Vorträge über verschiedene Psalmen
Psalm 45
Wir haben einen außerordentlichen Psalm vor uns. Wenn man ihn liest, ist man schon fasziniert. Das ist kein Psalm, der uns kalt lässt. Das ist ein Psalm, der uns sofort anspricht.
Einleitende Bemerkungen
Ich möchte zunächst überhaupt etwas zu den Psalmen sagen. Die Psalmen haben nicht das Niveau des Neuen Testamentes. Kein Psalm führt uns etwa auf die Höhe des Epheser-Briefes und doch sind sie, wenn man so sagen darf, auf uns zugeschnitten. Wir Christen lesen mit Freude in den Psalmen. Wir finden dort viele parallele Situationen mit unserer Glaubenssituation. Wir finden dort Zuspruch in Not, in Leid, in Schmerz und in Drangsal. Wir finden dann auf der anderen Seite Gottes Ermunterung und wir finden dort Freude und Trost. Das macht uns die Psalmen so anziehend. Wir wollen deswegen auch die Psalmen nach wie vor mit Freude lesen, denn gerade dieser Gedanke des Zuspruchs ist ja von besonderer Wichtigkeit, nur hier findet man das nicht, oder ganz, ganz am Rande. Es ist einer der wenigen Psalmen, der ausschließlich auf den Einen unseren Blick fixiert, indem er einen „Scheinwerfer“ richtet auf den Herrn Jesus, und alles andere tritt zurück.
Und das müssen wir auch einmal so sehen. Es ist ein Psalm, der uns ganz besonders seine messianische Herrlichkeit vor Augen stellt, eine Herrlichkeit, die zweifellos nicht die des Lammes Gottes ist, oder - wenn wir das neutestamentlich sehen - des Herrn in der Herrlichkeit, aber eine Art von Herrlichkeit unseres Herrn. Und deshalb ist es eine besonders schöne Aufgabe, einmal auch diese Herrlichkeit in unser Blickfeld zu nehmen. Nicht, als ob - das muss ich doch ganz eindeutig sagen - etwa die Königin, von der hier gesprochen wird, gleich wäre mit der Versammlung, nein. Aber wir können vieles sehen, was anwendbar ist. Wenn wir hier vieles von Israel lesen, dann wissen wir, das ist auf uns heute anwendbar. Die Psalmen sind, etwas verallgemeinernd gesagt, eine Art „Gesangbuch“ von Israel. Etwas, was Israel betrifft und nicht uns. Und doch sind wir genauso oft durch viele Psalmen angesprochen. Viele Psalmen werden durch den Heiligen Geist zitiert. Wir dürfen daraus manche äußerst interessanten Belehrungen für unser Verständnis des Neuen Testamentes bekommen. Das gilt besonders, wenn man bedenkt, dass die Leiden des Herrn in Psalm 22; 69; 102 und an anderen Stellen dargestellt werden, dann ist man höchst überrascht. Man hat schon einmal gesagt: Psalmen sind so etwas wie Herzschläge Christi. Das ist sicherlich in vielen Punkten absolut einleuchtend; etwas wie die Herzschläge Christi.
Psalm 45 ist ein messianischer Psalm und davon haben wir einige. Die Schrift legitimiert uns auch zu dieser Auffassung. Hebräer 1,7.8 sagt das deutlich, indem diese Verse zitiert werden, die ich vorgelesen habe: „Dein Thron, o Gott, ist von Ewigkeit zu Ewigkeit, und das Zepter der Aufrichtigkeit ist das Zepter deines Reiches;“ Und auch noch andere Psalmen zitiert das Neue Testament. Also, wir wollen uns das sagen lassen, es gibt Psalmen, die messianischen Charakter haben, Psalmen die ganz bewusst sozusagen den „Scheinwerfer“ auf unseren Herrn richten. Und deswegen ist es der Mühe wert und lohnend, auch immer über diesen großartigen Text im Alten Testament nachzudenken. Wir kennen ihn vielleicht mehr oder weniger, und doch manchmal, scheint mir, etwas zu wenig. Wir lieben die Ermahnung, die ist ja auch notwendig, aber es ist eben nicht von der Hand zu weisen, dass wir hier auch manche Texte in der Schrift haben, die diesen Sinn nicht haben, die uns aber auf den Herrn Jesus hinweisen. Und ihn zu sehen, ist die größte Ermahnung, die es gibt, weil man dann angehalten ist, ihn zu imitieren. Und das ist auch etwas, was man in diesem Psalm finden kann.
Was ist denn überhaupt in dem Psalm zu finden? Ich meine, man könnte vielleicht zwei Punkte ganz allgemein herausstellen. Das, was er bei erster Betrachtung sagt, und das was er lehrmäßig sagt. Bei erster Betrachtung ist der ganze Psalm eine farbenprächtige Schilderung einer orientalischen Königshochzeit. Das ist sehr interessant. In Vers 2 wird allgemein von dem König gesprochen. In Vers 3 ist die Rede von der Schönheit dieses Königs und von der Einzigartigkeit seiner Lippen, von dem, was über seine Lippen kommt. Dann ist von der Einzigartigkeit dieses Mannes die Rede, der ein Kriegsheld ist. Danach liest man etwas - sehr merkwürdig - von seiner Sanftmut, seiner Gerechtigkeit, seiner Wahrheit. Und dann - was sehr einleuchtet - von seinem Thron. Ebenso - was auch sehr beeindruckend ist - von seinen Kleidern, den Hochzeitskleidern, den Kleidern, die der König trägt. Und nicht zuletzt von der Königin. Man kann ungefähr von Vers 10 an einen neuen Abschnitt erkennen. Der Psalmist wendet sich zum Teil in der direkten Anrede an den König und ab Vers 11 in der direkten Anrede an die Königin. Es ist äußerst interessant, auch diese kleinen Besonderheiten am Rande zur Kenntnis zu nehmen. Mit einem Wort, ich meine es lohnt sich, einmal mit unserem, durch den Heiligen Geist erleuchteten Verständnis, vom Neuen Testament aus diesen Schrifttext zu lesen und drüber nachzudenken.
Was wird denn von der Königin gesagt? Einmal wird in Vers 10 ihre Kleidung hervorgehoben. Dann wird sie in Vers 11 direkt angesprochen. In Vers 12 wird ihre Schönheit erwähnt. Dann hat man den Eindruck, dass Vers 13 und auch Vers 15 von den Gästen auf der Hochzeit spricht. Schließlich wird zum Schluss von den Söhnen des Paares gesprochen. Das ist alles sehr interessant, sehr einleuchtend, und doch fragen wir uns, was ist der geistliche Hintergrund all dieser wunderbaren Schilderungen.
