Er lehrte sie vieles in Gleichnissen (Band 2)

Der treue und der böse Knecht

Er lehrte sie vieles in Gleichnissen (Band 2)

Am Ende von Matthäus 24 und anschließend im 25. Kapitel finden sich in direkter Folge drei Gleichnisse, die in einem sehr bemerkenswerten Gesamt-Zusammenhang stehen. Sie bilden nämlich einen Teil der großen prophetischen Rede des Herrn auf dem Ölberg (Kap. 24 und 25), und es wird zum Verständnis der Gleichnisse hilfreich sein, einen kurzen Überblick über die Rede als Ganzes zu gewinnen.

Die prophetische Rede des Herrn

Der Herr Jesus spricht hier als der große Prophet Gottes, auf den schon Mose hingewiesen hatte (5. Mo 18,18). Es war ein überaus ernster Augenblick in der Geschichte Israels, als der Sohn Gottes hinaustrat und von dem Tempel wegging (Mt 24,1). Bedenken wir es: Nie mehr würde Seine Stimme in seinen Vorhöfen gehört werden! Jerusalem hatte seinen König verworfen! „Siehe, euer Haus wird euch öde gelassen; denn ich sage euch: Ihr werdet mich von jetzt an nicht sehen, bis ihr sprecht:,Gepriesen sei, der da kommt im Namen des Herrn!“' (Mt 23,38.39), hatte der Herr dem jüdischen Volk und seinen Führern zurufen müssen. Vor diesem ernsten Hintergrund müssen wir Seine Darlegungen in diesen beiden Kapiteln sehen.

Die Jünger hatten Ihm voll Bewunderung die Gebäude des Tempels zeigen wollen. Doch Seine Antwort musste sie notwendigerweise befremden, wenn nicht beunruhigen: „Seht ihr nicht dies alles? Wahrlich, ich sage euch: Hier wird nicht ein Stein auf dem anderen gelassen werden, der nicht abgebrochen werden wird“ (Kap. 24,2).

Als sie dann auf dem Ölberg mit dem Herrn Jesus allein waren, stellten sie Ihm drei bedeutsame Fragen: „Wann wird das sein?“ – „Was ist das Zeichen deiner Ankunft?“ – „Was ist das Zeichen der Vollendung des Zeitalters?“ (Vers 3).

Der Herr geht in Seiner Antwort über das hinaus, was sie erfragt hatten. Das ist immer Seine Weise. Er gibt ihnen – und damit auch uns – einen großartigen Überblick über die zukünftigen Ereignisse, die Seinem Weggang folgen würden. Dabei geht Er von der damaligen Situation in Israel aus und entwickelt die Dinge bis hin zu der Zeit, wenn Er schließlich hier auf der Erde auf Seinem Thron der Herrlichkeit sitzen und das Reich nicht länger in einem Geheimnis, sondern in offenbarer Macht bestehen wird.

Wir müssen jedoch beachten, dass die Jünger hier nicht als Christen vor dem Herrn Jesus stehen. Noch gab es das Christentum nicht, wenngleich auch dessen Einführung nahe bevorstand. Nein, als Vertreter des gläubigen Überrestes aus dem jüdischen Volk sieht der Herr sie vor sich. Als gläubige Juden hatten sie Ihn gefragt, und als Vertreter des jüdischen Überrestes auch späterer Tage empfangen sie Seine Belehrungen.

Die Weissagung selbst hat drei große Abschnitte. Der erste umfasst die Verse 1 bis 44 von Kapitel 24, und er hat es mit den Juden zu tun. Drei Dinge sagt der Herr von ihnen voraus:

  • die Bedrängnisse, die sie erdulden werden (Vers 9);
  • die Verführungen, denen sie ausgesetzt sein werden (Vers 24);
  • die Befreiung, die sie erfahren werden (Vers 31).

Der zweite Teil erstreckt sich von Kapitel 24, Vers 45, bis Kapitel 25, Vers 30. In ihm geht es ausschließlich um Christen, die im Blick auf ihren abwesenden Herrn

  • im inneren Bereich dienen (Kap. 24,45–51),
  • Ihn erwarten (Kap. 25,1–13),
  • im äußeren Bereich arbeiten (Verse 14–30).

Der dritte Teil reicht von Vers 31 bis zum Ende des 25. Kapitels. In ihm kommen die Nationen vor uns. Sie werden danach beurteilt und gerichtet, ob sie die Sendboten des Königs

  • angenommen (Verse 34–40) oder
  • verworfen (Verse 41–46) haben.

Der jüdische Bereich

Im ersten Teil Seiner Weissagung beschreibt der Herr also den jüdischen Bereich. Dabei fällt besonders auf, dass Er die in zeitlicher Hinsicht darin eingebettete christliche Haushaltung, die Zeit der Kirche (Versammlung), vollständig übergeht. Er redet in diesem Sinne ganz nach der Weise des Alten Testaments. Erst nachdem Er die Aufeinanderfolge der prophetischen Ereignisse in dem jüdischen Bereich dargestellt und bis hin zur Ankunft des Sohnes des Menschen in Macht und Herrlichkeit entwickelt hat, kommt Er dann in dem zweiten Teil auf den christlichen Bereich zu sprechen. Dieser schließt zeitlich nicht etwa an das Ende des ersten, des jüdischen, an. Auch der dritte Teil, der es mit dem Gericht der lebenden Nationen zu Beginn des Tausendjährigen Reiches zu tun hat, schließt zeitlich nicht direkt an das Ende des zweiten Bereichs an. Eher schließt der dritte Bereich an das Ende des ersten an.

