Wahrhaftige Anbeter

Die Begebenheit, die wir hier vor uns haben, zeigt uns in auffallender Weise den Reichtum der Gnade unseres Herrn. Wäre das nicht so, hätte Er niemals vor dieser Frau aus Samaria Gedanken über Anbetung entfaltet. Er hätte ohne weiteres einen Petrus oder Johannes dafür finden können; oder Er hätte über den Kreis Seiner Jünger hinausgehen können zu einem Nikodemus oder Joseph von Arimathia. Aber nichts dergleichen. Er machte die Freigebigkeit Gottes, die sich in Ihm, dem Sohn, offenbarte, ausdrücklich kund. Und in umfassendster und deutlichster Weise zeigte sich darin der Unterschied zwischen dem, was bis dahin gewesen war und dem, was nun bestehen würde.

Der alte Dienst der Anbetung war ganz und gar ungeeignet für die neuen Absichten Gottes; eine neue Stunde brach an. Die Frau aus Samaria dachte - wie viele andere seitdem auch -, dass die Anbetung Gottes lediglich eine Frage der menschlichen Ansicht darüber sei. Merkwürdig, dass sogar Kinder Gottes daran zweifeln sollten, dass die Anbetung Gottes nur nach Seinen Gedanken geschehen kann! Es ist in der Tat der Höhepunkt menschlicher Ungläubigkeit und Skepsis, abzustreiten, dass Er in der Anbetung Seiner selbst nicht nur ein Mitspracherecht, sondern das alleinige Bestimmrecht haben muss. Doch so war es gewesen, und so ist es auch noch immer, und der Mensch erkennt nicht, dass es sein Eigenwille ist, der es Gott nicht möglich macht zu bestimmen, was Sein Wille im Blick auf die Anbetung Seiner Kinder ist.

Es gibt keinen Gegenstand, von dem die Menschen mehr meinen, dass unterschiedliche Ansichten darüber erlaubt seien, als den der Anbetung. Doch unser Herr Jesus stellt die Gedanken Gottes darüber unmissverständlich vor. Man kann aber auch nicht um Klarheit von Gott nur in dieser und in keiner anderen Sache bitten. Wir können sicher sein, dass derjenige, der sich über zu wenig Licht in der Heiligen Schrift über diese Sache beklagt, noch eine weitaus ernstere Frage für sich zu entscheiden hat. Der Wille des Menschen ist überall schlecht genug, ganz besonders jedoch, wenn er sich in die Anbetung Gottes hineindrängt. Denn dies ist genauso eine Sache der Offenbarung - und damit des Glaubens auf unserer Seite -, wie die Errettung der Seele des Menschen; und der gleiche Glaube, der Gott in der einen Sache vertraut, kann Ihm auch in allem vertrauen; während auf der anderen Seite der Zweifel, der Gott in einem Punkt nicht glaubt, bereit ist alles anzuzweifeln. Wer zweifelnd über die Autorität oder Zuverlässigkeit des Wortes Gottes im Blick auf die Anbetung, den Dienst, das Kommen des Herrn oder irgendeiner anderen offenbarten Wahrheit spricht, wird feststellen, dass er keine wahre Ruhe für seine Seele in Christus hat. Das böse Herz des Unglaubens ist wirksam und wird nicht zurechtgewiesen.

Ich bestreite, dass das Wort Gottes grundsätzlich dunkel und unbestimmt ist. Sich einen solchen Gedanken zu erlauben kommt aus nichts anderem hervor als aus verborgenem Unglauben, und der Unglaube entspringt einem ungerichteten Willen. Lasst uns doch einmal einen Augenblick über folgendes nachdenken: Wenn es sich wirklich um das Wort Gottes handelt, und wenn dieses Wort für den Menschen, d.h. für Sein Volk bestimmt ist, würdest du dann sagen, dass sich der Mensch deutlicher und verständlicher ausdrücken kann als Gott? Würdest du dann sagen, dass Gott, wenn Er es beabsichtigt, Sich Menschen zu offenbaren, Sich den Seinen oder auch anderen gegenüber nicht verständlich machen kann?

Unbestritten besitzt das Wort Gottes auch noch eine andere prägende Eigenschaft. Es ist unbedingt auch ein moralischer Test für das Herz; und Gott hat Sein Wort deshalb auf eine solche Art gegeben, dass Abhängigkeit von Ihm geübt werden muss, und dass Voreiligkeit und Unbesonnenheit oder eine unbedachte Gesinnung fehlgehen werden. Sein Wort wird dadurch nicht unklar, aber es werden der Glaube und die Zuneigungen dadurch erprobt. „Wenn dein Auge einfältig ist“, hat der Herr Jesus gesagt, „so ist auch dein ganzer Leib Licht“ (Lk 11,34; Mt 6,22). Das Licht Gottes vermutet und enthüllt immer einen bestimmten moralischen Zustand; Gott in Seiner Gnade bewirkt jedoch, dass das Herz das Licht gern aufnimmt.

