündigte er es ihnen und belehrte sie darüber. Das erste ist mehr ein Bekanntmachen, das zweite ist ausgesprochene Belehrung, ist Unterweisung über die inneren Zusammenhänge.

Ein zweiter Punkt gibt uns Aufschluss über die Art und Weise der Verkündigung und Belehrung durch Paulus: „… öffentlich und in den Häusern.“ Er beschränkte sich nicht auf das öffentliche Predigen, sondern er ging auch in die Häuser, um dort mit den Einzelnen zu sprechen. Gerade der Dienst in den Häusern ist von außerordentlicher Wichtigkeit, und nicht selten ist er auch erfolgreicher als das Reden in der Öffentlichkeit.

Als drittes weist der Apostel auf die Anfangselemente des Evangeliums und dessen Verkündigung durch ihn hin: „… indem ich sowohl Juden als auch Griechen die Buße zu Gott und den Glauben an unseren Herrn Jesus Christus bezeuge“ (Vers 21). Beachten wir zunächst die Reihenfolge in der Verkündigung, auf die wir schon so oft in unserem Buch gestoßen sind! Getreu dem Wort Gottes (Röm 1,16) und der Gewohnheit von Paulus richtete sich sein Zeugnis zuerst an die Juden und dann an die Griechen: „… sowohl Juden als auch Griechen.“

Wenn ein Mensch zu Gott kommen will, so ist das nur auf dem Weg der Buße und des Glaubens möglich. Das griechische Wort für ›Buße‹ bedeutet wörtlich ›der Sinn danach‹. Es handelt sich also um eine grundsätzliche Sinnesänderung und damit um eine Änderung des ganzen Lebens, nicht nur um ein Bedauern falscher Dinge, die man getan hat. Diese Sinnesänderung oder Buße geht mit einer Gott gemäßen Betrübnis einher, wie 2. Korinther 6, Vers 10, zeigt. Buße ist Selbstgericht vor Gott. Sie ist, um es zu wiederholen, mit tiefer Betrübnis der Seele verbunden und schließt sowohl ein Sich-Wegwenden von der Sünde als auch ein gläubiges Sich-Hinwenden zu Gott ein. Buße ist also nicht nur eine Gesinnungsänderung, sondern das Einnehmen der Seite Gottes gegen sich selbst, und das ist wahrlich keine leichte Sache.

Wie es keine echte Buße ohne Glauben gibt, so gibt es auch keinen Glauben ohne Buße. Die beiden gehen immer miteinander. Das wird auch dadurch unterstützt, dass im Grundtext vor ›Buße‹ und ›Glauben‹ ein gemeinsamer Artikel (Geschlechtswort) steht. Dadurch werden die beiden sittlichen Tugenden zu einer Einheit zusammengefasst: Die eine schließt die andere ein.

Doch wie werden sie bewirkt? Einzig und allein durch den Heiligen Geist, der das Wort Gottes vor die Seele stellt und sie mit der Heiligkeit und Liebe Gottes vertraut macht. So können wir zusammenfassend sagen: Buße und Glauben sind das Ergebnis der Offenbarung Gottes dem Menschen gegenüber. Dabei richtet sich die Buße an Gott, während sich der Glaube auf unseren Herrn Jesus Christus stützt, auf Seine Person und Sein Sühnungswerk. Wenn wahre Buße in der Gegenwart Gottes und in Anbetracht dessen getan wird, wer und was Er ist, so wird das Herz durch den Glauben an den Herrn Jesus Christus mit Frieden und Freude erfüllt.

Wunderbare Gnadenwege Gottes!

Leidenserwartung – verschiedene Linien des Dienstes

Nachdem der Redner von der Vergangenheit gesprochen hatte, wendet er sich jetzt der Gegenwart und der Zukunft zu.

„Und nun siehe, gebunden in meinem Geist gehe ich nach Jerusalem, ohne zu wissen, was mir dort begegnen wird, außer dass der Heilige Geist mir von Stadt zu Stadt bezeugt und sagt, dass Fesseln und Bedrängnisse mich erwarten. Aber ich nehme keine Rücksicht auf mein Leben als teuer für mich selbst, damit ich meinen Lauf vollende und den Dienst, den ich von dem Herrn Jesus empfangen habe, zu bezeugen das Evangelium der Gnade Gottes“ (Apg 20,22–24).

Die Ältesten wussten, dass der Apostel auf dem Weg nach Jerusalem war. Aber er lässt sie jetzt wissen, dass er diesen Weg als einer ging, der in seinem Geist gebunden war. ›Gebunden‹ ist ein Perfekt-Partizip mit der Bedeutung: Er war gebunden worden und war nun gebunden. Paulus betrachtete sich also als einen in seinem Geist Gebundenen. In seinem Inneren sah er sich gezwungen, seinen Weg weiter zu gehen, was immer der ihm auch bringen mochte. Das war nicht die Entscheidung seines eigenen Willens, die er zu jeder Zeit hätte ändern können. Nein, ›gebunden‹ weist auf eine höhere Instanz hin, die ihn bisher geführt hatte und ihn nun nötigte, nach Jerusalem zu gehen – eine Instanz, der er sein ganzes Leben unterstellt hatte.

