Ährenlese im Neuen Testament (Hebräer)
Kapitel 1-4
Hebräer 1,1–14
Der Verfasser des Briefes an die Hebräer ist wahrscheinlich der Apostel Paulus. Aber er nennt sich nicht, um den ganzen Platz dem Herrn Jesus zu lassen, dem grossen «Apostel ... unseres Bekenntnisses» (Kapitel 3,1). Nachdem Gott durch viele verschiedene Werkzeuge geredet hatte, wandte Er sich schliesslich in seinem eigenen Sohn (Markus 12,6 ff.) direkt an Israel und an die Menschen. Er ist «das Wort», die vollständige und endgültige Offenbarung Gottes. Und um uns davon einen höheren Begriff zu geben, lehrt Er uns, wer dieser Sohn ist: der Erbe aller Dinge, der Schöpfer der Welten, der Abglanz seiner Herrlichkeit und der Abdruck seines Wesens, Der, der alle Dinge trägt (Johannes 1,1.18). Und nun? Der, welcher die Welten gemacht hat, hat auch die Reinigung der Sünden bewirkt. Aber während für die Schöpfung ein Wort genügte, musste Er für dieses Werk den höchsten Preis bezahlen: sein eigenes Leben.
Eine Folge von Zitaten aus den sogenannten messianischen Psalmen: 2, 45, 102, 110 ... bestätigt die Erhabenheit und den höchsten Vorrang des Sohnes Gottes. Die Engel sind Geschöpfe, der Herr Jesus ist der Schöpfer; sie sind Diener, Er ist der Gebieter. Die Engel dienen in einer unsichtbaren Weise zu unseren Gunsten; der Herr Jesus allein hat die Reinigung der Sünden vollbracht, der meinen und der euren. Und was Er ist, macht den Wert dessen, was Er getan hat, noch unvergleichlich höher.
Hebräer 2,1–9
«Gott hat zu uns geredet im Sohn». «Deswegen», schliesst Kapitel 2 an, «sollen wir umsomehr auf das achten, was wir gehört haben». Schon auf dem heiligen Berg wurden die drei Jünger durch eine feierliche Stimme aus den Wolken eindringlich ermahnt, vielmehr auf den geliebten Sohn, als auf Moses oder Elias zu hören. «Als sie aber ihre Augen aufhoben, sahen sie niemand als Jesus allein» (Matthäus 17,5.8). Auch «wir sehen Jesus» (Heb 2,9) durch den Glauben. Das 1. Kapitel hat Ihn uns unter seinen göttlichen Titeln als den Schöpfer und den Erstgeborenen vorgestellt. Hier sehen wir Ihn als den verherrlichten Menschen und als den Sieger über den Tod. In Kapitel 1 geben Ihm alle Engel Gottes Ehre; in Kapitel 2 musste Er ein wenig unter sie erniedrigt werden, wegen dieses Todes, dessen unendlich bitteren Geschmack Er kennen lernen musste (Vers 9b). Aber Psalm 8, der hier zitiert wird, offenbart uns die Gesamtheit der Vorsätze Gottes in bezug auf «den Menschen Christus Jesus». Eine Krone der Herrlichkeit und Ehre ist auf seinem Haupt; die Herrschaft über die Erde und das Weltall gehört Ihm von Rechts wegen; bald wird sich alles seiner Macht beugen. Aber jetzt schon verkündet der Platz, den der «Urheber unserer Errettung» einnimmt, die Vortrefflichkeit dieses Heils. Wie werden wir entfliehen, wenn wir es vernachlässigen (Kapitel 10,29)? Beachten wir wohl: es genügt, gleichgültig zu sein und die Entscheidung auf später aufzuschieben. Ja, eilen wir, «eine so grosse Errettung» zu ergreifen!
Hebräer 2,10–18
Es geziemte Gott ... den Urheber unserer Errettung durch Leiden vollkommen zu machen (Vers 10). «Jehova gefiel es, ihn zu zerschlagen, er hat ihn leiden lassen», sagt Jesaja an einer Stelle (Kapitel 53,10). Und mit welchem Ziel? Um viele Söhne zur Herrlichkeit zu bringen. «Wenn seine Seele das Schuldopfer gestellt haben wird, so wird er Samen sehen», fügt der Prophet noch hinzu. Diese Kinder, die Gott Christus gegeben hat, um seine Genossen in der Herrlichkeit zu sein, sind seine geliebten Erlösten. «Er schämt sich nicht, sie Brüder zu nennen» (Vers 11). Aber um sich ihrer Sache anzunehmen, musste Er ihnen gleich, also wahrer Mensch werden (Vers 14). Unser Kapitel gibt uns mehrere, unendlich wertvolle Beweggründe dieses grossen Geheimnisses: Jesus ist in diese Schöpfung gekommen, um Gott zu verherrlichen und Ihm Gelegenheit zu geben, seine Ratschlüsse in Bezug auf den Menschen auszuführen. Er hat einen Leib angenommen, um sterben zu können, und so den Fürsten des Todes in seiner eigenen Festung zu besiegen. Und schliesslich hat Jesus Menschengestalt angenommen, um vollkommener auf unsere Leiden einzugehen und sie mit einem menschlichen Herzen verstehen zu können. Seine eigene Erfahrung des Leidens erlaubt Ihm, als ein barmherziger und treuer Hoherpriester in unseren Versuchungen vollkommen mitzufühlen. Welch ein Trost für alle Betrübten!