Es ist auch beeindruckend, wenn wir in Vers 11 lesen: „Höre, Tochter, und sieh, und neige dein Ohr; und vergiss dein Volk und das Haus deines Vaters!“. Man hat den Eindruck, hier kommt ein Grundsatz zum Ausdruck, der sich bei jeder Eheschließung abspielt. In dem Leben der Frau verändern sich die bisherigen Lebensumstände. Sie vergisst, was dahinten ist, sozusagen. Sie nimmt eine neue Position ein. Man könnte sagen, der Psalmist spricht solch einer jungen Frau, der jungen Königin, Mut zu für diesen neuen Weg. Das ist alles äußerlich gesehen. Ich bin noch gar nicht bei dem eigentlichen Punkt, der uns hier so sehr wertvoll ist, der geistlichen Sicht dieser Dinge. Aber so interessant ist allein schon beim ersten Lesen dieser Psalm. Zwei deutliche Absätze, wie gesagt, erstens, was den König betrifft, und zweitens, was die Königin betrifft. Das ist sicherlich von großer Wichtigkeit.
Und was kann man nun, so möchte ich jetzt einmal fragen, lehrmäßig daraus ersehen? Lehrmäßig bedeutet der Psalm 45: Tausendjährige Herrlichkeit des Messias. An seiner Seite die irdische Braut, Jerusalem, Herrscherin über die ganze Erde, repräsentativ für das erneuerte Israel - die Königin. Das ist hier in diesem Zusammenhang einfach zu sagen, und das ist das Thema des Psalms. Und wie gesagt, - ich möchte das noch einmal betonen - , nicht die himmlische Braut, sondern die irdische! Gleichwohl können wir vieles in diesem Psalm in Bezug auf uns anwenden. Aber der Psalm bezieht sich auf Israel, die irdische Braut. Jede Textauslegung muss das berücksichtigen.
Die Überschrift
Ich möchte zunächst ein paar Worte zur Überschrift sagen. Es heißt hier: „ein Lied der Lieblichkeiten“, ein Lied der Liebe. Ich ziehe vor, was in dem älteren Text steht, was auch in fremdsprachigen Texten zu lesen ist: „ein Lied von dem Geliebten“. Das ist nach meinem Verständnis der eigentliche Sinn des Textes. „Ein Lied von dem Geliebten.“ Hier ist ein Jemand, der Psalmist, der singt ein Lied von einer geliebten Person. Hier sind Liebende, die sehen einen Geliebten und können sich nicht genug daran tun, die Wunderbarkeiten dieses Geliebten zu beschreiben. Mit einem Wort: Der Psalmist spricht in einer Großartigkeit von all diesen sehr schönen Dingen - ich möchte sie Herrlichkeiten nennen - des Messias, unseres Herrn Jesus. Wir sind heute Abend, ich denke in der großen Mehrzahl, solche Leute, die Liebende sind, und die den Blick recht lenken sollen auf den Geliebten. Und hier wird uns also ein Lied von diesem Geliebten gesagt. Manche haben schon mal behauptet, - ich kann das nicht so für mich annehmen - dass hier die Braut überhaupt spräche. Die Braut selbst, die gewissermaßen ihren Bräutigam vor Augen hat und ihr Herz öffnet über all die Schönheiten dieses Mannes. Vielleicht ist das richtig, aber ich glaube, dass es besser ist, wenn man einfach von dem Psalmisten redet oder von einem der Söhne Korahs, der sich hier öffnet, der sein Herz öffnet.
Dann lesen wir diese Musikanweisung „nach Schoschannim“. Ist uns auch schon einmal aufgefallen, was das bedeutet? „Schoschannim“ ist die Musikanweisung: „nach Lilien“ heißt das. Wir finden sie meines Wissens dreimal als Überschrift über Psalmen.
Einmal, gewissermaßen als eine Art grundlegende Anweisung, in Psalm 69, wo die Leiden dieses Mannes, dieses wunderbaren Königs beschrieben werden.
Dann in Psalm 80 ist dieser gleiche Mann auf dem Thron Gottes. Nicht als der siegreiche Held auf dieser Erde, der akzeptierte, sondern der verworfene Sohn des Menschen auf dem Thron Gottes. Gott hat ihm gesagt: Komm herauf. Dann hat er sich gesetzt zur Rechten der Majestät in der Höhe. Psalm 80,18: „Deine Hand sei auf dem Mann deiner Rechten, auf dem Menschensohn, den du dir gestärkt hast!“ Also, machen wir uns noch einmal klar: Da sind die Leiden des Herrn äußerster Ausdruck von der Verwerfung, und gleichwohl geht der Herr zurück in den Himmel auf den Platz zur Rechten Gottes, obwohl Er auf der Erde der Ausgestoßene blieb.
Dann kommt hier Psalm 45. Da ist von Verwerfung nicht mehr die Rede. Diese Linie ist interessant, es ist alles nach dieser Musikweise „nach Lilien“ - Reinheit. Reinheit und Schönheit. Man könnte sagen, das passt außerordentlich gut in den großen Gedankengang hinein. Wie die Musik für die Ohren geklungen hat, weiß ich nicht. Das würde mich selbst sehr interessieren. Es ist immerhin auffällig, dass der Geist Gottes sich so viel Mühe macht, diese Musikanweisungen immer so deutlich herauszustellen.
Nebenbei, - ich weiche jetzt eine Sekunde ab - wenn wir Psalm 46 lesen würden, da ist die Musikanweisung von den Söhnen Korahs: „auf Alamot“. Das bedeutet wahrscheinlich, in einer Weise, wie junge Mädchen singen. Ihr seht, wie fein Gottes Wort manche Dinge in den Griff bekommt.
Hier, wie gesagt, ist die Weise: „nach Lilien“. Ich komme nachher noch mal auf die Lilien zurück. Dann ist es ein Maskil. Was ist ein Maskil? Nach Psalm 32 - da findet man übrigens eine interessante Fußnote dazu - ist das ein kunstvolles Lied, mehr eine Unterweisung. Und das ist oft so. Die Schrift unterweist uns durch solche Lieder, - wir haben eine ganze Reihe von Maskilen in den Psalmen - damit wir dadurch lernen. Und auch im Neuen Testament dienen Psalmen unter anderem zur Unterweisung (vgl. Eph 5,19; Kol 3,16).
