Die letzte Botschaft – oder – das Wort des HERRN durch Maleachi

1. Der Zustand des Volkes

Die letzte Botschaft – oder – das Wort des HERRN durch Maleachi

Der Prophet Maleachi hat die ernste Aufgabe, Gottes letzte Botschaft an sein irdisches Volk vor dem Kommen Christi auf die Erde zu überbringen. Nachdem diese Botschaft verkündigt worden ist, hat Gott über eine Periode von ungefähr 400 Jahren nicht mehr gesprochen. Schließlich wird die Stille durch die Stimme eines Rufenden in der Wüste unterbrochen. „Bereitet den Weg des Herrn, macht gerade seine Pfade“ (Lk 3,4; vgl. Mal 3,1).

Letzte Worte besitzen eine ganz besondere Kraft, durch die sie oft das Gewissen erreicht und das Herz berührt haben. So blieben sie im Gedächtnis haften. Wenn dies schon bei den schwachen Worten von Menschen der Fall ist, wie viel mehr gilt es dann, wenn Gott am Ende einer besonderen Zeitepoche ein letztes Wort spricht. Und wenn wir den Propheten Maleachi lesen, so tun wir gut daran, dieses Wort mit all seiner Kraft der letzten Worte Gottes zu uns sprechen zu lassen.

Die damaligen Verhältnisse in Kanaan (Israel)

Zunächst wollen wir die Verhältnisse anschauen, in denen dieses Bibelbuch geschrieben worden ist. Denn wie wahr es auch ist, dass wir diese Worte auf das Volk Gottes in unseren, letzten Tagen anwenden können, dürfen wir nicht vergessen, an wen diese Botschaften in erster Linie adressiert worden sind. Die Weissagung beginnt mit den Worten: „Ausspruch [oder Last] des Wortes des HERRN an Israel durch Maleachi“ (1,1). Es handelt sich also um eine Botschaft, die Gott für sein irdisches Volk ausgewählt hat.

Auch wenn ganz Israel in dem Rahmen der durch Maleachi ausgesprochenen Weissagung eingeschlossen ist, richtet sich seine Botschaft doch nur an einen kleinen Teil des Volkes. Dieser wird oft „Überrest“ genannt. Es sind diejenigen des Volkes, die aus der Gefangenschaft in Babylon befreit wurden und nach Kanaan (Israel) zurückkehren konnten.

Aus anderen Teilen der Schrift lernen wir, dass die große Masse des Volkes auch weiterhin in der Gefangenschaft blieb. Aber ungefähr 60.000 Juden war in den Tagen Esras und Nehemias erlaubt worden, in das Land ihrer Väter zurückzukehren, um den Tempel wiederaufzubauen und die Opfer wieder neu aufleben zu lassen. Außerdem konnten sie auch die Mauern bauen und die Tore der Stadt Jerusalem wieder einsetzen.

Zwei große Gruppen des Volkes Juda/Israel – und einzelne Übriggebliebene

Das Volk Gottes war daher in jener Zeit in zwei große Gruppen aufgeteilt, und es ist hilfreich, die weit reichenden Unterschiede zwischen beiden Gruppen zu verstehen.

