Botschafter des Heils in Christo 1879
Die Allgenugsamkeit Christi - Teil 1/3
Wenn die Seele einmal dahin gebracht ist, ihre wirkliche Stellung vor Gott, die Größe ihrer Schuld und ihres Elends, ihre völlige und hoffnungslose Verderbtheit zu erkennen, so kann sie unmöglich eher Ruhe finden, bis der Heilige Geist dem Herzen einen vollkommenen und allgenügsamen Christus offenbart. Die einzig mögliche Antwort auf unser gänzliches Verderben ist das vollkommene Heilmittel Gottes.
Dies ist eine sehr einfache, aber auch eine sehr wichtige Wahrheit; und wir dürfen mit aller Gewissheit sagen: je tiefer und völliger der Leser diese Wahrheit kennen lernt, desto besser ist es. Das wahre Geheimnis des Friedens ist, mit unserem schuldigen, hilflosen und wertlosen Ich zu Ende zu gelangen und dort einen allgenügsamen Christus zu finden, den Gott für unser tiefstes Bedürfnis vorgesehen hat. Dies ist die wahre Ruhe – eine Ruhe, die nimmer gestört werden kann. Es mögen sich dort Schmerz, Trübsale, Seelenübungen, mannigfache Versuchungen, Prüfungen und Schwierigkeiten finden, aber wir können überzeugt sein, dass eine Seele, die wirklich durch den Geist Gottes dahin gebracht ist, mit ihrem eignen Ich ein Ende zu machen und allein in einem völlig genügenden Christus zu ruhen, einen Frieden genießt, der nie unterbrochen werden kann.
Der unruhige und schwankende Zustand eines so großen Teiles des Volkes Gottes hat darin seinen Grund, dass sie in ihren Herzen nicht einen von Gott selbst für sie vorgesehenen und in allem genügenden Christus aufgenommen haben. Ohne Zweifel mögen verschiedene Ursachen dazu beitragen, dieses traurige und schmerzliche Resultat hervorzubringen; ich nenne unter diesen nur einen gesetzlichen Geist, ein krankes Gewissen, ein mit sich selbst beschäftigtes Herz, eine schlechte Belehrung, ein gewisses Verlangen nach den weltlichen Dingen oder ein, wenn auch geringer Vorbehalt in dem Herzen bezüglich der Anforderungen Gottes, Christi und der Ewigkeit. Doch was auch diese Ursachen sein mögen, so glaube ich doch, dass in den meisten Fällen der unter dem Volk Gottes so viel gefundene Mangel eines festen Friedens daraus entspringt, dass man nicht versteht oder nicht glaubt, wozu Gott seinen Christus, und zwar für alle Ewigkeit, gemacht hat.
Es ist nun meine Absicht, dem forschenden Leser aus dem untrüglichen Worte Gottes zu zeigen, dass für ihn in Christus alle Schätze aufgespeichert sind, deren er je bedarf, sei es, um den Ansprüchen seines Gewissens und dem Verlangen seines Herzens zu begegnen, sei es, um die Bedürfnisse auf seinem Pfad zu befriedigen. Ich werde versuchen, durch die Gnade Gottes zu beweisen, dass das Werk Christi der einzig wahre Ruheplatz ist für das Gewissen, dass die Person Christi den einzig wahren Gegenstand für das Herz bildet, und dass endlich das Wort Christi der einzig wahre Leiter auf unserem Pfad ist.
Lasst uns zuerst ein wenig das Werk Christi als den einzig wahren Ruheplatz für das Gewissen betrachten. Bei der Betrachtung dieses großen Gegenstandes nehmen zwei Dinge unsere Aufmerksamkeit in Anspruch, und zwar zuerst, was Christus für uns getan hat, und dann, was Er jetzt für uns tut. In dem ersteren haben wir die Versöhnung, in dem zweiten die Sachwalterschaft. Er starb für uns an dem Kreuz; Er lebt für uns auf dem Thron. Durch seinen herrlichen Versöhnungstod ist Er unserem ganzen Zustand als Sünder begegnet. Er hat unsere Sünden getragen und sie für immer hinweggetan. Er wurde beladen mit allen unseren Sünden – mit den Sünden aller derer, die an seinen Namen glauben. „Jehova hat Ihn treffen lassen unser aller Ungerechtigkeit“ (Jes 53,6). Und wiederum: „Denn freilich hat Christus einmal für Sünden gelitten, der Gerechte für die Ungerechten, auf dass Er uns zu Gott führe“ (1. Pet 3,18).