Als Verfasser oder als Schreiber werden die Söhne Korahs genannt. Leute, die aus dem Verderben entrissen worden sind. Leute, die eigentlich in das Verderben ihres Vaters Korahs hätten mit hinein genommen werden müssen. Sie starben nicht, sagt die Schrift ausdrücklich. Ich glaube nicht, dass hier die Söhne Korahs in dem Sinn gemeint sind, dass sie die erste Generation waren, sondern es sind die Nachkommen dieser Söhne Korahs, die diesem Drama, dieser Katastrophe einst entgangen sind. Das ist hier wohl gemeint. Aber es waren immerhin Leute, die dem Verderben entronnen sind. Und das verbindet sie wiederum auch mit uns. Auch wir sind Leute, die dem Verderben entronnen sind und können deswegen „Liebende“ sein. Wir haben einen „Geliebten“ vor unseren Augen, von dem wir singen können. Und das macht den Psalm auch so außerordentlich interessant, kostbar und schön.
Aus der Fülle des Herzens redet der Mund (Vers 2)
Und dann kommen wir zu Vers 2. „Es wallt mein Herz von gutem Wort.“ Das bedeutet, in dem Herz des Psalmisten sind noch ungeformte Worte. Ein Vorgang, der dann in dem zweiten Teil des Satzes abgeschlossen wird. Aus den ungeformten Worten sind klar umrissenen Gedichte geworden. Diese Worte haben Form angenommen. Das ist übrigens auch der Vorgang bei jedem Schriftsteller. Die Fülle der Gedanken bedarf der Formgebung, der Fassung. Und das ist hier gemeint, wenn hier steht: „Meine Gedichte dem König!“ Wenn ich Künstler wäre, meine ich, dann sei das ein Programm für ein Leben. Kunstgestaltung kann, wenn überhaupt, dann nur diesen Sinn haben, meine Kunst dem Könige zu weihen. Das heißt also, sie unserem Herrn zu weihen. Wir haben eine Stelle in 2. Samuel 23,1 am Ende, da wird der klassische Psalmsänger David erwähnt. Und gerade bei ihm heißt es dann: „der Gesalbte des Gottes Jakobs und der Liebliche in Gesängen Israels.“ Wie geht das vor sich? Vers 2: “Der Geist des Herrn hat durch mich geredet, und sein Wort war auf meiner Zunge.“ Jetzt war die Zunge bei David sozusagen „der Griffel eines fertigen Schreibers“ geworden. Das ist genau der Gedanke, den wir auch hier finden: „Meine Zunge sei der Griffel eines fertigen Schreibers!“
Wir kennen das auch ganz praktisch. Wir können nicht Gottes Wort schreiben, wir wollen auch keine Psalmen oder inspirierte Texte und Lieder von uns geben, aber der Psalmist hatte ein volles Herz und deswegen konnte er auch davon Ausdruck geben. Er hatte kein leeres Herz. Wenn er ein leeres Herz gehabt hätte, hätte er sich in Schweigen hüllen müssen. Spricht das nicht auch zu uns? Wie viel Schweigen mag in der Stunde des Brotbrechens in unseren Herzen oft sein. Ich meine, wir könnten das auch erfahren, wenn wir das wollen, dass unser Herz von gutem Worte wallt, und dass der Herr uns auch hilft, dann diese guten Worte in eine geeignete Form zu bringen, indem wir ein Gebet sprechen, oder was es auch sein mag. Was ich sagen will, ist einfach dieses: Ich finde hier einen Mann, der ein volles Herz hatte von dem Herrn. Und das wünschte ich mir auch. Das wünsche ich auch Euch, einem jedem, der am Sonntagmorgen da ist, wenn wir das Brot brechen. Ein volles Herz für den Herrn, dass nicht nur unser Mund formal Anbetungslieder singt - das tun wir sehr oft. Ob unser Herz wirklich gestimmt ist mit Anbetung, das ist die Frage. Wenn wir auch die Stunde des Brotbrechens 'die Stunde der Anbetung' nennen mögen; - das ist nebenbei nicht biblisch - aber wenn wir es tun, dann müssen wir uns immer fragen, ist mein Herz wirklich damit erfüllt?
Die Schönheit des Herrn (Vers 3)
Ich finde hier in diesem Psalmisten ein Beispiel, der nur seinen Herrn im Auge hat und der dann auch einen Blick für die Schönheit dieses Herrn bekommt, Vers 3: „Du bist schöner als die Menschensöhne“. Die Schönheit des Herrn ist ja auch ein interessantes Thema. Er wird selbst an einer anderen Stelle als der König in seiner Schönheit betrachtet. (Wir lesen über Mose in der Apostelgeschichte, dass er schön war für Gott.) Was ist diese Schönheit? Es ist eine moralische Schönheit, eine Schönheit, deren Wert Gott erkennen kann, nicht die Schönheit, die er hatte, als man ihn sah. Er hatte kein Ansehen, kein Aussehen, dass wir ihn begehrt hätten. Und doch war er die schönste Blume für Gott und Menschen, die je auf dieser Erde zu sehen war. Ein Reis aus dürrem Erdreich. Wir verstehen ein wenig, dass der Psalmist das so schön ausdrückt: „Du bist schöner als die Menschensöhne“.
Der Begriff der Schönheit ist auch ein Begriff, mit dem wir Menschen viel Unfug treiben. Es gibt einen großen Schriftsteller, der hat einmal gefragt: „Was ist Schönheit?“ Er hat sich selbst die Antwort gegeben: „Man kann mit dem Ideal der Madonna anfangen und endet in Sodom“. Das ist alles schön. Doch sehen wir hier, dass es um moralische Schönheit geht, um Schönheit in den Augen Gottes. Und das war der Herr. Es gab nie einen schöneren unter den Menschensöhnen als ihn, diese wunderbare Person. Das ist das durchgängige Thema in diesem Psalm, ich meine, so könnte man das auch sehen: Die Schönheit des Königs in verschiedenen kleinen Facetten oder Einzelheiten vorgestellt - die Schönheit des Königs, meines Heilandes. Das ist der Mühe wert, wenn wir uns auch als gläubige Christen dem Gedanken einmal hingeben: „Wo ist er mir schön?“ oder „Wie kann ich seine Schönheit finden?“ Haben wir vielleicht auch da schon mal Versuche in der Richtung gemacht, in der Schrift das zu entdecken. Manchmal erstaunt man darüber, wie diese moralische Schönheit auf einen zukommt.