Es ist gut, das recht zu verstehen. Der Herr schildert die drei Bereiche jeweils getrennt für sich, damit wir den ihnen eigentümlichen Charakter klar erkennen mögen. Aus diesem Grund gibt Er uns drei in sich selbst abgerundete, abgeschlossene Bilder.

Die zeitliche Zuordnung der einzelnen Bereiche zueinander steht hier nicht im Vordergrund. Aus anderen Schriftstellen können wir sie erschließen. Aber selbst innerhalb der einzelnen Bereiche hält Sich der Herr bei der Darstellung der einzelnen Vorgänge nicht unbedingt an ihre chronologische Reihenfolge. Doch das können wir hier nicht weiter verfolgen.

Dass es sich bei dem ersten Bereich tatsächlich um den jüdischen handelt, machen allein schon die darin vorkommenden Ausdrücke wie »Evangelium des Reiches« (Kap. 24,14), heiliger Ort« (Vers 15), »Judäa« (Vers 16), »Sabbat« (Vers 20), »alle Stämme des Landes« (Vers 30), »Feigenbaum« (Vers 32), »dieses Geschlecht (Vers 34) und »Ankunft des Sohnes des Menschern (Verse 37.39) deutlich. Diese knappen Andeutungen mögen auch hier genügen.

Der christliche Bereich

Es ist sehr bemerkenswert, dass der Herr Jesus den christlichen Bereich, mit dem wir uns nun eingehender beschäftigen wollen, in Form von drei Gleichnissen vorstellt: dem Gleichnis von dem »treuen und dem bösen Knecht, dem bekannten Gleichnis von den »zehn Jungfrauen« und dem Gleichnis von den »Talenten« (Kap. 24,45–25,30). Diese Gleichnisse bieten, streng genommen, keinen Überblick über prophetische Ereignisse, wie das im ersten und im dritten Teil der Fall ist. Vielmehr tragen alle drei Gleichnisse einen sittlichen Charakter: Sie betonen die Wichtigkeit der inneren Haltung der Menschen.

Dass wir in den Gleichnissen Bilder der jetzigen christlichen Haushaltung, der Zeit der Gnade, haben, wird durch folgende drei Feststellungen unterstützt:

  • Wenn hier Gläubige ermahnt werden, auf das Kommen Christi zu warten, dann wird stets von dem Kommen des Herrn gesprochen. Der Titel »Sohn des Menschen«, den Er immer dann annimmt, wenn Er es mit der Erde zu tun hat, kommt in keinem der drei Gleichnisse vor.
  • Wir finden in den drei Gleichnissen keinerlei Andeutungen von „Zeiten und Zeitpunkten“ (1. Thes 5,1) oder von irgendwelchen vorbereitenden Zeichen, wie sie uns an anderen Stellen des prophetischen Wortes gegeben werden und mit Seiner Ankunft in Macht in Verbindung stehen. Vielmehr trägt alles den Charakter christlicher Wahrheit, besonders der Wahrheit, die uns im letzten Abschnitt von 1. Thessalonicher 4 gezeigt wird.
  • Nicht ein einziges Zitat der Prophezeiungen des Alten Testaments wird im Hinblick auf den beherrschenden Gegenstand – die Wiederkunft Christi für die Seinen -angeführt. Warum nicht? Weil das Alte Testament wohl an mehreren hundert Stellen vom Kommen des Messias, Seiner Verwerfung, Seinem Tod und auch von Seinem Reich in Macht und Herrlichkeit redet, aber nicht an einer einzigen auf die Zeitperiode hinweist, in welcher der König abwesend sein und die Versammlung Gottes, die Kirche, gebildet werden würde.

Das alles ist natürlich nicht zufällig, und wir können daraus lernen, dass der Herr Jesus hier nicht von Israel, sondern von der christlichen Haushaltung spricht, der Er hier wie auch an anderen Stellen im Matthäus-Evangelium die Bezeichnung »Reich der Himmel« verleiht (Kap. 25,1).

Wenn ich auch eben von der Versammlung Gottes« gesprochen habe und auch weiterhin diesen Ausdruck hier und da verwenden mag, so müssen wir uns doch über eines im Klaren sein: In diesen drei Gleichnissen wird die Versammlung nicht als organisches Ganzes dargestellt, nicht als Leib Christi; sondern jene werden gezeigt, die in der christlichen Ära den Platz von Bekennern einnehmen und deshalb unter entsprechender Verantwortung stehen. Ihr Bekenntnis kann indes echt oder unecht sein. Das aber ist gerade typisch für das Reich der Himmel: Es ist ein ^gemischte Sache.

Das erste Gleichnis

Nachdem der Herr Jesus, den jüdischen Aspekt Seiner Rede abschließend, noch persönliche Ermahnungen für den jüdischen Überrest gegeben hat (Kap. 24,32–44), gelangt Er mit Vers 45 auf christlichen Boden.