Dies ist eine große und äußerst wichtige Wahrheit für die beängstigte Seele – eine Wahrheit, welche die wahre Grundlage der ganzen christlichen Stellung bildet. Es ist unmöglich, dass eine aufrichtig erwachte Seele und ein durch den Heiligen Geist erleuchtetes Gewissen sich des auf eine göttliche Weise gemachten Friedens erfreuen können, bevor diese kostbarste aller Wahrheiten in einfältigem Glauben erfasst worden ist. Ich muss auf Grund einer göttlichen Autorität wissen, dass alle meine Sünden für immerdar aus der Gegenwart Gottes entfernt sind, dass Er selbst in Bezug auf dieselben alles so geordnet hat, dass allen Ansprüchen seines Thrones und den Eigenschaften seiner Natur völlig Genüge geschehen ist, dass Er sich in dem Hinwegtun meiner Sünden in einer weit erhabeneren und wunderbareren Weise verherrlicht hat, als wenn Er mich wegen derselben zu einer ewigen Verdammnis verurteilt hätte.
Ja, Er selbst hat es getan. Das ist die große wichtige Sache, um die es sich handelt. Gott hat unsere Sünden auf Jesus gelegt, und Er sagt es uns in seinem heiligen Worte, so dass wir es wissen können auf Grund einer göttlichen Autorität – einer Autorität, die nimmer lügen kann. Gott hat diesen Ratschluss gefasst, Er hat ihn ausgeführt, und Er sagt uns, dass Er es getan hat. Alles ist von Anfang bis zu Ende von Gott, und wir haben einfach wie ein kleines Kind darin zu ruhen. Wie weiß ich, dass Jesus meine Sünden an seinem eignen Leib auf dem Holz trug? Gerade durch dieselbe Autorität, welche mir sagt, dass ich Sünden hatte, die getragen werden mussten. Gott in seiner wunderbaren und unvergleichlichen Liebe versichert mich, einen armen, schuldigen, verdammungswürdigen Sünder, dass Er die ganze Angelegenheit in Betreff meiner Sünden übernommen und so geordnet hat, dass seinem ewigen Namen in dem weiten Weltall und in Gegenwart aller Kreatur Ehre und Herrlichkeit zu Teil werden wird. Der lebendige Glaube hieran muss das Gewissen beruhigen. Wenn Gott sich selbst in Betreff meiner Sünden Genüge getan hat, so kann ich sicher auch zufrieden sein. Ich weiß, dass ich ein Sünder, ein großer Sünder bin. Ich weiß, dass meine Sünden zahlreicher sind wie die Haare meines Hauptes. Ich weiß, dass ich durch sie die ewige Verdammnis verdient habe. Ich weiß – denn das Wort Gottes sagt es mir – dass kein einziger Flecken von Sünde jemals in seine heilige Gegenwart eintreten kann, und dass daher, soweit es mich betraf, kein anderer Ausweg möglich war, als eine ewige Trennung von Gott. Alles dieses weiß ich auf Grund der klaren und unzweifelhaften Autorität jenes Wortes, welches für immer in den Himmeln befestigt ist.
Doch jetzt tritt das tiefe Geheimnis des Kreuzes vor meine Augen, das herrliche Geheimnis der erlösenden Liebe. Ich sehe Gott selbst alle meine Sünden wegnehmen – die ganze schwarze und schreckliche Liste derselben, wie Er sie kannte und schätzte. Ich sehe, wie Er sie alle auf das Haupt meines gepriesenen Stellvertreters legt und mit Ihm bezüglich derselben handelt. Ich sehe alle die Wogen und Wellen des gerechten Zornes Gottes – seines Zornes wider meine Sünden, des Zornes, der mich unfehlbar getroffen haben würde – ich sehe sie alle über dem Haupt dessen zusammenschlagen, der meinen Platz einnahm, der mich vor Gott repräsentierte, der die ganze Strafe auf sich nahm, die ich verdient hatte, mit dem ein heiliger Gott handelte, wie Er mit mir gehandelt haben würde. Ich sehe, wie eine unverletzliche Gerechtigkeit, Heiligkeit und Wahrheit mit meinen Sünden handelt und sie völlig und für ewig hinweg tut. Keine einzige von ihnen wird vergessen; da gibt es keine Nachsicht, keine Beschönigung, kein Übersehen, keine Gleichgültigkeit. Es konnte unmöglich anders sein, denn Gott selbst hatte die Sache in die Hand genommen. Seine Herrlichkeit, seine unbefleckte Heiligkeit, seine ewige Majestät, und die erhabenen Anforderungen seiner Regierung standen in Frage.