Paulus bekennt, dass er nicht wusste, was ihm dort begegnen würde. Aber der Heilige Geist bezeugte ihm von Stadt zu Stadt, dass ihn Fesseln (Gefängnis) und Bedrängnisse (Druck von allen Seiten) erwarteten. So ging er mit offenen Augen den kommenden Nöten und Gefahren entgegen, wenn ihm auch deren Form im Einzelnen nicht bekannt war. Dass der Heilige Geist ihn derart vorher warnte, macht deutlich, dass Er ihn in Wahrheit „band“, nach Jerusalem zu gehen. Es war der göttliche Wille, dass er diese Dinge erdulden sollte. Und hatte ihm Sein Meister nicht gezeigt, dass in einer Welt der Sünde und des Elends zu leiden zur Verherrlichung Gottes dient? So konnte ihn die Aussicht auf Leiden und selbst auf den Tod nicht einen einzigen Augenblick wankend machen. Sein Herz war auf die Herrlichkeit Christi und auf den Willen Gottes gerichtet, und das gab ihm ein unerschütterliches Vertrauen in die göttlichen Führungen.

Tatsächlich war die Hand Gottes in allem. Denken wir nur einmal an die „Fesseln“ oder „Bande“, die der Apostel dann erlitt. Waren nicht gerade sie der Anlass für ihn, seine tiefgründigsten Briefe zu schreiben – Mitteilungen, die hellstes Licht über die himmlischen Dinge und Beziehungen verbreiten?

Wenn Paulus davon spricht, keine Rücksicht auf sein Leben als teuer für ihn selbst zu nehmen, so will er durchaus nicht ausdrücken, dass er kein Interesse am Leben habe, sondern dass der ihm vom Herrn übertragene Dienst jedes eigennützige Interesse, das er in diesem Leben haben könnte, beiseitesetzt. Was für eine äußerste Hingabe an den ihm anvertrauten Dienst und an Den, von dem er ihn empfangen hatte, wird hier sichtbar! Ja, er war bereit, seinen Lauf zu vollenden und damit auch den Dienst, den er vom Herrn Jesus bekommen hatte. Auf welche Weise das geschehen sollte, überließ er ganz und gar Seinem Meister.

Und worin hatte sein Dienst bestanden? Im Ganzen nennt er dafür drei Themen oder Schwerpunkte (Bereiche). Zunächst ging es darum, „zu bezeugen das Evangelium der Gnade Gottes“ (Vers 24). Kostbare Bezeichnung: „Evangelium der Gnade Gottes“! Dieses Evangelium, diese gute Botschaft war der Ausdruck der Gnade Gottes – einer Gnade, die den Sohn für Sünder dahingab und Ihn zur Rechtfertigung der Glaubenden aus den Toten auferweckte und Ihn zu Seiner Rechten setzte. In diesem Bezeugen des Evangeliums war das enthalten, wovon er vorher gesprochen hatte: zu bezeugen sowohl Juden als auch Griechen die Buße zu Gott und den Glauben an unseren Herrn Jesus Christus (Vers 21).

Zwei weitere Linien des Dienstes zeigen uns die beiden folgenden Verse:

„Und nun siehe, ich weiß, dass ihr alle, unter denen ich, das Reich predigend, umhergegangen bin, mein Angesicht nicht mehr sehen werdet. Deshalb bezeuge ich euch an dem heutigen Tag, dass ich rein bin von dem Blut aller; denn ich habe nicht zurückgehalten, euch den ganzen Ratschluss Gottes zu verkündigen“ (Verse 25.26).

Als nächstes hatte ihnen der Apostel – nicht „allen“, sondern „ihnen allen“, den Jüngern, – auch das Reich verkündigt (Vers 25). Das ist ein anderer Gedanke als das Evangelium, obwohl eng damit verbunden. In zweierlei Richtung haben Paulus und die anderen Apostel in der Apostelgeschichte von dem Reich gesprochen: von seinem gegenwärtigen und seinem zukünftigen Aspekt. Einerseits ist mit dem Reich der Bereich der Autorität Gottes gemeint, unter die der Gläubige schon heute durch die Annahme des Herrn Jesus gekommen ist. Diese Seite wird von vielen Kindern Gottes leider wenig verstanden, ja, oft ganz außer Acht gelassen. Andererseits wird einmal das Reich in Macht und Herrlichkeit aufgerichtet werden durch den verherrlichten Sohn des Menschen – durch Den, der sich einst bis zum Tod am Kreuz erniedrigt hatte. Wenn Christus in Seiner Herrlichkeit erscheint, wird das einen glorreichen Triumph der Gerechtigkeit Gottes darstellen. Dieser Aspekt des Reiches darf uns schon heute mit Trost und Freude erfüllen.

Als drittes hatte er ihnen auch „den ganzen Ratschluss Gottes“ verkündigt (Vers 27). Er hatte nicht „zurückgehalten“, das zu tun, wie sehr ihm das auch die Feindschaft der Juden eintrug. Der Ratschluss Gottes kann nicht von dem Evangelium der Gnade Gottes getrennt werden, geht aber weit darüber hinaus. Die folgende Passage aus dem Brief an die Epheser beschreibt uns mit göttlicher Präzision diesen Ratschluss. „… indem er uns kundgetan hat das Geheimnis seines Willens, nach seinem Wohlgefallen, das er sich vorgesetzt hat in sich selbst für die Verwaltung der Fülle der Zeiten: alles unter ein Haupt zusammenzubringen in dem Christus, das, was in den Himmeln, und das, was auf der Erde ist, in ihm, in dem wir auch ein Erbteil erlangt haben, die wir zuvorbestimmt nach dem Vorsatz dessen, der alles wirkt nach dem Rat seines Willens, damit wir zum Preis seiner Herrlichkeit seien“ (Kap. 1,9–12).