  1. Die Masse der Nation befand sich nach wie vor in der Gefangenschaft in Babylonien. Sie waren also nicht in Palästina, wo Gott sie hingebracht hatte, sondern in Babylonien, wohin das Volk durch seine Sünde gekommen war. Dadurch waren die Israeliten keine Freien mehr, wozu Gott sie in seiner Macht und Güte gemacht hatte, sondern Sklaven unter einem ausländischen Herrscher. Der große Teil des Volkes Israel befand sich eindeutig in einer falschen Stellung. Er war nicht an dem Platz und in dem Zustand, den Gott für sein Volk vorgesehen hatte. Dieser Teil des Volkes befand sich auch deshalb in einer falschen Stellung, weil sie damit zufrieden waren, in diesem falschen Zustand zu bleiben, als die Möglichkeit eröffnet wurde und das Volk sogar eingeladen wurde, nach Jerusalem zurückzuziehen (Esra 1,3).
  2. Dann gab es die Gruppe der Israeliten, die nach Israel zurückgekehrt waren, um in ihrem eigenen Land zu leben. Sie wollten sich wieder in den religiösen Riten und für die Aufgaben engagieren, die Gott ursprünglich für sie angeordnet hatte. Diese befanden sich, im Gegensatz zu ihren Brüdern in der Gefangenschaft, in der richtigen Stellung, denn sie waren an dem Platz, den Gott für sie vorgesehen hatte. Und dort führten sie das von Gott eingesetzte religiöse System aus. Sie waren jedoch, genauso wie ihre Brüder in der Gefangenschaft, in einem falschen Zustand. Das Buch Maleachi enthüllt nämlich von Anfang bis Ende das moralische und geistliche Versagen des Volkes, auch wenn es sich äußerlich an die göttlichen Vorschriften zu halten schien.
  3. In beiden dieser großen Gruppe gab es Einzelne, die einen schönen Gegensatz zu denen bildeten, die sie umringten. Es waren Menschen, die durch praktische Nähe, Treue und Hingabe für Gott geprägt waren. Daniel und seine Freunde mögen als Beispiele derer genannt werden, die in der Gefangenschaft waren. Esra, Nehemia und einige Gottesfürchtige, auf die sich Maleachi 3,16 bezieht, dienen als Hinweis auf Gläubige der gleichen Art unter denen, die zu dem zurückgekehrten „Überrest“ gehörten.

Der Ausspruch des HERRN

Das waren, mit wenigen Worten gesagt, die Umstände und Charakteristika der jüdischen Nation zur Zeit Maleachis. Wenn nun auch die Weissagung dieses Propheten mit den Worten beginnt, „Ausspruch des Wortes des HERRN an Israel“, so ist doch deutlich, dass sich diese Worte nur an den Überrest richteten, der sich im Land Palästina befand. An sie wurde Gottes letzte Botschaft adressiert. Wir finden in der Weissagung Andeutungen des Tempels, der Opfer, der Priester, des Zehnten usw. Das alles sind Kennzeichen, die für Jerusalem und Kanaan ganz natürlich sind, die jedoch nicht anschaulich für solche gewesen wären, die sich noch in der Gefangenschaft befanden.

Was war nun die Last (oder der Ausspruch) des Wortes des HERRN für diesen zurückgekehrten Überrest? Es war nicht länger eine Anprangerung des Götzendienstes wie in den Tagen der Könige Israels. Es war auch kein Appell wie in den Tagen Esras, in das Land zurückzukehren. Genauso wenig war es ein Aufruf wie in den Tagen Haggais, den Tempel wieder aufzubauen, oder wie in den Tagen Nehemias, die Mauern wieder aufzurichten.

Der Zustand des Volkes

Den Götzendienst hatte das Volk aufgegeben, und der Überrest befand sich wieder im Land Kanaan. Der Tempel war ebenfalls gebaut worden und die zu beobachtenden, religiösen Vorschriften wurden befolgt, jedenfalls was den äußerlichen Anschein, die äußere Ordnung betraf. Auch wenn sich dieses Volk äußerlich in der richtigen Stellung befand, war sein moralischer Zustand vollkommen falsch. Daher gab es diese Last des HERRN, diese letzte Botschaft, die hauptsächlich aus dem überaus ernsten Appell an das Gewissen des Überrestes in Bezug auf seinen niedrigen moralischen und geistlichen Zustand besteht.

Lasst uns hier einmal innehalten! Wenn wir berücksichtigen, was wir als Rahmen für dieses Buch erkannt haben und was die charakteristische Botschaft ist, sollten wir über die Stellung und den Zustand der Versammlung (Gemeinde, Kirche) Gottes heute nachdenken. Wir tun das mit dem Wunsch, die geistlichen Belehrungen des Propheten Maleachi auf unsere heutige Zeit anzuwenden. Wenn wir das tun, sehen wir uns genötigt, anzuerkennen, dass es unter dem Volk Gottes in der heutigen Zeit 1 Zustände gibt, die in einer auffallenden Weise den Verhältnissen entsprechen, die wir – beschrieben durch Maleachi – am Ende der letzten Zeitepoche finden.

Der Zustand der Christenheit

Wenn wir die Christenheit betrachten, müssen wir dann nicht zuallererst zugeben, dass die Masse der Christen in einem unschriftgemäßen, um nicht zu sagen von Christus abgefallenen religiösen System gefangen gehalten wird? So, wie sich Israel als Nation in der Gefangenschaft des götzendienerischen Babylon befand? Und muss so nicht von dem größten Teil der Christenheit gesagt werden, dass er sich in einer falschen Position befindet, wenn man es an dem Willen Gottes für uns in seinem offenbarten Wort prüft?

