Betrachtung über den Propheten Zephanja (Synopsis)
Einleitung
Zephanja teilt uns mit, wie der Geist Gottes über die Beschaffenheit des Zeugnisses urteilte, das in dieser Welt für den Namen Gottes bestand, und zwar zu einer Zeit, als dasselbe durch den gottesfürchtigen König Josia äußerlich in gewissem Sinne wiederhergestellt worden war.
Es war dies eine Gnadenerweisung, welche Gott seinem Volk mehr als einmal zuteil werden ließ, so wie Er auch ihre Auflehnung und Empörung mit großer Langmut ertrug. In beiden Fällen lässt Er uns sehen, wie das, was seinen Namen trug, in Wahrheit beschaffen war. Er zeigt uns, wie ein geistliches Herz über den Zustand desselben urteilen würde, ein Urteil, das sein Geist in Wirklichkeit bereits fällte, und das in dem Augenblick, wenn weitere Langmut nutzlos wäre, durch das Strafgericht bestätigt werden würde, das Gott alsdann an seinem Volk sowie an den Nationen vollstrecken wollte.
Diese beiden Gegenstände bilden den Inhalt der zwei Hauptabteilungen der vorliegenden Weissagung: zunächst die Ankündigung der Absichten Gottes bezüglich des Gerichts, das Er vollstrecken will, und sodann die Schilderung des Zustandes, der das Gericht herbeiführt. Im Anschluss hieran wird, wie wir dies immer wieder finden, auf die Erfüllung der Gnadenratschlüsse Gottes und auf die Erscheinung des Messias hingewiesen, damit der Glaube des treuen Überrestes seines Volkes ermuntert und aufrechterhalten werde.
Nachdem sich die Nationen der Ungerechtigkeit und dem Götzendienst hingegeben hatten, war Israel zum Zeugen Gottes bestellt worden; solange nun das wahre Wesen Gottes (durch Aufrechterhaltung des Zeugnisses) dargestellt wurde, konnte das allgemeine Gericht der Welt noch hinausgeschoben werden, denn Gott ist langsam zum Zorn. Dementsprechend erweckte Er auch, wenn sein Volk gefehlt hatte, mit Samuel anfangend, Propheten, um das Abirren und die Untreue desselben zu heilen. Solange dieses außerordentliche Zeugnis seiner Gnade sowie die dasselbe begleitenden Warnungen und Züchtigungen dazu dienten, noch einen Schimmer von Wahrheit und Gerechtigkeit auf Erden bestehen zu lassen, hielt der HERR noch seine Hand zurück, die bereit war, mit dem, was Gott verunehrte und den Menschen unterdrückte, ein Ende zu machen. Wir haben an anderer Stelle gesehen, wie dadurch, dass die oberste Gewalt dem Reich der Heiden übertragen wurde, die Einführung eines neuen Systems sich vollzog, ähnlich so, wie wir im Neuen Testament die Bildung der Versammlung finden. Indessen will ich hier nicht bei diesen Gegenständen verweilen. Was die Regierung der Welt betraf, so war es um des Zeugnisses willen, das für den Namen des HERRN abgelegt werden musste, sobald Israel (das inmitten der Nationen, die Gott abtrünnig und empörerisch gegenüberstanden, mit Ablegung dieses Zeugnisses betraut war) so tief sank, dass keine Heilung mehr war, unvermeidlich, dass auch jene Nationen von dem lange verdienten Gericht ereilt wurden. Sie werden dieses Gericht dadurch über sich bringen, dass sie das Maß ihrer Ungerechtigkeit und Empörung gegen Gott vollmachen, und dass sie in der Freude, mit der sie an die Vollstreckung der Züchtigungen gehen, die das Volk Gottes verdient hatte, ihren Hass gegen dasselbe offenkundig an den Tag legen; denn Gott ist auch ihnen gegenüber langmütig. Er sendet sogar das Evangelium – sei es dasjenige der vollen Gnade, dessen wir uns erfreuen, oder die Ankündigung seiner nahenden Gerichte –, damit alle, die Ohren haben zu hören, diesen Gerichten entrinnen mögen. Sobald es mit dem Zeugnis Israels völlig zu Ende war, hatten die Nationen grundsätzlich das Gericht zu erwarten, das ihr sündiger Zustand verdiente, während dieses Gericht hinausgeschoben worden war, solange noch ein wahres Zeugnis für Gott bestand. Aus diesem Grund haben wir in den Propheten beständig das endgültige Gericht Israels in Verbindung mit dem Gericht über die Nationen angetroffen. Die Errichtung des Reiches der Nationen, das durch das Bild und die Tiere dargestellt wurde, sowie die Erscheinung des Christentums und der in dessen Schoße sich entwickelnde Abfall führen andere Gegenstände des Gerichts Gottes ein, ändern aber nichts an dem Gericht, das, abgesehen von diesen Dingen, an den Nationen vollstreckt werden soll.