Der Herr zeichnet nun einen deutlichen Gegensatz zwischen dem, was bis dahin bestanden hatte, und dem, was nun gelten soll. Zweifellos lag diese Frau aus Samaria in ihren Überlegungen nicht richtig. Sie gehörte zu einem Volk, welches das Gesetz übernommen hatte; ein heidnisches Volk, das zum Teil jüdische Formen nachahmte. „Das Heil“, sagt der Herr, „ist aus den Juden“ (Vers 22). Die Juden wussten alles, was in der Frage der Anbetung bekannt war; aber ob es nun die Finsternis der Samariter darüber betraf oder den Schimmer von Licht, den die Juden besaßen - eine andere Stunde brach nun an, wo auch eine ganz neue Art der Anbetung für die Kinder Gottes eingeführt wurde; und ganz besonders darauf möchte ich eure Aufmerksamkeit richten. Nicht für einen Augenblick wird bestritten, dass auch andere gewaltige Erneuerungen damit verbunden waren, wie z.B. die Verkündigung des Evangeliums an alle Menschen. Ich verweise nur auf die Tatsache, dass diese beiden Dinge zusammen vor sich gehen, aber doch in dem ihnen eigenen Charakter verschieden sind. Man könnte es so zusammenfassen, dass das Evangelium allen Menschen gebracht werden soll, und dass die Kinder Gottes zu wahrhaftigen Anbetern gemacht werden sollen.

Was meinte nun unser Herr mit den „wahren Anbetern“? Zuerst zeigt Er, was es nicht ist: „Es kommt die Stunde, da ihr weder auf diesem Berg, noch in Jerusalem den Vater anbeten werdet“ (Vers 21). Es sollte nicht länger eine Frage dieses Berges mit seiner unberechtigten Nachahmung Israels sein, noch eine Frage Jerusalems mit dessen beeindruckenden Zeremonien des Gesetzes. „Es kommt aber die Stunde und ist jetzt, da die wahrhaftigen Anbeter den Vater in Geist und Wahrheit anbeten werden“ (Vers 23). Dies ist der erste Punkt, den wir bemerken müssen. Fortan ist es also eine Frage der Anbetung des Vaters, ein einfaches aber wunderbares Vorrecht; eigentlich leicht zu verstehen, aber doch gar nicht so einfach auszuüben. Um das zu tun, muss man klar und glatt mit der Welt gebrochen haben. Denn die Menschen, die Welt als solches, geben sich nicht damit ab, den Vater anzubeten, es fällt ihnen nicht ein. Darüber brauchen wir uns nicht zu wundern, denn wenn wir das Wort Gottes untersuchen, werden wir immer finden, dass die Welt und der Vater in beständigem Widerstreit zueinander stehen. Es verhält sich mit der Welt und dem Vater so, wie es sich auch mit dem Sohn Gottes und dem großen Widersacher (dem Teufel), und auch dem Fleisch oder dem gefallenen Menschen und dem Geist Gottes verhält.

Ein deutliches Merkmal dieser neuen Anbetung ist die Tatsache, dass die Welt unbedingt davon ausgeschlossen ist. Ich meine damit nicht, dass die Welt nicht anwesend sein dürfe um zuzuhören, sondern dass das Wesen dieser Anbetung die Teilnahme der Welt daran ausschließt. Dies wird noch deutlicher werden, wenn wir die Einzelheiten betrachten. Es sind nur Kinder Gottes, die den Vater anbeten; solche, die den Glauben an Christus Jesus besitzen. Und doch ist ohne Zweifel in vielen Ländern und Zeiten der Versuch unternommen worden, die Welt in die christliche Anbetung mit hineinzubringen. Immer wieder ist das Ergebnis davon, dass solche Anbetung sich als weder für die Welt noch für die Familie Gottes passend und geeignet herausstellt. Der Versuch, diese beiden auf einem solchen Boden und zu einem solchen Ziel vereinen zu können, dieser Irrglaube muss zu einem Misserfolg werden. Denn die Welt, ganz einfach weil es die Welt ist, ist zur Anbetung einfach nicht fähig. Anbetung setzt voraus, dass die Wahrheit gekannt wird; ja, es setzt voraus, dass Gott Selbst gekannt wird. Anbetung setzt voraus, dass eine neue Natur geschenkt worden ist; Anbetung setzt die Gabe und die Kraft und das Wirken des Heiligen Geistes voraus; es setzt die christliche Versammlung voraus, in welcher der Heilige Geist wirkt, durch wen Er will. Und an all diesen Dingen mangelt es in der Welt. Nein, die Welt auf diesen Boden zu erheben, bedeutet außerdem, sie zu täuschen; es bedeutet, sich aktiv daran zu beteiligen, ihr Gewissen zu betrügen und die Menschen in Bezug auf ihren wahren Zustand in den Augen Gottes irre zu führen.