Wir müssen verstehen lernen, dass die Jünger, zu denen Er sprach, grundsätzlich zwei Stellungen einnahmen, wie wenig sie selbst das damals auch verstanden haben werden. Einerseits waren sie die Vertreter des jüdischen Überrestes damaliger und späterer Tage. Wir haben das gesehen. Andererseits aber betrachtet der Herr die Apostel unter einem völlig anderen Blickwinkel: als Vertreter der Versammlung Gottes, deren Kern oder Keimzelle sie dann zu Anfang auch bildeten (Apg 2). Ihre Beziehungen sollten, da Er verworfen wurde, nicht länger an Israel und an die Hoffnungen dieses Volkes geknüpft sein, sondern an Ihn selbst, den im Himmel weilenden Herrn.

Und so zeigt Er ihnen (und uns) im Gleichnis von »dem treuen und dem bösen Knecht« als Erstes, dass die Jünger für die Zeit Seiner Abwesenheit durch Treue im Dienst für Ihn gekennzeichnet sein sollten. Dieser Dienst würde in der Erwartung Seiner Wiederkehr seine Quelle finden. In gewissem Sinn würde er eine Fortsetzung des Dienstes sein, den sie unter Seinem Auge, als Er noch hier war, ausgeübt hatten.

Zu bemerken bleibt noch, dass der Herr dasselbe Gleichnis schon bei einer früheren Gelegenheit gesprochen hat (Lk 12,42–46). Auch dort benutzte Er es, um die Jünger darin zu bestärken, auf Sein Kommen zu warten. Die Wiederholung des Gleichnisses verstärkt den Eindruck Seiner Worte.

Der treue und kluge Knecht

„Wer ist nun der treue und kluge Knecht, den sein Herr über sein Gesinde gesetzt hat, ihnen die Nahrung zu geben zur rechten Zeit? Glückselig jener Knecht, den sein Herr, wenn er kommt, damit beschäftigt finden wird! Wahrlich, ich sage euch, er wird ihn über seine ganze Habe setzen“ (Kap. 24,45–47).

Mit einer erforschenden Frage leitet der Herr das erste Gleichnis ein: „Wer ist nun der treue und kluge Knecht ...?“ Das erinnert uns an ein Wort des Apostels Paulus: „Im Übrigen sucht man hier an den Verwaltern, dass einer für treu befunden werde“ (1. Kor 4,2). Es ist also ganz eine Frage der Verantwortlichkeit. Alle drei Gleichnisse haben diesen Grundgedanken gemeinsam, wenn auch der Blickwinkel jeweils ein anderer ist.

Dienst an den Heiligen

Das Gleichnis selbst handelt von einem Knecht, den sein Herr über sein Gesinde, über seinen Haushalt gesetzt hat. Der Knecht hat diese Stellung mit der ausdrücklichen Absicht seitens seines Herrn erhalten, den übrigen Knechten und Mägden seines Hauses Nahrung zur rechten Zeit zu geben.

Die übertragene Bedeutung ist einfach zu erfassen. Hat doch der Herr Jesus auch heute ein »Gesinde«, hat Knechte und Mägde – solche, die Er „die Seinen“ nennt und die Ihm unendlich nahe und kostbar sind. Für sie ist Er besorgt, besorgt dafür, dass sie stets zur rechten Zeit die rechte Nahrung bekommen. Wie beglückend ist diese Sorgfalt des verherrlichten Herrn für Seine Versammlung (vergleiche auch Epheser 5,29)!

Aber ist es nicht bemerkenswert, dass von den drei Gleichnissen dies an erster Stelle kommt? Sollen wir daraus vielleicht lernen, dass das Interesse des Herrn für Sein Volk hier auf der Erde in Seinem Herzen den ersten Platz einnimmt? Wir Menschen hätten wohl die Verkündigung des Evangeliums gegenüber einer verlorenen Welt an die erste Stelle gesetzt. Und wer würde auch nur im Geringsten die Wichtigkeit dieser Tätigkeit in Frage stellen? Im dritten Gleichnis kommt der Herr dann auch darauf mit allem Nachdruck zu sprechen. Doch die Beschäftigung mit denen, die drinnen sind, hat in gewisser Hinsicht Vorrang vor der Beschäftigung mit denen, die draußen sind. Das wird auch durch den dreifachen Auftrag des auferstandenen Herrn an Petrus im Blick auf Seine Schafe und Lämmer bestätigt: „Weide meine Lämmlein!“ – „Hüte meine Schafe!“ – „Weide meine Schafe!“ (Joh 21,15–17).

Der Herr hat einen »Haushalt«: „Dessen Haus wir sind“ (Heb 3,6). Treuem und verständnisvollem Dienst innerhalb dieses Bereiches misst der Hausherr in Seiner Liebe die größte Wichtigkeit bei. Sehen wir das auch so? Oder sind uns die geistlichen Bedürfnisse der Kinder Gottes nebensächlich, weil unser Interesse, unsere Predigt ausschließlich denen gilt, die draußen sind? Dann hätten wir ein wesentliches Merkmal der heutigen Zeit noch nicht recht erfasst. Denn für das Christentum ist solch ein Dienst an den Heiligen geradezu kennzeichnend, während das Judentum nichts Vergleichbares kannte. Wohl gab es auch in Israel ein „Lehren“, aber es war stets ein Lehren oder Lesen des Gesetzes, ein Belehren des Volkes über das Gesetz (5. Mo 33,10; 2. Chr 17,7–9; Esra 7,10; Neh 8,7.8.18; 9,3).

