Die Briefe des Simon Petrus
1. Petrus 1
Unsere himmlische Berufung
Die große Wahrheit, die uns im ersten Brief des Petrus vorgestellt wird, ist der Gedanke der Regierungswege Gottes in Bezug auf sein Volk, die Gerechten; während im zweiten Brief dieselben Regierungswege in Bezug auf die Gottlosen den Grundgedanken bilden.
In diesem ersten Kapitel ist die Weise, wie die uns zugewandte Gnade Gottes wirkt, um uns auf dem Weg in den verschiedenen Versuchungen und Anfechtungen aufrechtzuerhalten und uns die nötige Ermutigung zu geben, besonders auffallend. Das erste Kapitel zeigt uns im Besonderen die Versuchungen des Christen und wie er darin getragen wird. Das zweite Kapitel hingegen stellt insbesondere die Vorrechte des Christen vor.
Es fällt auf, an wen Petrus schreibt. „Petrus, Apostel Jesu Christi, den Fremdlingen von der Zerstreuung von Pontus, Galatien, Kappadozien, Asien und Bithynien“ (V. 1). Es waren gläubige Juden, die durch die Verfolgungen, die nach dem Tod des Stephanus aufkamen, zerstreut wurden. Petrus kommt hiermit also der Aufforderung des Herrn nach, die ihm bei seiner öffentlichen Wiederherstellung in Johannes 21 gegeben wurde: „Weide meine Schafe.“ Ich spreche von seiner öffentlichen Wiederherstellung, da es auch eine persönliche Begegnung zwischen dem Herrn und Petrus gegeben hatte, wie wir in Lukas 24,34 sehen, wo es heißt: „Der Herr ist wirklich auferweckt worden und dem Simon erschienen.“ Sicherlich kam bei dieser persönlichen Begegnung zwischen dem Herrn und Petrus, als niemand sonst in der Nähe war, alles ans Licht, was seinen Fall und das, was dazu geführt hatte, betraf, obwohl wir von dem, was dort besprochen wurde, nichts Näheres erfahren. Bei seiner öffentlichen Wiederherstellung legte der Herr jedoch das in die Hände von Petrus, was Er überaus liebte, und zeigte somit das Vertrauen seines Herzens gegenüber Petrus. Wie kann ich am ehesten mein Vertrauen in einen Freund beweisen, wenn ich im Begriff stehe, fortzugehen? Sicherlich nicht, indem ich zu ihm hingehe und ihm lediglich sage, dass ich Vertrauen in ihn habe, sondern indem ich die Person oder Sache, die ich am meisten wertschätze, in seine Hände übergebe.
Eben dies war die Art und Weise der Gnade, in der der Jünger wiederhergestellt wurde, der so tief gefallen war und gefehlt hatte. Dreimal hatte Petrus geleugnet, dass er seinen Meister kenne. Der Meister gab ihm nun drei Verantwortungen für die Seinen, die Er so überaus liebte. Petrus hatte seinen Herrn verleugnet, als er auf sich selbst vertraute, da Selbstvertrauen die Wurzel all unseres Versagens ist. Dann aber ist es schön zu sehen, wie der Herr ihm vertraute. Über das, was stattgefunden hatte, als sie sich alleine begegnet waren, legte der Herr einen Schleier, doch vor allen seinen Brüdern gab der Herr ihm seinen Platz zurück, als Er seine Schafe und seine Lämmer in die Hände des Petrus legte, um diese zu weiden und zu ernähren.
Als Petrus den Brief schrieb, war alles Jüdische unter dem Urteilsspruch Gottes. Doch Petrus entfaltet nun für diejenigen, die mit dem Judentum verbunden waren, die himmlische Berufung des Gläubigen, an Stelle der nationalen, irdischen Berufung, die beiseitegesetzt worden war. Die himmlische Berufung umfasst weit mehr als die Versammlung. Abraham zum Beispiel, obwohl er nicht Teil der Versammlung ist, war ein Teilhaber der himmlischen Berufung, „...denn er erwartete die Stadt, die Grundlagen hat, deren Baumeister und Schöpfer Gott ist“ (Heb 11,10).
Es ist schön zu sehen, wie der Geist Gottes durch die Feder des Apostels der Beschneidung schreibt, um die Herzen der Zerstreuten zum Himmel hin auszurichten. Er beginnt damit, dass Er ihnen versichert, dass sie „auserwählt nach Vorkenntnis Gottes, des Vaters, durch Heiligung des Geistes, zum Gehorsam und zur Blutbesprengung Jesu Christi“ (V. 2) sind. Er leitet die folgenden Gedanken mit einem wunderbaren Zeugnis über die Stellung ein, in die die Gnade Gottes sie gebracht hatte. Und in diesem Vers wird die Dreieinheit Gottes vorgestellt. Es gibt nur sehr wenige Verse in der Heiligen Schrift, in denen wir die Dreieinheit Gottes finden. In diesem zweiten Vers haben wir die Auserwählung durch den Vater, die Heiligung durch den Geist und das Blut des Sohnes. Wenn ich an den Vater denke, so hat Er mich auserwählt. Auserwählung ist eine individuelle Sache vor Grundlegung der Welt. Man findet in der Schrift nie die Versammlung als „auserwählt“. Man findet in der Schrift nichts davon, dass die Versammlung auserwählt ist.
Aber, mag man einwenden, finden wir nicht gerade diese Bezeichnung in 1. Pet 5,13? Ganz und gar nicht: Dort heißt es einfach „die Miterwählte in Babylon“ (1. Pet 5,13). Möglicherweise waren diese eine Schwester dort oder ganz allgemein die Geschwister an diesem Ort gemeint. Die Versammlung ist bis zum Tod und der Auferstehung Christi nicht im Blickfeld, außer als „das Geheimnis, das von den Zeitaltern her verborgen war in Gott“ (Eph 3,9). Dahingegen datiert die Auserwählung des Einzelnen vor Grundlegung der Welt.
