Die Apostelgeschichte
Kapitel 1
Die Apostelgeschichte ist durch ihre einleitenden Worte sehr deutlich mit dem Evangelium nach Lukas verbunden. Der Empfänger ist in beiden Fällen derselbe Theophilus und im ersten Kapitel wird der Bericht gerade an der Stelle wiederaufgenommen, wo ihn das Evangelium verließ, abgesehen davon, daß zusätzlich noch einige Einzelheiten der Worte des Herrn nach Seiner Auferstehung mitgeteilt werden und der Bericht Seiner Himmelfahrt in einem etwas anderen Zusammenhang wiederholt wird. Das Evangelium führt zu Seiner Auferstehung und Himmelfahrt hin, während die Apostelgeschichte mit diesen herrlichen Tatsachen beginnt und ihre Folgen entfaltet.
In den ersten Versen bezeichnet Lukas sein Evangelium als einen „Bericht ..., was Jesus anfing, sowohl zu tun, als auch zu lehren“. Das Wort „anfing“ ist beachtenswert. Daraus läßt sich ableiten, daß Jesus Sein Tun und Lehren nicht wegen Seiner Himmelfahrt, durch die Er für Menschen unsichtbar wurde, aufhörte. Die Apostelgeschichte teilt uns mit, was Jesus fortfuhr zu tun, indem Er den Heiligen Geist von dem Vater aus sandte, um durch ihn zu wirken mittels der Apostel und anderer. Auf die gleiche Weise entdecken wir durch das Lesen der Briefe, wie Er zu gegebener Zeit durch die Apostel zu lehren fortfuhr. Bevor Er aufgenommen wurde, gab Er den Aposteln die notwendigen Anweisungen, und zwar „durch den Heiligen Geist“, obwohl ihnen bis dahin der Geist noch nicht gegeben war. In seinem Evangelium hatte Lukas uns den Herrn als den vollkommenen Menschen dargestellt, der immer in der Kraft des Geistes wirkte, und in demselben Licht sehen wir Ihn hier.
Für den Zeitraum von vierzig Tagen offenbarte Er sich als der, der über die Macht des Todes hinaus lebt und so wurden viele Beweise Seiner Auferstehung erbracht. Während dieser Kontakte mit Seinen Jüngern redete Er zu ihnen über die Dinge, die das Reich Gottes betreffen, und wies sie an, in Jerusalem auf das Kommen des Geistes zu warten. Johannes, der mit Wasser taufte, hatte auf Ihn hingewiesen als den, der mit Heiligem Geist taufte, und diese Taufe sollte nun in einigen Tagen stattfinden.
Der Herr hatte vom Reich Gottes gesprochen, jedoch waren sie in Gedanken noch immer mit der Wiederherstellung des Reiches für Israel beschäftigt. Darin verhielten sie sich wie die beiden, die nach Emmaus gingen, obwohl sie jetzt wußten, daß Er auferstanden war. Ihre Frage gab dem Herrn Gelegenheit zu zeigen, wie sich die neu beginnende Haushaltung ausbreiten würde. Wir sehen erneut genau das, was wir auch schon in Lukas 24 gesehen haben; das Zentrum dieser Ausbreitung ist nicht Israel, sondern Christus. Das Kommen des Geistes würde sich in Kraft erweisen, nicht, daß die Apostel Israel wiederherstellen sollten, sondern sie sollten „Seine Zeugen“ sein: Zeugen Christi bis an das Ende der Erde. Die vier Kreise des Zeugnisses, die am Ende von Vers 8 erwähnt werden, zeigen uns zugleich eine Möglichkeit, das Buch einzuteilen: Wir beginnen mit dem Zeugnis in Jerusalem, und bis zum Ende von Kapitel 7 sind wir mit dieser Stadt und mit Judäa beschäftigt; in Kapitel 8 geht es dann um Samaria; in Kapitel 9 wird der Mann berufen, der den Nationen das Evangelium bringen sollte, und in Kapitel 13 beginnt die Aussendung bis an das Ende der Erde.
Einen scheinbaren Widerspruch gibt es zwischen Kapitel 1,7 und dem, was Paulus in 1. Thessalonicher 5,1.2 schreibt. Doch wußten sie dort, was bezüglich der Absichten Gottes mit der Erde geschehen würde, hier aber ist es so, daß wir nicht wissen können, wann, da das eine Sache ist, die der Vater sich selbst vorbehalten hat. Unsere Aufgabe ist es, eifrig und wahrhaftig Zeugnis für Christus abzulegen. Die Wirkung dieses Zeugnisses wird erst in einfacher Weise in Apostelgeschichte 15,14 beschrieben.
Nachdem Jesus dies gesagt hatte, wurde Er emporgehoben, und eine Wolke - zweifellos die Wolke aus Lukas 9,34 - verbarg Ihn vor ihren Augen. Doch zwei himmlische Boten standen bei ihnen, um Seine kurz zuvor gegebene Erklärung zu ergänzen. Ihre Sendung bestand darin, Zeugen des aufgefahrenen Christus zu sein, aber ihre Hoffnung sollte Sein Wiederkommen sein -- geradeso wie Er gegangen war. Sein Hingehen war nicht irgendwie bildlich, schattenhaft oder mystisch, sondern wirklich und wörtlich. Sein Kommen wird genauso wirklich und wörtlich sein.
Bis zu dem Kommen des Geistes sollten noch 10 Tage vergehen, und der Rest des Kapitels berichtet uns, womit diese Tage des Wartens ausgefüllt waren. Die Zahl derer, die sich in Jerusalem offen als Jünger bekannten, betrug ungefähr hundertundzwanzig, und sie verbrachten ihre Zeit mit Gebet und Flehen. Es war noch kein Zeugnis möglich, bevor der Geist gegeben war, doch sie konnten den sicheren Platz völliger Abhängigkeit von Gott einnehmen und darin verharren.
Sie konnten sich weiterhin auf die Schriften beziehen und diese auf die gegenwärtige Situation anwenden, da ja der Herr ihr Verständnis geöffnet hatte, die Schriften zu verstehen, wie es Lukas 24 heißt. Es ist bemerkenswert, daß gerade Petrus in dieser Sache die Initiative ergriff, da er doch nur etwa sechs Wochen zuvor so schlimm gesündigt hatte. Das zeigt jedoch, wie völlig der Herr ihn wiederhergestellt hatte. Nun war Petrus in der Lage, die Psalm 69,25 und 109,8 auf diese bemerkenswerte Weise in Zusammenhang zu bringen. Die Verse 18 und 19 sind offensichtlich nicht die Worte des Petrus, sondern eine Einfügung, durch die uns Lukas weitere Einzelheiten über das schreckliche Ende des Judas mitteilt.
Ein wesentliches Kennzeichen der Apostelschaft bestand darin, Augenzeuge der Auferstehung des Heilandes gewesen zu sein. Der Apostel mußte von Ihm zeugen können als jemand, der Ihn als den Auferstandenen persönlich gesehen hatte: daher auch Paulus' dritte Frage in 1. Korinther 9,1. Paulus hatte Ihn allerdings nicht während der vierzig Tage gesehen, sondern später im vollen Glanz Seiner Herrlichkeit. Es mußte aber von Anfang an die zwölf apostolischen Zeugen geben, und so wurde Matthias auserwählt. Sie nahmen ihre Zuflucht zu der alttestamentlichen Praxis, Lose zu werfen. Eine Leitung, wie wir sie in Kapitel 13,2 finden, konnte noch nicht bekannt sein, bevor der Heilige Geist gegeben war.