Die Überzeugung des Apostels, dass sie alle, unter denen er gedient hatte, sein Angesicht nicht mehr sehen würden, verleiht seinen Worten einen tiefen Ernst und eine rührende Innigkeit: Ein geistlicher Vater nimmt von seinen geistlichen Kindern Abschied.

Zudem sah er sich durch seine Verkündigung der Wahrheit frei von dem Blut aller in jener Gegend (vgl. Kap. 18,6). ›Blut‹ ist ein treffender, erschütternder Ausdruck für Schuld, auf die der Tod steht, hier der zweite Tod. Wenn einmal die Menschen auch aus jenen Gegenden vor dem weißen Thron stehen werden – nicht einer wird fähig sein, auf Paulus zu zeigen und zu behaupten, dass auf seiner Seite Schuld wäre. Paulus ist rein vor diesem schrecklichen Vorwurf. Redet dieser ernste Gedankengang nicht auch zu unserem Herzen und Gewissen?

Ermahnungen an Aufseher

„Habt Acht auf euch selbst und die ganze Herde, in der euch der Heilige Geist als Aufseher gesetzt hat, die Versammlung Gottes zu hüten, die er sich erworben hat durch das Blut seines Eigenen“ (Vers 28).

Erst nachdem der Apostel über sich selbst und seinen Dienst vor den Ältesten Rechenschaft abgelegt hatte, kommt er auf deren Dienst und Verantwortlichkeit zu sprechen. Es gab (und gibt) eine „Herde“, und auf sie musste Acht gegeben, ja, sie musste gehütet werden.

Zur Beschreibung der Versammlung Gottes benutzt Paulus hier also das liebliche Bild einer Herde. Auch der Herr Jesus gebrauchte es, wenn Er zum Beispiel von Sich als dem ›guten Hirten‹ sprach, der Sein Leben für die Schafe ließ (Joh 10,11). Er ist auch der ›Hirte und Aufseher‹ unserer Seelen (1. Pet 2,25) wie auch der ›Erzhirte‹ (1. Pet 5,4) und der ›große Hirte‹ der Schafe (Heb 13,20). In Lukas 12 bezeichnet der Herr Seine Jünger mit dem Ausdruck ›Herde‹, wenn Er so tröstend zu ihnen sagt: „Fürchte dich nicht, du kleine Herde, denn es hat eurem Vater wohlgefallen, euch das Reich zu geben“ (Vers 32). Schließlich wird auch in 1. Petrus 5 von einem Hüten der Herde Gottes gesprochen (Vers 2).

Ehe wir auf das Achthaben und Hüten näher eingehen, wollen wir einen Blick auf die Männer richten, denen diese Dienste anvertraut waren. Paulus spricht ja zu den Ältesten von Ephesus (Vers 17 in unserem Kapitel). Hier aber nennt er sie ›Aufseher‹. ›Älteste‹ und ›Aufseher‹ sind also dieselben Personen, und es handelt sich um dasselbe Amt. Wir sehen das auch im Brief an Titus. Nachdem Paulus seinem Mitarbeiter geboten hatte, in jeder Stadt Älteste anzustellen (Tit 1,5), nennt er ihm dann die erforderlichen Qualitäten des Aufsehers (Verse 7–9). Der Ausdruck ›Ältester‹ kennzeichnet mehr die Person, ›Aufseher‹ mehr die anvertraute Tätigkeit. Aber es handelt sich keineswegs um verschiedene Persönlichkeiten oder Ämter.

Nun haben wir schon in Verbindung mit Apostelgeschichte 14, Vers 23, ausführlich über das Amt des Ältesten und das, was damit zusammenhängt, gesprochen (siehe ›Ein Volk für Seinen Namen‹, Teil 7, Seite 58 bis 65). So mag es im Augenblick genügen, nur auf einige wenige Charakterzüge zurückzukommen, die für die Betrachtung unseres aktuellen Textes von besonderem Belang sind.

Die Ältesten hatten zwar – wie ausdrücklich gesagt wird – mit der ganzen Herde zu tun, aber das beschränkte sich dennoch auf den Ort oder auf die Versammlung, wo sie lebten. Der Aufgabenbereich der Ältesten ging nicht über die örtliche Versammlung hinaus, für die sie erwählt wurden. Der Älteste war nur Ältester in der örtlichen Versammlung, wo er diente. Das steht ganz im Gegensatz zu den Gaben, die weltweit dem ganzen Leib gegeben sind (Eph 4,8–12). Hier aber ist nicht von geistlichen Gnadengaben die Rede, sondern von dem Amt und der Aufgabe der Aufseher (oder Ältesten).

Was die Frage angeht, wer die Ältesten in ihr Amt einsetzte – nicht die Versammlung wählte, sondern die Apostel. Älteste wurden nur durch apostolische Autorität eingesetzt, sei es durch die Apostel selbst oder durch deren Abgesandte (vgl. Tit 1,5). Aber dann wird in unserem Text von den Ältesten aus Ephesus gesagt, dass es der Heilige Geist war, der sie in der Herde als Aufseher eingesetzt hat. Somit sanktionierte der Heilige Geist die apostolische Handlung und begleitete sie. Ein beachtenswerter Vorgang!