Es sei niemand besorgt bezüglich dieser Angelegenheit der Auserwählung. Es ist ein Familiengeheimnis. Ich würde die Auserwählung nicht der Welt predigen. Auserwählung geht allem voran. Ich komme an einen bestimmten Ort, an dem Frieden und Fülle herrschen und wo Freude und Glück die Herzen derer ausfüllen, die sich dort aufhalten. An der Tür finde ich geschrieben: „Jeder, der möchte, möge hereinkommen.“ Das ist das Evangelium: Ich trete ein und auf der anderen Seite der Tür finde ich geschrieben: „Jeder, der hier hereinkommt, ist für immer in Sicherheit!“ Das ist meine Sicherheit, die Frucht der Auserwählung. Da ist nichts, was eine Seele bezüglich der Auserwählung beunruhigen könnte, sondern im Gegenteil – es ist zum Trost. Gott hat uns vor Grundlegung der Welt auserwählt, wenn wir Gläubige in Christus sind. Die Dinge, die in dem Himmel sind, wird Gott für uns aufbewahren, und Er wird uns für sie aufbewahren.
Der zweite Vers steht in direktem Gegensatz zum Judentum, denn „Vater“ ist der besondere Ausdruck im Christentum. „El Schaddai“ war der Name, in dem Gott sich Abraham gegenüber offenbarte, und es war Abrahams Vollkommenheit, vor dem „allmächtigen Gott“ als ein Fremder und in Abhängigkeit von Ihm zu wandeln (1. Mo 17,1). „Jehova“ war der Name, in dem Er seinem Volk Israel bekannt war, und der Gehorsam gegenüber seinen Geboten war ihre Vollkommenheit (5. Mo 18,13); aber „Vater“ ist der Name, in dem Er sich uns offenbart hat, und unsere Vollkommenheit ist es, so zu sein, wie unser Vater ist.
Für die Seele ist es etwas wunderbares, ein Empfinden dafür zu bekommen, dass Gott mein Vater ist und zu wissen, dass ich durch das Werk des Sohnes Gottes als Mensch mit dem Vater in eine Beziehung gebracht bin. Als Er auferstanden war, sagte der Herr Jesus: „Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem Vater“ (Joh 20,17). Ist das die Weise, geliebte Freunde, in der wir Gott als unseren Vater kennen?
Wir finden hier nun zunächst die Auserwählung durch den Vater und anschließend die Heiligung durch den Geist. Viele mögen gedacht haben, dass das Blut Jesu vor der Heiligung durch den Geist angeführt werden würde, aber dies ist nicht die Weise Gottes. Und warum? Weil es eine herrliche Tatsache ist, zu wissen, dass wir bei unserer Bekehrung unter dem direkten Wirken des Geistes Gottes gewesen sind. Bedenken wir, dass das Wirken des Geistes Gottes an einem Menschen und die Innewohnung des Geistes Gottes in einem Gläubigen, zwei sehr unterschiedliche Dinge sind. Der Vater wählte nach seiner wunderbaren Vorkenntnis aus. In der Ewigkeit richtete der Vater sein Auge auf uns. In der Zeit begann der Geist Gottes an uns zu wirken; und was war die erste Sache, die Er tat? Er sonderte uns für Gott ab. Darin besteht ein auffallender Gegensatz zum Judentum. Wodurch wurde Israel für Gott abgesondert? Durch äußerliche Gebote! Wie wurden wir abgesondert? Durch das echte, tiefe Wirken des Geistes Gottes in unserer Seele und „zum Gehorsam und zur Blutbesprengung Jesu Christi“ (V. 2).
Möchte man diese Reihenfolge umkehren? Wir werden im Allgemeinen finden, dass eine Seele den hier aufgezeigten Weg durchlebt, bevor das Bewusstsein der Vergebung durch das Blut erkannt wird. Saulus von Tarsus ist das Musterbeispiel einer Bekehrung in der Schrift. Als er Jesus „Herr“ nannte, wirkte der Geist Gottes in ihm. Dann sagte er „Was soll ich tun, Herr?“ (Apg 22,10). Das war Gehorsam: Er kannte noch nicht die Waschung durch das Blut, aber der Wille des Herzens war gebrochen. Er war jetzt gebeugt, den Willen Gottes zu tun, jedoch war er drei Tage lang in tiefem Elend. Danach kam Ananias zu ihm und sagte: „Steh auf, lass dich taufen und deine Sünden abwaschen, indem du seinen Namen anrufst“ (Apg 22,16). Dann bekam er das Bewusstsein der Vergebung. Dies ist die Weise, wie Gott im Allgemeinen wirkt. Die Seele befindet sich unter dem gnädigen Wirken des Geistes Gottes und verlangt dann, dem Wort des Herrn zu gehorchen, und schließlich folgt die Kenntnis der Vergebung der Sünden durch Glauben an sein Blut.