Doch wie verhält es sich mit der Feststellung in Nehemia 8: „Und sie lasen in dem Buch, in dem Gesetz Gottes, deutlich, und gaben den Sinn an, so dass man das Gelesene verstand“ (Vers 8)? War das nicht eine Art „Auslegung“ im Sinne des Neuen Testaments? Nein, es hatte weit eher mit einer Übersetzung zu tun. Die Juden hatten in der Gefangenschaft ihre ursprüngliche Sprache, das Hebräische, verloren und stattdessen das verwandte Aramäische ihrer Bedränger als Umgangssprache angenommen. Das Gesetz aber war (wie fast das ganze Alte Testament) in Hebräisch verfasst, so dass die Juden damals das Vorgelesene nicht mehr richtig verstanden. Und so gaben ihnen die Leviten, die mit dem Hebräischen noch vertraut waren, den Sinn des Gelesenen an. Deswegen wird in Vers 12 gesagt: „Denn sie hatten die Worte verstanden, die man ihnen kundgetan hatte.“ Auch Kapitel 13, Vers 24, bestätigt die sprachlichen Schwierigkeiten der aus Babylonien Zurückgekehrten.

Welch ein Unterschied besteht also zwischen dem Belehren über das Gesetz mit seinen Anordnungen und dem Dienst in der christlichen Epoche! Heute leitet der Heilige Geist in die ganze Wahrheit, verkündigt das Kommende und verherrlicht Christus. Er nimmt von dem, was dem Herrn Jesus gehört, und gibt es uns (Joh 16,12–15). Das ist wahrhaft „Speise“. Nichts in der jüdischen Haushaltung könnte dem an die Seite gestellt werden.

Der Dienst selbst kann natürlich nur durch das Wort Gottes geschehen, wie es schon die Apostel zu Anfang der christlichen Epoche ausdrückten: „Wir aber werden im Gebet und im Dienst des Wortes verharren“ (Apg 6,4). Und wenn der Dienst im Sinne seines Meisters und unter der Leitung des Heiligen Geistes geschieht, wird der treue und kluge Knecht den »Kindern« Milch und den Erwachsenem feste Speise zu geben wissen, wie sie es gerade nötig haben (1. Kor 3,2; Heb 5,12–14). Das ist es, was der Herr anschließend mit „damit beschäftigt“ meint und was Er so wertschätzt.

Dem Herrn verantwortlich

Aber dann lernen wir aus diesem einfachen Gleichnis noch etwas: Der zu diesem Dienst berufene Knecht erhält seinen Auftrag nur vom Herrn, nicht von irgendwelchen Menschen, auch nicht von der Versammlung. Die Autorität zu diesem Dienst kommt nur vom Herrn, nur Er kann den Knecht über Sein »Gesinde« setzen. Selbst im Wort unterwiesen, soll er nun auch andere lehren. Später in den Briefen lernen wir, dass es der erhöhte Christus ist, der Seiner Versammlung Gaben gegeben hat: „Und er hat die einen gegeben als Apostel und andere als Propheten und andere als Evangelisten und andere als Hirten und Lehrer, zur Vollendung der Heiligen, für das Werk des Dienstes, für die Auferbauung des Leibes des Christus“ (Eph 4,11.12).

Und wie der Auftrag und die Autorität allein vom Herrn ausgehen, so ist der Knecht in seinem Dienst auch nur dem Herrn verantwortlich. Es gibt keine menschliche Instanz, die sich da einmischen könnte. Dienst an den Heiligen ist eine göttliche Angelegenheit, und er geschieht unter dem Auge des Herrn. Deswegen geht es auch in unserem Gleichnis einzig und allein darum, wie der Herr, wenn Er kommt, das Tun Seines Knechtes beurteilt.

Damit sind wir bei einem weiteren Punkt. Was befähigt den Knecht zum Dienst in der rechten Weise? Was lässt ihn in allen damit verbundenen Schwierigkeiten in Treue damit fortfahren? Die Hoffnung, dass sein Herr wiederkommt und dass es Lohn für alle Mühe gibt. „Siehe, ich komme bald, und mein Lohn mit mir“ (Off 22,12). Wenn wir den Herrn Jesus lieben, werden wir auch sehnlich Sein Wiederkommen erwarten und werden uns in der Zwischenzeit in liebevollem Dienst denen zuwenden, die Er so unaussprechlich liebt.

Belohnung

Treue Ihm und Seinem »Haushalt« gegenüber wird Belohnung finden, unabhängig davon, worin der Dienst im Einzelnen besteht. Hier geht es natürlich darum, den Gläubigen das zu »essen« zu geben, was sie gerade brauchen. Doch gilt der Grundsatz für jede Art von Dienst, den der Herr uns anvertrauen mag. Wenn dann der Herr kommt und findet den Knecht „damit beschäftigt“, so bringt er ihm seine Anerkennung zum Ausdruck. „Glückselig“ nennt er diesen Knecht. Mochten auch andere ihn abschätzig beurteilt haben, als habe er seine Energie in die falsche Richtung gelenkt (vgl. Mt 26,8.9) – dies ist das Urteil des Herrn.

