Unglücke und Katastrophen – eine Ansprache Gottes
Immer dann, wenn sich besondere Katastrophen ereignen, werden Fragen gestellt. Das war so, als 2001 durch einen Terroranschlag auf das World Trade Center in New York nahezu 3.000 Menschen starben. Das war 2004 so, als über 200.000 Menschen Opfer eines Tsunami in Thailand wurden. Das war 2015 so, als der Germanwings-Flug 9525 in den französischen Alpen zerschellte und alle 150 Insassen ums Leben kamen. Das ist 2020 anlässlich der Corona-Pandemie wieder der Fall – zumal diese Katastrophe lange andauert und fast alle Länder der Erde davon betroffen sind.
Auch Christen stellen sich bei besonderen Unglücken und Katastrophen Fragen und die Fragen sind berechtigt. Welche Stellungnahme geben wir als Christen ab? Und vor allem: Was sagt die Bibel dazu? Gibt es überhaupt Hinweise? Müssen wir in Panik geraten? Ist die Endzeit angebrochen? Wie gehen wir mit einer solchen Ansprache Gottes um? Wir wollen versuchen, in diesem Artikel einige Punkte aufzugreifen.
Sind Unglücke und Katastrophen Endzeitzeichen?
Die Frage wird sehr häufig gestellt. Es ist unstrittig, dass die Bibel an verschiedenen Stellen (z. B. in der Offenbarung) von Naturkatastrophen, Pandemien, Wirtschaftskrisen usw. spricht. Das alles werden Begleiterscheinungen der nahenden Ankunft Christi in Macht und Herrlichkeit sein, um auf der Erde sein Reich zu etablieren. Was wir heute zu bestimmten Zeiten erleben, ist nicht einmal ein Vorgeschmack dessen, was dann über die Erde hereinbrechen wird. Es wird ungleich schlimmer sein.
Um die gestellte Frage klar und präzise zu beantworten: Nein, die Endzeit ist bisher nicht angebrochen! Es besteht deshalb kein Grund zur Panik, gleichwohl zur nüchternen Beschäftigung mit dem Thema und vor allem zum intensiven Gebet für Betroffene, für solche, die in Angst sind. Wir wollen ebenfalls dafür beten, dass Gott den Ausbruch von Pandemien, Erdbeben und andere Unglücksfälle zum Anlass nimmt, dass Menschen sich mit dem Evangelium beschäftigen und die Botschaft der Rettung in Christus annehmen. Ebenso gilt es, für alle Regierungsverantwortlichen zu beten.
Dass die Erde von Seuchen und Epidemien heimgesucht wird, ist nichts Neues. Tuberkulose (Schwindsucht), Aids und Malaria (eine Tropenkrankheit) stehen seit Jahren an der Spitze der tödlichen Infektionskrankheiten. Pro Jahr zählt man für jede dieser drei Krankheiten 2 bis 3 Millionen Tote weltweit. Darüber wird erstaunlich wenig gesprochen. Man hat sich scheinbar daran gewöhnt – obwohl es jeweils um persönliche Schicksale geht, um Menschen, von denen viele, ohne mit Gott versöhnt zu sein, in die Ewigkeit gehen. Auch Glaubensgeschwister sind betroffen.
Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass weltweite Seuchen kein Phänomen unserer Zeit sind. Im 14. Jahrhundert raffte die Pest über 25 Millionen Menschen weg, im 19. Jahrhundert waren es über 10 Millionen Tote. Die Spanische Grippe als Folgeerscheinung des Ersten Weltkrieges raffte über 20 Millionen Menschen weg, die Asiatische Grippe im Jahr 1957 ca. 1 Million Menschen und die Hongkong-Grippe im Jahr 1968 immerhin noch 700.000 Menschen. Auch Erdbeben und Vulkanausbrüche sind durchaus kein neuzeitliches Phänomen. Was sich geändert hat, ist die Berichterstattung. Digitale Medien ermöglichen es, Nachrichten viel schneller und präziser zu übermitteln, als es früher der Fall war.
