Abimelech
Der Geist Gottes lenkt unsere Aufmerksamkeit in den Schriften des Alten Testamentes auf verschiedene Männer hin, die unzweifelhaft Andeutungen auf den kommenden Menschen der Sünde sind. Unter diesen Männern nimmt Abimelech, der Sohn Gideons, einen traurig-ernsten Platz ein. Er unterschied sich in seinem Wesen vollkommen von seinem Vater, denn Gideon war ein Mann des Glaubens gewesen und bekleidet einen ehrenvollen Platz in der Aufstellung Gottes in Heb 11. Er hatte als Ziel die Ehre und Verherrlichung Gottes vor seinen Augen; und er liebte das Volk Gottes und seufzte unter ihrem niedrigen Zustand. Deshalb war er für Gott ein geeignetes und brauchbares Werkzeug; und er benutzte ihn in eindrucksvoller Weise zum höchsten Unbehagen für Midian, „...und es hob sein Haupt nicht mehr empor. Und das Land hatte in den Tagen Gideons vierzig Jahre Ruhe“ (Ri 8,28).
Aber ach! Der Sohn wurde von ganz anderen Beweggründen geleitet. Kaum, dass sein Vater, der Richter, gestorben war, versammelte er die ganze Familie seiner Mutter und legte ihnen eindringlich nahe, ihren Einfluss vor den Bürgern von Sichem zu seinen Gunsten zu gebrauchen. Die Verherrlichung Jehovas und der Segen für sein Volk standen nicht vor ihm; er begehrte seine eigene Erhöhung - er wollte König sein. Wie schmerzlich erinnert er uns an die Persönlichkeit in Dan 11,36! Nachdem der Geist Gottes an dieser Stelle von den verschiedenen Bündnissen und Kriegen zwischen den Königen von Syrien und Ägypten zu Daniel gesprochen hatte (dieser Teil der Prophetie hat bereits seine Erfüllung gefunden), stellt er unvermittelt den schrecklichen König der letzten Tage vor. Er übergeht die gegenwärtige Zeitperiode, die nie Gegenstand der alttestamentlichen Prophetie ist, ganz, und richtet unser Augenmerk auf die Zeit des Endes.
„Und der König wird nach seinem Gutdünken handeln, und er wird sich erheben und sich groß machen über jeden Gott, und gegen den Gott der Götter wird er Erstaunliches reden; und er wird Gelingen haben, bis der Zorn vollendet ist, denn das Festbeschlossene wird vollzogen“. Dies ist der Antichrist von 1. Joh 2 und 4; der Mensch der Sünde, der Sohn des Verderbens von 2. Thes 2; doch in Dan 11 sehen wir ihn in seinem örtlichen und politischen Charakter - der eigenwillige und sich selbst erhöhende König in dem herrlichen Land. Nun hat der Herr versichert: „Jeder, der sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden; und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden“ (Lk 14,11; 18,14; Mt 23,12); eine Wahrheit, von welcher Abimelech der Beweis war, und das gottlose Gegenbild es in der Zukunft sein wird.
Der Sohn Gideons hatte auf seinem Weg durch schöne Reden Erfolg; so wird es auch mit dem Menschen aus Dan 11 sein: „Glatt sind die Milchworte seines Mundes, aber Krieg ist sein Herz; geschmeidiger sind seine Worte als Öl, aber sie sind gezogene Schwerter“ (Ps 55,21). In seinem Auftreten wird etwas sein, was an das Lamm erinnert; aber in den Ohren der Auserwählten - die die Stimme der Fremden nicht kennen - ist seine Stimme wie die eines Drachen (Off 13,11). Antiochus Epiphanes, der auch ein Bild von ihm ist, handelte auf seinem Weg ähnlich: „Und diejenigen, die gottlos handeln gegen den Bund, wird er durch Schmeichelei zum Abfall verleiten“ (Dan 11,32). Durch all dies werden die Massen getäuscht und betrogen und verführt, wie es auch die Bürger von Sichem wurden; der Überrest, „das Volk, das seinen Gott kennt“, wird bewahrt.
Abimelech war abgefallen von der Anbetung und dem Gottesdienst Jehovas, den sein Vater wieder aufgerichtet hatte, und er folgte offensichtlich dem Baal-Berith (vergl. Ri 9,4.46). Hier bleibt das Bild hinter der Wirklichkeit zurück, denn der Kommende wird noch Schlimmeres tun. Er wird sich nicht damit zufrieden geben, den Gott seiner Väter zu missachten und Erstaunliches wider den Gott der Götter zu reden; er wird sich in den Tempel Gottes setzen und sich selbst darstellen, dass er Gott sei (2. Thes 2,4). Hier sehen wir, wie menschliche Gräueltaten einen schrecklichen, bislang noch nicht dagewesenen Höhepunkt erreichen. Dies ist die vollendete Fortentwicklung von dem ersten Abweichen; „und ihr werdet sein wie Gott“ hatte seinerzeit der Versucher gesagt (1. Mo 3,5). Es ist das Vorrecht und die Herrlichkeit des Menschen, abhängig zu sein (haben wir das schon gelernt?); der Mensch der Sünde lehnt eine solche Stellung vollständig ab und beansprucht den Namen Gottes und die ihm gehörende Anbetung für sich - nur um von seinem widerrechtlich an sich gerissenen Thron in das ewige Verderben geschleudert zu werden.
