Überblick über den Brief an die Hebräer
Der Brief an die Hebräer basiert auf der Person des Herrn Jesus in Seiner göttlichen und menschlichen Natur. Daher ist das Wort Gottes hier einerseits mit Seiner persönlichen Autorität bekleidet ‑ es ist eine göttliche Mitteilung. Andererseits finden wir in diesem Brief auch alles menschliche Mitgefühl, das zur Ausübung des himmlischen Priesterdienstes erforderlich ist. So werden die auf der Erde lebenden Heiligen mit dem Himmel verbunden, wobei sie jedoch nicht als der Leib Christi, als einsgemacht mit Christus, betrachtet werden. Dadurch wird das Judentum beiseitegesetzt. Stattdessen haben wir nun eine himmlische Berufung, in der durch den neuen Bund aber auch bereits der Grund für die erneute Einführung Israels gelegt ist. Unter diesem Aspekt wird das ganze Christentum in Kontrast zu dem früheren System gesetzt, wenn auch durch Vergleiche und Analogien eine gewisse Verbindung hergestellt wird. Diese Parallelität trifft aber nur für den ersten der beiden oben genannten Gesichtspunkte zu ‑ das geoffenbarte Wort Gottes wies bereits auf den auf der Erde lebenden Christus hin. Das himmlische Priestertum stellt dagegen etwas völlig Neues dar.
Die Gottheit Christi bildet die Grundlage für die Autorität des geoffenbarten Wortes Gottes (Kap. 1). Dieser Gegenstand wird in Kapitel 3 fortgesetzt. Dort wird noch die Autorität hinzugefügt, die Christus ‑ im Gegensatz zu Mose ‑ als Sohn über Sein Haus hat (bis Kap. 4, 13). Der Abschnitt schließt mit der Verheißung der Ruhe für das Volk Gottes. In Kapitel 2 wird die Grundlage für die zukünftige Herrschaft und das gegenwärtige Priestertum des Herrn Jesus gelegt, und zwar in Seiner menschlichen Natur. Dieses Thema wird ab Kapitel 4, 14 fortgesetzt. In Kapitel 5 wird die Herrlichkeit der Person und des Dienstes Christi entfaltet. Darauf betont der Schreiber, dass es unmöglich ist, zu den Elementen des Judentums zurückzukehren. Wenn jemand sich von den himmlischen, christlichen Dingen abwandte, konnte er durch keine Macht mehr zurückgebracht werden. Die Hebräer sollten vielmehr auf dem einmal gelegten Grund im Wachstum fortfahren. Gott selbst hatte sie dazu ermuntert, indem er ihnen als den Erben der Verheißung die Unwandelbarkeit seines Ratschlusses durch Wort und Eid bestätigt hatte. Wir sehen bereits in das Innere des Vorhangs hinein, wohin Christus als Vorläufer für uns eingegangen ist, als Hoherpriester nach der Ordnung Melchisedeks.
Dieser Charakter Melchisedeks beinhaltet notwendig die Beiseitesetzung des ganzen Systems des Gesetzes. Das Priestertum selbst wird ebenfalls geändert. Es geht von sterblichen Menschen auf den ewig lebenden Sohn über. „Denn ein solcher Hoherpriester geziemte uns: heilig, unschuldig, unbefleckt, abgesondert von den Sündern und höher als die Himmel geworden.“ (Kap. 7)
In Kapitel 8 sitzt der Hohepriester zur Rechten der Majestät in den Himmeln, „ein Diener des Heiligtums und der wahrhaftigen Hütte“. Zum Priestertum gehören notwendig Opfer. Aber bevor die Frage der Opfer behandelt wird, wird die Änderung des Bundes eingeführt. Auf diesen Wechsel gründet sich der Priesterdienst, insofern Er der Mittler des neuen Bundes ist. Für die bessere und himmlische Hütte muss es dann auch bessere Schlachtopfer geben.
Aber in der Stiftshütte selbst gab es einen Unterschied. In der alten jüdischen Stiftshütte war der Vorhang nicht zerrissen. Jetzt aber ist er zerrissen. Dadurch deutet der Heilige Geist an, dass, solange die erste Hütte noch Bestand hatte, der Weg in das Heiligtum versperrt war. Im Unterschied zu den Opfern des Alten Bundes reinigt das Blut Christi das Gewissen, nicht nur die Sünden, und wirkt sich auf den ganzen Bereich der Beziehungen des Geschöpfes zu Gott aus. Der nächste Gegensatz ist der, dass Christus sich nicht mehrmals opfern musste, um in das himmlische Heiligtum einzugehen; dann hätte er oftmals leiden müssen. Am Ende aller Wege Gottes, durch welche die Welt erprobt wurde, erschien er vielmehr, um die Sünde durch sein einmaliges Opfer abzuschaffen. Darauf stellt der Apostel dem Los des Menschen, der dem Tod und dem Gericht unterworfen ist, das des Christus gegenüber: Er wurde einmal geopfert, um vieler Sünden zu tragen, und wird für diejenigen, die Ihn erwarten, ohne irgendeine Beziehung zur Sünde wiederkommen (Kap. 9).
