Der Brief des Judas
Der Judasbrief hat eine sehr große Ähnlichkeit mit 2. Petrus 2,1-3,14, was leicht zu erkennen ist und jedem Leser sogleich auffallen muß. Beide Schriftabschnitte nehmen Bezug auf böse Menschen, die sich unter die Gläubigen einschleichen, und beide entlarven deren wahren Charakter. Beide führen zur Illustration und Warnung alttestamentliche Beispiele an, beide erwähnen Engel, die gesündigt haben, und Sodom und Gomorra. Beide erinnern uns daran, daß nicht einmal heilige Engel sich Autorität anmaßen, wie diese Menschen es tun. Beide führen Bileam an. Beide bringen eine Folge sehr kraftvoller und anschaulicher Gleichnisse, um uns einen Eindruck von der schrecklichen Bosheit und Sünde dieser Menschen zu vermitteln. Beide benutzen das, was sie über das Böse zu sagen haben, um den Gläubigen das, was gut ist, einzuschärfen.
Doch bei all diesen Ähnlichkeiten gibt es grundlegende Unterschiede, und wir wollen versuchen, sie zu erfassen. Bei Petrus sind die in Frage kommenden Menschen deutlich falsche Lehrer, die selbst ins Verderben gehen, die aber andere zum Bösen beeinflussen und unbefestigte Seelen mit sich ins Verderben ziehen. Letztere bekennen sich zwar zum Christentum, haben aber nur äußerlich die Verdorbenheit der heidnischen Welt hinter sich gelassen. Im Judasbrief wird von den bösen Menschen nicht in derselben bestimmten Weise als von Lehrern gesprochen; aber daß sie Widersprechende sind, wird ausdrücklich betont. Ihr Kennzeichen ist regelrechte Abtrünnigkeit, und in Verbindung damit wird von den Engeln, die einmal gerichtet werden, gesagt, daß sie nicht nur gesündigt, sondern auch ihren ersten Zustand nicht bewahrt haben, das heißt mit anderen Worten, daß sie Abgefallene sind. Judas scheint daher einen Zustand der Dinge zu betrachten, der sich noch verschlimmert hat gegenüber dem, den Petrus vor Augen hat.
Auch der Apostel warnt uns in 2. Timotheus 3,1-4,5 im Blick auf den Charakter der letzten Tage und nennt den Dienern Gottes Verhaltensmaßregeln für diese Zeit. Seine Sprache ist ungefähr die gleiche. Paulus und auch Petrus sprechen von „den letzten Tagen“. Judas spricht von „der letzten Zeit“. Auch Johannes spricht in seinem ersten Brief von „der letzten Zeit“ oder genauer „der letzten Stunde“, wobei dieser Ausdruck allerdings bedeutet, daß sie die letzte Stunde erreicht hatten, als er schrieb. Keine neue „Stunde“ würde anbrechen zwischen der Zeit seines Schreibens und dem Kommen des Herrn, das stattfinden wird, wenn der Antichrist erschienen ist. Schon viele weniger bedeutsame Antichristen waren als Vorläufer des kommenden großen Antichristen erschienen. Jeder der anderen inspirierten Schreiber, Paulus, Petrus und Judas, schauen aus nach dem Kommen des Herrn, der das Böse endgültig vernichten wird.
Judas selbst wendet sich an die „Berufenen“, das heißt an solche, die wirklich das berufene Volk Gottes sind, und das ohne Unterschied. Er schreibt nicht an Gläubige, die eine bestimmte örtliche Versammlung ausmachen, auch nicht an jüdische Gläubige im Unterschied zu Gläubigen aus den Völkern: alle Gläubigen hat er im Blick. Er betrachtet sie auf zweifache Weise: zuerst in ihrer Beziehung zu Gott, dem Vater, und dann in der zu Jesus Christus. Sie und auch wir sind „geliebt“ in Gott, dem Vater, und „bewahrt“ in Jesus Christus.
Wie schön ist dieser Ausdruck! Das ist hier der erste Ausdruck, der kennzeichnend ist für diesen Brief. Als solche, die aus der Welt heraus berufen sind, werden die Gläubigen ganz allgemein angesprochen. Alle sind geliebt in Gott dem Vater, da sie aus Ihm geboren sind; und in der mächtigen Hand des Herrn Jesus Christus werden sie alle bewahrt. Die wahren Heiligen Gottes sind die Gegenstände göttlicher Liebe, und trotz all des Bösen, das in den christlichen Bereich eindringen mag, werden sie bis zum Ende bewahrt. Überdies werden ihnen Barmherzigkeit und Frieden und Liebe vermehrt, wenn sich auch die sie umgebenden Übel vervielfachen. Was für eine Ermutigung liegt hierin! Das gibt Sicherheit und Stärke! In dieser Kraft können wir weitergehen, um die bösen Dinge zu betrachten, die hier enthüllt und vorhergesagt werden.