Das Gericht über den Abfall und über das Weltreich geht unmittelbar vom Himmel aus; denn dort war die Quelle der Herrschermacht jenes Reiches sowie des Segens, den die Abgefallenen genossen. Auch ist es der Himmel, gegen den sie sich empört haben. Das Gericht über die Nationen als solche hat dagegen Zion zum Ausgangspunkt: dasselbe Zion, das sich jetzt unter dem Gericht befindet, dann aber durch das Gericht befreit werden wird, das an seinem Unterdrücker, dem Tier, vollzogen wird (vgl. Ps 110). Bei denjenigen Propheten, die sich mit den eigentlichen, zwischen Gott und seinem irdischen Volk in Zion bestehenden Beziehungen beschäftigen, werden die Ereignisse, von denen bei Daniel sowie in den Weissagungen des Neuen Testaments und zum Teil auch in Sacharja die Rede ist, übergangen, und es wird in ihren Prophezeiungen das Gericht Jerusalems und der Juden mit demjenigen der Nationen verknüpft, indem das Gericht der letzteren mit in das Gericht des Volkes eingeschlossen wird, das in keiner Weise mehr als Zeugnis für den HERRN dastand, sondern vielmehr Anlass zur Lästerung seines Namens gab. Im Blick auf die Juden begann dieses Gericht mit der Person Nebukadnezars. Später, am Ende des Zeitalters, wenn das Weltreich, das ursprünglich mit diesem Mann als dem goldenen Haupt seinen Anfang nahm, sich in einem niedrigen Zustand befindet, gewinnen die Nationen wieder neue Kraft und benutzen diese gegen Israel, das dann mit dem abgefallenen Weltreich verbunden und demselben unterworfen sein wird. Es ist dies ein noch schrecklicheres Gericht. Auf diese Weise werden alle Nationen gegen Jerusalem versammelt werden und, indem sie das Maß sowohl des Gerichts des Volkes als auch ihrer eigenen Bosheit vollmachen, die Veranlassung bilden, dass der Gott der Gnade gemäß seinen Verheißungen und Gnadenabsichten zugunsten seines Volkes eintritt. In dem Gericht, das an denen vollzogen werden wird, die Israel angreifen und, indem sie dies tun, auch gegen den HERRN und seinen Christus auftreten, findet dann die Befreiung des Volkes ihren Abschluss. Dies wird das Gericht sein, das von Zion ausgehen soll, während das Tier schon vorher durch Den, der vom Himmel herabkommt, vernichtet werden wird.
Die Zeitbestimmungen, die wir in den Büchern der Propheten bezüglich ihrer Abfassung angegeben finden, stehen auch in Verbindung mit der verschiedenen Art und Weise, in welcher der Herr sich in dieser Kette von Ereignissen offenbart. Jesaja und Micha, wie auch Hosea und Amos (obwohl die beiden letzteren weniger unmittelbar), beschäftigen sich mit der Offenbarung des Sohnes Davids, des Befreiers und Verteidigers seines Volkes in Jerusalem. Hiskia, der nach der erbärmlichen Regierung des Ahas erweckt wurde, gab Veranlassung zu diesen Offenbarungen. Dieselben deckten die Ungerechtigkeit und den Zustand des Volkes, wie er in Wirklichkeit war, auf und lehrten die Treuen, dass sie nach den Gedanken Gottes ausschauen und darin allein ruhen müssten. Gott hatte, um sein Volk für eine Zeit wiederherzustellen, jenen frommen König erweckt und will ihnen durch den wahren Immanuel eine vollständige und ewige Befreiung zuteil werden lassen. Jesaja verweilt in den ersten drei Kapiteln seines Buches wie auch in dem letzten bei der bereits erwähnten Verbindung zwischen dem Gericht Israels und dem der Nationen. Josia stellt den kommenden Erlöser nicht in gleicher Weise dar. Um seiner Frömmigkeit willen wird ihm der Anblick des Untergangs Jerusalems erspart, aber er fällt selbst durch die Hand von Fremden. Mit ihm verschwinden die Herrlichkeit, der Friede und die Hoffnung, die Jerusalem zu damaliger Zeit besaß, und es folgt das Gericht der Stadt. Unter Josias Regierung weissagte Zephanja. Er nimmt auf die äußerliche Frömmigkeit, die sich zu jener Zeit bei dem Volk zeigte, keine Rücksicht; denn die Herzen waren unverändert (siehe Jer 3). Er stellt sich auf den allgemeinen Boden des Zustandes Israels und des daraus entspringenden Gerichts und weist zugleich auf die Wirkung hin, die dieses für die Nationen haben würde. Wie wir wissen, war Nebukadnezar der erste, der dieses Gericht ausführte, doch gehen sowohl das Gericht wie auch die von demselben handelnde Weissagung viel weiter.