Der zweite Brief an die Thessalonicher

Einleitung

Der zweite Brief an die Thessalonicher

Der zweite Brief des Apostels Paulus an die Thessalonicher ist wahrscheinlich, nicht sehr lange nach dem ersten geschrieben worden. Das folgt aus dem Umstand, dass Silvanus und Timotheus sich noch in der Gesellschaft des Apostels befanden, was in der Apostelgeschichte, wo Silvanus Silas genannt wird, nach der Abreise des Paulus von Korinth nicht mehr der Fall gewesen ist, so dass wir ruhig annehmen können, dass auch dieser Brief während des ersten Aufenthalts des Apostels in Korinth geschrieben wurde.

Nach der Absendung seines ersten Briefes an die Thessalonicher hatte Paulus neue Nachrichten über den Zustand der dortigen Versammlung erhalten. Die gläubigen Thessalonicher waren auf dem von ihnen eingeschlagenen Pfad unbeirrt weitergeschritten; ihr Glaube war befestigt worden; ihre Bruderliebe hatte zugenommen und ihre Standhaftigkeit inmitten der Verfolgungen, die aufs neue über sie losgebrochen waren, hatte sich bewährt (Kap. 1, 3. 4). Hingegen hatte das geistliche Leben in ihrer Mitte etwas an seiner ursprünglichen Frische und Innigkeit eingebüßt, und vor allem hatte eine falsche Lehre, die von jüdisch gesinnten Lehrern verbreitet worden war, wonach, der Tag des Herrn bereits angebrochen wäre, bei ihnen Eingang gefunden. Dies begründeten diese Lehrer mit den vielen Verfolgungen und Unterdrückungen, welche die Gläubigen zu jener Zeit zu erdulden hatten, und die von ihnen als Zeichen des Gerichtes Gottes betrachtet wurden. Und um diesem Irrtum guten Eingang zu verschaffen beriefen sie sich, wie sie vorgaben, auf ein Wort des Herrn, ja, sie scheuten sich nicht, einen gefälschten Brief, als vom Apostel geschrieben, vorzuzeigen, um dadurch ihre Lehre zu bestätigen (Kap. 2, 2).

Gegen diese listigen Verführungen Satans ist der zweite Brief an die Thessalonicher gerichtet. Vor allem bestätigt der Apostel darin, was er in seinem ersten Brief gesagt hat. Er bekräftigt die Lehre von der Entrückung der Kirche (Ekklesia), wie er sie im vierten Kapitel des ersten Briefes entwickelt, mit aller Energie und gebraucht diese als Beweis, um die Verkehrtheit der Meinung dieser jüdisch gesinnten Lehrer darzutun. Diesem fügt er noch einige neue Einzelheiten, die die Ereignisse vor und am Tag des Herrn betreffen, hinzu.

Es ist die Meinung verschiedener Ausleger – leider auch einzelner Gläubiger – dass der Apostel in diesem Brief sich zeitweilig widerspreche oder Verschiedenes zurücknehme, was er in seinem ersten Brief gesagt habe, oder dass er in seinen Mitteilungen bezüglich der zukünftigen Ereignisse sich irre. Wer aber diesen Brief mit geistgeöffnetem Auge liest, wird deutlich sehen, dass alle diese Einwendungen jeglicher Grundlage entbehren. Doch wenn das auch nicht so wäre, und wären wir auch nicht imstande, alles, was diese Ausleger anführen, zu widerlegen, so würden wir dennoch ihre Meinung entschieden verwerfen, weil wir von vornherein überzeugt sind, dass alle Schrift von Gott eingegeben ist und deshalb von keinem Irrtum die Rede sein kann, so dass jeglicher vermeintliche Widerspruch, den wir nicht zu erklären vermögen, nur ein Beweis für die Kurzsichtigkeit unseres Verstandes ist, der nur dann, wenn er vom Heiligen Geist beleuchtet wird, imstande ist, die Dinge Gottes zu begreifen.

In unseren Tagen des Unglaubens und des zunehmenden Verfalls ist es von größter Wichtigkeit, mit aller Entschiedenheit die Wahrheit von der göttlichen Eingebung der Heiligen Schrift festzuhalten. Weil der Teufel die Menschen nicht mehr in Unwissenheit und Aberglauben gefangen halten kann, da die Bibel in Hunderten von Übersetzungen über die ganze Erde verbreitet und für wenig Geld zu haben ist, verfolgt er eine andere Taktik und versucht, anstatt die Bibel den Menschen vorzuenthalten, den Glauben an ihre Unfehlbarkeit und ihre göttliche Macht zu untergraben. Gelingt ihm das – und leider ist es ihm in weiten Kreisen gelungen – dann ist natürlich die Grundlage des Glaubens unterhöhlt, und jeder kann das für wahr halten, was gerade mit seiner eigenen Meinung übereinstimmt. Wohl kann man noch von einer Offenbarung Gottes reden, aber in Tat und Wahrheit ist eine solche Wortverkündigung nichts als leeres Geschwätz, da die angeblich „durch den Heiligen Geist erleuchtete menschliche Vernunft“ bestimmt, welche Worte der Bibel göttlich sind und welche nicht. Die Antwort auf die Frage: Was ist Wahrheit? hängt dann von der persönlichen Meinung des Befragten ab.

Dieser zuweilen mehr als nur geglückten Taktik Satans können wir die Worte des Apostels Paulus gegenüberstellen, den Gott zu einem Vorbild für alle Gläubigen hingestellt hat (Siehe 1. Tim 1, 16). In seinem letzten Brief, dem zweiten an Timotheus den er kurze Zeit vor seinem Tod geschrieben hatte, sagt er: „Alle Schrift ist von Gott eingegeben und nütze zur Lehre, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Unterweisung in der Gerechtigkeit, dass der Mensch Gottes vollkommen sei, zu jedem guten Werk völlig geschickt“ (2. Tim 3, 16. 17). Ohne Frage meint der Apostel mit dem Ausdruck „alle Schrift“ nicht nur die Bücher des Alten Bundes, sondern nach Römer 16, 26 bestimmt auch die von ihm selber geschriebenen Briefe. In diesen Briefen, und nicht in den Büchern des Alten Bundes ist das Geheimnis zu finden, das in den Zeiten der Zeitalter verborgen war, aber nun offenbart ist. Und in 1. Korinther 2, 12 erklärt er, dass nicht nur die Dinge, die er mitteilte“ sondern auch die Worte, durch die er sie kundmachte, göttlich sind: „Nicht in Worten, gelehrt durch menschliche Weisheit, sondern in Worten, gelehrt durch den Geist, mitteilend geistliche Dinge durch geistliche Mittel“.

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