Allem diesem musste in einer solchen Weise Rechnung getragen werden, dass Er sich selbst angesichts der Engel, der Menschen und der Teufel verherrlichte. Gott hätte mich gerechter Weise zur Hölle senden können wegen meiner Sünden; ich verdiente nichts anderes. Mein ganzes moralisches Sein erkennt dieses völlig an, ja muss es anerkennen. Ich kann nicht ein Wort der Entschuldigung hervorbringen im Blick auf einen einzigen sündigen Gedanken, ich kann nichts sagen im Blick auf ein von Anfang bis zu Ende mit Sünden beflecktes Leben. Andere mögen, wenn sie wollen, über die Ungerechtigkeit einer ewigen Strafe für ein sündiges Leben rechten, sie mögen sagen, dass endlose Zeitalter der Qualen inmitten des Feuersees durchaus nicht im Verhältnis stehen mit den wenigen Jahren, in welchen man Böses getan hat, aber ich glaube völlig und bekenne es ohne Rückhalt, dass ich für meine Sünden gegen den Gott, welchen ich am Kreuz sehe, eine ewige Strafe in dem schrecklichen Abgrund der Hölle verdient habe. Es würde eine sehr leichte Aufgabe sein, eine Menge von klaren und unumstößlichen Schriftstellen anzuführen, welche die feierliche Wahrheit einer ewigen Verdammnis deutlich beweisen. Allein es ist dies nicht mein Zweck; ich schreibe nur als einer, der über den wahren Lohn der Sünde göttlich belehrt worden ist, und ich erkläre mit aller Bestimmtheit und mit allem Ernst, dass dieser Lohn nichts Geringeres ist und sein kann, als ein ewiger Ausschluss von der Gegenwart Gottes und des Lammes – eine ewige Qual in dem See, der mit Feuer und Schwefel brennt.
Doch gepriesen sei der Gott aller Gnade von Ewigkeit zu Ewigkeit! Anstatt uns wegen unserer Sünden zur Hölle zu senden, sandte Er seinen Sohn als die Versöhnung für diese Sünden. Und in der Entfaltung des wunderbaren Planes der Erlösung sehen wir einen heiligen Gott sich beschäftigen mit der Frage unserer Sünden; wir sehen Ihn über demselben Gericht ausüben in der Person seines geliebten, ewigen und göttlichen Sohnes, und zwar um den ganzen Strom seiner Liebe in unsere Herzen ausgießen zu können. „Hierin ist die Liebe: nicht, dass wir Gott geliebt haben, sondern dass Er uns geliebt und seinen Sohn gesandt hat als eine Sühnung für unsere Sünden“ (1. Joh 4,10).
Dieses muss dem Gewissen Frieden geben, wenn es nur in der Einfalt des Glaubens angenommen wird. Es ist unmöglich, zu glauben, dass Gott sich selbst in Bezug auf meine Sünden befriedigt hat, und dennoch keinen Frieden zu haben. Wenn Gott zu mir sagt: „Deiner Sünden und deiner Ungerechtigkeiten will ich nie mehr gedenken“, was könnte ich dann noch mehr als Grundlage des Friedens für mein Gewissen verlangen? Wenn Gott mich versichert, dass alle meine Sünden ausgelöscht, dass sie hinter seinen Rücken geworfen sind und nie mehr vor sein Angesicht kommen werden, sollte ich dann keinen Frieden haben? Wenn Er mir den Menschen zeigt, der an meiner statt meine Sünden auf dem Kreuz getragen hat und jetzt zur Rechten der Majestät in den Himmeln gekrönt ist, sollte dann nicht meine Seele in vollkommener Ruhe sein in Betreff der Frage über meine Sünden? Sicher und gewiss.
Doch wie erreichte Christus den Platz, den Er jetzt auf dem Thron Gottes ausfüllt? War es „als Gott über alles, gepriesen in Ewigkeit?“ Nein; denn das ist Er immer gewesen. War es als der ewige Sohn des Vaters? New; denn das war Er von Ewigkeit her; Er war von jeher in dem Schoß des Vaters, der Gegenstand seiner ewigen und unaussprechlichen Wonne. Ging Er dorthin als ein fleckenloser, heiliger und vollkommener Mensch, als der Eine, dessen Natur vollkommen rein und vollkommen frei von Sünde war? Nein; denn in diesem Charakter und ans diesem Grund konnte Er in jedem Augenblick – von der Krippe bis zum Kreuz – einen Platz zur rechten Hand Gottes beanspruchen. Wie erreichte Er denn diesen Platz? Dem Gott aller Gnade sei ewig Preis und Dank! Christus ging hin als der Eine, der durch seinen Tod das glorreiche Werk der Erlösung vollbracht hatte – als der Eine, der mit dem ganzen Gewicht unserer Sünden beladen gewesen war, als der Eine, der in vollkommener Weise alle die gerechten Ansprüche jenes Thrones, auf welchem Er jetzt sitzt, erfüllt hatte.