Zwei Verse werden häufig zitiert und lösen die Frage aus, ob das, was wir heute erleben, Zeichen der Endzeit sind:
- Matthäus 24,7: „Denn Nation wird sich gegen Nation erheben und Königreich gegen Königreich, und Hungersnöte und Seuchen und Erdbeben werden an verschiedenen Orten sein.“
- Lukas 21,11: „Und es werden große Erdbeben sein und an verschiedenen Orten Hungersnöte und Seuchen; auch Schrecknisse und große Zeichen vom Himmel wird es geben.“
Offensichtlich spricht der Herr über militärische Auseinandersetzungen, über Erbeben, Katastrophen und Epidemien, die damals noch zukünftig waren. Der Zusammenhang der gesamten Rede des Herrn Jesus zeigt deutlich, dass Er eindeutig nicht über die christliche Zeit spricht, sondern über die Zeit der Drangsal, die nach der Entrückung der Gläubigen der Gnadenzeit über die Erde kommt (in Offenbarung 3,10 die „Stunde der Versuchung“ genannt, die über die ganze Erde kommt). Es ist also nicht zielführend, diese Verse zu zitieren, wenn es um militärische Konflikte, Erdbeben oder Pandemien in unserer Zeit geht. Doch das ist nicht die Bedeutung. Das, was der Herr Jesus in den zitierten Stellen voraussagt, hat damit nicht direkt zu tun. Der Herr warnt in den beiden Stellen nicht uns Christen, sondern Er warnt den jüdischen Überrest in einer noch zukünftigen Zeit. Wir müssen das, was Israel und die Juden in der Zukunft betrifft, von dem unterscheiden, was uns heute betrifft.
Die Katastrophen und Seuchen der gegenwärtigen Zeit sind nicht der „Anfang der Wehen“ (Mt 24,8). Es sind maximal Zeitzeichen, die uns Menschen deutlich machen, dass große Ereignisse ihre Schatten vorauswerfen.
Müssen wir Angst haben?
Es ist so, dass ein Virus, wie das Coronavirus, vielen Menschen Angst macht. Andere Naturkatastrophen setzen die Menschen ebenfalls in Schrecken. In diesem Zusammenhang können wir ebenfalls die zunehmenden terroristischen Aktivitäten nennen. Von dieser Angst sind wir Christen nicht ausgenommen. Wir müssen uns nicht schämen, wenn wir eine gewisse Unruhe spüren. Beim Lesen der Psalmen spüren wir deutlich, dass gottesfürchtige Männer durchaus Ängste hätten. Paulus z. B. kannte ebenfalls Ängste und Sorgen. Er spricht einmal – wenngleich in einem anderen Zusammenhang – von seiner „Bedrängnis und Herzensangst“ (2. Kor 2,4). In Römer 8,35 schreibt er: „Wer wird uns scheiden von der Liebe des Christus? Drangsal oder Angst oder Verfolgung oder Hungersnot oder Blöße oder Gefahr oder Schwert?“ Das kommt unserer Frage schon näher. Dieser Vers zeigt mindestens zwei Dinge:
- Es gibt Drangsale und Ängste (ja, sogar Verfolgung und Todesgefahren): Sie sind real und Teil des Lebens vieler Christen. Wir müssen uns deswegen nicht schämen.
- Was immer passiert, nichts kann uns von der Liebe unseres Herrn trennen, nichts kann uns scheiden „von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn“ (Röm 8,39). Das gibt uns bei aller äußeren Unruhe doch innere Ruhe.
Wir erkennen, dass es keinen Grund gibt, panisch zu reagieren. Dass die Gefahr real ist, sollte inzwischen jedem klar geworden sein. Dennoch vergessen wir nicht, dass wir in Gottes Hand sind. Unser Herr ist immer bei uns. Die Zunahme von Katastrophen und Unglücken entgleitet keinen Augenblick seiner Kontrolle. Wir dürfen im Glauben mutig sein. Gott bestimmt die Intensität und Er bestimmt die Zeit. Wir können mit dem Psalmdichter sagen: „Wer im Schutz des Höchsten sitzt, wird bleiben im Schatten des Allmächtigen. Ich sage von dem Herrn: Meine Zuflucht und meine Burg; mein Gott, auf ihn will ich vertrauen. Denn er wird dich erretten von der Schlinge des Vogelfängers, von der verderbenden Pest“ (Ps 91,1–3).
Von Gott bewirkt oder von Gott zugelassen?