Aber es gibt noch eine weitere und sehr ernste Folge davon. Die Kinder Gottes werden ihre durch Gnade verliehene erhabene Stellung niemals bewahren können, wenn sie versuchen, die Welt als Anbeter mit einzuschließen; denn die Welt wird dadurch nicht ebenfalls erhöht, sondern die Versammlung sinkt auf den Boden der Welt herab. Die Ausdrucksweise einer solchen Anbetung wird folglich von Ungewissheit, Undeutlichkeit, Zögern und Furcht bezüglich der Beziehung der Seele zu Gott durchzogen sein. Flehentliches Bitten um Vergebung, Missbilligung des Gerichts, ungläubiges Bitten um ein wiederholtes und erneutes Ausgießen des Heiligen Geistes, und all die anderen Bitten, die natürlicherweise aus einer so grundlegend falschen Stellung hervorkommen - all dies wird in allen religiösen Systemen gefunden, die der Mensch erfunden hat.

Ganz gewiss ist es völlig fehl am Platz, wenn man die Anbetung vermischt mit dem ernsten Gericht Gottes über die Sünder. Doch erscheint dies in gewisser Hinsicht als eine 'barmherzige' Ungereimtheit und Widersprüchlichkeit; lieber soll wohl diese gemeinsame 'Anbetung' auf diese Weise ablaufen, als dass die Unbekehrten durch eine gebührende und passende Anbetung getäuscht würden und scheinbar den Platz von Kindern Gottes einnehmen, ohne vor dem Gericht gewarnt zu werden. Doch was könnte auf seine Art schlimmer sein, als einen unbekehrten Menschen zu hören, der formell die Ausdrucksweise der Versammlung annimmt, der seiner Freude an Gott, von Dem er nichts kennt, und seiner Gemeinschaft mit dem Vater, Dessen Liebe ihm verhasst ist, Ausdruck gibt? Denn tatsächlich greifen alle Liturgien, die ich kenne (und das sind nicht wenige), nur auf die Gefühle der Menschen zurück, mit einer leisen Andeutung des Evangeliums und einem breiten Einfluss des Gesetzes. Es mag aus erhabener Sprache und leuchtenden Vorstellungen bestehen - hauptsächlich dem Alten Testament entnommen -, aber in ihrem Wesen liegen sie absolut unter dem Gebrauch des verständigen Christen, der von Fehlern und Formeln und schon der bloßen Vorstellung von Liturgien abstehen will.

Wenn wir aber dahin kommen, die eindeutigen Belehrungen des Neuen Testamentes zu untersuchen und zu verstehen, dann sehen wir das, was der Herr Jesus hier von dem enormen Wechsel im Blick auf die Anbetung andeutet. Das, was nun geschah, stand in Verbindung mit der Erfüllung der Offenbarung Seiner selbst, Seines Werkes, und der Gabe des Heiligen Geistes. Wenn man so die Juden mit den Samaritern verglich, dann kam der Herr nicht umhin zu sagen: „Wir beten an und wissen, was, denn das Heil ist aus den Juden“ (Vers 22). Denn Anbetung hat als Ausgangspunkt immer eine Offenbarung Gottes; da, wo das Heil nicht war, konnte es auch keine echte Anbetung geben. Die jüdische Anbetung war in Bildern und Schatten angeordnet; es war eine Hoffnung und Erwartung, keine wirkliche Beziehung und kein echter Besitz. Die Juden erwarteten - und sie taten recht darin - den Messias, Der nicht nur alles verkündigen, sondern alle Dinge erfüllen würde. Der, auf den sie warteten, sollte das Heil bringen. Das Heil, das die Juden vor Augen hatten, war für sie eine noch zukünftige Sache und ihren Herzen noch nicht als gegenwärtige Wirklichkeit klar geworden. Während sie den Messias erwarteten, entsprach auch ihre Anbetung noch ihrem Zustand; sie war umgeben von Priestern und Formen, und das zeigte, dass der Weg in das Heiligtum noch nicht offenbart worden war.

Aber dieser Zustand der Verheißung und vorläufigen Bilder sollte nun ein Ende finden. Als die Juden die Nationen dazu gebracht hatten, ihren Messias, den Sohn Gottes, zu kreuzigen, zerriss der Vorhang von oben bis unten. Es ist ein wunderbarer Gedanke, dass Gott durch dieses Verbrechen des Menschen, durch das Kreuz, die Erlösung bewirkt hat, und dass zum ersten Mal ein Mensch in der Gegenwart Gottes, eines Heiland-Gottes, stehen konnte. Das ganze jüdische System war damit zu Ende gekommen; es war wohl gestorben, aber noch nicht begraben, denn Gott ließ noch eine angemessene Zeit zu dessen Beiseitesetzung zu. Aber das Judentum hatte in dem Verwerfen der Person des Messias auch das Leben verworfen - und das Kreuz hatte das offenbar gemacht. Von Seiner Verwerfung an hatte der Herr (wie auch danach der Heilige Geist) schrittweise, so wie es die Jünger verstehen konnten, die neue Ordnung der Dinge entfaltet; denn wer den alten Wein gewohnt war, fand nicht sofort Gefallen an dem neuen (vgl. Lk 5,39). Obwohl sie zu Hause das Brot brachen, gingen sie noch zur Stunde des Gebets in den Tempel (Apg 2,46; 3,1). Für eine kleine Zeit waren sie halb Juden und halb Christen. Aber Gott war im Begriff, sie endgültig hinauszuführen; und der Brief an die Hebräer zerschnitt das letzte Band, das die christlichen Juden noch an den Alten Bund fesselte. Von diesem Zeitpunkt an bedeutete es Untreue gegenüber Christus (so wie Er jetzt kundgemacht war), noch an den alten Dingen festzuhalten.