Dies ist die große und wichtige Wahrheit für jede ängstliche Seele. Sie muss das Herz von allem Druck befreien und das Gewissen beruhigen. Wir können unmöglich im Glauben auf den schauen, der an das Kreuz genagelt war und jetzt auf dem Thron gekrönt ist, ohne Frieden mit Gott zu haben. Der Herr Jesus Christus könnte nicht, nachdem Er unsere Sünden auf sich genommen, und das gerechte Gericht für dieselben getragen hat, dort sein, wo Er ist, wenn eine einzige derselben ungesühnt zurückgeblieben wäre. Der Anblick des mit Herrlichkeit gekrönten Sündenträgers sagt uns, dass unsere Sünden für immer aus der Gegenwart Gottes weggetan sind. Wo sind sie geblieben? Sie sind alle ausgelöscht. Woher wissen wir das? Der Eine, welcher sie alle auf sich genommen hat, ist durch die Himmel gegangen zu dem Platz hin, von wo die höchste Herrlichkeit ausstrahlt. Eine ewige Gerechtigkeit hat sein Haupt mit einer Krone der Herrlichkeit geschmückt, das Haupt dessen, der der Erfüller unseres Erlösungswerkes, der Träger unserer Sünden war, und hat dadurch den unumstößlichen Beweis geliefert, dass alle unsere Sünden für ewig aus den Augen Gottes entfernt sind. Ein gekrönter Christus und ein gereinigtes Gewissen sind in der gesegneten Haushaltung der Gnade unzertrennlich mit einander verbunden. Wunderbare Tatsache! Wohl mögen wir aus aller Kraft das Lob der erlösenden Liebe besingen!
Doch lasst uns jetzt untersuchen, in welcher Weise uns diese trostreiche Wahrheit in der Heiligen Schrift vorgestellt wird. In Römer 3 Vers 21-26 lesen wir: „Jetzt aber ist, ohne Gesetz, Gottes Gerechtigkeit offenbart worden, bezeugt durch das Gesetz und die Propheten: Gottes Gerechtigkeit aber durch Glauben an Jesus Christus gegen alle und auf alle, die da glauben. Denn es ist kein Unterschied, denn alle haben gesündigt und erreichen nicht die Herrlichkeit Gottes und werden aus freier Gabe gerechtfertigt durch seine Gnade, durch die Erlösung, die in Christus Jesus ist; welchen Gott dargestellt hat zu einem Gnadenstuhl durch den Glauben an sein Blut, zur Erweisung seiner Gerechtigkeit wegen des Hingehenlassens der vorher geschehenen Sünden unter der Nachsicht Gottes; zur Erweisung seiner Gerechtigkeit in der jetzigen Zeit, dass Er gerecht sei und den rechtfertige, der des Glaubens an Jesus Christus ist.“ Wenn der Apostel im folgenden Kapitel davon spricht, dass dem Abraham sein Glaube zur Gerechtigkeit gerechnet wurde, so fügt er hinzu: „Es ist aber nicht allein seinetwegen geschrieben, dass es ihm zugerechnet worden, sondern auch unsertwegen, denen es zugerechnet werden soll, die wir an den glauben, der Jesus, unseren Herrn, aus den Toten auferweckt hat, welcher unserer Übertretungen wegen dahingegeben und unserer Rechtfertigung wegen auferweckt worden ist“ (Röm 4,23-25). Hier wird Gott eingeführt als der, welcher den Träger unserer Sünden aus den Toten auferweckte. Warum tat Er es? Weil Er, der um unserer Übertretungen willen überliefert worden war, Gott völlig bezüglich derselben verherrlichte und sie für immer hinwegtat. Gott sandte nicht allein seinen eingeborenen Sohn in die Welt, sondern nachdem Er Ihn um unserer Übertretungen willen verwundet und um unserer Ungerechtigkeiten willen Zerschlagen hatte, weckte Er Ihn auf aus den Toten, damit wir glauben und wissen könnten, dass alle unsere Sünden in einer Weise hinweggetan sind, die Ihn für alle Ewigkeit unendlich verherrlichen wird. Preis und Dank sei seinem Namen!