Wir alle wissen auch etwas von dem zweiten Punkt, den wir hier finden: „Holdseligkeit ist ausgegossen über deine Lippen“. Andere Sprachen reden hier von Gnade; das ist ja auch miteinander verwandt. Einfach das, was über die Lippen des Herrn gekommen ist. Wenn wir an diesen Mann denken, von dem man sagte: „Niemals hat ein Mensch so geredet wie dieser Mensch“ Es gibt ja viele Stellen dieser Art, die sein Sprechen berühren. Als er zum ersten Mal in der Stadt Nazareth sprach, war man erstaunt über die „Worte der Gnade“ aus seinem Mund. Kennen wir die auch? Wenn sich noch jemand erinnern kann an die Zeit seiner Bekehrung, was war das für uns, wenn wir dann hörten: „Kommt her zu mir, alle ihr Mühseligen und Beladenen“? Wenn wir dann vielleicht einige Zeit später von diesen gleichen Lippen hören durften: „Ich habe dich geliebt. Ich habe dir jetzt Sündenvergebung geschenkt. Du bist mein.“ Dann weiß man etwas, was das bedeutet: „Holdseligkeit ist ausgegossen über deine Lippen.“ Eine Stelle in Hohelied 5,13 sagt: “…seine Lippen Lilien, träufelnd von fließender Myrrhe“. Hier wird auch mit alttestamentlich farbigen Worten jene Besonderheit beschrieben, was über diese Lippen kommt. Wenn wir daran denken, was das gewesen ist, als wir von seinen Lippen zum ersten Mal mit Bewusstsein vernommen haben: „Du bist mein!“ Dann ahnt man etwas von der Holdseligkeit und von der Gnade, von der der Psalmist hier spricht.
Übrigens, „seine Lippen sind Lilien“ lässt uns erkennen, dass die Lilien - zumindest an dieser Stelle - nicht etwa weiß waren. Sie waren rot. Ich weiß nicht, ob man das irgendwie erklären kann. Vielleicht war es eine besondere Blumenart. Für mich ist das immer interessant gewesen, dass die Sichtweise der Schrift nicht nur alles auf das Weiße reduziert, sondern auf das Rote auch bei den Lippen. Ich kann keine Erklärung dafür geben. Ich nehme das für mich persönlich gerne so an, dass auch da ganz entfernt die rote Farbe des Blutes anklingt. Ich gebe das aber nur als eine Meinung von mir.
Dann haben wir einen dritten Punkt: „Gott hat dich gesegnet in Ewigkeit“. Ich wiederhole: Schönheit, Holdseligkeit oder Gnade und Segen - das ist das, was dem Messias gebührt und von seinem Gott in Ewigkeit gegeben wird. Das verstehen wir ebenso. Wenn jemand Segen verdient - in Ehrfurcht gesagt - dann eben der Herr Jesus, als er hier auf dieser Erde war. Schönheit, Holdseligkeit und ewiger Segen.
Der Held (Vers 4)
Ich komme zu dem nächsten Vers, eine übrigens ganz andere Situation: „Gürte dein Schwert um die Hüfte, du Held, deine Pracht und deine Majestät“. Wir haben im Neuen Testament Stellen, wo sich der Herr Jesus umgürtet. Er hat sich mit dem leinenen Tuch umgürtet (Joh 13) - eine ganz andere Situation. Wir lesen von der Herrlichkeit in Lukas 12, dass der Herr Jesus sich, wenn die Seinen bei ihm sind, umgürten wird und sie, die Seinen, sich zu Tische legen lässt. Ganz anders ist es hier. Hier gürtet er sein Schwert um die Hüfte - ein Bild des Krieges. Es ist einfach auch ein Bild der Tatsache, - die Schrift sagt uns das ja sehr deutlich - dass der Herr Jesus eines Tages Krieg führen wird in Gerechtigkeit. Die Offenbarung, Kapitel 19 macht das ganz klar und die Schrift sagt uns das nicht nur dort. Dieser Mann von Golgatha, dieser demütige Knecht, das ist der gleiche, von dem wir hier lesen mit dem Schwert, und der als Held bezeichnet wird und dem Gott Pracht und Majestät zuerkennt. Nicht mehr der einfache Mann aus Nazareth, der Mann, den man verachtete. Jetzt ist er der Held und die Majestät, vor der sich die Menschen zu Recht verkriechen müssen. Der Herr, als der Sohn Davids, überhaupt als der wahre David, wird alle Ärgernisse aus seinem Reich hinweg tun. Er wird seine Feinde besiegen. Das ist Krieg. Es kommt erst noch, dass der Herr Jesus Friedefürst ist. Genau genommen, in dem großen Zusammenhang der Heilsgeschichte ist das noch nicht da. Wir persönlich kennen ihn bereits als den großen Friedefürsten. Darf ich mich unterbrechen und jeden von euch fragen: Kennst du ihn auch als Friedefürst, als denjenigen, der dir in deinem Leben einmal den Frieden des Gewissens zugesprochen hat? Das ist wichtig, dass man wirklich etwas weiß über den Frieden mit Gott. Dann weiß man auch etwas über diesen großen Friedefürsten. Aber äußerlich kann das erst sein, wenn der Herr Jesus vorher Krieg in Gerechtigkeit geführt hat. Dann gibt es keine Kriege in Ungerechtigkeit mehr.
Die Majestät des Herrn (Vers 5)
Seht ihr, das ist auch in dem nächsten Vers zu lesen: „Und in deiner Majestät zieh glücklich hin um der Wahrheit und der Sanftmut und der Gerechtigkeit willen“. Ich glaube nicht, dass es Könige gegeben hat, die das getan haben. Vielleicht in geringem Maß, aber nie ganz. Könige, die mit Sanftmut Krieg führen? Wo gibt es das denn? Könige, die absolut der Wahrheit oder der Gerechtigkeit verpflichtet sind, wenn sie Krieg führen, das gibt es überhaupt nicht. Das ist der vollmundige Anspruch vieler Herrscher gewesen, aber wahr ist das nur hier. Dann wird wirklich Gerechtigkeit zu verspüren sein, wenn die Menschheit die Gerichte des Messias verspürt. So sagt auch der Prophet Jesaja.
Ist euch aufgefallen, dass hier in Vers 5 zwischen Sanftmut und Gerechtigkeit etwas im Kursiv- oder Kleindruck steht? Das bedeutet, dass es nicht hundertprozentig klar ist, was gemeint ist. Ich habe von sehr geschätzten Brüdern gelesen, dass sie das etwa so übersetzen: „…zieh glücklich hin um der Wahrheit und der leidenden Gerechtigkeit willen“. Das ist genau das, was auf den Herrn zutrifft. Der Herr Jesus hat um der Gerechtigkeit willen gelitten. Er ist der große Mann, der in seinem Leben, wenn der Mensch es wagte, sich an ihm zu vergreifen, um der Gerechtigkeit willen gelitten hat. Das ist etwas anderes - ohne Frage - als wenn er von der Hand Gottes um der Sünde willen leidet. Aber jetzt zeigt diese leidende Gerechtigkeit, dass sie wirklich den Anspruch erheben darf, ein regierender Herrscher, ein König zu sein. Und wir alle wissen vielleicht etwas von den Leiden um der Gerechtigkeit willen. Kennen wir sie? Wenn wir etwa in Psalm 109,4 die Worte des Herrn lesen: „Für meine Liebe feindeten sie mich an“, dann ist damit umrissen, was leidende Gerechtigkeit ist. Das ist tausendfach passiert im Leben des Herrn. Ich denke, das passiert auch bei treuen Gläubigen und wir alle merken das in irgendeiner Form. Wir merken auch, dass es Feindschaft gibt, wenn wir mit dem Herrn leiden. Meistens spricht man von Leiden der Gläubigen nur im Hinblick darauf, dass wir für ihn leiden. Aber wenn ich die Gefühle teilen darf, die er hatte, dann muss ich sehr oft mit ihm leiden, so leiden, wie er es getan hat. Etwa, wenn ich darüber traurig bin, was die Sünde angerichtet hat.