In diesem Brief an die Hebräer unterweist uns Gott hinsichtlich der christlichen Anbetung, wie sie im Gegensatz zu dem levitischen Dienst steht. Was finden wir dort? An die Stelle der Opfer unter dem Gesetz tritt das Opfer Christi; und das jüdische Heiligtum ist nur ein Bild auf das wahre Heiligtum hin, in welches Christus eingegangen ist und wohin auch wir im Glauben nahen und eintreten dürfen. Die Opfer des Alten Bundes mussten immer wieder erneuert und wiederholt werden; der Christ kennt nur ein einziges Opfer, weil dieses Opfer in Vollkommenheit dargebracht wurde. Andernfalls wiederholt man immer nur etwas und bezeugt dadurch, dass man nichts Vollkommenes besitzt. Das Wesentliche des Opfers Christi ist jedoch, dass es einmal dargebracht wurde, und dass Er durch dieses eine Opfer nicht nur geheiligt, sondern auf immerdar vollkommen gemacht hat, die geheiligt werden (Heb 10,14). Nichts könnte entschiedener betont sein, als die Lehre des Apostels hinsichtlich des Opfers Christi für die Glaubenden. Er blickt nicht auf vergängliche Umstände, sondern auf den wesentlichen Unterschied zwischen dem jüdischen und dem christlichen Anbeter. Der jüdische Anbeter bedurfte der beständigen Aufeinanderfolge von Opfern, damit seinen Bedürfnissen begegnet werden konnte; den Bedürfnissen des Christen ist bereits im Kreuz und in Christus Selbst vollständig begegnet worden.

Dieser neue Zustand der Dinge ist durch Gottes Gnade durch unseren Herrn Jesus bewirkt worden. Der Christ ist nun zu der Freude Gottes für den Himmel und die Ewigkeit geführt worden - während er auf Christum wartet, Der ihn dorthin aufnehmen wird.

Lasst uns nun kurz einige der Vorrechte betrachten, die den wahrhaftigen Anbeter ausmachen. Es ist klar, dass der erste Wunsch, das erste Bedürfnis einer Seele aus der Tatsache hervorkommt, dass sie sündig, ja, verloren ist. Denn ein Sünder ist vielmehr ein Aussätziger als ein Anbeter; und wie wir wissen, war nach dem Wort Gottes ein Aussätziger jemand, der ausgestoßen war und ferne stand und seine Unreinheit bezeugen musste; es war jemand, der nicht nur außerhalb seines eigenen Zeltes sein musste, sondern außerhalb des Lagers Israels, und der deshalb auch nicht in der Lage war, seine Opfergabe vor Gott darzubringen. Dies ist tatsächlich der Zustand eines jeden sündigen Menschen vor Gott. Ein Aussätziger ist nicht etwa das Bild eines Christen in einem schlechten, bösen Zustand, sondern eines Menschen, der sich noch fern von Gott ganz in seinem natürlichen Zustand der Abscheulichkeit und Verderbtheit befindet. Der Christ jedoch ist aus Gott geboren, hat ein neues Leben, eine neue Natur empfangen, die kein Mensch natürlicherweise besitzt, zu welcher nur Christus lebendig macht. Wie kann man nun diese neue Natur erlangen? Nur durch den Sohn Gottes, und dies auch nur durch Glauben. Anders gibt es kein göttliches Leben.

Selbstverständlich gibt es keinen echten Glauben, wenn nicht Buße vorhanden ist. Alle Bemühungen, die Notwendigkeit der Buße herunterzuspielen, um den Glauben an Christum vereinfachen oder erleichtern zu wollen, sind gefährlich, falsch und böse. Sie ignorieren das Wirken Gottes an dem Gewissen und reduzieren den Glauben auf eine rein verstandesmäßige Angelegenheit. Dies ist jedoch nicht der Gegenstand hier, sondern die erhabene Wahrheit, dass derjenige, der glaubt, entsprechend der Heiligen Schrift ewiges Leben besitzt.