Vers 3 und Vers 4 stellen eine „lebendige Hoffnung“ und ein unvergängliches „Erbteil“ vor. Jede jüdische Hoffnung beruhte auf dem Messias, aber Er war gestorben und mit Ihm auch alle Hoffnungen der Juden. Hier nun steht alles im Gegensatz zum Judentum, „eine lebendige Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi aus den Toten, zu einem unverweslichen und unbefleckten und unverwelklichen Erbteil“ (V. 4). Das Erbteil, in das Gott sein Volk gebracht hatte, hatten jene verdorben. Ihre eigenen Sünden verunreinigten es, und es verging vor ihren Augen, als sie gefangen daraus weggeführt wurden. Geliebte, ist es nicht wunderbar, zu wissen, dass wir in einer Welt, in der alles vergeht, verdorben und verunreinigt ist, zu einem Schauplatz berufen sind, der unverdorben ist, durch nichts verunreinigt werden kann und ewig besteht? Noch mehr: Das Erbteil ist für uns aufbewahrt, und wir werden für das Erbteil aufbewahrt. Die Seele wird bewahrt „durch Gottes Macht durch Glauben“ (V. 5). Wir werden moralisch bewahrt durch die Kraft des Glaubens und das Wirken des Geistes Gottes, das Er durch seine eigene Macht und Gnade fortbestehen lässt.
„Bewahrt durch Gottes Macht“ (V. 5). In den Briefen des Petrus werden wir selten einen Vers finden, der nicht einen leisen und gleichzeitig ergreifenden Hinweis auf seinen eigenen Weg beinhaltet. Petrus war nicht aufgrund seines Selbstvertrauens bewahrt worden, aber Gott versichert uns, dass Er uns durch seine Macht und durch Glauben bewahren wird. Ich denke, dass Petrus beim Schreiben dieser Worte an den Moment dachte, wo der Herr ihm sagte, dass Er für ihn gebetet habe, dass sein Glaube nicht aufhöre (Lk 22,32). Es war der Augenblick, als er im Selbstvertrauen gedacht hatte, dass er sich selbst bewahren könnte.
Wir werden nicht nur für eine bestimmte Zeit bewahrt, sondern „zur Errettung, die bereit ist, in der letzten Zeit offenbart zu werden“. Petrus hat sein Auge stets auf die jenseitige Herrlichkeit gerichtet. Errettung ist bei ihm, außer in Vers 9, immer die vollständige Befreiung des Gläubigen aus den irdischen Umständen nach Geist, Seele und Körper, um bei Christus in der Herrlichkeit zu sein. Diese Errettung ist „bereit, ... offenbart zu werden“.
„Worin ihr frohlockt, die ihr jetzt eine kurze Zeit, wenn es nötig ist, betrübt seid durch mancherlei Versuchungen“ (V. 6). Petrus sagt sozusagen: Wenn wir an den Ort denken, wo Christus ist und wo wir bei Ihm sein werden, wenn unser Herz mit dem Gedanken an dieses Erbteil, das Er für uns aufbewahrt hat, und mit der Heimat, die wir mit Ihm teilen werden, wo alles unvergänglich und erhellt ist, beschäftigt sind – dann werden wir uns daran erfreuen. Was sonst könnten wir tun, als uns angesichts einer solchen Aussicht zu freuen? Petrus kehrt dann in Vers 6 zur Erde zurück und weist darauf hin, dass wir durch mancherlei Versuchungen betrübt sind. Aber die „Betrübnis“ an dieser Stelle ist nicht die, von der wir oft reden, nämlich dass eine Seele ermattet und betrübt ist, weil sie nicht in Gemeinschaft mit dem Herrn ist. Nein, hier ist die Seele unter einer Last, weil der Herr „mancherlei Versuchungen“ als nötig ansieht.
„Wenn es nötig ist.“ Der Herr weiß, was Er tut. Uns gefällt das Joch nicht. Niemand von uns mag es. Die Schrift aber sagt: „Es ist gut für einen Mann, dass er das Joch in seiner Jugend trage.“ (Klg 3,27). Warum? Weil er dadurch im Alter geduldig ist.
Der Herr macht keine Fehler. Was auch immer uns begegnen mag, lasst uns in unseren Herzen mit dem Gedanken „es ist nötig“ zu dem Vater zurückkehren. Diese Versuchungen sind nicht immer eine Strafe, sondern sie dienen der Erziehung seiner Kinder. Es gibt eine Ausbildung, nicht nur eine Anweisung. Er möchte das bewirken, entwickeln und offenbaren, was das Ergebnis des Wirkens seiner Gnade in unseren Seelen ist, die Frucht des Geistes: „Liebe, Freude, Friede, Langmut“ etc. (Gal 5,22). Er geht seine eigenen Wege mit uns, um diese lieblichen Früchte hervorzubringen.
In 2. Korinther 4,10.11 gibt es einen wunderbaren Unterschied zwischen den beiden Versen. In Vers 10 haben wir den Wunsch des Paulus, dass das Leben Jesu in seinem Körper offenbart werden möge. In Vers 11 sehen wir Gott, der sozusagen sagt „Nun, Paulus, ich werde dich in Umstände bringen, in denen sich dein Wunsch erfüllen wird, und in denen du nicht anders können wirst, als das Leben Jesu zu leben.“
Wir mögen oftmals nicht sehen, dass diese oder jene Anfechtung „nötig ist“, aber was sagt unser Vater? Es ist nötig! Und da es nur für „eine kurze Zeit“ ist, und nicht für immer andauert, wird das Herz aufrechterhalten.