Eine weitere Frage lautet, ob Gott ein Unglück (aktiv) bewirkt oder ob Er es zulässt. Manche Menschen stellen die Frage mit dem kritischen Unterton, wie Gott denn so etwas zulassen könnte oder wo Er denn bei all diesen Katastrophen ist. Es ist erstaunlich, dass Menschen, die sonst kaum oder überhaupt nicht nach Gott fragen, es plötzlich wagen, Gott auf die Anklagebank zu setzen, anstatt sich zu fragen, was Gott ihnen dadurch zu sagen hat.
Doch auch für wiedergeborene Christen stellt sich diese Frage. Häufig wird bei solchen Unglücken und Katastrophen Amos 3,6 zitiert. Dort sagt der Prophet: „Oder geschieht ein Unglück in der Stadt, und der Herr hätte es nicht bewirkt?“ Die Frage lautet, ob dieser Vers so ohne weiteres auf jedes Unglück anzuwenden ist, das auf der Erde geschieht.
Die Frage ist durchaus berechtigt und verständlich. Was haben Terrorangriffe, was hat eine Nuklearkatastrophe, ein Wirbelsturm, ein Erdbeben oder eine weltweite Epidemie mit Gott zu tun? War es der Wille Gottes, dass die Corona-Pandemie Ende Dezember in China ausgebrochen ist und der Virus sich in kurzer Zeit über die ganze Erde verbreitet hat? Kann Gott es „wollen“, dass so viele Menschen sterben? Oder war es vielmehr der Teufel, der diese Pandemie verursacht hat? Und wenn ja, warum hat Gott ihn dann nicht davon abgehalten?
All diese Fragen haben es mit unseren menschlichen Empfindungen zu tun. Je näher uns ein Unglück kommt, umso emotionaler empfinden und reagieren wir. Und doch haben wir kein Recht, Gott in irgendeiner Weise anzuklagen (Röm 9,20). Ebenso wenig steht es uns zu, Gott zu rechtfertigen. Jeder Versuch von uns kleinen Menschen, den großen Gott zu rechtfertigen (manchmal Theodizee genannt), ist immer zum Scheitern verurteilt. Und wir denken an die Worte Elihus, der Hiob fragte, warum er gegen Gott haderte, und das mit der Aussage begründete: „Denn über all sein Tun gibt er keine Antwort“ (Hiob 33,13). Ja, die Frage nach der Allmacht Gottes einerseits und seiner Liebe andererseits bleibt – und wir finden keine Antwort. Das gilt im persönlichen Leben (z.B. Krankheit, wirtschaftlicher Bankrott, persönliche Enttäuschung, plötzlicher Todesfall usw.) ebenso wie im gesellschaftlichen Leben. Dabei halten wir unbedingt daran fest, dass Gott uns Menschen liebt, selbst dann, wenn es aus unserer Perspektive auf den ersten Blick einmal anders aussehen sollte. Unser Leben ist keinem blinden Schicksal anvertraut und der Lauf dieser Erde ebenso wenig. Manche Menschen reagieren auf sogenannte Schicksalsschläge mit wütenden Angriffen, andere im dumpfen Fatalismus. Der Glaubende hingegen kommt mit der Hilfe Gottes dahin zu sagen: Gott, ich verstehe nicht, was jetzt passiert und wozu es gut ist. Dennoch vertraue ich dir, dass du eine Absicht der Liebe hast. In keinem Fall ist das Leben des Gläubigen einem blinden Schicksal ausgeliefert – auch nicht die Geschehnisse auf der Erde.
Dabei bleibt die Frage: Lässt Gott ein Unglück (aktiv) zu oder bewirkt Er es? Die Antwort lautet: Wir wissen es nicht. In jeden Fall entgeht dem Auge und dem Willen Gottes nichts. Dennoch bleibt die Frage im Raum stehen. Das Beispiel Jonas zeigt eindeutig, dass Gott handelte. Er ließ den Sturm kommen und Er bestellte den Fisch, um Jona zu verschlingen. Das Beispiel Hiobs hingegen zeigt, dass die Initiative von Satan ausging. Es zeigt zugleich, dass Hiob sein Leiden (zunächst) dennoch aus Gottes Hand annahm (Hiob 2,10). Gott ließ den Satan für eine von Ihm bestimmte Zeit und mit einem festgelegenen Maß agieren. Wir können deshalb nicht im absoluten Sinn sagen, dass Gott das Leiden Hiob aktiv bewirkt hat. Er hat es zugelassen. Die oben zitierte Stelle aus Amos 3,6 scheint dem auf den ersten Blick zu widersprechen. Doch auf den zweiten Blick sieht das anders aus.
