Botschafter des Heils in Christo 1858
Ein Wort über die Sicherheit und Festigkeit unseres Verhältnisses mit Gott.
Es ist bemerkenswert, dass in dem Kampf oder vielmehr in dem Sieg, wovon der Apostel am Ende des achten Kapitels des Römerbriefes spricht, die Sünde als Feind nicht vorkommt. In der Tat gibt es zwei ganz verschiedene Kämpfe: der Kampf zwischen Fleisch und Geist und der Kampf, den wir als die Streiter oder als die Schar Gottes in der Kraft des Heiligen Geistes gegen den Feind fortsetzen, um alles, was uns verheißen ist, geistlich in Besitz zu nehmen, die Seelen zu gewinnen und die Kraft Satans in der Welt zu besiegen und sie zurückzuweisen. Der Kampf mit dem Fleisch wird bis zum Ende des irdischen Lebens andauern; aber wir können nur dann, wenn praktischerweise das Fleisch schweigt, durch die überwindende Kraft des Geistes in uns, indem unser Leben das Leben Jesu in uns ist, den äußerlichen Kampf gegen den Feind in der rechten Weise fortsetzen. Man kann den Feind außerhalb des Lagers nicht mit gutem Mut angreifen, wenn es eine Empörung im Lager selbst gibt. Wenn es dem Fleisch gelingt, durch unsere Nachlässigkeit und mangelhafte Gemeinschaft mit Gott, Schwierigkeit und Ungewissheit in unserer eigenen Seele hervorzubringen, so sind wir nicht im Stande mit Einfalt des Herzens den Kampf gegen den Feind in der Welt siegreich fortzusetzen. Um die Stellung eines Streiters Gottes einzunehmen und im Namen Herr Jesu in der Welt zu kämpfen, muss man über sein Verhältnis mit Ihm ganz und gar im Klaren sein.
Der innerliche Kampf der unbefreiten Seele – und es muss und sollte immer so sein – ist, über sein eigenes Verhältnis mit Gott sicher und gewiss zu werden; und viele Seelen, die sich in einem gewissen Maß in der Gnade Gottes erfreuen und selbst die Lehre der Freiheit ziemlich klar verstehen, sind betreffs ihres gegenwärtigen Verhältnisses mit Gott unklar und in Verwirrung, wenn es sich um den Zustand ihres Gewissens vor Gott handelt, wenn das Gewissen sich in der Gegenwart Gottes oder des Todes oder der Kraft Satans ober mit einem Wort in Umständen befindet, in welchem sein Zustand geprüft wird. Sie zweifeln gerade nicht an ihrer Errettung im Allgemeinen, noch zweifeln sie an der Liebe Gottes an und für sich, wenn aber ihr praktisches und wirkliches Verhältnis mit Gott untersucht wird, so sind sie in Verwirrung. Nicht allein ist dann ihre Gemeinschaft mit Gott für einen Augenblick unterbrochen, sodass sie sich wegen ihrer Nachlässigkeit demütigen müssen – dies kommt bei allen Christen vor, sobald sie nur einen einzigen Gedanken in ihre Herzen hineinlassen, der nicht nach dem Geist ist –, sondern sie können, indem sie nicht wirklich in der Gegenwart Gottes sind, über ihren Zustand nicht urteilen und sind in Betreff ihres wahren Verhältnisses mit Gott unklar. Der Gläubige aber, der klar über sein Verhältnis mit Gott ist, fühlt (wenigstens, wenn er im Allgemeinen mit Gott wandelt), mit Scham bei jeder Befleckung, dass dergleichen diesem Verhältnis nicht entspricht; aber seine Seele kommt in keine Verwirrung. Er sucht mit gedemütigtem Herzen die Wiederherstellung seiner Gemeinschaft und wartet deshalb auf den Gott aller Gnade. Ich bin aber gewiss, dass ich das Zeugnis vieler Seelen habe, dass es in solchen Fällen, in denen das Gewissen praktischerweise unrein ist, etwas Dunkles und für sie Unverständliches in ihrem eigenen Verhältnis gibt. Um nun diesen zweifelnden Zustand aufzuheben, ist es nicht genug, die Liebe Gottes darzustellen. Sie glauben an diese Liebe und sie haben recht; aber es fehlt noch etwas, weil das Gewissen das Bewusstsein hat, dass die Liebe Gottes nicht im Widerspruch mit der Heiligkeit und der Gerechtigkeit seiner Natur sein kann, und sie fühlen, dass sie im Widerspruch damit sind. Es mangelt bei ihnen an der Klarheit über die Gerechtigkeit. In der Tat ist die Gnade die Quelle aller Hoffnung; aber die Gnade herrscht durch die Gerechtigkeit. Im Gericht wird die Gerechtigkeit herrschen, und daher sind alle verdammt, die vor Gott ins Gericht kommen. Aber jetzt herrscht die Gnade, das heißt, die Liebe Gottes, wirksam in der Mitte der Sünder und in Beziehung zu der Sünde. Die Gerechtigkeit aber muss vorhanden sei, damit wir ruhig vor Gott stehen können. Wo ist nun diese Gerechtigkeit zu finden, auf dass man von der Gnade ungehindert genieße? Die Antwort dieser Frage werden wir jetzt in der heiligen Schrift aufsuchen.