Es ist eine großartige Sache für unsere Seelen, wenn wir stets die helle Seite jeder Anfechtung suchen und wenn wir strahlende, leuchtende Gesichter haben, obwohl wir in tiefer Not sind! Paulus und Silas waren im Gefängnis in Philippi in einer trostlosen Lage, ihre Füße im Stock, aber „sie beteten... und lobsangen Gott“ (Apg 16,25). Sie übten ihre heilige und königliche Priesterschaft in diesem Gefängnis aus. Als sie lobsangen, waren sie heilige Priester; als sie zu dem erschrockenen Kerkermeister sagten: „Tu dir nichts Übles, denn wir sind alle hier“ (Apg 16,28), waren sie königliche Priester. Es ist ein wunderbares Bild! Sie waren so voller Freude, wie es nur irgend möglich war und erreichten, dass sich dieser Kerkermeister bekehrte! Das war das wundervolle Ergebnis ihrer blutenden, verwundeten Rücken. Diese bis dahin gottlose und offenbar unerreichte Seele wurde errettet! Anfechtung wird in verschiedenster Weise kommen, aber wir müssen unsere Gesinnung befestigen, während wir hier sind, „da wir wissen, dass die Trübsal Ausharren bewirkt, das Ausharren aber Bewährung, die Bewährung aber Hoffnung; die Hoffnung aber beschämt nicht, denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben worden ist“ (Röm 5,3–5).
Der Weg der Erprobung hat jedoch ein strahlendes Ende. „Damit die Bewährung eures Glaubens, viel kostbarer als die des Goldes, das vergeht, aber durch Feuer erprobt wird, befunden werde zu Lob und Herrlichkeit und Ehre in der Offenbarung Jesu Christi“ (V. 7). Der Bereich des Glaubens ist hier auf der Erde, und Gott erprobt ihn. Er gibt niemals Glauben, ohne diesen zu erproben; und dies wird Frucht hervorbringen, die sichtbar wird, wenn alles bei der Ankunft Jesu Christi offenbar werden wird.
Ich denke, die Erprobung „durch Feuer“, von der in diesem Vers gesprochen wird, ist ein schöner Hinweis auf die drei hebräischen Knechte, die durch Feuer erprobt wurden, als sie von Nebukadnezar in den brennenden Feuerofen geworfen wurden (Dan 3,12–30). Was war die Auswirkung des Feuers in ihrer Situation? Es verbrannte lediglich ihre Fesseln und befreite sie. Der Herr lässt uns oftmals in das Feuer kommen, und die Folge davon ist, dass die Stränge, die uns fesselten, verbrannt werden. In unserem Fall sind es häufig selbstverschuldete Fesseln, und wir kommen frei heraus. Aber in dem Feuer hatten wir ein Empfinden der Gegenwart und Gemeinschaft des Herrn in einer Weise, wie wir es noch nie zuvor hatten. So war es mit den hebräischen Knechten. Einer ging mit ihnen in dem Feuerofen umher, und sein Aussehen war „gleich einem Sohn der Götter“ (Dan 3,25).
„Den ihr, obgleich ihr ihn nicht gesehen habt, liebt; an welchen glaubend, obgleich ihr ihn jetzt nicht seht, ihr mit unaussprechlicher und verherrlichter Freude frohlockt“ (V. 8). Es kann nicht einen einzigen Heiligen Gottes geben, der den Herrn nicht liebt. Wir lieben Ihn nicht so, wie wir es gerne würden, oder wie Er es verdient hat, geliebt zu werden. Das ist durchaus wahr, aber wenn Gott seinem Volk schreibt, dann sagt Er: „Ich weiß, dass ihr meinen Sohn liebt“. Für mich gibt es einen wunderbaren Zusammenhang zwischen diesem Vers, „Den ihr, obgleich ihr ihn nicht gesehen habt, liebt“, und Offenbarung 22,4, „Sie werden sein Angesicht sehen“. Es gibt nichts, was mein Herz so sehr berührt und meinen Geist zur Ruhe bringt, wie dieses: Ich werde sein Angesicht sehen. Geliebte, sehnen wir uns nicht danach, sein Angesicht zu sehen, auf Jesus, unseren Herrn, zu blicken, in seiner unmittelbaren Gegenwart zu sein, Ihn mit unseren Augen zu sehen und uns für immer und ewig an seiner innigen Liebe zu freuen? Was wird es sein, wenn wir sein Angesicht sehen? Dieses Angesicht war einst „entstellt mehr als irgendeines Mannes, und seine Gestalt, mehr als der Menschenkinder“ (Jes 52,14), weil Er seinen Rücken den Schlagenden bot und seine Wangen den Raufenden (Jes 50,6). Um unseretwillen wurde sein Angesicht entstellt! Was wird es sein, dieses Angesicht zu schauen? Niemand kann die tiefe und grenzenlose Freude dieses Augenblicks zum Ausdruck bringen.
„...glaubend... frohlockt...“ sagt Petrus. Alle Anfechtungen und Nöte werden bei der Erscheinung des Herrn in Preis und Verehrung übergehen, in der Zwischenzeit muss der Glaube erprobt werden. Wir werden mit unaussprechlicher Freude frohlocken. Ich wünschte, dies wäre bei uns mehr Realität. Ich denke nicht, dass unter den Kindern Gottes täglich dieses Frohlocken und Triumphieren, von dem diese Schriftstelle spricht, vorhanden ist. Es ist eine Person, in der sie sich freuen und in der sie triumphieren sollen. Es geht hier nicht darum, was diese Person für sie bewirkt hat – das finden wir im folgenden Vers.
„Indem ihr das Ende eures Glaubens, die Errettung der Seelen, davontragt“ (V. 9). An Ihn glaubend haben wir die Errettung der Seele empfangen; hier ist nicht die vollständige Errettung, an die Petrus sonst in seinen Briefen denkt, gemeint, sondern die Errettung der Seele. In Vers 5 werden wir „durch Glauben bewahrt“. Das ist etwas, was wir noch nicht haben, sondern durch Glauben erlangen. In Vers 9 bedeutet Errettung die Errettung unserer Seelen, die wir bereits jetzt haben. Wir haben den Herrn noch nicht gesehen, aber in dem Moment, in dem wir durch Glauben in Ihm ruhen, wird unsere Seele errettet.