Doch wir haben noch weitere Zeugnisse über diese große Fundamentalwahrheit. In Hebräer 1 finden wir Worte, die in Wahrheit geeignet sind, die Seele aufzurichten. Wir lesen dort: „Nachdem Gott vielfältig und auf mancherlei Weise ehemals zu den Vätern geredet hat in den Propheten, hat Er am Ende dieser Tage zu uns geredet im Sohn, den Er gesetzt hat zum Erben aller Dinge, durch den Er auch die Welten gemacht hat; welcher der Abglanz seiner Herrlichkeit und der Abdruck seines Wesens seiend und alle Dinge durch das Wort seiner Macht tragend, nachdem Er durch sich selbst die Reinigung der Sünden gemacht, sich gesetzt hat zur Rechten der Majestät in der Höhe“ (V 1–3). Unser Herr Jesus, gepriesen sei sein Name! wollte nicht eher seinen Platz auf dem Thron Gottes einnehmen, als bis Er durch das Opfer seiner selbst auf dem Kreuz uns von unseren Sünden gereinigt hatte. Daher ist ein auferstandener Christus, der sich zur Rechten der Majestät in der Höhe gesetzt hat, der glorreiche und unumstößliche Beweis der Hinwegnahme aller unserer Sünden. Gott erweckte denselben Menschen aus den Toten, auf den Er selbst die ganze Last unserer Sünden gelegt hatte. Alles ist daher auf eine göttliche Weise und für immerdar in Ordnung gebracht. Es ist ebenso unmöglich, dass auf dem schwächsten Gläubigen eine einzige Sünde gefunden werden kann, wie auf Jesu selbst. Es ist eine wunderbare Sache, so sprechen zu können, aber es ist die bestimmte, durch viele Stellen der Heiligen Schrift bestätigte Wahrheit Gottes; und die Seele, welche sie im Glauben annimmt, muss einen Frieden besitzen, den die Welt weder geben, noch nehmen kann.
2. Wir haben uns bis jetzt mit dem Werk Christi in Bezug auf die Frage der Vergebung unserer Sünden beschäftigt, und ich hoffe zuversichtlich, dass der Leser über diesen Hauptpunkt völlig klar und beruhigt ist. Es ist sicher sein glückliches Vorrecht, dies zu sein, wenn Er nur Gott bei seinem Wort nehmen will. „Christus hat einmal für Sünden gelitten, der Gerechte für die Ungerechten, auf dass Er uns zu Gott führe.“ Wenn nun Christus für unsere Sünden gelitten hat, sollten wir denn nicht die hohe Segnung verstehen, für ewig von der Bürde dieser Sünden befreit zu sein? Kann es den Gedanken und dem Herzen Gottes entsprechen, dass jemand, für den Christus gelitten hat, wegen seiner Sünden in fortwährender Furcht bleibt, und dass er von Woche zu Woche, von Monat zu Monat, von Jahr zu Jahr über die unerträgliche Bürde dieser Sünden seufzt?
Wenn solche Seufzer und Ausrufe richtig und der Stellung des Christen angemessen wären, was hätte denn Christus für uns getan? Kann es wahr sein, dass Christus alle unsere Sünden getragen hat, und dass wir trotzdem mit den Ketten derselben gebunden sind? Ist es möglich, dass wir, nachdem Er die schwere Bürde unserer Sünden getragen hat, noch unter dem unerträglichen Gewicht derselben erdrückt werden können? Vielleicht möchte uns mancher gerne überzeugen, dass es unmöglich ist, über die Vergebung unserer Sünden gewiss zu sein, und dass wir bis zum Ende unseres Lebens in völliger Ungewissheit in Betreff dieser höchst wichtigen Frage hingehen müssen. Aber wenn dieses so wäre, was würde denn aus dem herrlichen Evangelium von der Gnade Gottes – von der frohen Botschaft der Errettung – geworden sein? Welche Bedeutung hätten jene Worte, die der Apostel Paulus in der Synagoge zu Antiochien aussprach? „So sei es euch nun kund, Brüder, dass durch diesen Jesus (Christus, der gestorben und auferstanden ist) euch die Vergebung der Sünden verkündigt wird nicht (verheißen als eine zukünftige Sache, sondern jetzt verkündigt); und von allem, wovon ihr in dem Gesetz Moses nicht gerechtfertigt werden konntet, ist (nicht: „wird sein“ oder „hofft es, zu sein“) in diesem jeglicher Glaubende gerechtfertigt“ (Apg 13,38-39).