Und muss ein ehrlicher Beobachter nicht ebenso hinzufügen, dass sich die Christenheit nicht nur in einer falschen Stellung befindet, sondern zugleich einen falschen moralischen Zustand aufweist? Das beweist und bezeugt doch in trauriger Weise die Ansprache an Laodizea in Offenbarung 3,14–17. Die Christenheit als Ganzes entspricht daher in auffallender Weise Israel in Babylon während der Zeit Maleachis.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts

Wenn wir nun unseren Blick auf die Christenheit zurückgehen lassen auf den Beginn des 19. Jahrhunderts, müssen wir dann nicht ein deutliches Werk Gottes anerkennen? Durch dieses wurde ein Überrest seines himmlischen Volkes – wie der seiner irdischen Nation in den Tagen Esras und Nehemias – aus diesen unschriftgemäßen, religiösen Systemen der Menschen befreit, in denen sie gefangen gehalten worden waren. Befreit von der Sektiererei wurden sie durch die Gnade Gottes befähigt, die wahre Grundlage wiederzuerlangen, auf der nach Gottes Willen sein ganzes Volk stehen sollte. Dadurch befand sich dieser Überrest – so wie sozusagen ihre jüdischen Vorbilder – erneut in einer richtigen Stellung.

Im Laufe der Zeit bezeugte dieser Teil des Volkes Gottes zwar, an dem wahrhaft biblischen Weg der Berufung der Versammlung Gottes festzuhalten, Versagen und Verfall haben allerdings mehr und mehr ihren Weg geprägt. Dadurch führt Gott heute eine so ernste Auseinandersetzung mit diesen Gläubigen, die aus den religiösen Systemen befreit wurden, in Bezug auf ihren falschen moralischen Zustand. Ihre kirchliche Stellung mag noch immer richtig sein, aber ihr moralischer und geistlicher Zustand ist nicht in Übereinstimmung mit der Stellung, die sie eingenommen haben. Dieser Teil der Christenheit scheint somit doch sehr genau dem zurückgekehrten Überrest des Volkes Israel in der damaligen Zeit zu entsprechen.

Um die Parallele weiter fortzuführen, können wir feststellen, dass es in beiden Teilen der Christenheit schon immer viele hingebungsvolle Diener Gottes gab. Ihr moralischer und geistlicher Zustand war sehr erhaben. Und auch ihr Lebensweg gefiel dem Herrn wohl.

Der zurückgekehrte Überrest ist im Blickpunkt

Nun hatte die Prophetie Maleachis hauptsächlich den wiederhergestellten Überrest im Land im Blick – äußerlich rechtgläubig, sich aber innerlich auflehnend gegen Gott – zusammen mit einem besonderen Wort der Ermutigung für die einzelnen Treuen, die unter ihnen gefunden wurden. In gleicher Weise – so scheint mir – beinhaltet dieses Wort eine besondere Ansprache an den schwachen und fehlerhaften Überrest der Gläubigen, der sich aus der kirchlichen Gefangenschaft der Christenheit herausversammelt hat.

Dieses Wort wendet sich aber auch an solche Treue, die sich noch inmitten dieses Systems befinden. Und genauso, wie in den Tagen Maleachis diese letzte Botschaft dem Volk verkündigt wurde, bevor der Herr kam, um das Gewissen in Bezug auf den eigenen Zustand aufzuwecken, so befinden auch wir uns am Vorabend des Kommens des Herrn. Ich bin überzeugt, dass Gottes letzte Botschaft an sein Volk ein ernster Aufruf ist, das Gewissen im Hinblick auf den moralischen und geistlichen Zustand aufzuwecken. Das Ziel Gottes ist es, dass Er auf der Erde solche finden kann, die zu dem passen, der kommen wird. Solche werden mit neu erweckter Zuneigung sagen: „Komm, Herr Jesus!“ (Off 22,20).

Wir haben gesehen, dass die Weissagung Maleachis an den zurückgekehrten Überrest gerichtet wurde. Es ist gut, sich dann zu fragen: „Was ist der Zustand des Volkes? Und inwieweit beschreibt er den Zustand des Volkes Gottes, wie wir es heute haben?