Drei Dinge kommen in den folgenden Versen (V. 9–11) vor uns: Das Zeugnis der Propheten, die Verkündigung durch den Heiligen Geist und das Kommen des Herrn – sein Erscheinen in Herrlichkeit.
Nachdem die Propheten ihre Weissagungen geschrieben hatten, erforschten sie sie. Doch obwohl diese Weissagungen die Erzählung der Leiden des Christus und der darauf folgenden Herrlichkeiten beinhalteten, die Gott ihnen, den Propheten, offenbart hatte, so war es doch nicht für sie geschrieben, sondern für uns Christen.
„Dinge, in welche die Engel hineinzuschauen begehren“ (V. 12). Wir sind so oft in dem Erforschen der Schriften nachlässig und in unseren Herzen besteht so wenig der Wunsch, die verborgenen, tiefen Bedeutungen zu durchdringen, doch der Wunsch der Engel ist es, in diese Dinge hineinzuschauen. Die Engel erkannten Gott nicht, noch sahen sie Ihn, bis sie Jesus als Kind in Bethlehem sahen, denn es gab bis dahin keine Offenbarung Gottes. Als die Engel dieses wunderbare Kind sahen, erblickten sie zum ersten Mal Gott. Bei seiner Geburt gerieten die himmlischen Heerscharen in Bewegung. Eine Menge kam mit dem Engel, der die Geburt ankündigte, und sie lobte Gott. Der ganze Himmel war mit dem beschäftigt, was auf der Erde geschah, denn der Sohn Gottes war in unsere Welt gekommen. Als Er in der Wüste war und Hunger hatte, dienten Ihm die Engel, nachdem Ihn der Teufel verlassen hatte. In dem Garten, in seinen Leiden, kamen Engel zu Ihm, um Ihm zu dienen und Ihn zu stärken. Die Engel haben ein großes Interesse an der Geburt, dem Leben, dem Tod und der Auferstehung des Herrn Jesus. Das alles sind „Dinge, in welche die Engel hineinzuschauen begehren“, und doch kam Er nicht für die Engel. Sie lobten bei seiner Geburt, aber wir hören nichts davon, dass sie bei seiner Auferstehung lobpriesen. Warum? Es scheint so, als ob die Engel sagen würden: Hier treten wir zur Seite und überlassen den Lobpreis denen, die unmittelbar davon betroffen sind. Sie überlassen es uns. Wir sind es, für die Er starb. Die Engel sagen: Es ist uns eine Freude, seinen Weg in dieser Welt nachzuverfolgen und in sein Grab zu sehen, aber wir haben keinen passenden Lobpreis für seine Auferstehung, denn Er starb nicht für uns – Er starb für Sünder.
„Deshalb umgürtet die Lenden eurer Gesinnung“ (V. 13). Dies ist Symbolik, die im Mittleren Osten wohlbekannt ist. Dort trägt man ein loses Gewand, und es muss umgürtet werden, damit ein Mann richtig arbeiten kann. Die Lenden sind das Geheimnis der Stärke. Petrus sagt, dass es eine fortlaufende Anwendung dieser Dinge (V. 1–12) auf unsere Seele geben muss. Paulus sagt: „Sucht was droben ist, wo der Christus ist... Sinnt auf das, was droben ist“ (Kol 3,12). Es geht also nicht nur um unsere gefühlsmäßigen Zuneigungen. Menschen sagen oft, dass sie etwas für ihren Verstand benötigen. Paulus sagt: Ich werde dir etwas für deinen Verstand geben, aber es wird im Himmel sein.
„...hofft völlig...“ (V. 13). Wir finden in diesem Kapitel den Glauben an den Herrn, die Liebe zu Ihm und dann die Hoffnung. Wir finden im Neuen Testament zehnmal, dass Glaube, Hoffnung und Liebe zusammengehen. Man glaubt an eine Person, man liebt eine Person und man hofft auf eine Person. Alles ist verbunden in einer Person – der Person Jesu Christi.
„Die Gnade, die euch gebracht wird bei der Offenbarung Jesu Christi.“ Es ist die Gnade, dass wir direkt in seine Gegenwart gebracht werden, um bei unserem Herrn und Ihm auf ewig gleich zu sein. Judas schreibt: „Indem ihr die Barmherzigkeit unseres Herrn Jesus Christus erwartet zum ewigen Leben“ (Jud 21), und welche Barmherzigkeit könnte größer sein, als dass der Herr einfach kommt und uns von diesem Schauplatz der Leiden, Anfechtungen, Verzweiflung, Tränen und Tod emporhebt und uns für immer in seine eigene strahlende Gegenwart setzt? Was Judas Barmherzigkeit nennt, bezeichnet Petrus als Gnade. Könnte es eine größere Gnade geben?
Nachdem Petrus unseren Blick auf das Ende gelenkt hat, zeigt er uns nun, wie wir in der Zwischenzeit wandeln sollen: „Als Kinder des Gehorsams bildet euch nicht nach den vorigen Begierden in eurer Unwissenheit, sondern wie der, der euch berufen hat, heilig ist, seid auch ihr heilig in allem Wandel! Denn es steht geschrieben: Seid heilig, denn ich bin heilig.“ (V. 14–16). Nicht das zu tun, was wir mögen, sondern das, was unser Vater uns sagt, das bewirkt praktische Heiligkeit in uns, die Er sucht.