Im folgenden Kapitel entfaltet der Heilige Geist die ganze Tragweite des Opfers Christi. Jemand, der durch dieses Opfer gereinigt ist, hat kein Gewissen von Sünden mehr. Dagegen gab es in den wiederholten Opfern des Alten Bundes ein immer neues Erinnern an die Sünde. Darauf wird der Ursprung des Opfers Christi im Willen Gottes dargelegt.
Gott bereitete einen Leib für Ihn, und Christus opferte sich selbst, um den Willen Gottes mit der gleichen Willigkeit auszuführen. Darauf hat er sich auf immerdar zur Rechten Gottes gesetzt, anstatt ‑ wie die früheren Hohenpriester ‑ stehend oftmals dieselben Opfer darzubringen; denn „mit einem Opfer hat er auf immerdar vollkommen gemacht, die geheiligt werden“. Auch der Heilige Geist bezeugt das, indem Er sagt: „ Ihrer Sünden und ihrer Gesetzlosigkeiten werde ich nie mehr gedenken.“ Somit haben wir den Willen Gottes, das Werk Christi und das Zeugnis des Heiligen Geistes, die uns göttliche Sicherheit und einen unwandelbaren Frieden geben. Hierauf ermahnt der Apostel die Hebräer, in voller Gewissheit des Glaubens auf dem neuen und lebendigen Weg durch den zerrissenen Vorhang in das Heiligtum einzutreten. Aus dem gleichen Grund warnt er sie aber auch; denn wenn jemand das Werk Christi missachtet, gibt es für ihn kein anderes Opfer mehr.
Die Hebräer bedurften des Ausharrens. Aber Christus würde bald kommen. Bis dahin mussten sie durch Glauben leben (Kap. 10). Zu diesem Zweck zeigt der Heilige Geist nun, dass alle die Heiligen, die unter den Hebräern so hoch angesehen waren, ihr gutes Zeugnis durch Glauben erlangt hatten. In dieser Reihe finden wir zuerst die großen Prinzipien:
- die Schöpfung, durch Glauben erkannt
- das Opfer, das durch Glauben dargebracht wird, um Gerechtigkeit zu erlangen
- der Wandel mit Gott in der Kraft des neuen Lebens, „durch Glauben“
- schließlich ein Handeln durch Glauben, das in Übereinstimmung mit verheißenen zukünftigen Ereignissen steht.
Danach werden uns die beiden wesentlichen Seiten des Glaubens vorgestellt: passives Vertrauen auf Gott und geduldig wartender Glaube einerseits; aktive Glaubensenergie andererseits. Alle aufgeführten Beispiele stammen aus einer Zeit, als Israel noch nicht im Land war. Im Anschluss hieran werden verschiedene Leiden aufgezählt, die die Heiligen aufgrund ihres Glaubens erdulden mussten. Dadurch wird einmal bewiesen, dass die Welt ihrer nicht wert war, und zum anderen, dass diese Gläubigen gestorben sind, ohne die Verheißung erlangt zu haben. Gott hatte zunächst für uns etwas Besseres vorgesehen, bevor sie vollkommen gemacht werden konnten (Kap. 11).
Schließlich wird Christus als der letzte große Zeuge eingeführt. Er hat überwunden, er hat sich zur Rechten Gottes gesetzt und die Herrlichkeit empfangen. Im Anschluss daran zeigt der Heilige Geist, dass Leiden auch den Charakter väterlicher Zucht haben. Darüber hinaus waren die Hebräer zum Berg der Gnade, nicht dem des Gesetzes und des Schreckens, gekommen. In diesem Zusammenhang beschreibt der Apostel den gesamten Zustand des Tausendjährigen Reiches im Himmel und auf der Erde ‑ und zwar als etwas, zu dem sie jetzt schon gekommen waren. Dann sagt er voraus, dass alles Erschaffene erschüttert werden wird. Er besteht darauf, dass die Hebräer das jüdische Lager, also das Prinzip der Verbindung von Religion und Welt, verlassen müssen. Sie sollen vielmehr aufgrund des Sündopfers Christi zu Ihm hinausgehen; denn wenn Er tatsächlich das Sündopfer war, bleiben für sie nur noch zwei Plätze übrig: entweder im Himmel, wo Sein Blut ist, oder außerhalb des Lagers bzw. Tores, wo das Sündopfer verbrannt wurde. Den Schluss des Hebräerbriefes bilden einige praktische Ermahnungen (Kap. 12‑13).