Wenn wir auf dem Gesetz Moses, auf dem Halten der Gebote, auf unserer Pflichterfüllung und auf unseren Gefühlen ruhten, wenn wir uns darauf stützten, dass wir Christus so wertschätzten und Gott so liebten, wie wir es sollten, dann würde das Resultat sein, dass wir uns im Zweifel und in völliger Ungewissheit befänden, da wir keinen irgendwie möglichen Grund für unsere Sicherheit entdecken könnten. Wenn wir in der Sache nur so viel, wie das Zucken einer Augenwimper ist, zu tun hätten, dann würde es wahrlich die höchste Vermessenheit unserseits sein, an eine völlige Gewissheit zu denken. Wenn wir aber auf der anderen Seite die Stimme des lebendigen Gottes hören, der nicht lügen kann, wenn die frohe Botschaft in unsere Ohren dringt, dass durch seinen eignen, geliebten Sohn, der am Kreuz starb und ins Grab gelegt wurde, der aber wieder aus den Toten auferstand und sich in der Herrlichkeit auf den Thron Gottes gesetzt hat – dass durch Ihn allein – durch Ihn, ohne irgendein Zutun von unserer Seite – durch das ein für alle Mal geschehene Opfer seiner selbst, eine vollkommene und ewige Vergebung verkündigt wird, und zwar als eine gegenwärtige Wirklichkeit, deren sich eine jede Seele erfreuen kann, die einfach an das kostbare Zeugnis Gottes glaubt, wie ist es dann möglich, dass noch irgendjemand in Zweifel und in Ungewissheit verharren kann? Ist das Werk Christi vollbracht? Er rief auf dem Kreuz! „Es ist vollbracht!“ Was hat Er getan? Er hat unsere Sünden hinweggenommen. Sind sie nun wirklich hinweggetan, oder sind sie noch an einem von uns, der an seinen Namen glaubt?
Welches von beiden ist der Fall, mein lieber Leser? Wo sind deine Sünden? Sind sie in dem Grab Christi für immer zurückgeblieben, oder liegen sie noch als eine schwere Schuldenlast auf deinem Gewissen? Wenn sie nicht durch den Versöhnungstod Christi hinweggetan sind, so können sie niemals hinweggetan werden. Wenn Er sie nicht auf dem Kreuz getragen hat, so musst du sie in dem nie verlöschenden Feuer der Hölle von Ewigkeit zu Ewigkeit tragen. Du kannst versichert sein, dass es keinen anderen Weg gibt, um diese so außerordentlich wichtige und folgenschwere Frage zu lösen. Wenn Christus deine Sache nicht auf dem Kreuz geordnet hat, so bist du unrettbar verloren. Es muss also sein, wenn anders das Wort Gottes die Wahrheit ist.
Aber Gott sei gepriesen! Sein eigenes Zeugnis versichert uns, dass „Christus einmal für Sünden gelitten hat, der Gerechte für die Ungerechten, auf dass er uns zu Gott führe“; es heißt nicht: „auf dass Er uns in den Himmel bringe, wenn wir sterben“, sondern „auf dass er uns jetzt zu Gott führe.“ Wie führt Er uns zu Gott? Beladen mit unseren Sünden? Mit einer unerträglichen Schuldenlast auf unserem Gewissen? Nein, wahrlich nicht. Er führt uns zu Gott, flecken– und makellos und befreit von jeder Last. Er führt uns zu Gott in der ganzen Annehmlichkeit seiner eignen Person. Gibt es irgendeine Schuld ans Ihm? Nein; Er war einst, gepriesen sei sein Name! mit Schuld beladen, als Er an unserer statt gerichtet wurde, aber diese Schuld ist verschwunden – verschwunden für immer – sie ist wie ein Stück Blei in das unergründliche Meer der göttlichen Vergessenheit geworfen. Er war beladen mit unseren Sünden auf dem Kreuz. Gott legte alle unsere Ungerechtigkeiten auf Ihn und rechnete mit Ihm darüber ab. Die ganze Frage unserer Sünden wurde völlig und endgültig zwischen Gott und Christus entschieden. Ja, auf Golgatha ist alles ein für alle Mal in Ordnung gebracht, und wir wissen dieses durch die Autorität des allein wahren Gottes. Sein Wort versichert uns, dass wir die Versöhnung haben durch das Blut Christi, die Vergebung der Vergehungen, nach dem Reichtum seiner Gnade. Er erklärt uns in Worten der reichsten und tiefsten Gnade, dass Er unserer Sünden und unserer Gesetzlosigkeiten nie mehr gedenken will. Ist das nicht genug? Sollen wir noch fortfahren zu klagen, dass wir beladen sind mit unseren Sünden? Sollen wir einen solchen Flecken auf das vollkommene Werk Christi werfen? Sollen wir so das glänzende Licht göttlicher Gnade trüben und das Zeugnis des Heiligen Geistes in den Schriften der Wahrheit Lügen strafen? Ferne sei uns ein solcher Gedanke! Lasst uns lieber mit Danksagung die gesegnete, uns so frei durch die göttliche Liebe dargebotene Gabe annehmen. Es ist die Freude des Herzens Gottes, uns unsere Sünden zu vergeben. Ja, Gott hat seine Wonne am Vergeben der Ungerechtigkeiten und Übertretungen. Es befriedigt und verherrlicht Ihn, auf das gebrochene und zerschlagene Herz den Balsam seiner eignen versöhnenden Liebe und Gnade zu legen. Er verschonte seines eignen Sohnes nicht, sondern gab Ihn hin und richtete Ihn auf dem Fluchholz, um im Stande zu sein, in vollkommener Gerechtigkeit die reichen Ströme der Gnade über den armen, schuldigen, zu Grund gerichteten Sünder ausgießen zu können.