Wenn wir auch heute keine ordinierten Ältesten, keine vom Heiligen Geist beglaubigten Aufseher mehr haben, so ist es doch unser Vorrecht, aus dem, was von ihnen und ihrem Dienst gesagt wird, zu lernen und Nutzen zu ziehen. Und mehr noch: Wir dürfen immer mit Gott rechnen, auch in der Frage der Ältesten. Er hat auch für unsere Tage Vorsorge getroffen und gibt uns Älteste in einem erweiterten Sinn: nicht ordinierte Älteste, wohl aber ältere, gereifte Männer, die den Dienst von Ältesten versehen. Sie werden sich nicht so bezeichnen, aber sie führen die Aufsicht über die Gläubigen, wo sie sind.

Was nun den Dienst und die Verantwortlichkeit der Aufseher angeht, so sollten sie zunächst auf sich selbst Acht haben (Vers 28). Damit müssen auch wir notwendigerweise beginnen. Wenn jemand auf andere Acht haben soll, muss er zuerst auf sich selbst Acht haben. Wir müssen zuerst selbst rein sein, bevor wir versuchen, andere zur Reinheit zu führen. Wir müssen zuerst selbst von Gott gelehrt sein, ehe wir versuchen, andere zu belehren. Wir müssen zuerst selbst Gott nahe sein, bevor wir versuchen, andere Ihm nahe zu bringen. Es gibt in dieser Hinsicht kaum etwas Gefährlicheres, als sich mit dem Befinden und den Wegen anderer zu beschäftigen, wenn uns zu gleicher Zeit Sorglosigkeit und Gleichgültigkeit über das eigene Verhalten kennzeichnen. Später ermahnt Paulus sein „Kind“ Timotheus: „Habe Acht auf dich selbst und auf die Lehre“ (1. Tim 6,16).

Das griechische Wort für ›Acht haben‹ hat einen weiten Bedeutungsumfang: ›sein Augenmerk richten auf, achten auf, aufmerksam sein, aufpassen, Acht geben auf, sich kümmern um, sorgen für, sich befassen mit‹. Wenn es nun um das persönliche Achthaben auf uns selbst geht, so bedeutet das, dass wir in erster Linie auf unsere Beweggründe für unser Tun und Lassen „aufpassen“, dann aber auch auf unser praktisches Verhalten „achten“. Beim Achthaben auf die Herde handelt es sich mehr darum, sein Augenmerk auf das geistliche Wohl und die Bewahrung der Kinder Gottes zu richten: sich darum zu „kümmern“, dafür „besorgt“ zu sein.

Es bleibt noch anzumerken, dass Paulus den Aufsehern die ganze Herde ans Herz legt. Jedes einzelne Schaf bindet er auf das Herz dieser Männer. Ein guter Hirte kennt keine Bevorzugung Einzelner, er liebt alle Schafe, besonders die schwachen und bedürftigen.

Ja, und dann wird von dem Hüten der Versammlung Gottes gesprochen. „Hüten“ umfasst mehr als „Acht haben“. Das griechische Wort leitet sich direkt von dem Wort ›Hirte‹ ab und bedeutet ›Hirte sein, wie ein Hirte pflegen‹. Damit wird das ganze Werk eines Hirten beschrieben: ›weiden, hüten, pflegen, leiten, bewachen‹. Was für ein lieblicher „Blumenstrauß“ von Tätigkeiten und Diensten, die dem Hirten obliegen und die die Versammlung Gottes zum Ziel haben!

Den außerordentlichen Wert, den diese Versammlung für das Herz Gottes hat, macht der ergreifende Zusatz deutlich: „… die er sich erworben hat durch das Blut seines Eigenen“ (Vers 28). Das war der hohe Preis, den Gott zum Erwerb der Versammlung gezahlt hat: das Blut Seines Eigenen, das heißt Seines Sohnes Jesus Christus. Nun, wenn das den wahren Wert der Versammlung für Gott zeigt, sollte dann nicht auch jeder Hirte (Aufseher) von dieser Wertschätzung beseelt (ergriffen) sein? Die Versammlung, die Gott seiner Sorgfalt anvertraut hat, hat Ihn das Blut Seines Sohnes gekostet! Kann es Ihm dann gleichgültig sein, wie die Versammlung, für die Er einen so hohen Preis entrichtet hat, behandelt wird? Ach, dass doch auch wir alle mehr von diesem Bewusstsein, von dieser Wertschätzung Gottes, durchdrungen wären! Dann würden wir mit Hingabe darauf bedacht sein, denen, die die Versammlung Gottes bilden, nur Gutes und Liebes zu tun. Und bedenken wir stets: Die Versammlung gehört Gott, nicht irgendeinem Menschen.

Warnungen vor Gefahren von außen und innen

Die beiden folgenden Verse geben uns den Grund an für die Ermahnungen an die Aufseher und zeigen, warum es so nötig war, dass sie auf sich selbst und auf die ganze Herde Acht hatten.

„Ich weiß, dass nach meinem Abschied reißende Wölfe zu euch hereinkommen werden, die die Herde nicht verschonen. Und aus euch selbst werden Männer aufstehen, die verkehrte Dinge reden, um die Jünger abzuziehen hinter sich her“ (Verse 29.30).

Ehe wir auf die Gefahren im Einzelnen zu sprechen kommen, vor denen der Apostel warnt, seien einige grundlegende Bemerkungen vorausgeschickt.