Ich kenne einen jungen Mann, der als Briefträger tätig ist, der einmal eine große Anzahl einer Postwurfsendung mit ausgesprochen unmoralischer Literatur auszutragen hatte. Das hat er abgelehnt. Die Folge war, dass man ihm sagte, bei einem Wiederholungsfall ist der Arbeitsplatz in Gefahr. Das zeigt so etwas, wie man um der Gerechtigkeit willen leiden kann. Und das war etwas, was der Herr Jesus ganz besonders stark getan hat und deswegen zeigt er jetzt auch, dass er der König ist, der der Gerechtigkeit zum Sieg verhilft.
Wir haben also in Vers 5 den König in seiner Majestät, der herrscht, der auftritt im Gericht und der seine Feinde dann auch zu Boden wirft. Das ist auch unser Herr und ich freue mich immer wieder darüber, wenn ich daran denke, dass der Herr Jesus mir auch in seinem Wort klar macht, dass er auch der Sieger ist; dass er nicht nur der Mann von Golgatha ist, der äußerlich gesehen eben das Schlimmste ertragen musste. Die Menschen meinten, sie hätten ihn vernichtet. In Wirklichkeit wissen wir durch den Glauben, dass das der größte Sieg war, der denkbar ist. Äußerlich gesehen war es eine Niederlage. Jetzt - in Psalm 45 - sind wir so weit, dass es äußerlich gesehen demonstriert wird, dass er der Sieger ist und darüber freue ich mich. Die ganze Offenbarung ist ein Buch des Siegers über seinen Sieg.
Der messianische Thron (Vers 7)
In dem nächsten Vers, zu dem ich etwas sagen möchte, geht es dann um den Thron. Vers 7: „Dein Thron, o Gott, ist immer und ewig.“ Das ist auch ein interessanter und besonderer Vers. Was lehrt uns diese Stelle? Ich möchte dazu einmal Hebräer 1,8 lesen: „…in Bezug auf den Sohn aber: „Dein Thron, o Gott, ist von Ewigkeit zu Ewigkeit, und das Zepter der Aufrichtigkeit ist das Zepter deines Reiches; du hast Gerechtigkeit geliebt und Gesetzlosigkeit gehasst; darum hat Gott, dein Gott, dich gesalbt mit Freudenöl über deine Genossen.“ Das ist eine interessante Stelle, die uns klar macht, dass der Psalm 45 messianischen Charakter hat, aber der uns auch klar macht, dass der König in Vers 7 Gott selbst ist. Der Psalmist - so sagt uns das Neue Testament - spricht den Sohn Gottes an und dieser Sohn Gottes ist derjenige, der in dem Psalm als der Messias, als der König angesprochen wird. Der König ist der Sohn Gottes. Der König ist Gott selbst. Einen kleinen Hinweis haben wir schon in Psalm 44,5. Da findet sich nicht ganz so stark, aber sinngemäß ein ähnlicher Ausdruck: „Du selbst bist mein König, o Gott; gebiete die Rettungen Jakobs!“ Das ist interessant. Der Sohn Gottes ist hier angesprochen in dem Vers: „Dein Thron, o Gott, ist immer und ewig.“ Das ist der messianische Thron. Das ist nicht der Thron Gottes im Himmel. Wir lesen von dem Thron Gottes im Himmel, dass der Herr Jesus sich mit seinem Vater gesetzt hat auf seinen, auf den Thron des Vaters. Dass der Herr Jesus seinen messianischen Thron einnimmt, kommt erst noch. Das liest man in dem Neuen Testament. In Offenbarung 3,21 ist zu lesen, dass er dem Überwinder Platz geben wird auf seinem, dem messianischen Thron.
Dieser messianische Thron ist der Thron seines Vaters David und doch müssen wir wieder sagen, dass dieser Sohn Davids auch der Sohn Gottes ist; dass es eine Verbindung gibt zwischen dem Thron Gottes und dem Thron Davids. Der Sohn Davids ist ja Gott. Der ewige Sohn sitzt auf dem ewigen Thron. Wir sehen hier also die Verbindung zwischen dem Thron des Messias und dem Thron Gottes. Das ist eine sehr schöne Stelle, die uns auch klar macht, wie groß die Herrlichkeit des Geliebten ist und das sollten wir immer wieder bedenken.
Wenn vielleicht auch manche Gedanken hier aus meinem Mund kommen, die uns ein wenig fremd sein sollten, dann wollen wir uns die Mühe machen, trotzdem darüber nachzudenken. Wir wollen ja immer wieder den Versuch machen, den Scheinwerfer auf den Herrn zu richten, auf die Person, die wir lieben in unseren Herzen, damit er uns größer wird. Das ist entscheidend. Auch wenn uns das vielleicht etwas Mühe des Nachdenkens bedeutet.
Liebe - Hass - Freude (Vers 8+9)
Der nächste Vers heißt: „Gerechtigkeit hast du geliebt und Gottlosigkeit gehasst; darum hat Gott, dein Gott, dich gesalbt mit Freudenöl, mehr als deine Genossen.“ Das ist das Große gewesen, was der Herr getan hat, als er hier war. Er hat Gerechtigkeit geliebt, und wer von uns liebt Gerechtigkeit? Das kann keiner, absolut gesehen, von sich sagen. Oder wer könnte ebenso absolut sagen: Ich habe Gesetzlosigkeit gehasst. Wir wissen, dass wir durch die Gnade des Herrn den Wunsch in diese Richtung äußern können. Aber hier haben wir eine Person vor uns, die das absolut sagen konnte. Gerechtigkeit - das war seine Liebe; und Gottlosigkeit - das war sein Hass. Es ist interessant, dass der Sohn Gottes, der Messias hasst. Es gibt noch vereinzelte Stellen, die uns das sagen. Wir haben hier die Liebe des Herrn, den Hass des Herrn und die Freude des Herrn in diesem Vers.
