Ährenlese im Neuen Testament (2. Korinther)
Kapitel 4-6
2. Korinther 4,1–15
Hat jeder von uns, wie der Apostel, «den geheimen Dingen der Scham entsagt»? (Vers 2). Das Herz des Paulus war wie ein klarer Spiegel: Er widerspiegelte jeden Strahl, den er auffing, getreu auf seine Umgebung. Und was war der Gegenstand, der ihn anstrahlte, und den er den andern Menschen sichtbar machte? «Die Herrlichkeit Gottes im Angesicht Christi» (Vers 6). Welch ein Schatz war diese Erkenntnis Christi in der Herrlichkeit für Paulus! Er war nur das Gefäss, in dem sie enthalten war, ein armes, irdenes Gefäss, zerbrechlich und ohne eigenen Wert. Denn hätte sich das Werkzeug Gottes durch glänzende menschliche Eigenschaften bemerkbar gemacht, so hätte es die Aufmerksamkeit auf Kosten des Schatzes, den es zeigen sollte, auf sich selbst gelenkt. Die Juweliere wissen wohl, dass eine zu luxuriöse Einfassung die Neigung hat, den Juwel eines Ringes zu überstrahlen. Sie stellen ihren schönsten Schmuck auf einfachem, schwarzem Samt aus. So war Paulus, das Gefäss, bedrängt, ohne Ausweg, verfolgt, niedergeworfen -damit der Schatz: das Leben Jesu in ihm, vollständig geoffenbart würde (Vers 10). Die Prüfungen eines Gläubigen tragen dazu bei, ihm jeden persönlichen Glanz zu nehmen, damit Der umsomehr leuchte, von dem er sozusagen der Lampenfuss ist.
2. Korinther 4,16–5,10
Wieviel Sorgfalt verwenden wir doch auf die Pflege «unseres äusseren Menschen» (Vers 16). Ja, wenn nur unser «innerer Mensch» auch so gut behandelt würde! Was das Herz des Apostels erneuerte, war dieses ewige Gewicht von Herrlichkeit, das in seinem überschwenglichen Mass überhaupt nicht mit den gegenwärtigen Leiden verglichen werden konnte. Indem er «durch Glauben, nicht durch Schauen» wandelte (Vers 7), hielt er seine Blicke auf die Dinge gerichtet, die man nicht sieht, aber ewig sind, und konnte sie durch das Unterpfand des Geistes schon geniessen (Vers 5). Darum ermattete er nicht (Kapitel 4, 1.16).
Welche Furcht und welchen Eifer sollte der Gedanke an den Richterstuhl des Christus ständig in uns bewirken! Unser Heil ist gesichert. Wir werden dort nicht erscheinen, um gerichtet zu werden. Aber unser Leben wird sich wie ein Film vor unseren Augen abrollen, und alles, was wir getan haben, wird offenbar werden, «es sei Gutes oder Böses»; und wir werden entweder Gewinn haben oder Verlust erleiden. Aber gleichzeitig wird der Herr dort zeigen, wie selbst unsere Sünden seine Gnade zum Erglänzen brachten. Ein Künstler, der ein beschädigtes Porträt erneuert hat, wird den Wert seiner Arbeit dadurch hervorheben, dass er eine Photographie des alten Bildes daneben stellt. Weil wir der Sünde gegenüber oft so unempfindlich sind, schätzen wir auch die Gnade, die uns vergibt und uns trägt, nicht hoch genug ein. Vor dem Richterstuhl des Christus werden wir schliesslich ihre unendliche Grösse erkennen.
2. Korinther 5,11–21
Paulus sehnte sich nach der himmlischen Herrlichkeit (Vers 2), aber indem er darauf wartete, befleissigte er sich, dem Herrn wohlgefällig zu sein (Vers 9). Er hatte nichts zu verbergen, weder vor Gott noch vor den Menschen (Vers 11). Er lebte nicht mehr für sich selbst. Mit Leib und Seele war er Sklave des für ihn gestorbenen und auferstandenen Christus (Vers 15). Der Herr hatte ihn -wie jeden Erlösten -zu einer sehr hohen Funktion berufen: zum Gesandten Gottes, des Höchsten, um der Welt die Versöhnung anzubieten. Zwei wichtige Beweggründe drängten den Apostel, diesen Auftrag zu erfüllen und die Menschen zu überzeugen: der Ernst des Gerichts (er kannte den Schrecken des Herrn: Vers 11); und die Liebe des Christus zu den Menschen, eine Liebe, ohne die der gewandteste Redner nur ein tönendes Erz ist (Vers 14; 1. Korinther 13,1).
Worin besteht die Botschaft der Versöhnung? Christus, der einzige Mensch ohne Sünde, hat sich am Kreuz mit der Sünde identifiziert, um sie zu sühnen. So hat Gott in seiner Gnade die Sünde, die uns von Ihm trennte, hinweggetan (Vers 21). «Das Alte ist vergangen.» Gott flickt es nicht. Es gefällt Ihm, alles neu zu machen; ja, auch aus dir «eine neue Schöpfung» zu machen (Vers 17). Aber lass mich zuerst fragen: Bist du mit Gott versöhnt?
2. Korinther 6,1–7,1
«Viel Ausharren» ist das Kennzeichen des Dieners Gottes (d.h. jedes Gläubigen; Vers 4; Kapitel 12,12). Die Art und Weise, wie Paulus seine Prüfungen ertrug, bewies den Wert seines Evangeliums besser als jede Rede.
Was für ein merkwürdiger Mensch ist der Christ! Er hat in gewissem Sinn zwei Angesichter. In den Augen der Welt erscheint er in Unehre, als Verführer, als Unbekannter ..., traurig, arm, nichts habend. Und was ist er in den Augen Gottes?: wahrhaftig, wohlbekannt, lebend, sich allezeit freuend, und schliesslich alles besitzend! (Vers 8–10). Das ist sein wahres Angesicht.
Die Ermahnungen, die folgen, mögen uns engherzig und streng vorkommen. Aber sie kommen aus dem «weiten» Herzen des Apostels (Vers 11). Das Wort 'Absonderung' schreckt uns ab, und doch bedeutet Heiligkeit Absonderung für Gott (3. Mose 20,26). Das eine zu vollenden (Kapitel 7,1) bedeutet notwendigerweise auch das andere zu verwirklichen. Absonderung von der Welt -die Verse 14 und 15 beziehen sich nicht nur auf die Ehe mit Ungläubigen, sondern auf jede 'gemeinsame Sache' mit ihnen. Die Absonderung von der religiösen Welt bietet uns unvergleichlichen Ersatz: die Gegenwart des Herrn Jesus «in der Mitte» der Seinigen, und den Genuss der gesegneten Beziehungen zu Gott, unserem Vater. In Kapitel 7,1 haben wir schliesslich die Absonderung vom Bösen in jeglicher Form. Wagen wir es, ein Herz zu verunreinigen, das die Verheissungen Gottes besitzt? (1. Johannes 3,3).