„Und wenn ihr den als Vater anruft, der ohne Ansehen der Person richtet nach eines jeden Werk, so wandelt die Zeit eurer Fremdlingschaft in Furcht“ (V. 17). Hier geht es nicht um den Richterstuhl Christi, sondern um den Vater, der sein Auge auf jedes Kind an jedem Tag gerichtet hat, um zu sehen, was es tut. Wie wir säen, so ernten wir. Das gehorsame Kind sagt: Es ist mein Bemühen, so zu leben, dass es Tag für Tag nichts in meinem Leben gibt, das der Vater nicht gerne sehen möchte. Der Vater schaut auf uns und greift oftmals in einer erziehenden und bewahrenden Gnade ein. Dies ist die Weise, wie der Vater „richtet“ – es ist ein gutes und heilvolles Gericht für unsere Seelen.
Es ist ein großer Irrtum, wenn man annimmt, dass sich aufgrund dessen, dass das Zeugnis Gottes in unseren Tagen im Licht des Christentums ein anderes ist als zur Zeit des Judentums, auch die moralischen Grundsätze Gottes in irgendeiner Weise verändert hätten.
Die moralische Regierung Gottes über sein Volk ist genau dieselbe wie in vergangenen Tagen, und weder Du noch ich – obwohl wir unter Gnade sind – können das Wort oder die Wege Gottes überschreiten, ohne dafür mehr zu leiden als diejenigen, die unter Gesetz waren. Daher fügt Petrus an dieser Stelle die Ermahnung an, „die Zeit eurer Fremdlingschaft in Furcht“ zu wandeln. Dies ist keineswegs eine Furcht, die Knechtschaft bewirkt; es ist nicht eine Furcht, die die Erlösung, die Annahme oder die Beziehung betrifft, denn als Nächstes lesen wir: „Indem ihr wisst...“. Warum sollte ich mich dann fürchten? Eben genau deshalb, weil ich bestimmte Dinge weiß. Das Wissen um die Erlösung und die Freude an der gesegneten Stellung, die Gottes Gnade uns im Christentum gibt, sollen unseren Weg mit Furcht kennzeichnen – und es gäbe weitaus weniger Leiden und weniger Eingreifen Gottes in unseren Tagen, wenn wir diese Furcht mehr hätten. Der Augenblick, in dem wir versäumen, diese Furcht zu haben, ist der Augenblick, in dem wir fallen; solange wir uns fürchten, sind wir wohlbehalten und bewahrt. Die Stunde, in der wir aufhören uns zu fürchten, ist die Stunde, in der wir fallen.
Dieser Vers spricht von dem täglichen Handeln Gottes mit seinen Kindern, nicht vom Gericht vor dem großen weißen Thron und auch nicht vom Richterstuhl Christi für die Heiligen, sondern davon, dass der Vater heute sein Auge auf mich gerichtet hat, und er wird zu seiner Zeit mit mir handeln, je nachdem, was sein Auge gesehen hat.„Der Vater richtet nach eines jeden Werk“, daher fürchte ich mich, damit ich nicht in irgendeiner Weise seine Gedanken verfehle oder von seinem Weg abirre oder seinen Geist betrübe. Es ist eine kindliche Furcht, dass ich nicht gegen den liebenden, aber immer wachenden Vater verstoße.
„Indem ihr wisst, dass ihr nicht mit vergänglichen Dingen, mit Silber oder Gold, erlöst worden seid von eurem eitlen von den Vätern überlieferten Wandel, sondern mit dem kostbaren Blut Christi, als eines Lammes ohne Fehl und ohne Flecken“ (V. 18.19).
Die Erlösung durch Blut und die Erneuerung – von neuem geboren zu sein – durch das Wort Gottes sind die beiden Dinge, die in diesem Teil des Kapitels sehr deutlich hervortreten. Petrus sagt: Ihr seid erlöst durch dieses kostbare Blut, wie könnt ihr jetzt in den Wegen des alten Menschen weiterleben?
Wenn wir von dieser wunderbaren Liebe Gottes berührt worden sind und von der Knechtschaft Satans vollständig erlöst wurden, sollte unser Wandel nicht mehr ein eitler, sondern ein guter Wandel sein, da wir jetzt nicht nur erkauft, sondern erlöst sind.
Erlösung und Kauf sind zwei sehr unterschiedliche Dinge. Erlösung ist, wenn ein Sklave aus der Sklaverei in die Freiheit gebracht wird. Ein Kauf hingegen führt zwar zu einem Wechsel des Besitzers, aber er ist immer noch ein Sklave. Jede unbekehrte Seele gehört dem Herrn. Petrus spricht in seinem zweiten Brief von dem Herrn, „der sie erkauft hat“ (2. Pet 2,1). Er kaufte „den Acker“ – das ist die Welt – und jeder Bewohner derselben gehört Ihm. Auch wenn Ihn viele Menschen verleugnen, der Tag rückt schnell näher, an dem sie Ihn als Herrn anerkennen werden müssen.
Aber als Gläubige sind wir erlöst und damit frei gemacht, um Ihm mit Herzensentschluss zu dienen. Für Kinder Gottes ist von der Knechtschaft nichts mehr vorhanden. Der Herr hat sie in die Stellung vollkommener Freiheit gebracht. Es ist keine Freiheit für das Fleisch, sondern für die Freude an den Dingen, in die die Gnade sie gebracht hat.
