Ährenlese im Alten Testament (Richter)
Richter 1 und 2
Richter 1,1–15
Es gibt einen großen Unterschied zwischen dem Buch Josua und dem Buch der Richter. Das erste zeigt uns Israel, wie es das Land Kanaan siegreich in Besitz nimmt. Das zweite erzählt uns die Geschichte des Volkes, wie es in seinem Erbteil wohnt. Der Gegenstand wird anscheinend fortgesetzt. Aber gewisse Anzeichen weisen schon darauf hin, dass wir uns nicht mehr in der Zeit Josuas befinden: Obwohl Juda mit Entschiedenheit gegen die Kanaaniter streitet, scheint er mehr auf seinen Bruder Simeon als auf Jehova zu zählen. Dann wird der am Leben gelassene feindliche König auf unmenschliche Weise behandelt.
In der Tat hat sich das ruhmreiche Blatt gewendet; wir werden den Niedergang miterleben.
Und das ist auch mit der verantwortlichen Kirche geschehen. Die Kraft, und zu einem großen Teil auch der gemeinsame Segen, sind heute verschwunden. Aber Gott hat sich nicht verändert. Seine Kraft steht dem persönlichen Glauben immer noch zur Verfügung. Othniel, der Debir einnimmt, ist ein Beispiel dafür. Der Segen steht auch uns zur Verfügung. Es genügt, darum zu bitten, wie Aksa es tut (Vers 15). Er fließt für uns aus dem Geist Gottes, der unsere Seelen durch das Wort Gottes erfrischt, ähnlich wie diese fruchtbar machenden „Quellen“, die in 5. Mose 8,7 verheißen wurden. Lasst uns am Anfang des neuen Jahres diesen Segen von unserem Vater erbitten.
Richter 1,16–26
Kaum angefangen, zeigt uns das Buch der Richter einen ebenso traurigen wie schnellen Verfall. Was ist die Ursache davon? Hauptsächlich das Vergessen der Gegenwart Jehovas. Es ist keine Rede mehr von Gilgal, dem Ort des Selbstgerichts, wo sich der Engel Jehovas befand (Kapitel 2,1). Was ist die Folge davon? Man fürchtet sich vor der Macht der Menschen; ihre eisernen Wagen sind ein Gegenstand des Schreckens. Die Ereignisse hier mögen den Anschein einer Ähnlichkeit mit der Zeit Josuas erwecken. Die Einnahme der Stadt Lus erinnert an diejenige Jerichos. Aber hier ist keine Rede von Glauben, weder bei den Söhnen Josephs, noch bei dem Mann, der den Zugang zur Stadt zeigt. Rahab wurde wegen ihres Glaubens verschont. Ganz anders ist der Fall des Verräters von Lus, der, statt bei dem Volk Israel zu wohnen, seine Stadt anderswo wieder aufbaut. Ein Sieg, der nicht die Frucht des Vertrauens auf Gott ist, hält nie lange an.
Es ist ein allgemeiner Verfall, und jeder Stamm zeichnet sich einzeln dadurch aus, dass er die Gegenwart der Feinde auf seinem Gebiet mit mehr oder weniger Widerstandskraft duldet oder hinnimmt. Auch in der Kirche ist das gemeinsame Erschlaffen die Folge des persönlichen Erlahmens. Jeder Christ hat dabei seine persönliche Verantwortung. Fragen wir uns, du und ich: Was ist meine Verantwortung? Wie war mein Zeugnis seit dem Tag meiner Bekehrung?
Richter 1,27–2,5
Gott hatte einen zweifachen Grund, um die gänzliche Vernichtung der Feinde Israels zu fordern. In erster Linie handelte es sich darum, diese zu bestrafen. Zweitens wollte Er sein Volk vor dem unvermeidlichen Einfluss dieser götzendienerischen Kanaaniter schützen. Moralischerweise sind wir in der gleichen Gefahr. Wir verbringen einen Teil unserer Zeit im Kontakt mit unbekehrten Menschen: Arbeitskollegen, manchmal sogar Familienglieder. Gewöhnlich können wir diese Beziehungen nicht vermeiden. Aber wir müssen darüber wachen, dass sie keinerlei Einfluss auf unser geistliches Leben ausüben. Hüten wir uns zudem vor schlechter Gesellschaft (1. Korinther 15,33). Es gibt Leute, die wir meiden müssen, selbst wenn sie uns deswegen verspotten sollten. Sonst werden sie nicht zögern, uns „ins Gebirge zu drängen“, wie es mit den Kindern Dan geschah (Vers 34), d.h. uns daran hindern, das, was Gott uns gegeben hat, in Frieden zu genießen.
Der Engel Jehovas, der Oberste seines Heeres (Josua 5,14), hat darauf gewartet, dass Israel nach Gilgal zurückkehre, dem Ausgangspunkt der einstigen ruhmreichen Siege. Vergeblich! Da kommt er nach Bochim herauf, zum Ort der Tränen.
Wenn wir die gegenwärtige Schwachheit mit dem herrlichen Anfang der Geschichte der Kirche vergleichen, haben wir dann nicht allen Grund, uns zu demütigen?
Richter 2,6–23
Die Jahre vergingen, und in Israel „kam ein anderes Geschlecht nach ihnen auf, das Jehova nicht kannte und auch nicht das Werk, welches er für Israel getan hatte“. Diese Generation hatte weder die Erfahrung der Treue Gottes in der Wüste noch seiner Macht in Kanaan gemacht.
Das ist ein Beispiel zur ernsten Betrachtung für uns, die wir einer neuen Generation des Volkes Gottes angehören. Als Kinder christlicher Eltern haben wir von dem Wunderbaren, das Gott für die vorangegangenen Generationen getan hat, sagen gehört; aber wir kennen den Herrn vielleicht nicht aus persönlicher Erfahrung.
Leider geht es seit der herrlichen Erweckung des letzten Jahrhunderts traurig abwärts. Die „Vorfahren“, von denen wir gehört haben, sind einer nach dem andern gestorben. Und wenn der Herr uns noch einige Jahre hier lässt, werden die Jüngeren unter uns ihrerseits die Verantwortung übernehmen müssen.
„Gedenket eurer Führer“, ermahnt uns Hebräer 13,7. Sie haben uns ihren schriftlichen Dienst, ihr Beispiel hinterlassen. Lasst uns vor allem ihren Glauben nachahmen. Und denken wir daran: wenn sie uns verlassen haben, so bleibt uns doch der Herr. Seine Gegenwart ist genug, selbst für eine Zeit der Schwachheit, wie die heutige!