Hebräer 3,1–15
Der Brief an die Hebräer wurde schon 'der Brief der geöffneten Himmel' genannt. Und wen betrachten wir in den Himmeln? Den Herrn Jesus, der gleichzeitig Apostel -d.h. Wortträger Gottes an die Menschen -und Hoherpriester ist: der Fürsprecher der Menschen vor Gott. Die Juden verehrten die Herrlichkeiten Moses (Kapitel 3), Josuas (Kapitel 4), Aarons (Kapitel 5). Weil er an die hebräischen Christen schreibt, zeigt der Verfasser anhand ihrer Geschichte, wie der Herr Jesus in seiner Person diese Herrlichkeiten vereinigt und übertrifft. Aber wir können den Herrn nicht kennenlernen, ohne gleichzeitig die Verderbtheit unseres natürlichen Herzens zu entdecken. Gott nennt es «ein böses Herz des Unglaubens» und erinnert uns daran, dass es der Ursprung all unseres Elends ist. «Allezeit gehen sie irre mit dem Herzen», erklärt Vers 10 (vergleiche Matthäus 15,19). Darum wird jeder, der die Stimme des Herrn hört (und wer wagte zu sagen, er habe sie noch nie gehört?), dreimal mit nachdrücklichem Ernst aufgefordert, sein Herz nicht zu verhärten (Verse 7,15; Kapitel 4,7). Wir beschränken diese Ermahnung gewöhnlich auf das Evangelium des Kreuzes. Aber haben wir, die wir Christen sind, nicht jeden Tag Gelegenheit, die Stimme des Herrn aus seinem Wort zu vernehmen? Möchten wir vor jeder Form der Verhärtunq bewahrt bleiben, was Er auch heute von uns verlangen mag!
Hebräer 3,16–4,7
Die Ruhe Gottes am siebenten Tag nach dem Werk der Schöpfung wurde bald durch die Sünde des Menschen gestört. Und seither hat das Wirken des Vaters mit dem des Sohnes für die Erlösung «bis jetzt» nicht aufgehört (Joh 5,17). Aber wir lernen hier: 1. Dass Gott seine Ruhe immer im Auge hat. 2. Dass diese zukünftig ist und nicht verwechselt werden darf mit der Einführung des Volkes in Kanaan durch Josua. Israel wird sich dieser Ruhe auf Erden im Tausendjährigen Reich erfreuen, und die Kirche wird sie in der himmlischen Herrlichkeit geniessen. 3. Dass, wenn Gott seine Ruhe mit seinem Geschöpf teilen will, dennoch nicht alle in sie eingehen werden. Wie einst in der Wüste, verschliesst der Unglaube (Kapitel 3,19) und der Ungehorsam (Kapitel 4,6b) den Zugang zu dieser Verheissung. Johannes 3,36 zeigt uns übrigens, dass einer der nicht gehorcht, sich mit dem einsmacht, der nicht glaubt (Fussnote). Denn das Werk Gottes tun heisst, an Den glauben, den Er gesandt hat (Johannes 6,29). Aber ach, es war bei Israel wie heute bei den meisten: «das Wort der Verkündigung nützte jenen nicht, weil es bei denen, die es hörten, nicht mit dem Glauben vermischt war» (Vers 2; lies Römer 10,17).
So ist es der Gehorsam dem Herrn gegenüber, der uns erlaubt, jetzt am Werk seiner Gnade teilzuhaben, und der uns zubereitet, morgen die Ruhe seiner Liebe mit ihm zu teilen (Zephanja 3,17: «Er schweigt – oder: ruht – in seiner Liebe“).
Hebräer 4,8–16
Bis wir in die göttliche Ruhe eingehen, währt für uns Kinder Gottes noch die Zeit der Mühsal, verbunden mit dem Wandel, dem Dienst und dem Kampf. Aber wir sind nicht ohne Hilfsquellen gelassen. Drei werden in diesem Kapitel erwähnt. Die erste ist das Wort Gottes. Heute hören wir seine Stimme. Dieses Wort wacht über unseren inneren Zustand. Lebendig: es bringt uns das Leben; wirksam: es tut seine Arbeit in uns (Epheser 6,17 zeigt es uns dagegen als Angriffswaffe). Durchdringend: lassen wir uns durch das Wort ergründen!
Aber nebst der Sünde, die das Wort offenbar macht und verurteilt, haben wir in uns auch Schwachheiten und Gebrechen. Gott hat dafür noch zwei andere Hilfsmittel vorgesehen. Er hat uns einen grossen Hohenpriester gegeben, voller Verständnis und Mitleid. Als Mensch hienieden hat Christus jede Form des menschlichen Leidens gekannt, um seine Liebe «zur rechten Zeit» in jeder Art und Weise gegen seine Schwachen Erlösten entfalten zu können. Zweitens hat Er uns den Zugang zum Thron der Gnade geöffnet. Wir werden aufgefordert, uns diesem zu nahen im Gebet, und zwar mit umso grösserer Freimütigkeit und Vertrauen, als wir dort unserem geliebten Heiland begegnen. Suchen wir da, und wirklich nur da, unsere Hilfe? (Psalm 60,11).