Als erstes entnehmen wir den Worten des Apostels, dass er seinen Dienst unter den Gläubigen dort als beendet ansah. Sie würden sein Angesicht nicht mehr sehen. Mit seinem Abschied ging eine gewisse Epoche der Versammlung zu Ende, nämlich die der apostolischen Gegenwart und Wirksamkeit. Bis jetzt hatte Paulus die Versammlungen bedient und besorgt, hatte sie so weit wie möglich vor Gefahren bewahrt. Die geistliche Kraft in ihm zur Förderung des Guten und zur Zurückhaltung des Bösen war sehr groß. Aber jetzt brach ein neues Zeitalter an, das der Verantwortlichkeit der einzelnen Gläubigen. Sie waren nun gehalten, gewissermaßen für sich selbst Sorge zu tragen und auf der Hut zu sein, wenn Probleme und Schwierigkeiten auftraten. Das macht deutlich, welche Bedeutung dem Dienst und der Arbeit der Ältesten gerade in dieser neuen Periode zukam. Auf ihnen ruhte nun in besonderer Weise die Verantwortlichkeit. In dieser nachapostolischen Zeit leben auch wir. Deswegen sind die hier gegebenen Belehrungen auch für uns von so großer Wichtigkeit.

Das führt uns zu einem weiteren Punkt: Der Apostel redet zwar von seinem Abschied, aber er deutet in keiner Weise irgendeinen Nachfolger an. Einer apostolischen Nachfolge redet er weder hier noch irgendwo anders das Wort. Ganz im Gegenteil! Böse Arbeiter würden nach ihm kommen, die die Herde nicht verschonen, sondern verderbliche Irrtümer aller Art einführen würden. Angesichts der drohenden Gefahren befiehlt er die Heiligen nicht irgendeinem Nachfolger an, sondern Gott und dem Wort Seiner Gnade (Vers 32).

Aus dem Gesagten leitet sich eine demütigende Erkenntnis oder Regel ab: Was irgend Gott dem Menschen zur Bewahrung und Verwaltung anvertraut hat, hat dieser noch immer verdorben. Ob wir an die ersten Tage der Menschheit im Garten Eden denken oder an das Volk Israel unter der Erprobung Gottes zur Zeit des Alten Testaments, stets hat der Mensch versagt und sich gegen Gott aufgelehnt. Und als Gott im Christentum ein neues Werk begann, zeigten sich dieselben verderblichen Ergebnisse. Menschen träumen wohl davon, dass das Evangelium einmal die ganze Welt erobern wird. Doch die Heilige Schrift lehrt uns etwas anderes. Die Worte des Apostels vor den Ältesten aus Ephesus geben davon Zeugnis. Nicht von einer Aufwärtsentwicklung spricht er, sondern von dem Niedergang des christlichen Zeugnisses.

Schon der Herr Jesus hatte – um nur ein Beispiel zu nennen – im Gleichnis vom ›Unkraut im Acker‹ (Mt 13,24 ff.) gezeigt, dass das Reich der Himmel wohl gut begann – mit „gutem Samen“, dass aber der Widersacher die Unachtsamkeit der Menschen benutzte und alsbald „Unkraut mitten unter den Weizen“ säte. Das Unkraut würde neben dem Weizen Bestand haben; eine Trennung, eine Vertilgung des Unkrauts würde es erst zur Zeit der Ernte geben, wenn der Sohn des Menschen im Gericht alle Ärgernisse aus Seinem Reich beseitigen wird. So lernen wir auch hier: Das Christentum als äußeres Zeugnis ist von Anfang an verdorben worden und ist nun durch ein Nebeneinander von Gut und Böse gekennzeichnet. So gibt es auch heute noch den ›Weizen‹. Welcher aufrichtige Christ aber könnte den Widerstand lebloser Bekenner gegen den Willen des Herrn leugnen? Dieser Geist der Auflehnung gibt der Christenheit ihr Gepräge. Und eine Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands wird es nicht geben, wohl aber das Gericht des Herrn über alle Gottlosigkeit.

Die Briefe des Neuen Testaments zeichnen dasselbe traurige Bild. Werfen wir kurz einen Blick darauf! Schon in einem seiner frühesten Briefe weist der Apostel die jungen Gläubigen in Thessalonich darauf hin, dass einmal „der Abfall“ kommen und der Mensch der Sünde (der Antichrist) offenbar werden würde (2. Thes 2,3.4). Nicht ganz so weit geht die Stelle in 1. Timotheus 4, wo jedoch der Geist ausdrücklich sagt, „dass in späteren Zeiten einige von dem Glauben abfallen werden, indem sie achten auf betrügerische Geister und Lehren von Dämonen“ (Vers 1). Dagegen führt uns der zweite Brief an Timotheus wieder in die „letzten Tage“. Es würden „schwere Zeiten“ eintreten, wo man zwar eine Form der Gottseligkeit hat, deren Kraft aber verleugnet (Verse 1–5). In seinem zweiten Brief sagt auch Petrus voraus, dass in den „letzten Tagen“ Spötter mit Spötterei kommen würden und spöttisch fragen würden: „Wo ist die Verheißung seiner Ankunft?“ (Verse 3.4). Auf den Brief des Judas, der uns ebenfalls in die Tage des Endes führt, kommen wir sogleich noch besonders zu sprechen.