Vier Charakterzüge des Volkes Gottes – damals und heute!

1) Ein hohes Bekenntnis

Das Volk war durch ein hohes Bekenntnis und einen niedrigen praktischen Zustand gekennzeichnet (1,6). Sie bekannten, dass der HERR ihr Vater und Herr war. In ihrem praktischen Leben jedoch gaben sie dem HERRN nicht die Ehre, die einem Vater zustand. Auch hatten sie keine echte Furcht, wie sie einem Herrn zustand.

Müssen wir nicht zugeben, dass auch unsere heutige Praxis viel niedriger geworden ist als unser Bekenntnis? Ehren wir den Herrn in unserem tagtäglichen Leben? Denken, sprechen und handeln wir in der Furcht des Herrn?

Der Überrest des Volkes Israel zeigte weder Ehre noch Furcht in Bezug auf den Herrn. Das setzte ihn dem weiteren Tadel aus, dass er den Namen des HERRN verachtete. Auf diesen Vorwurf antwortet – sozusagen – das Volk direkt: „Womit haben wir deinen Namen verachtet?“ Diese herausfordernde „Antwort“ auf den ernsten Vorwurf bringt ein weiteres Kennzeichen des schlechten Zustandes des Volkes ans Licht.

2) Moralische Gefühllosigkeit und geistliche Blindheit

Das Volk war geprägt durch eine geistliche Blindheit über den eigenen, niedrigen Zustand. Geistliche Blindheit ist das unvermeidbare Ergebnis eines hohen Bekenntnisses in Verbindung mit einem schlechten Lebenswandel.

Das Volk Gottes neigt dazu – fast möchte man sagen unbewusst – den niedrigen praktischen Zustand zu entschuldigen durch sein so hohes Bekenntnis. Wir mögen sagen: „Mit all unseren Fehlern haben wir das Licht. Und wir befinden uns in der richtigen Stellung.“ So kann gerade unser Bekenntnis zum Mittel werden, durch das wir unsere Augen vor dem Ernst unseres niedrigen praktischen Zustandes verschließen. Die Folge davon ist, dass wenn wir mit unserem Versagen konfrontiert werden, wir dieses entweder beschönigen oder ablehnen, es anzuerkennen. Oder wir handeln wie der Überrest und sagen, dass wir diesen schlechten Zustand gar nicht erkennen können.

3) Äußerlicher Dienst für den HERRN ohne wahre Hingabe für den HERRN

Der äußere Dienst für den HERRN wurde vom Volk fortgesetzt. Aber die wahren, innerlichen Beweggründe für den Dienst fehlten (1,7–10). Sie brachten ihre Opfer zum Altar, oder Tisch des HERRN. Sie zündeten das Feuer auf dem Altar an und öffneten und schlossen die Türen des Tempels. Aber es gab niemanden, der die Türen vollends zuschloss. Das Motiv ihres Dienstes war Egoismus und nicht die Liebe zum HERRN.

Das Ergebnis war, dass im Dienst für den HERRN alles möglich war, alles erlaubt zu sein schien. Das Lahme und Kranke war gut genug für den HERRN. Selbst mit ihrem irdischen Gouverneur würden sie so nicht umzugehen wagen. Menschen hatten in ihren Augen einen größeren Platz als der HERR. Und das bedeutete, dass sie den HERRN verächtlich behandelten. Ob sich ihr Bürgermeister eine solche Behandlung gefallen lassen hätte?

„Ich habe kein Gefallen an euch, spricht der HERR der Heerscharen“ (1,10). Im Licht seines eigenen Ratschlusses kann der Herr sagen: „Ich habe euch geliebt“ (1,2). Wenn Er das Volk im Licht dessen praktischen Lebens beurteilt, muss Er ihnen sagen: „Ich habe kein Gefallen an euch.“ Wie ernst, wenn der Herr zu denen, die Er liebt, sagen muss: „Ich habe kein Gefallen an euch.“

Enthält das Ganze nicht auch eine Botschaft für uns? Können wir nicht äußerlich im Dienst des Herrn fortfahren – Predigen, Belehren, Hirtendienst ausüben, usw. – und dennoch fehlt der richtige Beweggrund? Der äußerliche Dienst mag korrekt sein, die innerlichen Motive dagegen verdorben? Sehen wir das nicht deutlich veranschaulicht, wenn wir die Versammlung in Ephesus (Off 2,2) mit der Versammlung in Thessalonich vergleichen?

