Das ewige Leben
Das ewige Leben in den Evangelien nach Matthäus, Markus und Lukas
Der Ausdruck „ewiges Leben“ findet sich in den drei synoptischen Evangelien nur achtmal. Viermal wird er von jemand gebraucht, der fragt, wie er es erlangen könne. In den andern vier Stellen bezieht sich das „ewige Leben“ offensichtlich auf eine zukünftige Segnung:
- Matthäus 19,29 besteht darauf, dass „ein jeder“ (nicht nur himmlische Gläubige), der liebe Angehörige oder Hab und Gut um des Namens Christi willen verlassen hat, „ewiges Leben erben“ wird.
- Matthäus 25,46 erklärt, dass die „Schafe“ (die Gerechten aus den Nationen am Ende der Drangsalszeit) „in das ewige Leben“ gehen werden. Das bedeutet für sie offensichtlich irdische Segnung.
- Markus 10,30 ist ähnlich wie Matthäus 19,29. Jeder Jünger, der sich selbst verleugnet, wird „in dem kommenden Zeitalter ewiges Leben“ empfangen. Das weist klar auf das Tausendjährige Reich hin.
- In Lukas 18,30 haben wir die gleichen Ausdrücke und die gleiche Bedeutung wie in Markus 10,30.
In allen diesen Stellen - und zweifellos auch in den andern vier - stimmt die Bedeutung mit den wenigen alttestamentlichen Stellen überein, in denen Ausdrücke wie „Leben bis in Ewigkeit“ (Psalm 133,3) und „zu ewigem Leben erwachen“ (Daniel 12,2) vorkommen. In allen diesen Versen wird das ewige Leben als eine zukünftige Hoffnung oder Verheißung betrachtet.
Das ewige Leben in den Schriften des Johannes
Gott wählte Johannes, den letzten Schreiber eines Evangeliums und den Apostel, der am längsten lebte, um dieses Thema in einer weit wunderbareren und kostbareren Weise vorzustellen. Johannes beschreibt das ewige Leben nicht als einen zukünftigen Segensbereich, auch nicht als eine Stellung, in die jemand gestellt wird. Johannes zeigt uns das ewige Leben als das eigentliche Leben Gottes, offenbart in der gesegneten Person seines geliebten Sohnes. Es ist nicht eine Stellung, die Er einnimmt, oder eine Ehre, die Ihm verliehen wurde, sondern seine eigene Natur - das, was Er in sich selbst ist und von Ewigkeit her gewesen ist. Lasst uns im Licht der zwei folgenden Verse aus den Schriften des Johannes mit Ehrfurcht und Anbetung über diese herrliche Wahrheit nachdenken:
Wir wissen aber, dass der Sohn Gottes gekommen ist und uns ein Verständnis gegeben hat, auf dass wir den Wahrhaftigen kennen; und wir sind in dem Wahrhaftigen, in seinem Sohne Jesus Christus. Dieser ist der wahrhaftige Gott und das ewige Leben (1. Joh 5,20).
Und das Leben ist offenbart worden, und wir haben gesehen und bezeugen und verkündigen euch das ewige Leben, welches bei dem Vater war und uns offenbart worden ist (1. Joh 1,2).
Der Sohn Gottes, Jesus Christus, ist die Verkörperung des ewigen Lebens. Ohne sein Kommen hätten wir nicht das geringste Verständnis davon. Der einzige Weg, um sein Wesen kennen zu lernen, ist, Ihn zu betrachten. Je besser wir Ihn kennen, desto mehr erfassen wir von seiner Kostbarkeit. Nun ist es unser Vorrecht, die Wirklichkeit dieses Lebens, das wir in all seiner wunderbaren Schönheit in dem Sohn Gottes sehen, auch in unserem persönlichen Leben zu erfahren. Beachten wir, dass Johannes, während er den Ausdruck 23mal in verschiedener Hinsicht gebraucht, zehnmal betont, dass der Gläubige in dem Herrn Jesus ewiges Leben als eine gegenwärtige Segnung besitzt.
Ewiges Leben besitzt der Gläubige schon heute
Zum Beispiel:
In Johannes 5,24 lenkt das doppelte „Wahrlich“ des Herrn unsere Aufmerksamkeit auf die klare und absolute Wahrheit, der wir bedingungslos unseren vollen Glauben schenken dürfen, dass, wer sein Wort hört und an den Vater glaubt, der Ihn gesandt hat, ewiges Leben habe. Ebenso wird er nicht ins Gericht kommen, „sondern er ist aus dem Tode in das Leben übergegangen“. Der Gläubige wird darüber, dass er das ewige Leben jetzt besitzt, nicht im geringsten Zweifel gelassen.