Sollte der Leser sich immer noch versucht fühlen, zu fragen, wie er die Gewissheit haben könne, dass diese gesegnete Tilgung der Sünden – diese Frucht des Versöhnungswerkes Christi auch auf ihn ihre Anwendung finde, so möge er lauschen auf jene herrlichen Worte, die dein Mund des auferstandenen Heilands entströmten, als Er den ersten Boten seiner Gnade ihren Auftrag erteilte: „Und Er sprach zu ihnen: Also ist es geschrieben, und also musste der Christus leiden und am dritten Tage auferstehen aus den Toten und in seinem Namen Buße und Vergebung der Sünden verkündigt werden an alle die Nationen, anfangend von Jerusalem“ (Lk 24,46-47). Hier haben wir den großen und herrlichen Auftrag – seine Grundlage, seine Autorität und seine Sphäre. Christus hat gelitten. Dies ist der Grund der Vergebung der Sünden. Ohne Blutvergießen gibt es keine Vergebung. Aber durch das Vergießen des Blutes Christi, und durch dieses allein, gibt es eine Vergebung der Sünden – eine Vergebung, die so völlig und umfassend ist, wie sie das kostbare Blut Christi zu bewirken vermochte. Doch wo ist die Autorität hierfür? „Es steht geschrieben.“ Gesegnete, unantastbare Autorität! Nichts ist im Stande, dieselbe zu erschüttern. Ich weiß auf Grund der festen Autorität des Wortes Gottes, dass meine Sünden alle vergeben und für immer hinweggetan sind, so dass, sie nimmer eine Anklage wider mich erheben können. Was endlich die Sphäre des Evangeliums anbetrifft, so umfasst dieselbe „alle Nationen.“ Darin bin auch ich ohne alle Frage eingeschlossen. Hier gibt es keinerlei Ausnahme, noch sind besondere Zustände und Eigenschaften nötig. Die gesegnete Botschaft sollte zu allen Nationen, zu der ganzen Welt, zu jeder Kreatur unter dem Himmel gebracht werden. Wie könnte ich mich von diesem die ganze Welt umfassenden Auftrag ausschließen? Bin ich einen Augenblick darüber im Zweifel, ob die Strahlen der Sonne Gottes für mich bestimmt sind? Sicher nicht. Und warum sollte ich die kostbare Tatsache in Frage ziehen, dass diese Botschaft der Vergebung der Sünden auch an mich gerichtet ist? Nicht für einen Augenblick sollte ich daran zweifeln. Sie ist so gewiss an mich gerichtet, als wenn ich der einzige Sünder auf der ganzen Erde wäre. Die Allgemeinheit des Auftrages des Herrn schließt jede Frage, ob er auch für mich bestimmt sei, von vorn herein aus.