Freudenöl: Es wird hier gesagt, dass Gott den Messias, seinen Knecht gesalbt hat mit Freudenöl, mehr als seine Genossen. Und ich finde auch das Wort mehr oder über seine Genossen interessant. Die Genossen, das ist der jüdische Überrest, die Leute, die mit ihm auf einer Linie stehen, die mit ihm ihn erwarten, die mit ihm eines Tages sozusagen das herrschende Volk sein werden. Das sind seine Genossen. Die sind auch gesalbt, sie haben auch Freude, aber es ist kein Vergleich möglich mit ihrem Herrn, mit ihrem Meister. „…Freudenöl, mehr als deine Genossen.“ Der Herr Jesus selbst sagt einmal im Neuen Testament: „Mehr als Salomo ist hier“, „mehr als Jona ist hier“ und „Größeres als der Tempel ist hier“. Der Herr Jesus ist unwahrscheinlich viel höher und größer als jeder noch so fromme und treue Mensch.
Bei dem Vers 9 möchte man fragen, ob es einen gedanklichen Zusammenhang zwischen den Gewürzen und dem Freudenöl in Vers 8 gibt. Ich vermute, dass das Öl - das ist hier buchstäblich Öl gewesen - etwas mit den Duftstoffen im nächsten Vers zu tun hat. Myrrhe, Aloe und Kassia - diese Duftstoffe, das ist nicht dasselbe wie das heilige Salböl für den König und den Priester in früheren Zeiten. Das bestand, wie man das lesen kann, aus ähnlichen Gewürzen: Myrrhe, würziger Zimt, Würzrohr und Kassia. Vier Gewürzbestandteile bildeten das heilige Salböl für den Hohenpriester und für den König. Hier haben wir drei Duftstoffe: Myrrhe, Aloe und Kassia. Vielleicht handelte es sich um die Duftstoffe, aus denen das Freudenöl nach Vers 8 zusammengesetzt war.
Ich frage mich aber noch mehr und ich gebe das einfach auch mal als eine Frage an euch weiter: Was bedeutet das für mich? Da lese ich etwas von dieser merkwürdigen Zusammensetzung Myrrhe und Aloe, und davon sind die Kleider des Messias durchduftet. Ist es nicht so, dass Myrrhe und Aloe von Leiden und Tod sprechen? Ist das nicht so, dass auch - im Bild gesprochen - die Kleider unseres Herrn durchduftet sind vom Duft seiner Leiden und seines Sterbens - immer? Ist das nicht so, wenn wir an unseren Herrn in der Herrlichkeit denken, dass wir immer an seine durchbohrten Hände denken müssen? Ist nicht hier etwas da, was immer seine Leiden und sein Sterben in den Vordergrund stellt? Ich glaube für das Herz Gottes gibt es nichts Höheres als die Leiden seines Sohnes. Die Tatsache, dass der Herr Jesus als die göttliche Person aus dem Himmel gekommen ist, ist großartig. Die Tatsache, dass er hier auf der Erde gelebt hat als der vollkommene Mensch ein einwandfreies Leben geführt hat, ist großartig. Auch beeindruckt es uns, was wir alles von ihm lesen. Die Tatsache, dass er auferstanden ist, in den Himmel aufgefahren ist - wie großartig. Doch was dazwischen ist, d.h. zwischen Seinem vollkommenem Leben und Seiner Auferstehung, das ist Myrrhe und Aloe; das ist sein Tod, das sind seine Leiden. Ich meine, der Text gibt uns einen kleinen Hinweis an dieser Stelle. Myrrhe und Aloe. Der Tod ist für unseren Herrn das, was auch letztlich die Ursache für seine Herrlichkeit ist. Ich möchte das ganze als eine Frage weitergeben. Wenn ich diesen Text lese, muss ich immer daran denken, warum ausgerechnet bei diesem Bild der Freude („Freudenöl“ in Vers 8 und „erfreut“ in Vers 9) auch Myrrhe und Aloe genannt wird. Die Freude unseres Herrn ist undenkbar ohne seine Leiden. Diese Kleider des Herrn, ob ich das für uns als die Christen sehe oder ob ich das für Israel im Sinn dieses Psalms sehe, bleiben in der Ewigkeit durchduftet von diesem Duft von Leiden und Tod. Das finde ich sehr schön. Das sind seine Kleider.
Ich glaube nicht, dass die Kleider an dieser Stelle, wie man oft erklärt, das praktische Verhalten im Auge haben. Das haben sie natürlich, aber hier glaube ich für mich, dass es einfach nur die Herrlichkeit seines Aussehens ist, die Herrlichkeit seiner Kleider. Was muss das für ein Mann sein, der so gekleidet ist! Die äußerlichen Schläge, was es auch gewesen sein mag, haben Spuren am Körper unseres Herrn hinterlassen, aber was in seiner Seele vorgegangen ist, hat auch tiefe Spuren hinterlassen - gleichsam den Wohlgeruch von Myrrhe und Aloe. Ich möchte einmal anregen, darüber nachzudenken.
Das Gegenstück ist dann der zweite Teil des Vers 9: „Aus Palästen von Elfenbein erfreut dich Saitenspiel“. Ein Bruder hat mir vor vielen Jahren einen kleinen Hinweis aus dem Psalm 69 gegeben, den ich hier weitergeben möchte. Da liest man etwas anderes vom Saitenspiel. Psalm 69,13: „Die im Tor sitzen, reden über mich…“ Die Leute, die im Tor sitzen, sind solche, die in Verwaltung und Justiz sind. Und dann kommt die andere Gruppe: „…und ich bin das Saitenspiel der Zecher“, der Leute, die es vorzogen, in die Wirtschaften zu gehen und dem Alkohol zuzusprechen. Die haben sich über ihn lustig gemacht - Saitenspiel. Das Saitenspiel diente damals dazu, den Herrn zu verhöhnen; jetzt, - in Psalm 45 - ihn zu besingen, d. h. ihn zu erfreuen. Heute darf alles dazu dienen, - wenn wir das von Gott aus sehen - , dem Herrn Jesus Großes zu tun, seine Herrlichkeit herauszustellen, seine ewige Freude. Hier auf dieser Erde war er besonders der Mann der Schmerzen. Ich glaube aber auch, dass er der Mann der Freude war. Er spricht oft von seiner Freude. Er wünscht auch, dass wir sie teilen. Er spricht auch über unsere völlige Freude, aber es ist seine völlige Freude, die er uns schenken möchte. Der Gesichtspunkt der Freude des Herrn ist besonders interessant in der Schrift. Der treue Knecht darf eingehen in die Freude seines Herrn. Der Herr Jesus ist also nicht mehr der Geschlagene und der Verachtete. Er ist jetzt der Mann der Freude in der Herrlichkeit. Das dürfen wir vielleicht einfach aus dem Vers 9 ablesen. Wenn dass hier auch nicht buchstäblich steht, aber ich wende das für uns an, für das, was er getan hat auf Golgatha. Er wünscht auch, dass unsere Herzen für ihn ein „Palast aus Elfenbein“ sind, erfüllt mit dem Besten, was wir ihm bringen können.