Jedoch macht die neue Geburt allein noch niemanden zu einem christlichen Anbeter. Wir könnten uns noch so viele Gläubige vorstellen, die aus Gott geboren sind, und doch würden wir unter ihnen nicht einen einzigen wahrhaftigen Anbeter finden. Es ist also nicht nur so, dass niemand aus der Welt ein wahrhaftiger Anbeter sein kann, sondern dass selbst eine echte Bekehrung noch niemanden zu einem wahrhaftigen Anbeter macht. Daher hatte auch der Herr Jesus in Johannes 3 nicht ein Wort über die wahrhaftige Anbetung gesagt, weil Er dort einfach nur den Nachdruck auf die Notwendigkeit der neuen Geburt legt. Hier in Johannes 4 jedoch haben wir Christus Jesus als Den, der das lebendige Wasser gibt, und im Anschluss daran folgen die Belehrungen über die wahrhaftige Anbetung. In Johannes 3 ist Jesus die Gabe, und in Johannes 4 ist Er der Geber selbst. Wenn nun jemand meint, dies seien zu spitzfindige und kleinliche Unterscheidungen, dann liegt das daran, dass man diese Dinge noch nicht verstanden hat. Sie sind ebenso deutlich, wie sie auch wichtig sind; und die Menschen offenbaren einfach ihr mangelndes Verständnis darüber, wenn sie das als spitzfindig ansehen. Sind das überhaupt glückliche Menschen? Genießen sie wirklich Frieden mit Gott? Wenn wir unseren eigenen Zustand und dem gegenüber Seine Gnade deutlich erkannt haben, dann folgt das Übrige auch und kann ohne Nörgelei und Kritik genossen werden.

Ich habe gesagt, dass der Herr Jesus in Johannes 3 die Gabe von Gott, dem Vater ist, „denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab“ (Vers 16). In Johannes 4 sagt der Sohn Gottes: „Wenn du die Gabe Gottes kenntest, und wüsstest, wer es ist, der zu dir spricht: Gib mir zu trinken, so hättest du ihn gebeten, und er hätte dir lebendiges Wasser gegeben“ (Vers 10). Dieses lebendige Wasser ist also nicht ein Bild von Christus, sondern von dem Heiligen Geist; und ich möchte gerne die Wahrheit zeigen, dass wir nicht nur neues Leben in Christus nötig haben, sondern dass wir, selbst wenn wir dieses neue Leben besitzen, nicht eher wahrhaftige Anbeter sein können, als dass wir auch dieses lebendige Wasser haben. Dazu muss der Heilige Geist gegeben werden.

Viele nehmen an, dass ein Mensch in dem Moment, in dem er von neuem geboren wird, auch den Heiligen Geist empfängt. Dies bedeutet jedoch, die neue Geburt mit der Gabe des Heiligen Geistes zu verwechseln. Es ist nicht wahr, dass jeder Mensch den Heiligen Geist zu dem Zeitpunkt empfängt, an dem er von neuem geboren wird. Zwischen diesen beiden Wirkungsweisen besteht ein wesentlicher, grundlegender Unterschied. Wenn jemand von neuem geboren wird, dann ist er von seinem Sündenschlaf erwacht und ruft zu Gott in dem Bewusstsein seiner Schuld und seines verderbten Zustandes. Aus der Gnade Christi mag er etwas Beruhigung für sein Gewissen finden, aber Gott lässt ihn die ganze Bitterkeit seines eigenen Herzens und seiner Wege schmecken. Die überwiegende Zahl der bekehrten Seelen weiß, was das heißt; und es ist gut, dass eine Seele diese Erfahrungen gemacht hat.

Ich bestreite nicht, dass dies ein unvollkommener Zustand ist; ein Zustand, der sich gerade von dem Ergebnis, das durch ein volles Erfassen des Evangeliums bewirkt wird, sehr unterscheidet. Solche Menschen blicken auf Christus und erfassen doch Sein Werk oder die gute Botschaft der Errettung noch nicht ganz. In diesem Zustand ist man noch kein wahrhaftiger Anbeter. Wie könnte jemand in Geist und Wahrheit anbeten, der sich noch nicht bewusst ist, dass er der Stellung nach ganz befreit ist? Kann man sich vorstellen, dass jemand, der ausruft: „Ich elender Mensch! wer wird mich retten von diesem Leib des Todes?“, zur gleichen Zeit sagen kann: „Das Gesetz des Geistes des Lebens in Christus Jesus hat mich frei gemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes“ (Röm 7,24; 8,2)?

Äußerliche Not kann wohl gleichzeitig mit Freude im Heiligen Geist bestehen; nicht jedoch kann innere Gebundenheit gleichzeitig mit innerer Freiheit bestehen. Wer so etwas behauptet, kennt entweder die Befreiung der eigenen Seele noch nicht, oder er ist noch durch Überlieferungen und Eigenwillen verblendet. Bevor wir nicht sowohl lebendig gemacht als auch befreit worden sind, können wir unseren Gott und Vater nicht wahrhaftig anbeten. Christliche Anbetung ist der Ausdruck der Freude des Herzens, der vollkommenen Befriedigung in Christus; der bewussten Nähe zu unserem Gott und Vater als Seine geliebten Kinder. Damit das lebendige Wasser fließen kann, ist Errettung (und nicht Leben) die Voraussetzung - Anbetung und Lobpreis werden die Folge sein. Wir mögen aus Gott geboren sein, doch ohne einfältiges Unterwerfen unter das vollkommene Werk des Herrn Jesus sehnt man sich nach diesem oder jenem; zweifellos hält man wohl fest an Christus und ist nicht länger in dem Zustand des Todes, aber noch ohne wahre Freude an Gott friedlos, verwirrt, versucht, und unfähig zu sagen: „Abba, Vater“. In diesem Zustand ist es nicht möglich, christliche Anbetung darzubringen, und wir würden nicht richtig handeln, wenn wir solche, die sich in diesem Zustand befinden, einladen oder auffordern, den Herrn anzubeten. Wir würden sie in eine verkehrte Stellung versetzen; wir würden sie zur Heuchelei verleiten, indem wir sie dazu bringen, Lieder zu singen, deren Inhalt weit über ihren Glauben und ihre Erfahrungen hinausgehen.