Aber damit nicht genug, er wird ihn auch „über seine ganze Habe setzen“. Er hatte den Knecht über sein Gesinde gesetzt, und weil er darin treu war, wird er ihn über seine ganze Habe setzen. Was das in sich schließt, deutet ein Vergleich mit Offenbarung 2, Vers 26, an: „Wer überwindet und meine Werke bewahrt bis ans Ende, dem werde ich Gewalt über die Nationen geben.“ Der Abfall von »Thyatira« wird die Zeit der Wiederkunft Christi kennzeichnen, und den Knecht, der in gefahrvoller Zeit seinem Herrn und Meister treu geblieben ist, wird Er in Seinem Reich auf einen Platz der Macht erheben. „Wenn wir ausharren, so werden wir auch mitherrschen“ (2. Tim 2,12). Der Platz der Autorität und des Herrschens ist an sich Sein Platz, denn es ist „Seine ganze Habe“. Hat nicht der Vater dem Sohn alles in die Hände gegeben und Ihn über die Werke Seiner Hände gesetzt (Joh 13,3; Heb 2,7)? Und doch will der Herr Jesus diesen Platz nicht allein einnehmen, Er will ihn nach dem Ratschluss Gottes mit den Seinen teilen. „Und wenn der Erzhirte offenbar geworden ist, so werdet ihr die unverwelkliche Krone der Herrlichkeit empfangen“ (1. Pet 5,4). Unfassbare Gnade!

Der böse Knecht

Aber es gibt noch eine andere Seite, die dunkle Seite des Gemäldes. Auch in den beiden weiteren Gleichnissen finden wir sie.

„Wenn aber jener böse Knecht in seinem Herzen saßt: Mein Herr bleibt noch aus, und anfängt, seine Mitknechte zu schlagen, und isst und trinkt mit den Betrunkenen, so wird der Herr jenes Knechtes kommen an einem Tag, an dem er es nicht erwartet, und in einer Stunde, die er nicht weiß, und wird ihn entzweischneiden und ihm sein Teil geben mit den Heuchlern: Dort wird das Weinen und das Zähneknirschen sein“ (Mt 24,48–51).

Wenn nun der Herr auf „jenen bösen Knecht“ zu sprechen kommt, so haben sich viele schon gefragt, wo denn dieser böse Knecht herkommt. Warum sagt Er: „Jener“? Wen meint Er damit?

Zwei Gruppen von Arbeitern

Zuerst müssen wir verstehen, dass sowohl der treue als auch der böse Knecht nicht für Einzelpersonen, sondern für verschiedene Gruppen von Dienern stehen. Der treue und kluge Knecht versinnbildlicht die Gruppe der treuen Diener des Herrn in der Zeit des Christentums, der böse Knecht die Gruppe der untreuen, nichtswürdigen Diener. Im dritten Gleichnis haben wir dann allerdings den individuellen Aspekt der Arbeiter, hier jedoch nicht. Das zu beachten wird sich als außerordentlich hilfreich erweisen.

Das einleitende »Wenn« ist ein »Wenn« der Erwartung. Der Herr sieht vor Seinem geistigen Auge eine verhängnisvolle Veränderung der Diener im christlichen Bereich voraus. Diese Veränderung betrifft den Charakter der Diener, nicht deren Stellung, und sie hat ihren Grund in dem Aufgeben der Hoffnung auf die Wiederkunft des Herrn. Was die Stellung angeht, so wird der böse Knecht genauso gesehen und behandelt wie der treue. Das will sagen, beide werden gesehen als über das Gesinde gesetzt, und beide sind dementsprechend verantwortlich. Aber der Charakter des Knechtes hat sich verändert: Er ist zu einem bösen Knecht geworden. Insofern betrachtet der Herr den bösen Knecht als denselben Knecht und sagt deswegen: „Wenn aber jener Knecht ...“ Wir haben die gleiche Betrachtungsweise im Gleichnis vom »Senfkorn«, wo das kleine Samenkorn, obwohl vom Herrn selbst auf Seinen Acker gesät, zu einem großen Baum entartet und Raum für die Vögel des Himmels bietet (Mt 13,31.32).

Beide Gruppen von Dienern bleiben jedoch – das macht das Gleichnis ebenfalls deutlich – bis zum Kommen des Herrn bestehen, wie unterschiedlich sie es auch erleben werden. Wir kommen darauf noch einmal zurück. Dennoch will der Herr hier eine Entwicklung zum Bösen aufzeigen, zugleich aber auch deutlich machen, dass es während der ganzen Haushaltung der Gnade treue und kluge Arbeiter geben wird, eben „bis er kommt“.

Wir denken manchmal, dass die bösen Knechte überhaupt keine Knechte des Herrn seien. Doch der Herr Jesus belehrt uns in diesem Gleichnis eines anderen. Nicht nur sagt der böse Knecht selbst: „Mein Herr“, sondern der Herr bezeichnet sich selbst als den „Herrn jenes Knechtes“ (Vers 50). Das ist sehr beachtenswert. Wenn sich jemand zum Herrn bekennt, wenn jemand vorgibt, ein Diener des Herrn zu sein, dann ist er auch diesem Herrn verantwortlich. Der Herr Jesus sagt nicht: „Du bist gar nicht mein Knecht“, sondern Er handelt mit ihm gemäß seinem Bekenntnis und wie er dem entsprochen hat.