Wenn noch eine weitere Ermutigung nötig wäre, so finden wir sie in der Tatsache, dass die gesegneten Boten des Herrn „zu Jerusalem anfangen“ sollten, einer Stadt, die sich mehr wie jede andere der schrecklichsten Sünden schuldig gemacht hatte. Sie hatten gerade den Mördern des Sohnes Gottes zuerst Gnade und Versöhnung anzubieten, und der Apostel Petrus tat dieses in jenen Worten, voll der wunderbarsten und überströmenden Gnade: „Euch zuerst hat Gott, als Er seinen Knecht erweckte, Ihn gesandt, euch zu segnen, indem Er euch, einen jeden, von euren Bosheiten abwendet“ (Apg 3,26). Könnte noch etwas Überschwänglicheres und Herrlicheres gefunden werden? Die Gnade, welche die Mörder des Sohnes Gottes erreichen konnte, kann einen jeden erreichen. Das Blut, welches von der Schuld eines solchen Verbrechens reinigen kann, ist auch im Stande, den schrecklichsten Sünder, der sich noch außerhalb der Pforten der Hölle befindet, zu reinigen.
Mein lieber Leser, kannst du, wenn du anders an seinen Namen glaubst, noch länger Bedenken tragen in Betreff der Vergebung deiner Sünden? Christus hat für Sünden gelitten. Gott lässt uns die Vergebung der Sünden verkündigen. Er setzt sein eigenes Wort zum Pfand: „Diesem geben alle die Propheten Zeugnis, dass ein jeglicher, der an Ihn glaubt, Vergebung der Sünden empfangen wird durch seinen Namen“ (Apg 10,43). Was willst du mehr verlangen? Wie kannst du noch länger zweifeln oder zögern? Worauf wartest du? Du hast das vollbrachte Werk Christi und das treue, nie lügende Wort Gottes. Diese beiden Dinge sollten wahrlich deinem Herzen genügen und dein Gewissen beruhigen. Lass dich daher nicht langer bitten, die völlige und ewige Vergebung deiner Sünden anzunehmen. Nimm in deinem Herzen die süße Botschaft von der göttlichen Liebe und dem göttlichen Erbarmen auf und setze deinen Weg fort mit Freuden. Lausche auf die Stimme eines auferstandenen Heilands, der von dem Thron der Majestät in den Himmeln redet und dich versichert, dass alle deine Sünden vergeben sind. Lass jene gnadenreichen Worte aus dem Mund Gottes selbst mit all ihrer erfrischenden Kraft in deine beunruhigte Seele fallen: „Deiner Sünden und deiner Gesetzlosigkeiten will ich nie mehr gedenken.“ Wenn Gott so spricht, wenn Er mich versichert, dass Er meiner Sünden nie mehr gedenken will, ich denn nicht sollte völlig und für immerdar befriedigt sein? Warum sollte ich noch länger in meinen Zweifeln und Überlegungen beharren, nachdem Gott gesprochen hat? Was kann Sicherheit geben, wenn nicht das Wort Gottes, welches nie vergehen wird? Es ist der einzige Grund der Gewissheit; und keine Macht der Erde oder der Hölle, kein Mensch oder Teufel kann es jemals erschüttern. Das vollbrachte Werk Christi und das getreue Wort Gottes bilden die Grundlage und die Autorität einer völligen Vergebung der Sünden.
Doch ewig gepriesen sei der Gott aller Gnade! Es ist nicht nur Vergebung der Sünden, welche uns durch den Versöhnungstod Christi verkündigt wird. Diese ist an und für sich eine Gabe und eine Segnung der höchsten Art, und wir erfreuen uns ihrer, wie wir gesehen haben, gemäß des Wertes und der Wirkung des Todes Christi, wie Gott diesen schätzt. Aber außer dieser vollkommenen Vergebung der Sünden besitzen wir auch eine gänzliche Befreiung von der gegenwärtigen Macht der Sünde. Dies ist eine Wahrheit, die für einen jeden, der die Heiligkeit liebt, von großer Wichtigkeit ist. Nach der glorreichen Haushaltung der Gnade hat dasselbe Werk, welches die völlige Vergebung der Sünden bewirkte, auch für immer die Macht der Sünde gebrochen. Nicht nur sind die während unseres ganzen Lebens begangenen Sünden ausgelöscht, sondern die Sünde im Fleisch ist gerichtet. Der Gläubige hat das Vorrecht, sich der Sünde für tot zu halten. „Ich bin mit Christus gekreuzigt; und nicht mehr lebe ich, sondern Christus lebt in mir“ (Gal 2,20). Das ist Christentum. Das alte „Ich“ ist gekreuzigt, und Christus lebt in mir. Der Christ ist eine neue Schöpfung. Das Alte ist vergangen. Der Tod Christi hat für immer die Geschichte des alten „Ich“ geschlossen; und daher ist, obgleich die Sünde noch in dem Gläubigen wohnt, ihre Kraft gebrochen und für immer hinweggetan. Ihre schreckliche Herrschaft ist völlig vernichtet (Fortsetzung folgt).