Erinnern wir uns daran, dass der Apostel hier zu solchen spricht, die jüdisch geprägte Gedanken und Meinungen hatten. Dies macht seine Sprache umso eindringlicher. Das Blut des Lammes spricht für den Israeliten von jener Nacht in Ägypten, in der das Blut des geschlachteten Lammes an die Türpfosten gestrichen wurde und Gott draußen blieb, während Er im Gericht vorüberging. Es spricht auch davon, wie dieses Blut die Stellung Israels in der Wüste vor Gott aufrechterhielt. Als Gott durch Bileam sagte: „Er erblickt keine Ungerechtigkeit in Jakob und sieht kein Unrecht in Israel“ (4. Mo 23,21), gab es da wirklich kein Unrecht? Doch, es gab jede Menge Ungerechtigkeit, aber Gott sah keine! Ist nicht auch in uns Ungerechtigkeit und Unrecht? Doch, aber Gott sieht keine. Er sieht das Blut, das uns in seine Gegenwart, in Frieden und in Segen gebracht hat! Wir werden das selbst in der Herrlichkeit niemals ganz erfassen. Dort ist der Gegenstand des ewig währenden Lobes: „Ein Lamm wie geschlachtet“.
Beachten wir, dass es „das kostbare Blut Christi“ ist. Die Schrift gebraucht nicht oft Adjektive, besonders wenn von dem Herrn selbst gesprochen wird. Aber hier setzt der Geist Gottes ein Adjektiv ein: „Das kostbare Blut“. Das ist Gottes Urteil über das Blut: es ist „kostbar“. Es reinigt von jeder Sünde und seine Wirksamkeit ist noch immer lebendig vor Gott.
Als Petrus die Worte „das kostbare Blut Christi“ ursprünglich schrieb, waren es wunderbare Worte für die damaligen Gläubigen. Das gilt auch für die Gläubigen heute, weil es das kostbare Blut ist, das uns eine Stellung vor Gott gibt. Wir mögen versagen, aber das kostbare Blut Christi kann niemals versagen!
„Der zwar zuvor erkannt ist vor Grundlegung der Welt, aber offenbart worden ist am Ende der Zeiten um euretwillen“ (V. 20). Die Offenbarung des Sohnes Gottes war kein nachträglicher Gedanke Gottes, sondern Er war vor Grundlegung der Welt dazu bestimmt, weil Gott bereits vor Grundlegung der Welt an die Segnung der himmlischen Gläubigen, der Versammlung, dachte.
Wenn von dem irdischen Volk gesprochen wird, wird der Ausdruck „von Grundlegung der Welt an“ verwendet; aber wenn es um die völlige Darstellung der Gnade Gottes in der gegenwärtigen Zeit und um die Versammlung geht, dann heißt es „vor Grundlegung der Welt“. (Vergleiche Eph 1,4; Tit 1,2 und 1. Pet 1,20 mit Mt 25,34; Off 13,8 und Off 17,8.)
Zu dem Zeitpunkt, als die Welt erschaffen wurde, war es Gottes Absicht, ein Volk in dieser Welt zu haben, die Juden, aber die Versammlung gehört keineswegs zu dieser Welt. Die Versammlung ist eine himmlische Sache, erdacht in der Ewigkeit und zur Ewigkeit gehörend.
„Die ihr durch ihn an Gott glaubt, der ihn aus den Toten auferweckt und ihm Herrlichkeit gegeben hat, damit euer Glaube und eure Hoffnung auf Gott sei“ (V. 21). Der Mensch kann Gott in seiner Vollkommenheit nicht in der Schöpfung erkennen. Der Mensch versucht dies zwar, aber es kann nicht gelingen. Der Mensch konnte Ihn ebenso nicht in den Vorsehungen Gottes bis zur Zeit Moses, noch in seinen Offenbarungen am Berg Sinai erkennen, denn der Mensch durfte Ihm nicht nahen. Wenn nur ein Tier den Berg berührt hätte, so wäre es gesteinigt oder durchstochen worden. Gott wohnte im Dunklen, wohin kein Mensch Ihm nahen konnte. Der Mensch kann weder durch die Schöpfung, noch durch Vorsehung, noch durch das Gesetz Gott völlig erkennen, sondern nur durch den Einen, der herniederkam, der als Mensch auf dieser Erde war, der das Herz Gottes gegenüber den Menschen offenbarte, der für die Menschen starb und der in die Herrlichkeit aufgefahren ist – Jesus Christus, das Lamm Gottes.
Fragen wir uns: Glauben wir an Gott? Sind wir wirklich vertraut mit Gott? Sind wir glücklich in Gott? „Denn es hat ja Christus einmal für Sünden gelitten, der Gerechte für die Ungerechten, damit er uns zu Gott führe“ (1. Pet 3,18). Es ist von großer Wichtigkeit, dass die Seele erfasst, dass der Mensch Christus Jesus der Ausdruck des Herzens Gottes ist.
Vielleicht haben wir in unserem Kopf eine unterschiedliche Vorstellung von dem, was Gott ist und von dem, was der Name und das Leben des Herrn Jesus uns zeigen. Aber Jesus ist der Mann der Schmerzen, der einst auf dieser Erde als heiliger und barmherziger Mensch wandelte. Jeder Gedanke, der in Bezug auf Gott nicht in vollständiger Übereinstimmung mit dem ist, was Jesus war, ist ein götzendienerischer Gedanke. So sagt Johannes: „Kinder, hütet euch vor den Götzen!“ Und so sagt Petrus, dass wir keinen Grund zu Misstrauen haben, sondern jeden Grund, die ganze Hoffnung auf Gott zu setzen und ein völliges Vertrauen auf Ihn zu haben. Im Blick auf die Zukunft sollte es keine Furcht geben, sondern die vollste Sicherheit, dass der, der den Herrn Jesus aus den Toten auferweckt hat, auch uns in derselben Weise auferwecken wird. Allein die Kenntnis Gottes im Angesicht Jesu könnte der Seele diesen gesegneten Frieden und Hoffnung geben. Es ist eine Hoffnung, die nicht beschämt. Der Herr gebe es uns, dass wir Ihn besser kennen und uns in Ihm mehr erfreuen, während wir Tag für Tag weitergehen auf unserer Reise.