Diese Antwort hängt von den völlig verschiedenen Stellungen des ersten und zweiten Adams ab. Wir werden daher diese Stellungen und ihre Berührungspunkte, um die Stellung des Gläubigen recht klar und deutlich darzustellen, etwas erörtern, und zwar zuerst die des ersten Adams und die Handlungen Gottes gegen ihn.
Dem ersten Adam ist keine Verheißung gegeben. Als Gott sein Gericht über die Schlange aussprach, sagte Er, dass der Nachkomme der Frau ihr den Kopf zertreten solle. Adam aber war kein Nachkomme der Frau. Dem ersten Adam, unserem Vater nach dem Fleisch, war also keine Verheißung gegeben. Von Anfang an zeigt es sich ganz klar und deutlich, dass es keine Verbindung, kein Verhältnis des Lebens zwischen Gott und dem Fleisch gibt. Den Beweis dieser Wahrheit hat Gott auf verschiedene Weise ausgeführt und wir sehen auch von Anfang an den ersten Adam durch den zweiten ersetzt. Dem Abraham aber, und nach ihm seinen Nachkommen, was immer der zweite Adam ist, sind Verheißungen ohne Bedingungen gegeben, daher Verheißungen, welche die Frage der Gerechtigkeit nicht hervorgerufen haben. Gott hat unbedingt verheißen, dass alle Geschlechter der Erde in seinen Nachkommen gesegnet werden sollten.
Doch die Frage der Gerechtigkeit muss hervorgerufen werden; und weil der Mensch die Anmaßung hat, gerecht zu sein oder Gerechtigkeit zu erwerben, so hat Gott die Frage der Gerechtigkeit zuerst auf diesen Grund gestellt. Er gibt einen vollkommenen Maßstab der menschlichen Gerechtigkeit, der zugleich ein Maßstab der Vollkommenheit aller vernünftigen Kreatur als solcher ist. „Gott von ganzem Herzen zu lieben und den Nächsten wie sich selbst“ (vgl. Lk 10,27) würde die Vollkommenheit eines Menschen als Mensch sein; selbst die Engel wandeln danach. Einen anderen Maßstab aber konnte Gott nicht geben, wenn die Kreatur als solche glückselig sein sollte. Die Form aber, in welcher dieser Maßstab den Menschen dargestellt ist, ist der Art, dass die Erfüllung dieser Gerechtigkeit von dem Menschen selbst gefordert wird. Die Weisheit Gottes hat aber schon in den Ausdrücken selbst, in welchen das Gesetz mitgeteilt ist, den wirklichen Zustand derer angegeben, denen es mitgeteilt ist. Wir setzen hier Israel und die bürgerlichen Einzelheiten, die für dieses Volk im Gesetz enthalten sind, ganz und gar beiseite, und beschäftigen uns, wie anders der Apostel Paulus, mit dem ewigen Grundsatz des Verhältnisses des Menschen mit Gott auf einem gesetzlichen Grund. Das Gesetz sagt uns, und es muss also sagen: „Tu dies, und du wirst leben!“ (vgl. Lk 10,27). Aber was lernt man bei diesen Worten, wenn man sie mit ernstem Gewissen erwägt? Wenn Gott sagt: „Tu dies, und du wirst leben!“ so bin ich tot. Und wenn der Mensch beansprucht, als „nicht tot“ das Gesetz zu erfüllen, so wird gerade das Resultat seiner Anstrengungen das sein, diesen Zustand des Todes dazutun. Aber in der Tat setzt das Gesetz voraus, indem es mir, wenn ich gehorsam bin, das Leben verheißt, dass ich kein Leben habe; und dieser Grundsatz ist in der Bemerkung des Apostels – dass, „wenn ein Gesetz gegeben wäre, welches lebendig machen könnte, dann wäre wirklich die Gerechtigkeit aus Gesetz“ - klar dargestellt. Nicht allein aber das, sondern, wenn man nicht gehorsam ist, so ist man verflucht, oder, wie der Apostel sagt: „Das Gesetz ist ein Dienst des Todes und der Verdammnis.“ (vgl. 2. Kor 3,7–9) Gerechtigkeit aber findet man nicht durch dasselbe.