1. Johannes 5,13: „Dies habe ich euch geschrieben, auf dass ihr wisset, dass ihr ewiges Leben habt, die ihr glaubet an den Namen des Sohnes Gottes.“ Das Wort selbst ist geschrieben, damit wir die entscheidende, absolute Gewissheit haben, dass wir ewiges Leben besitzen.
Johannes 6,53.54: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Es sei denn, dass ihr das Fleisch des Sohnes des Menschen esset und sein Blut trinket, so habt ihr kein Leben in euch selbst. Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, hat ewiges Leben.“ Beachte, dass es hier um die Frage geht, entweder überhaupt kein geistliches Leben oder ewiges Leben zu haben, wobei sich dieses Leben auf den Opfertod des Sohnes des Menschen gründet. Sein Fleisch essen und sein Blut trinken bedeutet, sich in geistlicher Weise den Wert seines Opfers aneignen. Jeder wahre Gläubige hat dies getan, jeder Ungläubige hingegen nicht.
Ewiges Leben ist nicht menschlich, sondern göttlich
Dieses ewige Leben liegt ganz und gar über und außerhalb der menschlichen Natur. Die natürliche Geburt hat damit nichts zu tun. Das ewige Leben wird dem Gläubigen bei der Neugeburt mitgeteilt, wenn er ein Kind Gottes wird und teilhat an der gleichen wunderbaren Natur wie der Vater und der Sohn (Joh 1,12.13). Von Christus wird gesagt dass Er das ewige Leben ist, während wir das ewige Leben haben. Der Vater und der Sohn haben das ewige Leben als ihr Wesen, uns aber ist es vermittelt worden. Deshalb bezeugt uns 1. Johannes 5,11: „dass Gott uns ewiges Leben gegeben hat, und dieses Leben ist in seinem Sohne.“
Ein anderes kostbares Merkmal dieses Lebens ist, dass es sich in den Gläubigen entfaltet. Kindlein im Glauben haben das gleiche Leben wie Väter in Christus, aber in einem unterschiedlichen Grad der Entwicklung (1. Joh 2,13), so wie sie sich auch in unserem natürlichen Leben zeigt.
Ewiges Leben ist auch künftiger Besitz
Johannes spricht noch von anderen Gesichtspunkten, unter denen das ewige Leben gesehen wird. Alle sind an ihrem Platz von tiefer Bedeutung. Einerseits dürfen wir auf keinen Fall die Wirklichkeit unseres gegenwärtigen Besitzes des ewigen Lebens in Frage stellen. Er wird in den zehn Schriftstellen, die davon reden, klar und deutlich erklärt. Anderseits mögen wir mit Gewinn einige Verse in den Schriften des Johannes ansehen, die vom ewigen Leben in Verbindung mit der Zukunft reden:
„Eine Quelle Wassers, das ins ewige Leben quillt“ (Joh 4,14).
„Der da erntet, empfängt Lohn und sammelt Frucht zum ewigen Leben“ (Joh 4,36).
„Wirket nicht für die Speise, die vergeht sondern für die Speise, die da bleibt ins ewige Leben“ (Joh 6,27).
„Wer sein Leben liebt, wird es verlieren; und wer sein Leben in dieser Welt hasst, wird es zum ewigen Leben bewahren“ (Joh 12,25).
„Und dies ist die Verheißung, welche er uns verheißen hat das ewige Leben“ (1. Joh 2,25).
Es sollte uns nicht erstaunen, dass ewiges Leben sowohl eine zukünftige als auch eine gegenwärtige Seite hat. Das gleiche gilt z.B. auch für Errettung, Erlösung, Heiligung. Das gegenwärtige Teil dürfen und sollen wir jetzt genießen, während die zukünftige Seite uns ernsthaft beschäftigen sollte, um schon jetzt im Blick auf die Zukunft zu leben. Es gibt Leute, die das ewige Leben als einen gegenwärtigen Besitz des Gläubigen verneinen, weil 1. Johannes 2,25 es als eine Verheißung bezeichnet. Aber beides ist vollkommen wahr. Obwohl wir ewiges Leben in uns wohnend haben, befinden wir uns doch noch nicht in einer Umgebung, in der jeder Umstand mit diesem Leben vereinbar ist. In der Tat, wir sind vom Tal des Todesschattens umgeben; und das Leben in uns sehnt sich nach seinem eigentlichen Zuhause, wo alles die reine Glückseligkeit des ewigen Lebens ausstrahlen wird.