Was nun die von Satan benutzten Agenten angeht, so weist Paulus auf zwei Gruppen von bösen Arbeitern hin. Die einen würde von außen kommen: Reißende Wölfe würden zu ihnen hereinkommen, die die Herde nicht verschonen würden (Vers 29). Mit dem Ausdruck ›reißende Wölfe‹ wird auf eine gewisse Gewalttätigkeit hingewiesen, mit der diese Männer zu Werke gehen würden, um ihr Ziel, die Ausnutzung der Versammlung, zu erreichen. Judas spricht in seinem Brief ebenfalls von „gewissen Menschen“, die sich „nebeneingeschlichen“ hatten. Sie hielten mit den Gläubigen Festessen und weideten sich selbst (Verse 4.12). Und wie passt es in diese Linie, wenn der Schreiber hinzufügt: „Um des Vorteils willen bewundern sie Personen (Vers 16)! Was ist das für eine böse und abscheuliche Haltung: aus selbstsüchtigen Motiven Nutzen für sich aus der Herde zu ziehen!

Noch verwerflicher, weil gefährlicher, ist die zweite Gruppe. Hier handelt es sich um Männer, die aus der Mitte der Ältesten selbst aufstehen und verkehrte Dinge reden würden, um die Jünger abzuziehen hinter sich her. Es ist ihre erklärte Absicht, Parteiungen zu schaffen und sich selbst als deren Häupter zu etablieren (aufzuwerfen). Dabei ging es ihnen nicht nur um „einige“ Jünger, sondern um „die“ Jünger, wie ausdrücklich gesagt wird. Die ganze Jüngerschaft, alle Jünger, die Jünger als solche hatten sie zum Ziel ihrer verderblichen Bemühungen.

Und welche Mittel würden sie anwenden, um zu ihrem Ziel zu kommen? Sie würden „verkehrte Dinge“ reden. Wie ernst ist das! Verkehrte Dinge sind Lehren und Belehrungen, die dem Wort Gottes widersprechen und von Christus wegführen. Diese Männer würden also die Wahrheit Gottes durch den Irrtum und den Herrn Jesus durch sich selbst ersetzen. Ungeheure Anmaßung! Aber lernen wir aus alledem nicht, wie außerordentlich wichtig es für Kinder Gottes zu allen Zeiten ist, mit der Heiligen Schrift vertraut zu sein und sich vor dem Herrn und Seinem Wort in Demut und Gehorsam zu beugen? Nur mit einem „Es steht geschrieben“ können wir Satan widerstehen und den uns drohenden Gefahren entgehen.

Ein warnendes Beispiel für solche falschen Lehrer bietet uns Paulus in seinem letzten Brief. Nachdem er Timotheus vor ungöttlichen, leeren Geschwätzen und vor gottlosen Menschen gewarnt hat, deren Wort wie ein Krebs um sich fressen würde, fährt er fort: „… unter welchen Hymenäus ist und Philetus, die von der Wahrheit abgeirrt sind, indem sie sagen, dass die Auferstehung schon geschehen sei, und den Glauben einiger zerstören“ (2. Tim 2,16–18). Hier sehen wir die fatalen Folgen falscher Lehre. Wer ihr Gehör schenkt, dessen Glaube (oder Glaubensgut) wird zerstört werden.

Können wir angesichts derartiger Bedrohungen, denen auch die Herde in unseren Tagen ausgesetzt ist, nicht gut verstehen, wenn der Apostel Paulus den letzten Abschnitt seiner Rede noch einmal mit ernsten Warnungen einleitet?

Das abschließende Wort

„Darum wacht, und denkt daran, dass ich drei Jahre lang Nacht und Tag nicht aufgehört habe, einen jeden mit Tränen zu ermahnen. Und nun befehle ich euch Gott und dem Wort seiner Gnade an, das vermag aufzuerbauen und das Erbe zu geben unter allen Geheiligten“ (Apg 20,31.32).

Nur knapp ist die Mahnung an die Ältesten, aber desto wirkungsvoller: „Wacht“, „wacht beständig“, wie die Verbform im Grundtext wiedergegeben werden kann. Das war es, worauf sie unbedingt achten mussten: sich in geistlicher Hinsicht ständig wach zu halten, damit sie die ersten Anfänge der Gefahren erkennen und ihnen wehren konnten.

Und dann sollten sie jenes köstliche Beispiel der Liebe nicht vergessen, das Paulus ihnen in all den Jahren gegeben hatte. Er hatte zu früherer Zeit zu den Gläubigen in Thessalonich in ähnlicher Weise gesprochen, hatte sich mit einer nährenden Frau, die ihre eigenen Kinder pflegt, und mit einem Vater verglichen, der seine eigenen Kinder ermahnt und tröstet (1. Thes 2,7.11). Und jetzt am Ende seines öffentlichen Dienstes erinnert er die Ältesten daran, wie er drei Jahre lang Nacht und Tag nicht aufgehört hatte, einen jeden mit Tränen zu ermahnen.

In der Tat, er stand im Begriff, sie zu verlassen. Aber er hinterließ ihnen etwas Köstliches: die Erinnerung an sein Beispiel göttlicher Liebe. Sie hatten das Vorrecht gehabt, es über mehrere Jahre auf sich einwirken zu lassen. Er hatte sein Auge auf jedes einzelne Schaf gerichtet gehabt, hatte einen jeden mit Tränen ermahnt, Nacht und Tag. – Längst ist dieser hingebungsvolle Knecht bei Seinem Herrn und Meister. Jahrtausende sind vergangen. Doch sein hehres Beispiel spricht noch heute zu uns.