Die Geschichte des ersten Adams geht aber noch weiter voran, als bis zu seiner Unterwerfung unter das Gesetz. Gott selbst ist in der Welt erschienen, und zwar in der Person Jesus Christus. Und hierdurch ist die Fähigkeit des Menschen, seiner Verantwortlichkeit zu entsprechen und mit Gott in Verbindung zu stehen, zur schließlichen Prüfung gebracht worden. Hierbei ist wichtig zu bemerken, dass die Menschwerdung des Sohnes Gottes keine Vereinigung mit den Menschen ist. Wir haben hier die Darstellung der Vollkommenheit der Gottheit im Bild der wirklichen Menschheit, um zu sehen, ob der erste Adam oder das Fleisch in Verbindung mit der Gottheit stehen könne, als ihm diese so nahe als möglich kam und, so zu sagen, mit den Menschen in Berührung trat, – in vollkommener Entwicklung der mildesten Güte und Liebe tätig in Betreff des Elends des Menschen. Aber mit den Menschen war Christus nicht vereinigt, noch hat Er sich eins mit ihnen gemacht in ihrem sündhaften Zustand. Er war ein Mensch ohne Sünde unter den Sündern, die Einheit der Sündlosigkeit mit der Sünde war nicht möglich. Jesus aber antwortet ihnen und spricht: „Die Stunde ist gekommen, dass der Sohn des Menschen verherrlicht werde. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht“ (Joh 12,23.24). Doch fahren wir hier in unserer Geschichte des ersten Adams weiter fort.
Gott sagte: „Ich habe noch einen Sohn, vielleicht werden sie den verehren.“ Aber diese Prüfung des Fleisches oder des ersten Adams lieferte den Beweis, dass seine Verbindung mit Gott ganz und gar unmöglich ist. Die Liebe kann diese Verbindung ebenso wenig schaffen, als das Gesetz. Der Mensch hat Gott, der in Liebe gekommen war, völlig verworfen, und insofern er seinen Willen ausführen konnte, hat er Gott aus der Welt weggeschafft. Der Mensch will wohl einen Gott haben, der ein Diener seiner Begierde ist, aber den heiligen und wahrhaftigen Gott will er nicht. Die Sünde hat gerade im Kreuz Christi ihre höchste Stufe und die eigentliche Wahrheit ihres Charakters erreicht. Sie ist eine vollkommene Trennung von Gott.