„Da ihr eure Seelen gereinigt habt durch den Gehorsam gegen die Wahrheit zur ungeheuchelten Bruderliebe, liebt einander mit Inbrunst aus reinem Herzen“ (V. 22). Unsere Seele wurde in praktischer Weise von ihren alten Gedanken und Wünschen gereinigt. Stattdessen kommt „ungeheuchelte Bruderliebe“ daraus hervor. Vielleicht waren wir ruhelos und unglücklich in der Welt, doch die Gnade Gottes wirkte in unseren Herzen und hat uns lebendig gemacht um uns mitten unter Brüder zu bringen? Jetzt sagt Petrus, dass wir, „einander mit Inbrunst aus reinem Herzen“ lieben sollen. Es ist sehr einfach, liebenswürdige Menschen zu lieben, aber das ist nicht „Liebe aus reinem Herzen“. Liebe aus reinem Herzen ist eine Liebe, die das Gegenüber auch dann liebt, wenn dieses es nicht verdient hat. Sie ist wie die Liebe Gottes, die uns geliebt hat, als nichts Liebenswürdiges in uns war.
In Römer 5,7 sagt der Apostel Paulus: „Denn kaum wird jemand für einen Gerechten sterben.“ Ein gerechter Mann ist ein harter Mann, der jedem etwas zahlt und von jedem erwartet, dass man ihm zurückzahlt. Er gewinnt dabei nicht viel Sympathie, und kaum einer wird für ihn sterben wollen. „Denn für den Gütigen könnte vielleicht noch jemand zu sterben wagen“ (Röm 5,7). Für einen Menschenfreund, der sein Leben zum Wohlergehen anderer eingesetzt hat, würde „vielleicht noch jemand zu sterben wagen“. Selbst hierin ist Paulus sich aber nicht sicher.
Aber zu dem Zeitpunkt, als wir ohne jegliche Gerechtigkeit und Güte waren, liebte Gott uns. Das war „Liebe aus reinem Herzen“, und das ist die Liebe, die der Herr in uns anfachen möchte.
Es ist eine sehr armselige Sache, wenn Menschen sich über mangelnde Liebe beschweren. Ich glaube, wenn wir diesen Zustand erreicht haben, dass wir keine Menschen sehen, die uns lieben, dann können wir grundsätzlich sagen, dass wir wohl selbst die Menschen nicht lieben.
Wir mögen sagen: „Bei manchen Menschen ist es unmöglich, sie zu lieben“. Petrus sagt etwas anderes. Wir sollen sie lieben, weil sie erlöst sind und wir die Fähigkeit haben, sie zu lieben, weil wir wiedergeboren sind. Sie sind erlöst durch das Blut Christi, darin besteht der Beweggrund unserer Liebe. Außerdem sind wir durch das Wort Gottes von neuem geboren, darin besteht unsere Fähigkeit. „Die ihr nicht wiedergeboren seid aus verweslichem Samen, sondern aus unverweslichem, durch das lebendige und bleibende Wort Gottes“ (V. 23).
„Denn alles Fleisch ist wie Gras, und alle seine Herrlichkeit wie des Grases Blume. Das Gras ist verdorrt, und die Blume ist abgefallen; das Wort des Herrn aber bleibt in Ewigkeit. Dies aber ist das Wort, das euch verkündigt worden ist“ (V. 24.25). Dieses Zitat aus Jesaja 40,6–8 ist äußerst bemerkenswert. Meinen wir, dass wir eine bessere Natur haben als unser Nachbar, oder umgekehrt? Gott sagt, dass alles Fleisch wie Gras ist, und Er sagt dies zum Trost seines Volkes. Wir würden uns wohl gegenseitig niemals auf diese Weise trösten, indem wir uns vor Augen führen, dass wir völlig wertlos sind. Dennoch ist dies die Art und Weise, in der Gott ein bußfertiges Volk tröstet. Es ist ein großartiger Trost, zu erkennen, dass Gott weiß, dass ich wertlos bin und dass Er nicht erwartet, dass etwas Gutes aus mir hervorkommt.
Gott sagt also, dass unsere menschliche Natur wie Gras ist, doch sein Wort bleibt und besteht für immer. Gott hat einen Grundsatz des Segens in unsere Seelen gelegt, der unwandelbar und unveränderlich ist, denn er kommt von Ihm selbst und ist wie Er selbst. Ich habe euch gesagt, was ihr seid, sagt Petrus, und jetzt möchte ich euch zeigen, was Gott ist. Wir sind Gras, während Gott unvergänglich ist und sein Wort für immer besteht. Er hat sein Wort in unser Herz gelegt, und wir besitzen jetzt eine Natur, die Ihm gleich ist.
Für ein Kind Gottes ist es einfach, wie der Vater zu sein, wenn es nur dieses neue Leben ernährt und pflegt. Wir müssen uns um die Liebe nicht bemühen. Wenn wir im Genuss der Liebe Gottes sind und das volle Glück derselben empfinden, dann wird die Liebe aus uns heraus zu anderen kommen. Als wir völlig wertlos waren, wurde durch die Liebe Gottes etwas in uns gelegt: sein Wort, lebendig und bleibend, das ein Kind Gottes befähigt, so wie der Vater zu sein und andere aus einem reinen Herzen zu lieben, so wie Er liebt. Wir sind erlöst, und wir sind erneuert, und durch die Kraft des neuen Lebens ist es jetzt unser Wunsch, die Taten unseres Vaters nachzuahmen. Ihm wohlzugefallen bedeutet, so wie Er zu handeln. Wir lieben den Vater, und wir lieben die Kinder Gottes.