Aber auch dort wird das ewige Leben nicht eine Frage der Stellung sein, die wir einnehmen werden, sondern der Natur. Dort wird alles der erhabenen Natur des Vaters und des Sohnes vollkommen entsprechen. Das ist weit mehr als einfach unaufhörliche Existenz! Diejenigen, die den Herrn in Matthäus, Markus und Lukas fragten, wie sie ewiges Leben erben könnten, hatten gewiss wenig Verständnis von einem zukünftigen Zustand, der von der eigentlichen Natur Gottes in reinem Licht und reiner Liebe durchdrungen ist.
Das ewige Leben in der Apostelgeschichte und in den Briefen des Apostels Paulus
Der Ausdruck „ewiges Leben“ kommt in der Apostelgeschichte nur zweimal vor: Paulus erklärte den Juden, dass sie sich selbst „nicht würdig achteten des ewigen Lebens“. Und zwei Verse später wird von den Nationen gesagt: „Es glaubten, so viele ihrer zum ewigen Leben verordnet waren“ (Apg 13,46.48). Es ist nicht nötig anzunehmen, dass sich eine dieser Stellen auf den gegenwärtigen Besitz des ewigen Lebens beziehe. Sicher aber ist, dass jene, die glaubten, das besaßen, was die Schriften des Johannes später aufzeigten.
In den Briefen des Apostels Paulus kommt der Ausdruck „ewiges Leben“ achtmal vor, sechsmal mit Bezug auf die Zukunft. Die restlichen beiden Stellen sind:
Römer 6,23 „Die Gnadengabe Gottes aber ist ewiges Leben.“ Dieser Vers spricht nicht eindeutig von unserem gegenwärtigen Besitz dieses Lebens. Wenn Paulus jedoch schreibt, dass wir „mit jeder geistlichen Segnung in den himmlischen Örtern“ gesegnet sind (Eph 1,3), dann sind wir berechtigt, aus der Fülle der Segnungen diese als eine gegenwärtige zu beanspruchen.
1. Timotheus 6,12. „Ergreife das ewige Leben.“ Finden wir in diesem Vers nicht die Aufforderung zu einem wirklichen Verständnis des ewigen Lebens, so dass wir dahin kommen, unser Leben im Licht der Ewigkeit zu führen? Dieses Leben, das in der Zukunft seinen vollsten Ausdruck finden wird, sollte jetzt seine beständige, lebendige Auswirkung in unseren täglichen Erfahrungen haben.
In den andern Büchern des Neuen Testamentes verwendet nur Judas den Ausdruck „ewiges Leben“: „Indem ihr die Barmherzigkeit unseres Herrn Jesus Christus erwartet zum ewigen Leben“ (V. 21). Auch hier ist der Gedanke wieder auf die Zukunft gerichtet.
Johannes 17 - ein Höhepunkt
Wir haben das erhabene Gebet des Herrn Jesus in Johannes 17 bewusst zurückbehalten, um diesen Artikel damit abzuschließen. Mögen sich seine wunderbaren Worte bei Leser und Schreiber tief einprägen, damit wir sie erwägen und darüber nachsinnen:
„Dies aber ist das ewige Leben, dass sie dich, den allein wahren Gott, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen“ (Joh 17,3).
Viele Versuche wurden unternommen, um das ewige Leben zu erklären oder zu beschreiben. Aber es liegt außerhalb jeder Erklärung, außerhalb jeder menschlichen Fähigkeit, dies zu beschreiben; denn Gott selbst und sein geliebter Sohn können mit der ganzen vereinigten Weisheit der Menschen und der Engel nicht erklärt werden. Und doch kann das ewige Leben nach den Worten des Herrn wirklich erkannt werden.
Obgleich das ewige Leben in keiner Weise von seiner reinen Quelle getrennt werden kann, ist doch die Tatsache, dass Gläubige den Vater und den Sohn kennen, der kostbare Beweis dafür, dass sie es besitzen. Es ist dieses Leben in ihnen, das auf seine eigentliche Quelle reagiert. Wie viel größer ist das, als einfach eine Stellung, in die Gläubige gebracht worden sind.
Wir sind zu dem Vater und dem Sohn geführt worden, um sie zu erkennen, um das Licht und die Wahrheit der Natur Gottes zu kennen und um die Wärme seiner eigenen Liebe kennen zu lernen. Welch eine wunderbare Erkenntnis! Und wie kostbar ist die Erwartung, die Strahlen des ewigen Lebens Gottes bald in Ewigkeit ungehindert genießen zu dürfen!