Wenn Paulus sich nun genötigt sah, Abschied zu nehmen von den Ältesten, so verblieb ihm doch noch eines, was er für sie tun konnte, und er tat es: Er befahl sie Gott an. War das nicht auch das Beste? Und ist es nicht auch für uns heute das Beste, wenn wir unsere Geschwister im Herrn, die wir lieben und die vielleicht in Gefahren stehen, im Gebet Gott anbefehlen? Jemand Gott anbefehlen bedeutet, ihn Seiner Sorgfalt und Obhut anvertrauen. Es ist bemerkenswert, dass der Apostel hier für ›anbefehlen‹ genau dasselbe Wort verwendet, das der Herr Jesus benutzte, als Er Seinen Geist in die Hände Seines Vaters „übergab“; das heißt, ihn Seinen Händen „anvertraute“, „anempfahl“ (Lk 23,46). Was für eine ergreifende Parallele stellt sich uns hier dar!

Aber Paulus befahl sie nicht nur Gott an, sondern auch dem „Wort seiner Gnade“. Das ist sehr beachtenswert. Tatsächlich brauchen wir beides. Ohne Gottes Fürsorge würden wir schnell entmutigt werden, ohne das Wort ginge uns rasch die göttliche Weisheit und Leitung verloren. So gehen Gott und das Wort Seiner Gnade stets zusammen. Und wenn Gott Seine Gnade kundwerden lässt, dann geschieht das durch dieses Wort. Wollen wir also Seine Gnade näher kennen lernen, müssen wir in das Wort Seiner Gnade hineinschauen. In Vers 24 unseres Kapitels hatten wir einen ähnlichen Ausdruck: „Evangelium der Gnade Gottes“.

Von dem „Wort seiner Gnade“ wird indes noch Zweierlei gesagt: „… das vermag, aufzuerbauen und das Erbe zu geben unter allen Geheiligten.“ Es ist nicht ganz sicher, ob es „der vermag“ heißen muss oder „das vermag“. Im ersten Fall würde es sich auf Gott selbst beziehen, im zweiten auf Sein Wort. Grammatisch ist beides möglich. Dass jedoch nicht auf Gott, sondern auf das Wort Bezug genommen wird, mag ein Zitat aus dem zweiten Timotheus-Brief nahelegen, in dem Paulus von Timotheus, seinem Kind im Glauben, Folgendes sagt: „Weil du von Kind auf die Heiligen Schriften kennst, die imstande sind, dich weise zu machen zur Errettung durch den Glauben, der in Christus Jesus ist“ (Kap. 3,15). Auch hier wird die geistliche Wirkung den Heiligen Schriften zugeschrieben.

Das Erste, was nun in unserem Text von dem Wort gesagt wird, ist, dass es aufzuerbauen vermag. Kostbare, gesegnete Fähigkeit des Wortes Gottes! Es ist in der Lage, uns in unserem Glauben aufzuerbauen. Für die geistliche Entwicklung des ewigen Lebens in uns ist dies von größter Wichtigkeit. Geistliches Wachstum, Vertiefung des Gottvertrauens, Kräftigung im Kampf des Glaubens, Belebung der himmlischen Hoffnung, Vermehrung der Hingabe an Christus – das sind nur einige der Früchte, die das Wort Seiner Gnade in uns hervorzurufen vermag.

Und noch etwas vermag dieses Wort: „… das Erbe zu geben unter allen Geheiligten.“ Wiederum eine erstaunliche Aussage! Das himmlische Erbe ist, so wird es hier dargestellt, eine Gabe des Wortes Seiner Gnade. Das ist gewiss so zu verstehen, dass die Gläubigen durch das Wort Gottes sich dieses Erbes erfreuen und es schon heute im Glauben genießen können. Das Wort macht sie mit dem himmlischen Erbe vertraut, noch ehe sie es erlangt haben (vgl. 1. Pet 1,4), und zeigt, wem es gehört: „allen Geheiligten“.

„Geheiligte“ sind solche, die durch Glauben an Christus und die Wirksamkeit des Heiligen Geistes ein für alle Mal für Gott abgesondert sind. Wenn der verherrlichte Herr vom Himmel her Saulus von Tarsus mit der Botschaft des Heils zu den Nationen sendet, dann verbindet auch Er das Erbe mit den Geheiligten und sagt von denen, die glauben würden: „… damit sie die Vergebung der Sünden empfangen und ein Erbe unter denen, die durch den Glauben an mich geheiligt sind“ (Kap. 26,18). Hier ist ebenfalls von der grundsätzlichen Heiligung die Rede, die am Anfang des christlichen Weges liegt.

So hat uns die Betrachtung des 32. Verses eine Fülle von Belehrungen gebracht, deren Wichtigkeit und Kostbarkeit wir kaum zu hoch einschätzen können. Und was für ein Trost für dunkle Tage, dass Gott bleibt, dass das Wort Seiner Gnade bleibt! Nichts und niemand kann Gott antasten. Und Er wacht in Seiner Vorsehung über Sein Wort und erhält es uns, was immer die Angriffe des Feindes gegen dieses Bollwerk auch sein mögen. Uns verbleibt nur, den Gott aller Gnade von Herzen zu preisen und Ihn zu verherrlichen durch Christus Jesus, unseren Herrn.

Der Gedanke daran, dass die Heiligen das himmlische Erbe erwarten, führt den Apostel dahin, noch einmal über die Art und Weise zu sprechen, in der er die drei Jahre in Ephesus gelebt und gearbeitet hat.

„Ich habe niemandes Silber oder Gold oder Kleidung begehrt. Ihr selbst wisst, dass meinen Bedürfnissen und denen, die bei mir waren, diese Hände gedient haben. Ich habe euch in allem gezeigt, dass man, so arbeitend, sich der Schwachen annehmen und der Worte des Herrn Jesus gedenken müsse, der selbst gesagt hat: Geben ist seliger als Nehmen“ (Verse 33–35).

