Betrachtung über das Buch Ruth (Synopsis)
Das Buch Ruth erzählt uns auch von den Tagen der Richter, als kein König in Israel war; es zeigt uns aber die schöne Seite jener Tage in den Auswirkungen der Gnade Gottes, der (gepriesen sei sein Name!) es niemals unterließ, inmitten des Bösen, wie auch in dem beständigen Fortschritt der Ereignisse zur Erfüllung seiner Verheißungen im Messias hinzuwirken, welcherart der gleichzeitige Fortschritt des allgemeinen Bösen auch sein mochte.
Ruth, eine Fremde, die durch Glauben unter den Flügeln des Gottes Israels Schutz suchte, wird in Gnade aufgenommen, und das Geschlechtsregister Davids, des Königs über Israel nach der Gnade, ist mit ihr verbunden. Es ist das Geschlechtsregister des Herrn Jesus selbst nach dem Fleisch.
Es scheint mir, dass uns dieses Buch im Vorbild die Annahme des Überrestes Israels in den letzten Tagen in Gnade darstellt, indem ihr Erlöser (der Blutsverwandte, der das Lösungsrecht hat) ihre Sache in die Hand genommen hat.
Da Elimelech (was bedeutet: Gott der König) tot ist, wird Noomi (Huldvolle, Liebliche) Witwe, und schließlich verliert sie auch ihre Kinder. Sie ist ein Vorbild der jüdischen Nation, die, da sie ihren Gott verloren hat, einer Witwe gleicht und keinen Erben hat. Doch wird es einen Überrest geben, bar aller Rechte auf die Verheißungen (und deshalb sinnbildlich durch eine Fremde dargestellt), der in Gnade angenommen werden wird (gleich wie die Nationen und die Versammlung, vgl. Mich 5,3, den letzten Teil) – der sich treu und herzlich dem verödeten Israel anschließen wird; denn Ruth hielt sich an sie und an ihren Gott (Rt 1,16). Gott wird diesen Überrest anerkennen, der, selbst arm und bedrängt, von Herzen den Geboten gehorchen wird, die dem Volk gegeben sind.
Noomi, die in ihrer Verarmung ein Vorbild der Nation ist, gibt ihren Zustand zu: sie nennt sich Mara (Bitterkeit).
Der nächste Blutsverwandte, der gerne das Erbteil eingelöst hätte, weigert sich, es zu tun, wenn Ruth mit übernommen werden muss. Das Gesetz (noch die Versammlung) war jemals fähig, Israel wieder in sein Erbteil einzusetzen, noch den Namen des Toten in Gnade zu erwecken.
Boas (in ihm ist Stärke), auf den der Überrest keinen direkten Anspruch hatte (und der ein Sinnbild des auferstandenen Christus ist, in dem die gewissen Gnaden Davids sind), übernimmt es, den Namen des Toten zu erwecken und das Erbteil Israels wiederherzustellen. Er handelt in Gnade und in Güte und ermutigt den geduldigen und demütigen Glauben des Überrests, der Sanftmütigen der Erde, und er erweist sich als treu, den Vorsatz und den Willen Gottes in Bezug auf diese arme und elende Familie zu erfüllen. Nichts kann rührender und auserlesener sein als die hier gegebenen Einzelheiten. Der Charakter Ruths, der armen Frau aus den Nationen, weist eine große Schönheit auf.
„Noomi nahm das Kind und legte es auf ihren Schoß“, und es wurde gesagt: „Ein Sohn ist der Noomi geboren.“ Tatsächlich wird der Erbe der Verheißungen Israel als Nation geboren werden, obwohl die Erfüllung der Verheißungen nur den Überrest berührt, der, während er sich völlig mit dem Interessengebiet des Volkes eins macht, weder den Reichen noch den Armen nachgeht, sondern im Glauben und Gehorsam das Zeugnis Gottes inmitten des Volkes auf dem von Ihm bestimmten Pfad bewahrt hat. Wenn uns also das Buch der Richter einerseits den Abfall des Volkes Israels und ihr Versagen unter der Verantwortlichkeit zeigt, selbst als Gott ihr Helfer war, so stellt uns andererseits dieses rührende und kostbare Buch die Morgendämmerung besserer Dinge, die Gnade, vor Augen, die inmitten der Schwierigkeiten wirkt, indem sie die Erfüllung der Verheißung sichert und diesen Schauplatz des Elends und der Sünde durch liebliche und schöne Fälle des Glaubens verschönert, durch diese köstlichen Früchte der Gnade, sei es in Schwachheit und Ergebenheit oder in Kraft und Güte, und immer im Einklang mit dem vollkommenen Willen Gottes, und versichert durch diese rührende Geschichte sinnbildlich, dass Israel den Verheißungen gemäß völlig zum Segen wiederhergestellt werden wird. Es ist ein erfrischendes und liebliches Bild inmitten der Hartherzigkeit und Leiden Israels.
In den darauffolgenden Büchern werden wir Weissagung und die Geschichte der Verfahren Gottes und die Entwicklung der Begebenheiten sehen, die zur Erfüllung seiner Pläne beitrugen – die ersten Grundsätze, deren Bestandteile in dem, was uns in diesem Buch gezeigt wird, dargelegt werden. Denn das Buch Ruth ergibt eine Art vermittelndes Band zwischen dem Fall Israels unter der unmittelbaren Regierung Gottes und der zukünftigen Erfüllung seiner Verheißungen.
Die Weissagung, die diese Vorsätze entfaltet und den sittlichen Beweis dieses Falles gibt, beginnt mit Samuel; wir erfahren dies vom Apostel Petrus, und auch, dass Christus der Gegenstand der Weissagung ist (siehe Apg 3,24).
Eli, der letzte Richter und Priester, scheidet ab; seine Familie soll abgeschnitten werden; die Bundeslade wird von den Philistern genommen, und Samuel, der Gott auf eine neue und ungewöhnliche Weise geweiht wird, erscheint mit einem besonderen Zeugnis des Herrn.