Hier aber tritt der Erlöser in den Zustand des Menschen hinein. Christus, der keine Sünde gekannt hat, ist zur Sünde gemacht. Hier treffen wir durch den Glauben zusammen. Ich finde Christus durch die Gnade da, wo ich war durch die Sünde. Bin ich unter dem Tod, unter der Last und Schuld der Sünde, unter dem Zorn Gottes, unter der Kraft dessen, der die Gewalt des Todes hatte – Christus ist auch da. Ich bin da, das ist wahr, durch Lust, Eigenwillen und Ungehorsam, durch meine sündhafte Natur - Er durch Gehorsam und durch die Liebe. Wenn aber mein Gewissen durch die Erleuchtung Gottes anerkannt hat, dass im Fleisch nichts ist, dass ich ganz und gar verloren bin und dass Gott mich nach seiner Gerechtigkeit nicht in seine Gegenwart kommen lassen kann, so finde ich Christus selbst in diesem Zustand. Er vertritt mich darin vor Gott und Gott ist vollkommen verherrlicht in Betreff meiner Sünde und meines sündigen Zustandes. Jesus spricht: „Jetzt ist der Sohn des Menschen verherrlicht, und Gott ist verherrlicht in ihm. Wenn Gott verherrlicht ist in ihm, wird auch Gott ihn verherrlichen in sich selbst, und sogleich wird er ihn verherrlichen“ (Joh 13,31.32). Gott ist verherrlicht in Betreff meiner Sünde durch das Werk Christi; die Sünde ist weggetan. Sie hört vor Gott auf mit dem Leben, welches von Christus auf dem Kreuz, wo Er diese Sünde getragen hat, hingegeben war. Ich gehe durch den zerrissenen Vorhang seines Leibes in die Gegenwart Gottes und erscheine vor seinem Angesicht ohne Sünde, weil Christus sie getragen und weggetan hat; ich bin auferstanden mit Ihm, nach der Kraft des Lebens, welches Gott mir in Ihm, als dem Auferstandenen, mitgeteilt hat. Ich bin in der Gegenwart Gottes ohne Flecken, – jenseits des Kreuzes, das mich gereinigt hat. Christus selbst ist meine Gerechtigkeit nach dem Wert des Werkes, durch welches er Gott auf dem Kreuz verherrlicht hat, und zwar so, dass die Gerechtigkeit Gottes in der göttlichen Verherrlichung Christi erwiesen ist; und ich bin die Gerechtigkeit Gottes in Ihm. Also gestorben in Christus, und mit Ihm lebendig gemacht und auferstanden, ist meine Stellung vor Gott jetzt in dem zweiten Adam und nicht mehr in dem Ersten. Ich sage jetzt: „Als wir im Fleisch waren“, und wiederum: „Ihr seid nicht mehr im Fleisch, sondern im Geist.“ Der erste Adam ist ersetzt durch den Zweiten, und meine Stellung ist ausschließlich in dem Zweiten. Auf dieser Seite des Kreuzes bin ich Fleisch und Sünde, ein Kind des ersten Adams, verantwortlich, verloren und im Wesen und in der Tat von Gott getrennt. Jenseits des Kreuzes – und wenn wir nicht durch das Kreuz zu Gott gekommen sind, so sind wir ganz und gar verloren – bin ich in dem zweiten Adam in einem ganz neuen Wesen und einer ganz neuen Natur. Alles ist weggetan, was mich von Gott trennte; ich bin aufgenommen in die Gegenwart Gottes, vermöge einer Gerechtigkeit, nach welcher Gott Christus, und die, die durch den Glauben in Ihm sind, aufnehmen und verherrlichen musste.
Gibt es denn kein Fleisch mehr in mir? Gewiss. Ich bin zwar nicht mehr im Fleisch; aber das Fleisch, der erste sündhafte Adam ist unveränderlich. Doch bin ich berufen nicht nach dem Fleisch, sondern nach dem Geist zu wandeln. Meine Verantwortlichkeit ist jetzt nicht die Verantwortlichkeit des ersten Adams, nach welcher ich ganz und gar verloren bin – in Betreff dieser Verantwortlichkeit ist die Frage meiner Schuld auf dem Kreuz beantwortet –, sondern meine Verantwortlichkeit ist nach dem Geist, um als ein Kind Gottes würdig des Herrn oder Gottes selbst zu wandeln (vgl. Kol 1,10; 1. Thes 2,12). „Wer sagt, dass er in ihm bleibe, ist schuldig, selbst auch so zu wandeln, wie er gewandelt ist“ (1. Joh 2,6). Wenn wir nicht im Geist wandeln, wenn, wie wir schon gesagt haben, nur ein leichtsinniger Gedanke in das Herz hineingelassen ist, so ist unsere Gemeinschaft mit Gott unterbrochen; denn es ist nicht möglich, dass Gott mit irgendeinem leichtsinnigen Gedanken Gemeinschaft haben kann. Unsere Stellung bleibt unverändert; aber die Gemeinschaft ist unterbrochen, weil unser Wandel dieser Stellung nicht entspricht und es ist auch das Bewusstsein dieser köstlichen Stellung und des großen Segens der Gemeinschaft mit Gott die Ursache des Schmerzes einer befreiten Seele. Der erste Adam hat keine Rechte mehr an uns; aber durch unsere Nachlässigkeit und Torheit geben wir seiner Stimme zu oft Gehör. Wir wandeln auch in der Mitte der Versuchungen und von alle dem, was Satan anwenden kann, unsere Gemeinschaft mit Gott zu zerstören. Aber in dieser Beziehung ist es, in der der fortdauernde Dienst der Liebe Christi den Bedürfnissen unserer Seele entspricht, um entweder unsere Gemeinschaft mit Gott aufrecht zu erhalten oder dieselbe, wenn sie für einen Augenblick durch irgendeinen Fehltritt verloren ist, wieder herzustellen. Die Tatsache, dass das Fleisch in uns ist, macht das Gewissen nicht unrein; aber sobald jenes in uns wirksam ist, ist dieses unrein, und die Gemeinschaft ist unterbrochen.