Dieser Grundsatz erstreckt sich auf die ganze Christenheit. Wenn sich jemand durch Taufe oder Abendmahl oder auf irgendeine andere Weise zu Christus bekennt, ist er Ihm auch verantwortlich – verantwortlich, nach Seinen Weisungen zu leben. Der Herr spricht ihn von dieser Verantwortlichkeit auch dann nicht frei, wenn sein Bekenntnis hohl und kein göttliches Leben vorhanden ist. Beansprucht jemand, ein Christ zu sein, so wird ihn der Herr auf diesem Boden beurteilen, nicht als einen Heiden, der nie etwas von Ihm gehört hat und deshalb eine weit geringere Verantwortlichkeit trägt.

Es beginnt „im Herzen“

Und wie kam das Unheil in die Versammlung? Es begann im Herzen, begann damit, dass man die Hoffnung auf die unmittelbare Wiederkehr Christi aufgab: „Wenn aber jener böse Knecht in seinem Herzen sagt: Mein Herr bleibt noch aus ...“ Beachten wir, es ist die Sprache des Herzens, die nur der Herzenskenner wahrnehmen kann. Aber dort im Herzen nahm die unheilvolle Entwicklung ihren Anfang. So ist es immer. Als Stephanus vor seinen jüdischen Anklägern stand, musste er sie an ihre Väter erinnern, wie sie Mose und damit Gott „nicht gehorsam sein wollten, sondern sie stießen ihn von sich und wandten sich in ihren Herzen nach Ägypten zurück“ (Apg 7,39).

Wenn man den Heiland liebt, ist nichts normaler und lieblicher, als dass man die Einlösung Seines Versprechens, bald wiederzukommen, herbeisehnt. Für einen solchen Christen ist die Wiederkunft Christi nicht nur eine Lehrfrage, sondern ein Herzensbedürfnis. Die Gläubigen in Thessalonich hatten sich von den Götzenbildern zu Gott bekehrt, „um dem lebendigen und wahren Gott zu dienen und seinen Sohn aus den Himmeln zu erwarten“ (1. Thes 1,9.10). Das, Geliebte, sollte auch unsere Haltung und Hoffnung sein! Hat der Herr Jesus nicht gesagt, Er werde wiederkommen und uns zu Sich nehmen, damit, wo Er ist, auch wir seien? Diese Erwartung liegt auf Seinem Herzen, sie sollte auch auf dem unseren sein. Ja, Sein Herz verlangt nach uns, und Er wird dieses Verlangen in die Tat umsetzen. Kann es dann auf unserer Seite eine andere Antwort geben, als dass wir Ausschau halten nach Dem, der uns liebt?

Und doch kann es anders sein. Warum rede ich jetzt überhaupt von uns Kindern Gottes, wo wir doch den »bösen Knecht« vor uns haben? Kann denn seine Sprache auch die unsere sein? Leider ja! Wir können zwar nicht direkt „jener böse Knecht“ sein, denn sein Ende ist das Verderben. Aber wir können durchaus seine Sprache führen, mit verheerenden Folgen auch für uns.

Beachten wir, dass der böse Knecht nicht der Meinung ist, sein Herr käme überhaupt nicht, sondern er schiebt dieses (unerwünschte) Ereignis in weite Ferne (vgl. 2. Pet 3,4.9). Wenn das dem Teufel auch bei uns gelingt, ist der Verfall vorprogrammiert. Dabei ist es dann gleichgültig, welche Methode der Widersacher anwendet, um sein Ziel zu erreichen. Entweder bringt er die Welt zwischen uns und Christus, oder er führt neue Lehren ein. Zum Beispiel die Auffassung, die Gläubigen müssten zuvor noch durch die große Drangsal gehen; oder die Ansicht, das Kommen Christi könne erst nach dem Tausendjährigen Reich erfolgen. Das Ergebnis ist jeweils dasselbe: Die unmittelbare Erwartung Seines Kommens wird relativiert (eingeschränkt), Seine Wiederkunft in die Ferne verlegt, und so verliert das Herz seine lebendige Kraft. Man richtet sich auf der Erde ein; sie wird zur Heimat der Seele, nicht der Himmel. Schließlich ist man sogar zufrieden bei dem Gedanken, dass Christus noch lange nicht kommt, wenn man überhaupt noch daran glaubt, dass Er einmal wiederkommen wird.

In der Christenheit haben sich die Dinge längst in diese Richtung entwickelt, sie ist weitestgehend in diesem Zustand. Aber – welch eine Warnung! – es war ursprünglich nichts anderes als das Aufgeben der rechten Gesinnung, was dazu führte. Und so wurden jene, die treu und klug hätten sein sollen, untreu und böse. Dass man diesen Satz nicht falsch verstehe! Es wird hier nicht hinterfragt, ob ein Gläubiger nach allem doch verloren gehen kann – eine Frage, die die Schrift eindeutig verneint (Joh io, 27–30) –, sondern es geht in diesem Gleichnis um die Verantwortlichkeit des Dieners in der christlichen Epoche.

Herrschen statt dienen

Mit dem Verlust des rechten Geistes kam als Nächstes die Anmaßung einer falschen Stellung hinzu: „und anfängt, seine Mitknechte zu schlagen.“ Das ist eine vollständige Verkehrung eines wahren Dienstes, wie der Herr ihn vorher beschrieben hatte (Mt 19,29.30). Zwei große Grundsätze, zeigt Er uns dort, sollten den wahren Diener zum Dienst veranlassen: Liebe („um meines Namens willen verlassen“) und Demut („Erste werden Letzte sein...“).