Die Königin (Vers 10-12)
Ab Vers 10 ändert sich der Gedanke etwas. Da werden Königstöchter und die Königin genannt. „Königstöchter“ meint wahrscheinlich Nationen aus der Umgebung, vielleicht auch die Tochter Tyrus, nach einem der nächsten Verse. Sie waren Hochzeitsgäste. Diese Nationen aus der Umgebung, überhaupt fremde Nationen müssen dem Herrn ihren Tribut bringen, sie müssen gehorsam sein. Sie haben das hinzunehmen, was dem König Freude macht und gibt. Doch es ist noch viel interessanter, dass wir hier zum ersten Mal von der Königin lesen. „Die Königin steht zu deiner Rechten in Gold von Ophir.“ Sie ist nicht auf die linke Seite verbannt, nein, sie ist auf der rechten Seite. Kann man da nicht auch an manches denken, was uns zukünftig betrifft? Wenn der Herr uns, die Heiligen, seine Versammlung, - wie gesagt, ich wende das an - ehrt, wenn wir an jenem Tag an einem Ehrenplatz stehen dürfen.
„Die Königin steht zu deiner Rechten in Gold von Ophir.“ Hier wird auch von der Kleidung gesprochen. Das Gold von Ophir, das Bild der göttlichen Gerechtigkeit und Heiligkeit, bekleidet sie, und da erkennen wir wiederum eine Parallele zu uns. Wir wissen auch, dass wir bildlich gesprochen in Kleider von Gold gehüllt sind. Ophir, das habe ich bei einem Bruder einmal gelesen, soll abgeleitet sein von einem hebräischen Wort, das „fruchtbar“ bedeutet und er erklärt dann, dass diese Königin gewissermaßen die Fruchtbarkeit entfalten darf, indem sie ein Gewand trägt aus Gold von Ophir - das spricht von Frucht. Eine Frau, die herauskommt aus einem völlig unfruchtbaren Dasein - genauso wie wir - nichts war da an Frucht, aber jetzt hat der Herr Jesus gewirkt - wir dürfen das für uns anwenden - jetzt kennen wir seine Erlösung. Jetzt kennen wir die Vergebung der Sünden und dann kann er Frucht sehen. Dann sieht er dieses Kleid aus Gold von Ophir.
Die Königin ist also ein Bild von Jerusalem. Jerusalem wird oft in der Schrift als Tochter, als Frau dargestellt. Das steht auch hier vor uns, aber es kommt noch hinzu, dass diese Königin eine besondere Bezeichnung trägt. Es gibt Königinnen in dieser Welt, die sind nach eigenem Recht Königinnen. Die Königin von England zum Beispiel. Sie hat nach der Thronfolge das Recht, Königin zu werden. Es gibt andere Königinnen in dieser Welt, die sind nur deswegen Königin, weil ihr Mann König ist. Wenn ich etwa an die Königin von Schweden denke. Die ist nur deswegen Königin, weil ihr Mann König war. Und das ist genau das Bild, was hier gemeint ist. Das hebräische Wort spricht von einer Frau, die nur deswegen Königin ist, weil ihr Mann König ist. Wir sind auch nur deswegen Leute, die irgendetwas in den Augen Gottes sind, weil wir auf der Seite des Herrn Jesus stehen. Eigentlich sind wir erbärmliche Kreaturen. Vielleicht dürfen wir das auch in diesem Text so sehen.
Ansprache an die Königin (Vers 11-12)
Dann kommt die direkte Anrede an diese Frau in Vers 11 und 12: „Höre, Tochter (gemeint ist die Königin), und sieh, und neige dein Ohr;“ Man fühlt förmlich, wie der Herr uns persönlich anspricht. Das können wir anwenden auf unser christliches Dasein. Wir hören auf sein Wort, wir sehen auf ihn und wir neigen unser Ohr, indem wir echt gehorsam sein wollen; und wir dürfen vergessen, was dahinten ist und uns ausstrecken nach dem, was vorne ist. Wir dürfen das sein, was in einem etwas anderen Sinn auch Joseph war. Joseph hatte einen Sohn Manasse, und Manasse heißt zu Deutsch: „der vergessen macht“. Als Joseph diesen Sohn bekam von seiner Frau, da konnte er vergessen, was er erlebt hatte von seine Brüdern. Wir dürfen das hier ein klein wenig anders sehen. Wir dürfen für uns annehmen, dass wir das, was hinter uns liegt einfach vergessen dürfen um des Herrn willen, was der Herr übrigens auch selbst getan hat. Er hat, als er hier war gesagt: „Wer sind meine Brüder? Die das Wort Gottes hören und tun.“ Er hat sich umgedreht in dem Kreis und hat gesagt: Das sind meine Brüder, das ist meine Mutter, das sind meine Schwestern. Er hat sein Haus vergessen. Wir brauchen das nicht wörtlich zu nehmen, obwohl das auch schon mal sein kann. Ich meine, man muss manchmal auch in einer christlichen Familie erkennen, dass man Verwandtschaft vergessen muss. Es gibt dramatische Fälle, da muss man sich einfach sagen, ich kann das nicht tun um der Familie willen, sondern muss dem Herrn gehorchen. Ob man sich dann nicht auch sagen lassen muss: Vergiss dein Volk und das Haus deines Vaters? Zum Glück ist das vielfach bei uns nicht so, aber es gibt immer auch Fälle, da muss ein Bruder oder eine Schwester eigene Wege gehen, die Vater und Mutter oder die Geschwister nicht mitgehen.
Vers 12: „Und der König wird deine Schönheit begehren denn er ist dein Herr: so huldige ihm!“ Was ist die Schönheit der Königin? Ich meine, die Schönheit der Königin sei ausgedrückt in dem Vers vorher. „Höre, Tochter, und sieh, und neige dein Ohr; und vergiss dein Volk und das Haus deines Vaters!“ Der Herr ist alles für die Königin. So will auch der Herr alles für uns sein; das ist für ihn schön und das wirkt er. Das ist etwas für sein Auge. Das macht ihn - in Ehrfurcht gesagt - glücklich, wenn er die Schönheit bei uns so finden kann. „Der König wird deine Schönheit begehren, denn er ist dein Herr.“ Da ist keine sklavische Unterwürfigkeit, sondern einfach das Bewusstsein: Ich gehöre ihm. Wer einmal den Herrn Jesus richtig kennen gelernt hat, wird nie unter dem Eindruck stehen: Weil er mein Herr ist, bin ich ihm sklavisch unterworfen. Doch in einem anderen Sinn, denke ich, dürfen wir alle auch sagen: Dein Sklave sein ist größ're Ehre, als König über Land und Heere. Wir wollen mit Freude in diese Worte einstimmen, die man an die Königin richtet: Er ist mein Herr: Ich will ihm huldigen!