Es gibt nun zweierlei Arten von Reinigung: die Reinigung durch Blut und die durch Wasser. Aus der durchbohrten Seite des Herrn floss Blut und Wasser. „Er ist gekommen“, sagt der Apostel Johannes, „nicht mit Wasser allein, sondern auch mit Blut.“ Von dem Blut wollen wir hier nicht weiter reden. Es reinigt uns ein für alle Mal von allen Sünden; besprengt mit demselben stehen wir in Kraft seines ewigen Wertes vor Gott. Von der Reinigung des Wassers haben wir die Lehre Christi selbst in dem dreizehnten Kapitel des Johannesevangeliums. Am Anfang des Kapitels stellt der Herr das Verhältnis dar, in welchem Er selbst jetzt zu Gott steht. Seine Stunde war gekommen, um zu dem Vater zu gehen. Er kam aus von Gott in göttlicher Reinheit und er ging in derselben unverändert zurück. Der Vater hatte, selbst auch zur Ehre des Herrn Jesu, alles seinen Händen übergeben. Aber weder diese seine Stellung, noch die vollkommene Bosheit der Menschen, indem Judas in diesem Augenblick im Begriff stand, Ihn zu verraten – ein Beweis, dass der erste Adam völlig unter der Kraft Satans war – nichts hat seine Liebe für seine Jünger geschwächt. Im Gegenteil, diese Liebe treibt Ihn, seinen Jüngern in Betreff ihres Wandels auf der Erde den notwendigen Dienst zu leisten, sodass sie mit Ihm in dieser seiner Stellung Teil haben möchten, wie Er selbst sagt: „Wenn Ich dich nicht waschen, so hast du kein Teil mit mir“ (Joh 13,8). Da es sich nun darum handelte, Teil mit Christo zu haben, so wünschte der Eifer des Petrus, dass auch sein Haupt und seine Hände gewaschen werden mochten, weil er glaubte, dass er dadurch einen um so größeren Anteil an Christo erlangen würde. Und hieran knüpft sich eine wichtige Entwicklung dieser Lehre.