Der Zusammenhang zeigt, dass es in Amos 3 darum geht, dass Gott seinem abgewichenen irdischen Volk das Gericht ankündigt. Das Unglück war ganz konkret eine Strafe Gottes für sein Volk, weil es gesündigt hatte. Gott hatte dieses Volk auserwählt und es war von Ihm abgewichen. Deshalb musste Er es – wie Er es vorher angekündigt hatte – bestrafen (Ps 89,33). Das macht klar, dass wir diesen Vers nicht so ohne weiteres auf jede Katastrophe anwenden können, die über diese Erde hereinbricht. Es mag sein, dass Gott es ganz bewusst bewirkt, es mag sein, dass Er es zulässt. Es mag sein, dass Er einen Sturmwind bestellt, der seine Wellen hoch erhebt (Ps 107,25). Es mag sein, dass Er einen Sturmwind zulässt. Wir müssen die Antwort jedenfalls Ihm überlassen. Manchmal erkennen wir deutlich, wer dahintersteckt, manchmal jedoch nicht. Wir müssen uns jedenfalls an dieser Frage nicht innerlich zerreiben.
Ein weiterer Vers, der in diesem Zusammenhang manchmal zitiert wird, ist Jesaja 45,6.7. Dort sagt Gott: „Ich bin der Herr, und sonst ist keiner! Der ich das Licht bilde und die Finsternis schaffe, den Frieden (das Wohlergehen) mache und das Unglück schaffe – ich, der Herr, bin es, der dies alles wirkt.“ Natürlich ist Gott der Ursprung aller Dinge. Und deshalb steht Er auch über allem. Gott lässt es immer zu, wenn ein Unglück passiert, doch es steht uns nicht zu, im Einzelfall zu entscheiden, ob Er es unmittelbar bewirkt oder nicht.1
Für uns als Kinder Gottes gilt immer, dass Gott mit allem einen Plan hat. Deshalb dürfen wir – wie Hiob es tat – alles aus der Hand Gottes annehmen. Er sagte in tiefem Leid: „Wir sollten das Gute von Gott annehmen, und das Böse sollten wir nicht auch annehmen?“ (Hiob 2,10). In dieser inneren Haltung akzeptieren wir auch Katastrophen, Unglücke und Pandemien. Und nicht nur das: „Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Guten mitwirken, denen, die nach Vorsatz berufen sind“ (Röm 8,28). Wir finden unsere innere Ruhe in dem Gedanken, dass Gott in allem, hinter allem und über allem steht. Als Hiob am Ende seines Leids war, sagte er in der Retrospektive: „Ich weiß, dass du alles vermagst und kein Vorhaben dir verwehrt werden kann. Wer ist es, der den Rat verhüllt ohne Erkenntnis? So habe ich denn beurteilt, was ich nicht verstand, Dinge, zu wunderbar für mich, die ich nicht kannte“ (Hiob 42,2–4).
Gottes Wege sind nicht unsere Wege
Warum Gott Leid, Katastrophen, Elend, Krieg und auch eine Pandemie zulässt oder sogar bewirkt, wissen wir nicht. Wir verstehen es häufig nicht. Dennoch wissen wir, dass Gott in den Umständen ist und uns nicht allein lässt. „Im Meer ist dein Weg, und deine Pfade sind in großen Wassern, und deine Fußstapfen sind nicht bekannt“ (Ps 77,20). Gerade da, wo wir keinen Weg sehen (im Wasser), hat Gott einen Weg. „So spricht der Herr, der einen Weg gibt im Meer und einen Pfad in mächtigen Wassern“ (Jes 43,16). Konnte Gott nicht verhindern, dass die Freunde Daniels in den brennenden Ofen geworfen wurden? Natürlich konnte Er es. Aber Er tat es nicht. Dennoch war Er bei ihnen und rettete sie auf wunderbare Weise. Der Herr Jesus hätte verhindern können, dass die Jünger in einen Sturm kamen. Er tat es nicht. Doch Er war bei ihnen und rettete auch sie. Die Worte Gottes an den glaubenden Überrest der Juden können wir uns zu eigen machen: „Und nun, so spricht der Herr, der dich geschaffen hat, Jakob, und der dich gebildet hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein. Wenn du durchs Wasser gehst, ich bin bei dir, und durch Ströme, sie werden dich nicht überfluten; wenn du durchs Feuer gehst, wirst du nicht versengt werden, und die Flamme wird dich nicht verbrennen“ (Jes 43,1.2).