Die Belehrung des Herrn stimmt mit diesen Dingen völlig überein. Er drängt die Seelen nicht weiter voran, bevor sie nicht die notwendige Kraft dazu durch Seine Gnade haben. Als die Frau Ihn fragte: „Du bist doch nicht größer als unser Vater Jakob“?, antwortete Er: „Wer irgend von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, den wird nicht dürsten in Ewigkeit; sondern das Wasser, das ich ihm geben werde, wird in ihm eine Quelle Wassers werden, das ins ewige Leben quillt“ (Verse 12-14). Wer also so getrunken hat, der kann Gott als ein Christ anbeten. „Gott ist ein Geist, und die ihn anbeten, müssen in Geist und Wahrheit anbeten“ (Vers 24). Alles andere sind Opfer von Toren, zumindest ist es nicht Anbetung in Geist und Wahrheit. Eine göttliche Quelle der Freude im Innern ist gewirkt worden; und bevor nicht jemand in diesen Zustand gebracht ist, wird man vergeblich wahre christliche Anbetung von ihm erwarten. Es ist wichtig, das zu erkennen, so wie es auch eine Tatsache ist, dass viele bekehrte Seelen noch nicht so frei geworden sind von ihrem eigenen Ich und von dem Gesetz.

Um das etwas deutlicher zu machen, möchte ich kurz auf den Tag der Pfingsten hinweisen, wo der Apostel Petrus solche, die von ihren Sünden überführt worden waren, aufforderte: „Tut Buße, und jeder von euch werde getauft auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung eurer Sünden, und ihr werdet die Gabe des Heiligen Geistes empfangen“ (Apg 2,38). Wenn Menschen wahrhaft Buße tun, sind sie dann nicht Gläubige? Es wäre eine traurige Lehre, bei der aufrichtige Buße ohne echten Glauben denkbar ist; und die Gabe des Heiligen Geistes war folgerichtig auch auf allen. Der Herr Selbst als der Heilige Gottes hatte den Geist empfangen, versiegelt durch den Vater als Mensch hier auf Erden. Wir dagegen konnten den Heiligen Geist nicht eher empfangen, als dass die Sünde an dem Kreuz gerichtet war und wir selbst in Seinem Blut gewaschen waren. Erst dann konnten wir auf der Grundlage Seines großen Werkes, durch das die Sünde abgeschafft worden ist, nicht nur als Sünder durch den Geist lebendig gemacht werden, sondern als Heilige mit dem Geist versiegelt werden. Das ist die Stellung eines Christen, und so ist er ein wahrhaftiger Anbeter - bevor die Seele nicht wirklich bis dahin gebracht worden ist, kann sie es nicht sein. Wir sehen also in diesem besonderen Fall, dass Christus wirklich den Geist solchen gegeben hat, die bereits an Ihn glauben. Bevor das Erlösungswerk vollbracht war, gab es keinen bereinigten Raum oder gerechten Boden als Wohnort für den Heiligen Geist. Als aber der Herr Jesus Sein großes Werk ausgeführt hatte, ging Er hinauf in den Himmel und sandte den Heiligen Geist herab. Er ist es also, Der den Geist gibt. Er gibt das lebendige Wasser dem Gläubigen, nicht der Welt. Er gibt den Geist der Seele, die auf Ihm und Seiner Erlösung ruht; nicht einer Seele, die nur die Sünde hasst, sondern demjenigen, der in Jesus und Seinem Werk alles gefunden hat, was Herz und Gewissen vor Gott nötig haben. Ein solcher empfängt den Heiligen Geist - durch die Gnade Gottes wird Er ihm gegeben.

Ohne Zweifel besitzen solche bis dahin den Heiligen Geist nicht, solange sie noch unter Gesetz sind. Aus diesem Grund haben sie auch noch so oft Furcht und Zweifel. Wenn sie sich jedoch in einfältigem Glauben unter die Gerechtigkeit Gottes in Christus beugen, empfangen sie den Heiligen Geist. Das mag auch der Grund sein für so viele Menschen, die vermutlich auf ihrem Sterbebett zu Gott geführt worden sind. Die große Mehrheit derer, die auf ihrem Sterbebett wahrhaft glücklich geworden sind, war bereits bekehrt, aber in ihren Leben hatten sie wahrscheinlich Dinge zugelassen, die ein Hindernis waren. Im Angesicht des Todes jedoch erkennen sie die Gerechtigkeit Gottes an, und der Heilige Geist kann ihnen gegeben werden.