Die Waschung, wie wir aus anderen Stellen wissen, ist die Anwendung des Wortes Gottes durch die Kraft des Heiligen Geistes. „Damit er sie heiligte, sie reinigend durch die Waschung mit Wasser durch das Wort“ (Eph 5,26). Ebenso: „Ihr seid schon rein um des Wortes willen, das ich zu euch geredet habe“ (Joh 15, 3.) Die Stelle in Johannes 14, die wir in diesem Augenblick betrachten, erinnert an die Einweihung der Priester unter den Juden, die ein für alle Mal den ganzen Leib mit Wasser gewaschen hatten, und welche jedesmal, wenn sie Gott näherten, die Hände und die Füße waschen mussten. Es ist aber hier nötig zu bemerken, dass es sich, um mit Christo, als Er zu dem Vater ging, Teil zu haben, um ein himmlisches Hinzunahen handelt. Auch sind wir durch das Wort Gottes neugeboren und dieses Leben ist, wie wir gesehen haben, das Leben des auferstandenen zweiten Adams. Unsere moralische Reinigung ist das Wesen des himmlischen Gebens und die Entwicklung dieses Wesens ist in dem Wort vollkommen dargestellt (vgl. Eph 4,20); weil Christus lebt, so leben auch wir – die Reinigung ist ein für alle Mal durch die Mitteilung dieses Lebens geschehen. Wer in dieser Beziehung gewaschen ist, ist für immer gewaschen; er lebt in der Kraft eines reinen Lebens, weil er in Christus gestorben und auferstanden ist. – In Wirklichkeit aber wandeln wir in irdenen Gefäßen in einer Welt, in der alles unrein ist. Und so oft unsere Füße sich verunreinigen, ist unsere Gemeinschaft mit Gott unterbrochen. Die Reinigung eines aufs Neue mitgeteilten Lebens ist nicht mehr nötig; aber die Gnade ist für uns stets wirksam. Christus bittet für uns und der Heilige Geist, seiner Fürbitte entsprechend, wendet das Wort auf unser Gewissen an. Er zeigt uns, was unrein ist und was unserer himmlischen Stellung, in der Christus in dem Licht Gottes wohnt und wir in Ihm, nicht entspricht. Er demütigt uns, setzt durch das hineingebrachte Licht das Herz und Gewissen in Bewegung, weckt in uns eine Sehnsucht nach der Heiligkeit Gottes, welcher Er uns teilhaftig macht, um von seiner Gegenwart und Gemeinschaft zu genießen. Das Wort offenbart uns alle unsere Vorrechte und geistlichen Segnungen in den himmlischen Örtern in Christo Jesu; es richtet alles in uns, nach dem Maß des in uns verwirklichten Lichtes und leitet uns in dem Weg des Herrn nach den Fußstapfen Jesu auf der Erde, wie auch geschrieben steht: „Wache auf, der du schläfst, und stehe auf aus den Toten, und der Christus wird dir leuchten!“ (Eph 5,14) Der vollkommene Grundsatz dieses Lebens ist von Paulus mit diesen Worten ausgedrückt: „Allezeit das Sterben Jesu am Leib umhertragend, damit auch das Leben Jesu an unserem Leib offenbar werde“ (2. Kor 4,10); aber hier betrachten wir die Wiederherstellung, wenn wir gefehlt haben.
So haben wir also drei Punkte betrachtet:
- In Betreff unserer Stellung sind wir durch das Blut Christi gereinigt und durch den zerrissenen Vorhang in die Gegenwart Gottes hineingetreten, jenseits des Kreuzes und wir stehen in einem auferstandenen Christus vor Gott oder vielmehr sitzen wir in himmlischen Örtern in Christo Jesu.
- Teilhaftig seines Lebens auf der Erde sind wir moralischer Weise gereinigt, weil wir leben von dem Leben des Auferstandenen, – unser Leib ist ein für alle Mal gewaschen.
- Weil wir aber auf der Erde wandeln, so beschäftigt sich Christus mit uns nach seiner Gnade, um unsere Herzen praktischerweise in einem Zustand zu erhalten, der dieser Gnade entspricht oder diese Gemeinschaft mit Gott wiederherzustellen, wenn wir sie verloren haben.
Und schließlich fügen wir noch hinzu, dass es auch unser Vorrecht ist, dieselben Mittel bei unseren Brüdern anzuwenden, sofern es unsere Schwachheit erlaubt, weil wir Priester mit Christus, dem großen Hohenpriester, sind. „Ihr nennt mich Lehrer und Herr, und ihr sagt es zu Recht, denn ich bin es. Wenn nun ich, der Herr und der Lehrer, euch die Füße gewaschen habe, so seid auch ihr schuldig, einander die Füße zu waschen. Denn ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit, wie ich euch getan habe, auch ihr tut“ (Joh 13,13–15).
Wie köstlich ist es, indem wir die Notwendigkeit dieser Dienstleistung Christi, unsere Füße zu waschen, und unsere stete Abhängigkeit von Ihm erkennen, von seinem Mund die Worte zu hören: „Ihr seid ganz rein!“ (vgl. Joh 13,10).
(Nach einem Vortrag von John Nelson Darby)