Was für eine himmlische Gesinnung beseelte diesen Knecht des Herrn! Da war kein Trachten nach irdischen Dingen, schon gar nicht nach solchen, die anderen gehörten. Wenn er neben Silber und Gold auch Kleidung nennt, so deswegen, weil letztere für den Orientalen ein Zeichen von Reichtum war. Alles das hat er nicht begehrt. Das Beispiel des Apostels ist für uns alle umso nachahmungswerter, als seit jeher die Gefahr besteht, den Dienst für den Herrn mit Gewinnsucht zu verbinden. Wenn die sittlichen Charakterzüge genannt werden, die die Ältesten auszeichnen sollten, so wird zweimal vor der Geldliebe gewarnt: „… nicht geldliebend“ (1. Tim 3,3), „… nicht schändlichem Gewinn nachgehend“ (Tit 1,7). Die Gottseligkeit als ein „Mittel zum Gewinn“ zu betrachten, ist etwas überaus Abscheuliches in den Augen des Herrn (1. Tim 6,5).

Aber da war noch die positive Seite. Seine Zuhörer wussten, dass seinen Bedürfnissen und denen, die bei ihm waren, „diese Hände gedient haben“. Es scheint, dass er ihnen bei diesen Worten seine Hände entgegenstreckte, sie hoch hielt, damit sie die Spuren seiner Arbeit als Zeltmacher sehen könnten. Er hatte an anderer Stelle auf der Anordnung des Herrn bestanden, dass die, die das Evangelium verkündigen, vom Evangelium leben sollten. Und er hatte auch erklärt, warum er selbst von diesem Recht keinen Gebrauch machte (1. Kor 9). Hier aber vor den Ältesten von Ephesus nennt er nur die Tatsache, dass er so handelte, gibt aber weiter keinen Grund dafür an. Er will ihnen (wie auch uns) nur noch einmal zeigen, „dass man, so arbeitend, sich der Schwachen annehmen müsse“.

Dabei denkt er an einen Ausspruch des Herrn Jesus, der – obwohl nicht in den Evangelien überliefert – vor ihm gestanden und den er als Leitlinie zu befolgen gesucht hatte: „Geben ist seliger als Nehmen.“ Diese Worte, so lieblich in dem Beispiel des Apostels illustriert, sollten nun auch sie in ihrem Herzen bewahren. Der Herr Jesus selbst hatte sie ausgesprochen!

Nun bedeutet dieses Wort des Herrn nicht, dass nicht auch Nehmen oder Empfangen gesegnet sei. Ganz im Gegenteil! Nur ist eben Geben seliger als Nehmen. Auch hier gibt uns Paulus ein exzellentes Beispiel, und zwar in der Art und Weise, wie er als Gefangener in Rom die Gaben, die ihm die Gläubigen in Philippi gesandt hatten, entgegennahm. Voller Dank bezeichnet er sie als „einen duftenden Wohlgeruch, ein angenehmes Opfer, Gott wohlgefällig“ (Phil 4,10–18).

Mit einem Wort, das über die Lippen des Herrn Jesus selbst kam, schließt Paulus seine Ansprache ab: „Geben ist seliger als Nehmen.“

Der Abschied

„Und als er dies gesagt hatte, kniete er nieder und betete mit ihnen allen. Es entstand aber viel Weinen bei allen; und sie fielen Paulus um den Hals und küssten ihn sehr, am meisten betrübt über das Wort, das er gesagt hatte, sie würden sein Angesicht nicht mehr sehen. Sie geleiteten ihn aber zu dem Schiff“ (Verse 36–38).

Die Rede des Apostels war zu Ende. Seine letzten Worte waren eine Erinnerung an die Gnade gewesen, die der Herr entfaltet hatte und die jetzt auch Sein Volk kennzeichnen sollte. Wie angemessen, dass Paulus seine Ansprache mit Worten der Gnade abschloss, die aus dem Mund des Herrn Jesus kamen!

Nun kniete er nieder und betete mit ihnen allen. Was für ein Gebet muss das gewesen sein! Hatte er bisher zu Menschen gesprochen, so schüttete er jetzt sein Herz vor Gott aus.

Dann entstand viel Weinen unter den Freunden. Ihr Herz ging aus zu ihrem geliebten Apostel, und sein Herz ging aus zu ihnen, den Gegenständen seiner Liebe und seines Dienstes. Ihn um den Hals fallend, küssten sie ihn sehr. Dabei waren sie am meisten über das Wort betrübt, das er gesagt hatte, sie würden sein Angesicht nicht mehr sehen.

Ergreifender Abschied! Doch sie schickten sich in den Willen des Herrn und geleiteten ihn zu dem Schiff, das ihn schließlich von ihren Augen wegnahm – für immer.

Ernster Abschied! Das Ende seiner öffentlichen Tätigkeit als Apostel der Nationen war gekommen. Paulus wusste es. Wenn auch sein weiterer Weg vom Tod überschattet sein würde, er vertraute fest darauf, dass sein Herr und Meister ihn auch fernerhin führen und sich an ihm verherrlichen würde. Am Ende winkte ihm die Krone der Gerechtigkeit, die der Herr, der gerechte Richter, ihm zur Vergeltung geben würde an jenem Tag, nicht allein aber ihm, sondern auch allen, die Seine Erscheinung lieben.

Soli Deo Gloria

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