Hier haben wir dagegen die Erhebung des eigenen Ichs und die Bedrückung anderer. Es ist nicht schwer, das Fortschreiten dieses Geistes in der Geschichte der Christenheit durch die Jahrhunderte hindurch zu verfolgen. Selbst schon in den Tagen der Apostel fand sich ein Mann, von dem der Apostel Johannes sagen musste: „... der gern unter ihnen der Erste sein will“ (3. Joh 9). Er hat gar bald viele Nachfolger gefunden.

Nicht, dass grundsätzlich die Ausübung von Autorität in der Versammlung falsch wäre. Ganz im Gegenteil, sie ist von Gott gewollt. Der Herr hält die sieben Sterne in Seiner Rechten, und Er hat sie dazu gesetzt, in der Versammlung göttliches Licht zur Leitung und Belehrung zu verbreiten (Off 1,16.20; 2,1). Sie werden vom Herrn daran gemessen werden, inwieweit sie dieser Stellung und Aufgabe entsprechen und in allem Seinem Willen und Wort unterworfen sind. Es sei in diesem Zusammenhang erwähnt, dass in der Heiligen Schrift die »Sonne« oft als ein Bild von absoluter Autorität gebraucht wird (Gott), der »Mond« von abgeleiteter Autorität (Versammlung) und die »Sterne« von untergeordneter Autorität (Engel der Versammlungen) – die beiden Letzteren „zur Beherrschung (oder: zur Herrschaft in) der Nacht“ (vergleiche 1.M0 1,16; Ps 136,9). Gott erwartet von Seinen Knechten, dass in der Versammlung Sein Wille mit Autorität vorgestellt und verwirklicht wird.

Diese Bemerkungen machen aber auch klar, dass die Ausübung von Autorität in der Versammlung mit einem eigenwilligen Herrschen über sie nichts, aber auch gar nichts zu tun hat. Die Herde Gottes muss gehütet werden, die Aufsicht über sie muss geführt werden. Aber der Apostel Petrus fügt denen gegenüber, die der Herr mit diesem Dienst betraut hat, sogleich die Warnung hinzu: „nicht als solche, die da herrschen über ihre Besitztümer“ (1. Pet 5,1–3).

Als der Herr Jesus in Seinem Gleichnis von dem Schlagen der Mitknechte sprach, weilte Er hier auf der Erde. Knapp siebzig Jahre später gab Er vom Himmel her dem greisen Apostel Johannes den Auftrag, sieben Briefe an sieben Versammlungen zu senden – Briefe, die Er selbst ihm diktierte. In zweien von ihnen erwähnt Er eine gewisse Gruppe von Menschen, die Ni-kolaiten, und spricht von ihren „Werken“ und von ihrer „Lehre“ (Off 2,6.15). »Nikolaiten« bedeutet Volksbeherrschen, und wir können davon ausgehen, dass der Herr mit diesem symbolischen Ausdruck das (frühe) Entstehen eines klerikalen Systems andeutet, wenn Er ihn auch nicht allein darauf beschränken mag.

Dieses kirchliche System verleugnete gar bald die Priesterschaft aller Gläubigen, wie sie in der Heiligen Schrift gelehrt wird (1. Pet 2,5.9), und setzte die freie Wirksamkeit des Heiligen Geistes in der Verkündigung des Wortes Gottes beiseite. Es führte die schriftwidrige Unterscheidung zwischen Geistlichkeit und Laien ein, was zu einer Beherrschung der Letzteren führte. Nur eine gewisse Klasse, von Menschen dazu ordiniert, hatte das Recht, zu predigen und zu lehren und die so genannten Sakramente (Taufe und Abendmahl) zu bedienen.

Wie früh diese falschen Grundsätze in der Christenheit Fuß fassten, möge ein geschichtliches Beispiel belegen. Ignatius war ein Schüler und Freund des Apostels Johannes. Er überlebte diesen nur um etwa sieben Jahre. Am Vorabend seines Märtyrertodes auf dem Weg nach Rom schrieb dieser hingebungsvolle Mann, Bischof von Antiochien und Erzbischof von Syrien, um das Jahr 107 n. Chr. sieben Briefe an einzelne Versammlungen. Darin betont er die Unterwerfung der Gläubigen unter den Bischof und fordert sie auf, „auf den Bischof zu sehen wie auf den Herrn selbst“. An die Versammlung in

Philadelphia schreibt er: „Ich rief, als ich unter euch war, ich sprach mit lauter Stimme:,Hört auf den Bischof und auf das Presbyterium und auf die Diakonen!'“ (A. Miller, »Geschichte der christlichen Kirche«).

Gemeinschaft mit der Welt

Als Folge davon, dass man die rechte Gesinnung verloren hatte und nicht mehr auf das Kommen des Herrn wartete, ergab sich neben der Anmaßung einer falschen Stellung fast zwangsläufig auch die Gemeinschuft mit der falschen Seite: „und isst und trinkt mit den Betrunkenen.“ Es wird nicht gesagt, dass der böse Knecht selbst betrunken ist, aber er hat Gemeinschaft mit denen, die in diesem Zustand sind.