Abimelech entwickelte schnell einen Durst nach Blut, ein trauriges Bild von den zukünftigen finsteren Tagen. “Und er kam in das Haus seines Vaters, nach Ophra, und ermordete seine Brüder, die Söhne Jerub-Baals, siebzig Mann auf einem Stein“ (Ri 9,4). Wie schnell hatte Israel vergessen, was es Gideon schuldig war! Eine Macht, die zum Abfall führt, ist unweigerlich eine Verfolgerin der Heiligen Gottes. Wenn der Gräuel der Verwüstung stehen wird an heiligem Ort (Mt 24,15), werden alle davor niederfallen oder sterben müssen. Wer sind die Seelen unter dem Altar in Off 6,9-11? Unzweifelhaft solche, die um des Wortes Gottes und um ihres Zeugnisses willen unter dem Antichristen leiden werden. Aus unterdrückten Herzen wird der Schrei aufsteigen: „Bis wann, O Herrscher?“; und der Schrei wird erhört werden: „Denn der dem vergossenen Blut nachforscht, hat ihrer gedacht, er hat das Schreien der Elenden nicht vergessen“ (Ps 9,13). Doch nicht alle werden in den kommenden Tagen ihr Leben verlieren; es werden mehr am Leben bleiben, als in den Tagen Abimelechs. Dort lesen wir: „Jotham, der jüngste Sohn Jerub-Baals, blieb übrig, denn er hatte sich versteckt“ (Ri 9,5). Ihm war es möglich, ein Zeugnis abzulegen: „Da ging er hin und stellte sich auf den Gipfel des Berges Gerisim“ (der Berg des Segens; 5. Mo 27), um Israel in eindringlicher Weise ihre Stellung in Bezug auf den Thronräuber vor Augen zu führen. In seiner Rede erwähnt er nacheinander die drei Bäume, die in der Heiligen Schrift beständig als Symbole für die jüdische Nation gebraucht werden: den Olivenbaum, den Feigenbaum, und den Weinstock. Diese alle hatten die angebotene Herrschaft abgelehnt, sie wurde zuletzt von dem Dornstrauch in der Person Abimelechs angenommen. Nachdem Jotham seine Botschaft übermittelt hatte.... (eine ausgesprochen prophetische Botschaft), floh und entwich er nach Beer und blieb daselbst aus Furcht vor seinem Bruder Abimelech (Ri 9,21). Er ist daher ein Bild des Teiles des jüdischen Überrestes, der um seines Zeugnisses willen verfolgt, aber durch den treuen Gott durch alles hindurch bis zum Ende bewahrt werden wird. Diesen gibt der Herr Jesus in Mt 24 Ratschläge.
Zu gegebener Zeit folgt die gerechte Vergeltung: „...wenn es denn bei Gott gerecht ist, denen, die euch bedrängen, mit Drangsal zu vergelten“, und: „...wenn jemand mit dem Schwert töten wird, so muss er mit dem Schwert getötet werden“ (2. Thes 1,6; Off 13,10). Wie Jotham prophezeit hatte, ging Feuer aus von den Bürgern von Sichem, um Abimelech zu verzehren. Gaal, der Sohn Ebeds, erwarb sich das Vertrauen der treulosen Bürger von Sichem und veranlasste sie, dem Abimelech zu fluchen und gegen ihn zu rebellieren. Dementsprechend ging von dem falschen König Feuer aus und verzehrte sie und das Haus Millo; und es sah zuerst so aus, als hätte er freie Bahn. Aber Gott hatte diese Zerstörung angeordnet, und als Abimelech gegen den Turm von Tebez stritt, mit dem endgültigen Sieg vor Augen, „da warf eine Frau den oberen Mühlstein auf den Kopf Abimelechs und zerschmetterte ihm den Schädel“ (Ri 9,53). Gott ist in Seinen Mitteln nicht eingeschränkt; Er, der Sisera in die Hand einer Frau verkaufte, konnte hier ein ebensolches Instrument benutzen, nachdem alle anderen bewiesen hatten, dass sie dafür nicht zur Verfügung standen. „Und so brachte Gott die Bosheit Abimelechs, die er an seinem Vater verübt hatte, indem er seine siebzig Brüder ermordete, auf ihn zurück. Und die ganze Bosheit der Männer von Sichem brachte Gott auf ihren Kopf zurück, und es kam über sie der Fluch Jothams, des Sohnes Jerub-Baals“ (Ri 9,56.57).
Ebenso wird es mit dem zukünftigen eigenwilligen König sein, mit dem gottlosen und lästerlichen Verfolger der Heiligen Gottes, „den der Herr Jesus verzehren wird durch den Hauch seines Mundes und vernichten wird durch die Erscheinung seiner Ankunft“ (2. Thes 2,8). Der unterdrückte und geknechtete Überrest des Volkes Gottes wird bei der Erscheinung Jesu, des wahren Messias, des Königs nach dem Herzen Gottes, befreit werden.