Wenn wir an die ungläubigen Menschen denken, dann erinnern wir uns an eine Aussage Jeremias: „Das Böse und das Gute, geht es nicht aus dem Mund des Höchsten hervor? Was beklagt sich der lebende Mensch? Über seine Sünden beklage sich der Mann“ (Klgl 3,38). Die Menschen, die gerade bei Unglücken und Katastrophen um sich schlagen und Gott anklagen, sollten besser „in sich schlagen“ und Buße tun.
Ursache oder Zweck?
Wir bleiben bei Katastrophen und Unglücken häufig sehr lange bei der Frage nach der Ursache stehen. Ursachenforschung zu betreiben kann helfen, Wiederholungsfälle zu vermeiden oder zumindest besser reagieren zu können. Insofern hat Ursachenforschung durchaus ihren Sinn. Dennoch fragen wir uns häufig viel zu wenig, welche Absicht Gott mit seinem Handeln hat. Die Frage nach dem „Wozu“ ist wichtiger. Es geht um das Ziel Gottes, das Er im Auge hat, wenn etwas passiert, was unser Leben durchrüttelt. Als die Jünger Jesu mit einem Mann konfrontiert wurden, der von Geburt an blind war, stellen sie ihrem Meister die Frage, wer gesündigt hatte, der Blinde oder seine Eltern (Joh 9,2). Weiter dachten sie nicht. Die Antwort des Herrn macht deutlich, dass die Krankheit einen Zweck hatte, nämlich dass die Werke Gottes offenbart würden (Joh 9,3). Bei der Krankheit und dem Tod Lazarus war es ähnlich. Die Absicht Gottes war es, dass seine Herrlichkeit und die des Sohnes sichtbar werden sollte (Joh 11,4.40). Es hilft in der Regel nicht wirklich weiter, wenn wir zu lange bei der Frage nach der Ursache stehen bleiben. Die Frage nach dem Ziel ist wichtiger.
Im weitesten Sinn gilt hier das Bekenntnis Hiskias, der nach einer persönlichen Erprobung durch Gott sagte: „Siehe, zum Heil wurde mir bitteres Leid“ (Jes 38,17). Hiskia sprach diese Worte nicht als Sünder, der sich erstmals zu Gott bekehrte, sondern als ein Gläubiger, den Gott durch großes Leid wieder auf die richtige Spur brachte. Wir erkennen dahinter das Grundprinzip Gottes, dass Er mit seinem Handeln immer ein konkretes Ziel verfolgt.
Eine Ansprache Gottes
Es ist in der Regel verhältnismäßig einfach zu sagen, dass hinter dem Handeln Gottes immer ein konkretes Ziel liegt. Schwieriger wird es, wenn sich die Ansprache Gottes an uns selbst richtet. Bei individuellen Prüfungen (Krankheiten, Todesfälle, berufliche Probleme etc.) ist die persönliche Ansprache Gottes in der Regel nicht zu überhören und doch verschließen wir manchmal die Ohren und wollen nicht hören. Wenn es jedoch um globale Katastrophen geht, die einen gewissen Teil der Menschheit betrifft, sind wir noch eher geneigt, nicht an uns, sondern an andere zu denken.