Die Hochzeit (Vers 13-15)
Der Schluss des Psalms scheint dann auch etwas in die Situation überzugehen, dass die Hochzeit der Königin im Vordergrund steht. Dort werden in Vers 13 wieder andere erwähnt: die Tochter Tyrus. Also in der Sprache der Zukunft ist das so, dass Israel von Tyrus, seiner alten Feindin und Rivalin geehrt wird und auch von anderen Ländern in der Nachbarschaft. Wenn das Volk Gottes zu Gott umgekehrt sein wird, werden die Nachbarvölker Tribut zollen. Dann werden sie dass tun, was die Tochter Tyrus hier tut: Sie werden sich sozusagen Gunst bittend an Israel, an den König und die Königin wenden.
Vers 14: „Ganz herrlich ist des Königs Tochter“. Das ist auch eine interessante Stelle, die uns die Besonderheit der Schrift wieder klar macht. In Vers 10 steht „die Königin“, und in Vers 14 wird von der Königstochter gesprochen. Und da lernen wir etwas, das auch immer sehr beeindruckend ist: Die Königin ist ihrerseits auch aus adeligem Blut. Wir sind nichts von Natur aus, gar nichts und doch sagt uns der Herr eines Tages, dass er sich nicht schämt, uns Brüder zu nennen. Er hätte alle Veranlassung, sich zu schämen; das tut er aber nicht, weil wir alle von einem sind. Und das ist ein ähnlicher Gedanke an dieser Stelle. Die Königin, so groß sie ist, wird hier auf der anderen Seite doch als eine Frau geschildert, die ebenbürtig ist. Und das macht der Herr eben auch mit uns. Wir wissen, was wir durch ihn geworden sind. Das verschließt uns den Blick nicht dafür, dass wir von nichts herkommen. Aber in seinen Augen sind wir etwas geworden. In seinen Augen will er uns so schön und so groß sehen, wie es eben seinem Willen entspricht.
Die Königstochter ist dann auch gekleidet - interessant, dass wir so oft die Kleidung hier finden - in Goldwirkerei. Goldwirkerei redet auch wieder von der göttlichen Gerechtigkeit. Im nächsten Vers trägt sie buntgewirkte Kleider. Ich weiß nicht, was das genau bedeutet. Ich stelle mir vor, dass wir darin auch das Kleid des Heils sehen dürfen. Die Farbe rot spielt eine große Rolle. Wir finden Buntgewirktes auch bei der Beschreibung des Zeltes der Zusammenkunft in 2. Mose 27,16. Alles ist abgestellt auf die Schönheit des Königs und auf die Schönheit der Königin; auf die Herrlichkeit des Herrn und auf die Herrlichkeit seiner Braut, ob ich sie nun irdisch sehe, oder ob ich die Braut himmlisch sehe. Wir tragen demnächst auch ein Kleid, das Kleid aus feiner Leinwand, wie wir das in Offenbarung 19 bei dem Hochzeitsmahl des Lammes lesen. Ein anderes Kleid, als wir das hier finden, aber immerhin etwas, was dem Charakter des Tages und auch der Würde des Bräutigams gerecht wird.
Schluss (Vers 16-18)
Wir kommen dann zum Schluss des Psalms. Der nächste Vers spricht davon: „Sie werden unter Freude und Jubel geführt“. Also, diese Königshochzeit ist eine jubelnde Angelegenheit. Und wie leicht ergibt sich auch daraus die Anwendung für uns, dass wir mit Jubel einziehen werden in den Palast des Königs, oder darf ich jetzt sagen: in das Vaterhaus. Das wird etwas sein, wenn der Herr Jesus auch als der irdische König akzeptiert wird von jedermann; auch die gläubigen, wiederhergestellten Juden werden von jedermann akzeptiert. Das ist aber noch lange nicht damit zu vergleichen, wenn er mit uns, der himmlischen Braut Hochzeit macht. Wir verstehen auch, dass der Schluss dann sagt: „Ich will deines Namens gedenken lassen alle Geschlechter hindurch“. Oder noch vorher: „An deiner Väter Statt werden deine Söhne sein“. Was bedeutet das? Natürlich, dieses Paar hat voraussichtlich Kinder zu erwarten gehabt. Und das ist ja auch die menschliche Erwartung, die wir auch mit manchen Stellen im Alten Testament verbinden dürfen, aber geht es hier nicht doch vielleicht um geistliche Nachkommen, einfach um Leute, die erfüllt sind von der Herrlichkeit ihres Herrn? Und ich meine, deren Aufgabe - und das ist auch unsere Aufgabe - wird immer darin bestehen, seines Namens zu gedenken, dieses Namens Jesus. Jesu Name wird nie verklingen. Das ist ein Name, der geht durch die Ewigkeit.
Mir kommt in dem Zusammenhang noch ein Gedanke: Wenn man von der Königin liest, liest man keinen Namen von ihr. Hatte sie keinen? Sie war keine anonyme Person. Auch das macht das Wort Gottes uns klar, indem an einer Stelle - bezogen allerdings auf die Stadt Jerusalem, und das ist ja die Königin - von dem Namen dieser Frau gesprochen wird: Jeremia 23,6: „In seinen Tagen wird Juda gerettet werden und Israel in Sicherheit wohnen; und dies wird sein Name sein, womit man ihn nennen wird: Der Herr, unsere Gerechtigkeit.“ Das ist der Name, wenn wir so sagen dürfen, des Herrn im Tausendjährigen Reich. In Kapitel 33,16 lesen wir: „In jenen Tagen wird Juda gerettet werden und Jerusalem in Sicherheit wohnen, und dies wird der Name sein, womit man es (Jerusalem) benennen wird: „Der Herr, unsere Gerechtigkeit.““ Die Frau, die Königin, trägt den gleichen Namen wie der Mann und das ist absolut biblisch. Ich verstehe das jedenfalls so, wenn der Psalmist jetzt zum Schluss zu dieser einzigartigen Feststellung kommt, dass des Namens Gottes oder des Namens des Königs gedacht werden soll, wie wir das hier finden, alle Geschlechter hindurch. Der Name unseres Herrn ist einfach etwas Großartiges und Einmaliges. Und wir dürfen ihn auch immer wieder mit uns selbst verbinden. Woher wir kommen und wozu er uns gemacht hat, das zeigt im Grunde einfach, wie groß er ist.
Möge es so sein, dass dieser Psalm, wie ein Scheinwerfer, unseren Blick auf den Herrn Jesus lenkt.