Betrachten wir aber noch einen anderen Fall aus der Heiligen Schrift. In Apostelgeschichte 19 wird berichtet, dass es in Ephesus etwa ein Dutzend Männer gab, die wohl glaubten, aber nicht den Heiligen Geist empfangen hatten. Sie wussten noch nicht einmal etwas davon. Sicher hatten sie von dem Geist gehört, aber von der Gabe des Geistes hatten sie noch nichts gehört. Aus der Verkündigung Johannes des Täufers hatten sie gehört, dass der kommende Christus mit Heiligem Geist taufen würde, aber erst als sie die ganze Wahrheit durch den Apostel Paulus gehört hatten, empfingen sie den Heiligen Geist. Dies ist der große Punkt, denn Wunder und Zungen würden aufhören, der Heilige Geist aber bleibt in Ewigkeit. Daher bin ich auch davon überzeugt, dass weder die finsteren Zeiten des Papsttums noch all die Zertrennungen des Protestantismus - so schmerzlich dies für den geistlich Gesinnten auch sein muss - den Heiligen Geist in den Himmel zurückgetrieben haben. Ich glaube fest an Seine bleibende Gegenwart, denn ich nehme die Worte Christi diesbezüglich an. Es wird immer so sein, dass der Gläubige den Heiligen Geist empfängt, wenn er das Erlösungswerk Christi annimmt. Dies zeigt die große Bedeutung der Gabe des Heiligen Geistes: ohne Ihn kann es keinen wahrhaftigen Anbeter geben. Jemand, der in Christus seine Ruhe gefunden hat, ist nicht nur lebendig gemacht, sondern mit dem Heiligen Geist der Verheißung versiegelt worden (Eph 1,13). Solche sind es, die der Vater als Seine Anbeter sucht.

Dementsprechend ist dies auch der Zustand, der bei den Empfängern aller Briefe des Neuen Testaments angenommen wird. Nehmen wir z.B. einmal den Brief an die Römer. Der Apostel spricht alle Heiligen, die zu der Zeit in Rom waren, als der Sünde gestorben, Gott aber lebend in Christus Jesus, an (Röm 6,10+11). Sie lebten nun im Geist und besaßen den Geist in ihnen wohnend (Röm 8,1–11). Wie gesegnet! - das sind wahrhaftige Anbeter.

Auch in den Briefen an die Korinther finden wir die gleiche Sache wieder. Dort gab es viele beklagenswerte Dinge, die es nötig machten, sogar durch öffentliche Zucht behandelt zu werden. Zerstörte dies die Stellung der Anbeter? Paulus forderte die Korinther auf, den Bösen aus der Versammlung hinaus zu tun, er verlangte jedoch nicht, dass sie mit dem Brechen des Brotes aufhören sollten. In Kap 5 spricht er nicht über das Mahl des Herrn, sondern über den gewöhnlichen Umgang mit einem offenbar gewordenen unreinen Bekenner des Herrn. Sicherlich sollten wir nicht grundsätzlich in einer argwöhnischen oder misstrauischen Haltung sein, wo aber unbestreitbar offenkundig Böses vorhanden ist, sollte der Böse aus der Mitte der Heiligen hinaus getan werden. Es ist nicht die Frage, ob ein solcher bekehrt ist oder nicht, sondern es geht darum, dass erwiesenermaßen Böses bei einem, der den Namen des Herrn trägt in der Versammlung, unvereinbar ist mit der Gemeinschaft der Heiligen auf der Erde. Hier handelte es sich um die gleiche Person, die die Korinther nach dessen Buße und Wiederherstellung wieder aufnehmen sollten (2. Kor 2 + 7).

In dem Brief an die Galater werden schwerwiegende Irrlehren korrigiert und ernste Warnungen gegeben; und doch werden die Empfänger als Kinder Gottes angesprochen, die im Gegensatz zu den alttestamentlichen Heiligen den Geist der Sohnschaft besitzen und dadurch Abba Vater rufen können (Gal 4,6). Sie konnten daher anbeten.

In dem Brief an die Epheser werden die Christen betrachtet als gesegnet mit jeder geistlichen Segnung in Christus; sie besitzen die Erlösung und sind mit dem Heiligen Geist versiegelt und folglich auch befähigt, dem Vater zu nahen. So stellt der Apostel auch die Heiligen in Kolossä vor, obwohl er sie ernstlich warnen und ermahnen muss - sie können dem Vater, Der sie fähig gemacht hat zu dem Anteil am Erbe der Heiligen in dem Licht, danksagen (Kol 1,12). Sowohl die Epheser als auch die Kolosser waren wahrhaftige Anbeter.

Die Gläubigen in Philippi werden von dem Apostel aufgefordert, sich allezeit in dem Herrn zu freuen (Kap 4,4); und er sagt: „Denn wir sind die Beschneidung, die wir durch den Geist Gottes dienen (Gottesdienst üben) und uns Christi Jesu rühmen und nicht auf Fleisch vertrauen“ (Kap 3,3).

Sogar die Thessalonicher, diese jungen Heiligen, werden dazu aufgefordert, sich allezeit zu freuen und nicht nur unablässig zu beten, sondern in allem zu danksagen, „denn dieses ist der Wille Gottes in Christus Jesus gegen euch“ (1. Thes 5,16–18).