Ohne Frage redet Gott durch Naturkatastrophen, Unglücke und Pandemien zu den ungläubigen Menschen. Er möchte sie retten. Diese Ansprache Gottes ist unüberhörbar und als wiedergeborene Christen können – und sollen – wir solche Gelegenheiten nutzen, die Menschen auf das drohende ewige Verderben und den Retter Jesus Christus aufmerksam zu machen. Der Herr Jesus selbst hat sich einmal auf eine solche Katastrophe bezogen und gesagt: „... jene achtzehn, auf die der Turm in Siloam fiel und sie tötete: Meint ihr, dass sie schuldiger waren als alle Menschen, die in Jerusalem wohnen? Nein, sage ich euch, sondern wenn ihr nicht Buße tut, werdet ihr alle auf die gleiche Weise umkommen“ (Lk 13,4.5). Diese Aussage macht zum einen klar, dass die von einer Katastrophe unmittelbar betroffenen Menschen keine größeren Sünder sind als alle anderen, die es nicht getroffen hat. Zum anderen zeigt dieses Beispiel deutlich, dass lokale oder globale Katastrophen eine Warnung Gottes sind, mit denen Er die Menschen zur Buße auffordert. Jedes Unglück ist ein Zeugnis Gottes an die Menschen. Allerdings ist – leider – zu befürchten, dass die meisten Menschen nicht hören. In der Offenbarung lesen wir mehrfach, dass die Menschen trotz gewaltiger Eingriffe in das tägliche Leben (Kriege, Hungersnöte, Pandemien) keine Buße tun wollen (vgl. Off 9,20.21; 16,9.11).
Dennoch würden wir unseren Blickwinkel einengen, wenn wir nur an „die anderen“ oder nur „an die Ungläubigen“ denken. Ja, Gott redet mitunter eine sehr deutliche Sprache, um Menschen aus ihrer Lethargie herauszuholen. Und doch liegt in jedem Unglück und in jeder Katastrophe zugleich eine Ansprache an uns. Wir müssen uns die Frage stellen: Welche Absicht hat Gott damit für uns / für mich? Es kann eine Ansprache Gottes ganz individuell sein, es kann eine Ansprache für unsere Ehen und Familien sein. Es kann eine Ansprache für die örtliche Versammlung (Gemeinde) sein. Haben wir vielleicht Dinge für selbstverständlich genommen, die gar nicht so selbstverständlich sind, z.B. die Freiheit, uns regelmäßig als Versammlung versammeln zu können? Haben wir vielleicht vergessen, dankbar zu sein? Sind wir mit den Hinweisen Gottes für unser Leben zu lasch umgegangen? Waren wir untreu? Haben Materialismus und Egoismus in unserem Leben die Oberhand gehabt? Haben wir hinter dem Rücken schlecht und lieblos über andere geredet? Waren da Neid und Streitsucht vorhanden, vor denen wir ausdrücklich in der Bibel gewarnt werden? Sind wir lau, statt für unseren Herrn zu brennen und in seinem Dienst aktiv zu sein? Wie steht es mit der persönlichen Hingabe, der „stillen Zeit“, der Ruhe vor dem Herrn in der Lektüre seines Wortes und im Gebet? Wir müssen uns an diesen Fragen nicht zerreiben, und doch sollten wir sie stellen und darüber mit unserem Herrn im Gebet sprechen. Und vor allem gilt es nicht nur, Entscheidungen für Änderungen zu treffen, sondern sie umzusetzen.
Letztlich ist jeder für sich ganz persönlich verantwortlich, die richtigen Lektionen aus Unglücksfällen, Naturkatastrophen oder Epidemien zu ziehen.
Gebet, Mitempfinden und Hilfe
Naturkatastrophen finden häufig in Ländern statt, in denen die Menschen ohnehin kein leichtes Leben haben. Gleiches gilt für größere Unglücksfälle. Selbst eine weltweite Pandemie wie das Coronavirus trifft Menschen der sogenannten Dritten Welt härter als solche, die in Ländern mit einem hoch entwickelten Gesundheitssystem leben. In vielen Fällen kommen wir in den hochindustrialisierten und entwickelten Ländern etwas „besser weg“.
Wie gehen wir damit um? Machen wir es wie der Arzt, der abends nach Hause kommt und von weitem vor seinem Haus die Feuerwehr stehen sieht? Als er näherkommt, stellt er fest, dass das Haus seines Nachbarn brennt. Leise murmelt er: „Gott sei Dank.“ Bei allem Verständnis für Dankbarkeit und Freude, wenn es uns selbst nicht (oder nur eingeschränkt) erwischt hat, sollten wir doch nicht vergessen, ein mitleidiges Herz für andere zu haben, die in Not geraten sind. Es sollte selbstverständlich sein, dass wir für sie beten. Und es sollte selbstverständlich sein, dass wir – wo es uns möglich ist – helfen. In Hesekiel 16,5 stellt Gott – wenngleich in einem anderen Zusammenhang – fest: „Kein Auge blickte mitleidig auf dich, um dir eines dieser Dinge zu tun, um sich deiner zu erbarmen.“ Wir denken gerne daran, dass Gott uns barmherzig begegnet ist und uns in unserer Not geholfen hat und immer noch hilft. Ja, Gott ist „reich an Barmherzigkeit“ (Eph 2,4). Doch zugleich fordert Er uns auf, ebenfalls barmherzig zu sein (Lk 6,36). Der Herr Jesus nennt den „glückselig“, der Barmherzigkeit übt (Mt 5,7).