Gemeinschuft mit der Welt – das ist also das dritte charakteristische Kennzeichen des bösen Knechtes. „Die, die da trunken sind, sind des Nachts trunken“, sagt die Schrift (1. Thes 5,7); und so sehen wir, dass die Gemeinschaft mit der Welt Gemeinschaft mit der Finsternis bedeutet. Die „Kinder des Lichts“ werden jedoch ermahnt: „Habt nicht Gemeinschaft mit den unfruchtbaren Werken der Finsternis, vielmehr aber straft sie auch; denn das, was heimlich von ihnen geschieht, ist schändlich auch nur zu sagen“ (Eph 5,11.12). Wenn man sich aber mit der Welt und ihren Prinzipien einsmacht, wie kann man sie dann strafen?

Essen und Trinken drücken Gemeinschaft aus, sei es zum Guten oder zum Bösen – ein Grundsatz, den wir auch an anderer Stelle bestätigt finden (vgl. 1. Kor 5,11; 10,17–22). Obwohl der böse Knecht, wie bemerkt, nicht selbst betrunken ist, sieht der Herr ihn doch als eins an mit denen, die es sind. Warum?

Weil er mit ihnen „isst und trinkt“. Man muss eben das Böse nicht unbedingt selbst tun, um mit ihm in Gemeinschaft zu kommen. Oft genügt schon ein äußeres Teilnehmen daran. Der Herr wertet es als Identifikation, als ein Sichgleichsetzen mit dem Bösen. Allein durch einen normalen Gruß kann man mit den „bösen Werken“ eines Irrlehrers in Verbindung kommen (2.Joh n). Das ist die Sichtweise Gottes, und wie wenig wird sie heute von den Kindern Gottes verstanden! Sonst würden sie eher die bösen Verbindungen, durch die Er verunehrt wird, meiden oder aufgeben. „Böser Verkehr verdirbt gute Sitten“ (1. Kor 15,33).

Statt also dem Herrn zu dienen, lässt sich der böse Knecht mit der Welt ein, macht sich mit ihren Wegen und Grundsätzen eins. Er wird auch, wenn die Zeit dazu gekommen ist, wie sie behandelt werden.

Das Ende des „Heuchlers“

„Der Herr jenes Knechtes wird kommen.“ Wir dürfen dieses Kommen in Vers 50 nicht mit dem Kommen in Vers 46 verwechseln. Der treue und kluge Knecht lebt in der Erwartung der Wiederkehr seines Herrn. Sein ganzer Dienst geschieht im Hinblick auf diesen lang ersehnten Augenblick. Für den bösen Knecht aber ist das Kommen des Herrn ein Ereignis, das sowohl unerwartet als auch unerwünscht ist. Den treuen Knecht wird Er über Seine ganze Habe setzen, den bösen Knecht wird Er entzweischneiden und ihm sein Teil mit den Heuchlern geben.

So trägt das Kommen des Herrn in dem einen wie dem anderen Fall einen völlig verschiedenen Charakter. Für die Welt kommt Er wie ein „Dieb in der Nacht“ (1. Thes 5,2.3; vgl. auch 2. Pet 3,10; Off 3,3; 16,15), nicht jedoch für die Seinen. Dass es sich auch um zwei verschiedene Akte und um verschiedene Zeitpunkte Seines Kommens handelt, lernen wir erst später, besonders aus den beiden Briefen des Apostels Paulus an die Thessalonicher. Denn noch war die Wahrheit von der Entrückung der Heiligen nicht offenbart worden. Aber die Worte des Herrn weisen hier schon den Weg dahin. Das zu sehen ist sehr beglückend.

Umso ernster ist das Los des bösen Knechtes. Er wird „entzweigeschnitten“ werden – mit einer „Säge“, die noch schrecklicher ist als die Davids, mit der dieser einst die Kinder Ammon „zerschnitt“ (1. Chr 20,3). Und weil der böse Knecht ein Heuchler ist – er gab wohl vor, dem Herrn zu dienen, hat es aber nicht getan –, deswegen wird der Herr ihm sein Teil gerade dorthin setzen: mit den Heuchlern.

An diesem Punkt bricht der Herr die parabolische (gleichnisweise) Sprache ab und redet direkt, buchstäblich. Das ist auch so, wenn Er dieses „Teil mit den Heuchlern“ näher beschreibt: „Dort wird sein das Weinen und das Zähneknirschen.“ Wir finden dieses plötzliche Verlassen der Gleichnis-Sprache in vielen Gleichnissen am Schluss, und es unterstreicht, wie weit reichend und folgenschwer die Bedeutung dessen ist, was der Herr vor die Herzen stellt.

Wenn wir die Stellen miteinander vergleichen, an denen der Herr den ernsten Ausdruck „das Weinen und das Zähneknirschen“ verwendet (Mt 8,12; 13,42.50; 22,13; 25,30; Lk 13,28), so wird sehr deutlich, dass Er stets von einem ewigen Gericht am Ort der Qual spricht. Es ist die Hölle, der zweite Tod, die ewige Trennung von Gott.

Der Herr möge schenken, dass keiner meiner Leser an diesen furchtbaren Ort kommt, aus dem es kein Entrinnen gibt! Heute ist noch der Tag des Heils, heute kann man sich noch „zu Gott bekehren“, um aus der Finsternis in Sein wunderbares Licht zu kommen.

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