Die Versammlung in Ephesus war im Dienst für den Herrn beschäftigt. Aber das wahre, verborgene Motiv fehlte. Die Versammlung in Thessalonich war durch das „Werk des Glaubens“, die „Bemühung der Liebe“ und das „Ausharren der Hoffnung“ (1. Thess 1,3) gekennzeichnet. Die Versammlung in Ephesus war auch durch „Werke“, „Arbeit“, „Ausharren“ geprägt. Aber „Glaube“, „Liebe“ und „Hoffnung“ fehlten. Daher muss der Herr dieser Versammlung sagen: „Du bist gefallen“ (Off 2,5).

Wir mögen uns wohl fragen, ob Glaube, Liebe und Hoffnung wirklich die Quelle unseres Dienstes sind. Das sind Eigenschaften, die nur der Herr selbst feststellen kann, die aber in seinen Augen sehr kostbar sind. Oder ist der Beweggrund für unseren Dienst das eigene Ich in irgendeiner Form – Selbsterhöhung, das Suchen des eigenen Fortkommens unter den Geschwistern, oder sogar die Hoffnung auf materiellen Gewinn?

4) Ermüdung und Verachtung für den Dienst des HERRN

Der Dienst für den Herrn wurde zu einer Mühsal für den Überrest (1,13). Bekenntnis ohne praktische Verwirklichung und Dienst ohne Hingabe werden zu einer Ermüdung in den Dingen des Herrn führen. Und wenn das Volk müde wird, eine Sache zu tun, wird sie diese bald verachten. So sagte der Überrest nicht nur über den Dienst des HERRN: „Siehe, welch eine Mühsal!“. Sie „bliesen“ ihn an, das heißt sie verachteten ihn (1,13).

Können wir nicht leider in unseren Tagen die gleiche Müdigkeit in den Dingen des Herrn sehen? Gibt es nicht viele, die einmal aktiv im Dienst für den Herrn waren, die aber nun müde geworden sind? Möglicherweise war ihre praktische Verwirklichung viel fehlerhafter als ihre Predigt. Dann wurde das Predigen zwar fortgesetzt, aber die Hingabe ging verloren. Und schließlich sind sie ganz müde geworden.

Die Hände hängen herab, die Knie sind schwach geworden. Die Hände werden nicht mehr in Fürbitte erhoben und die Knie nicht mehr im Gebet gebeugt (Jes 35,3; Heb 12,12). So sind sie müde geworden, müde im Beten, müde im Lesen der Bibel, müde im Gedenken des Herrn, müde im Predigen des Evangeliums, müde im Hören des Wortes Gottes, müde in den Dingen des Herrn, müde des Volkes Gottes. Und wovon wir müde werden, das verachten wir dann auch. Kein Wunder, dass sie am Ende die Dinge des Herrn anblasen und verachten, wie auch das Volk des Herrn.

Wie unendlich wichtig ist es, Christus vor uns zu haben als das wahre Motiv für jeden Dienst – „den zu betrachten“, der „Anfänger und Vollender des Glaubens“ ist, „der so großen Widerspruch von den Sündern gegen sich erduldet hat, damit ihr nicht ermüdet, indem ihr in euren Seelen ermattet“ (Heb 12,2.3).

Zusammenfassung

Das also ist das so ernste Bild des Überrestes. Dieses Portrait des Propheten zeigt den allgemeinen Zustand, in den die Masse des zurückgekehrten Überrestes gefallen war:

  1. Hohes Bekenntnis, verbunden mit einer schlechten Lebenspraxis
  2. Moralische Gefühllosigkeit und geistliche Blindheit
  3. Äußerlicher Dienst für den HERRN ohne wirkliche Hingabe zum HERRN
  4. Müdigkeit und Verachtung für den Dienst des HERRN.

Geziemt es uns nicht, uns selbst in das Licht zu stellen, inwiefern dies auch ein wahres Bild unseres eigenen Zustandes ist?

Fußnoten

  • 1 Es sei darauf hingewiesen, dass der Schreiber dieser Bibelbetrachtung von 1862-1943 in England gelebt hat. Er bezieht sich also auf Zustände, die schon damals existiert haben.
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