Verstehen oder Vertrauen?
Aufgeklärte Menschen des 21. Jahrhunderts möchten gerne Dinge durchdenken und verstehen. Wir geben uns nicht einfach damit zufrieden, dass etwas passiert ist. Wir möchten begreifen, warum etwas passiert ist. Der Seismologe versucht, ein Erdbeben anhand der sich verschiebenden Erdschollen zu rekonstruieren. Der Atomforscher versucht bei Nuklearkatstrophen herauszufinden, warum sich welche Reaktionen ereignet haben. Nach jedem Flugzeugunglück wird die Frage nach der Ursache sorgfältig geprüft und das ist jetzt – anlässlich der Corona-Epidemie – nicht anders. Diese wissenschaftlichen Ursachenforschungen haben durchaus ihren Wert. Sie helfen uns als Christen bei der „theologischen“ Bewertung solcher Ereignisse allerdings wenig weiter. Das Handeln Gottes können wir eben nicht ergründen. Wir verstehen sein Tun oft nicht. Wir müssen es auch nicht. Doch das muss keine Unsicherheit auslösen, denn obwohl wir Gott oft nicht verstehen, so vertrauen wir Ihm doch. Er tut nichts ohne einen Plan und ohne eine feste Absicht.
Die Bibel zeigt uns das Beispiel von Menschen, die sich durchaus nicht einfach ihrem Schicksal ergeben haben, sondern mit Gott „gerungen“ haben und Ihm ihre Fragen gestellt haben. Asaph (Ps 73) ist dafür ein Beispiel. Hiob ist dafür ein Beispiel. Auch Abraham, Mose und David könnten genannt werden. Doch in all diesen Fällen merken wir deutlich, dass diese Gläubigen Gott zwar ihre Fragen stellen, dabei aber niemals Gott selbst in Frage stellen. Sie halten an Gott fest. Sie reden nicht über Gott, sondern mit Gott. Sie klagen Gott nicht an, sondern sie vertrauen Ihm. Ihr Vertrauen auf Gott wurde oft auf eine harte Probe gestellt (siehe z.B. Abraham in 1. Mose 22), doch am Ende hat Gott keinen der Seinen je enttäuscht. Er möchte, dass wir Ihm immer vertrauen, auch – und gerade – dann, wenn wir Ihn nicht verstehen.
Fazit
Jedes Unglück, jede Katastrophe und jede Pandemie zeigt uns Menschen unsere Grenzen auf. Wir meinen, wir hätten „alles im Griff“ und merken nicht, wie klein und gering wir sind. Wenn Gott es will, zeigt Er uns wie nichts unsere menschlichen Grenzen auf. Zugleich redet Gott zu den Menschen, um sie zur Buße zu veranlassen. Doch nicht nur das: In allem liegt eine Ansprache an seine Kinder. Gott möchte, dass wir unsere Gedanken, unsere Wege und unsere Verhaltensweisen kritisch überprüfen und anpassen. Und bei allem wollen wir nicht vergessen, dass Er uns in seinem Wort sagt: „Denn ich weiß ja die Gedanken, die ich über euch denke, spricht der Herr, Gedanken des Friedens und nicht zum Unglück, um euch Ausgang und Hoffnung zu gewähren“ (Jer 29,11).
Fußnoten
- 1 Die Frage hat noch eine ganz andere Komponente. In beiden Versen (Jesaja 45; Amos 3) steht für „Unglück“ ein Wort, das sonst häufig mit „Böses“ übersetzt wird. Das hat manche dazu geführt, Gott dafür zu beschuldigen, dass die Sünde (das Böse) in der Welt ist. Dieser Gedanke ist natürlich völlig abwegig. Das Böse hat niemals seinen Ursprung in Gott, sondern in der Rebellion und dem Eigenwillen des Menschen, der sich gegen Gott aufgelehnt hat (Röm 5,12).