Die Christen, an die der Hebräer-Brief gerichtet ist, werden als solche angesprochen, die „Freimütigkeit haben zum Eintritt in das Heiligtum durch das Blut Jesu, auf dem neuen und lebendigen Weg, den er uns eingeweiht hat durch den Vorhang hin, das ist sein Fleisch, und einen großen Priester haben über das Haus Gottes“. So sollten sie hinzutreten mit wahrhaftigem Herzen, in voller Gewissheit des Glaubens (Kap 10,19-22).

Der Apostel Petrus nennt die gläubigen Juden in Kleinasien, an die er schreibt, „ein geistliches Haus, eine heilige Priesterschaft, um darzubringen geistliche Schlachtopfer, Gott wohlannehmlich durch Jesus Christus“ (1. Pet 2,5).

Der Apostel Johannes sieht sogar die Kindlein in der Familie Gottes als solche an, die den Vater erkannt haben; von der Familie als Ganzes wird gesagt, dass ihnen allen die Sünden vergeben und sie nun Kinder sind (1. Joh 2,12+13). Johannes sagt uns, dass Gott in jedem, der irgend bekennt, dass Jesus der Sohn Gottes ist, bleibt und dieser auch in Gott bleibt (1. Joh 4,15). Er erklärt, dass die Liebe mit uns vollendet worden ist, „damit wir Freimütigkeit haben an dem Tag des Gerichts, dass, wie er ist, auch wir sind in dieser Welt“ (1. Joh 4,17).

Es kann daher keinen Zweifel daran geben, dass es einen im höchsten Grade traurigen und schmerzlichen Unterschied gibt zwischen einerseits der übereinstimmenden Ausdrucksweise des Neuen Testaments bezüglich der Christen, die als solche berufen sind, in Freiheit und Freude und in ihrer Nähe zu Gott anzubeten, und andererseits der althergebrachten oder auch der modernen Liturgien. Und das, weil die Ergebnisse der Erlösung schon bald mit jüdischen Formen verschmolzen sind und darin verborgen wurden und das Gesetz wieder an die Stelle des Heiligen Geistes gesetzt wurde und sich der Mensch im Fleische massiv in Bereiche hineingedrängt hat, die nur solchen gehören, die feierlich ernst als Versammlung Gottes, der Leib Christi, anerkannt werden.

Aber selbst die hervorragendsten Stellungen und höchsten Vorrechte vermögen nicht, den Menschen in einem Zustand praktischer Übereinstimmung mit Gott zu bewahren; das vermag nur Abhängigkeit von dem Herrn und Gehorsam zu bewirken. Nein, mehr noch, je größer die Vorrechte, um so schlimmer wird der Fall sein, wenn die Seele nicht auf Gott wartet. Es ist ein großer Fehler, zu meinen, nur die Schlechten und Verderbten könnten zu Fall kommen; auch ein Christ kann, ja muss sogar zu Fall kommen, wenn er nicht wachsam ist. Der Zustand eines wahrhaftigen Anbeters ist nicht so, dass er wie eine Statue unveränderlich stehen bleibt. Er lebt nun Gott, ist aber doch moralisch verantwortlich; er sollte wachsen und zunehmen, und doch kann es mit ihm bergab gehen. Zweifellos besitzt er noch seine alte Natur; und das einzige, was er damit tun sollte, ist, sie zu verurteilen, sie als verderbt und böse zu behandeln; in Übereinstimmung mit dem Kreuz, wo sowohl die Wurzel als auch die Triebe verurteilt wurden, als Christus dort für uns zur Sünde gemacht wurde.

Grundsätzlich jedoch sind jetzt alle Heiligen berufen, an der Anbetung Gottes teilzunehmen. Sie sind errettet worden, damit sie nicht nur im Dienst nach unten blicken, sondern in der Anbetung aufwärts schauen. Daraus folgt auch die überragende Bedeutung des Mahles des Herrn, des Mittelpunktes christlicher Anbetung, und dessen Feier an jedem ersten Tag der Woche (1. Kor 11; Apg 20). Dies werden wir aber noch ausführlicher vor uns haben, wenn wir die Anbetung selbst und die Hilfen und Hindernisse dafür behandeln.

Die Seelen also, die der Herr hier vor Augen hat, sind solche, die an Seinen Namen glauben und nicht nur Leben haben, sondern den Heiligen Geist besitzen. Daher haben diese auch Freimütigkeit und Kraft und können sich somit auch in aller Natürlichkeit und ungekünstelt mit einfältigen Herzen zu Danksagung und Lobpreis gegen ihren Gott und Seinen Gott, ihren Vater und Seinen Vater vereinigen. Solche, die wohl von neuem geboren, aber weder befreit sind noch Frieden mit Gott besitzen, haben das ganze Evangelium nötig, damit sie sich getrennt von der Welt ihren Brüdern anschließen, und schon jetzt auf Erden durch den vom Himmel gesandten Heiligen Geist mit dem beginnen, was sie alle die ganze Ewigkeit hindurch beschäftigen wird.


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