Judas hatte die Absicht, eine Abhandlung über „das gemeinsame Heil“ zu schreiben, aber er sah sich geführt, dieses Vorhaben fallenzulassen, um dann diesen kurzen Brief zu schreiben und die Gläubigen zu ermahnen, den Glauben zu verteidigen. Das ist ein bemerkenswertes und einzigartiges Bekenntnis. Das „gemeinsame Heil“, d.h. das Heil, an dem wir alle teilhaben, ist ein unerschöpfliches Thema, und es ist möglich, daß Judas bei anderer Gelegenheit seinem ursprünglichen Vorsatz nachgekommen ist, ohne dabei inspiriertes Wort Gottes niederzuschreiben. Eine inspirierte Darstellung dieses Heils hatte der Apostel Paulus bereits im Römerbrief gegeben, und in dem inspirierten Wort wiederholt Gott sich nicht. Doch da war noch eine Lücke in der Schrift auszufüllen; deshalb gab Judas seine anfängliche Absicht auf, und Gott ehrte ihn dadurch, daß Er ihn zu dem Dienst drängte, diese Lücke auszufüllen.
Es war jetzt notwendig, daß diese von Gott Berufenen ermahnt würden, für den Glauben zu kämpfen. Nur den Aposteln war es gegeben, den Glauben maßgeblich festzulegen und ihn in inspirierten Schriften niederzuschreiben. Es war auch nur einigen gegeben, Hirten und Lehrer zu sein und im Glauben zu unterweisen. Wie nahe lag es da, daß die Mehrzahl der Gläubigen vorschnell zu der Schlußfolgerung kam, daß die Verteidigung des Glaubens und der Kampf dafür auch eine Sache von nur wenigen sei. Deshalb war dieses Wort der Ermahnung unbedingt erforderlich. Ist es nicht ungewöhnlich und tadelnswert, daß es angesichts dieser Ermahnung doch so viele gibt, die den Kampf für den Glauben nicht als ihre Sache ansehen und ihn gern wieder einigen wenigen überlassen möchten, die über eine hohe akademische Qualifikation oder eine Art amtlichen Status verfügen?
Der Glaube ist überaus kostbar. Er vereinigt alles, was wir von Gott in Christus wissen. Wenn es gut steht damit, geht alles gut, soweit es uns betrifft. Deshalb muß er um jeden Preis unversehrt festgehalten werden, und das nicht nur passiv, sondern indem wir aktiv dafür kämpfen. Der Glaube ist „einmal den Heiligen überliefert“ worden. In dieser Aussage sind drei Punkte enthalten, die wir sorgfältig beachten sollten.
Zuerst einmal ist der Glaube überliefert, nicht etwa entdeckt worden. Er ist nicht eine Sache, die von Menschen ausgearbeitet und Stück für Stück erweitert wurde, was auf die „Wissenschaften“ zutrifft, sondern er ist von Gott durch Seinen Heiligen Geist geschenkt worden. Die Wissenschaften sind auf Beobachtung, Experiment und logische Beweisführungen aufgebaut. Der Glaube ist von Gott offenbart worden, damit unser Glaube ihn empfange.
Zweitens ist der Glaube einmal überliefert worden, das heißt: ein für allemal. Diese Überlieferung geschah in recht kurzer Zeit. Sie begann durch die vom Herrn gesprochenen Worte, und sie ist uns von denen, die sie hörten, bestätigt worden. Jedenfalls war diese Überlieferung um die Zeit, als Judas schrieb, beendet. Der ganze Umfang der offenbarten Wahrheit liegt vollständig in den apostolischen Schriften vor. Wissenschaftler sind immer in Erwartung neuer Entdeckungen. Sie haben nur sehr wenig Erkenntnisse, die sicher oder ohne jede Frage endgültig geklärt sind. Wir haben einen ein für allemal überlieferten Glauben. Gott hat gesprochen. Sein Wort ist schriftlich niedergelegt worden. Weitere Offenbarungen erwarten wir nicht. Man kann das Wort zwar zurückweisen, aber verbessern kann man es nicht. Wir empfangen es und erbitten von Gott Hilfe, um es immer besser zu verstehen.
Drittens ist er den Heiligen überliefert worden. Er wurde nicht den Aposteln und Propheten überliefert, sondern durch sie den Heiligen. Folglich müssen alle Heiligen ihn bewahren und nicht nur einige hervorragende und begabte Männer unter ihnen. Das ist eine bedeutungsvolle Tatsache. Der Glaube wendet sich an den Glauben eines jeden einzelnen von uns. Jeder soll ihn empfangen und verstehen, jeder soll für seine Bewahrung einstehen und für ihn kämpfen, falls es not tut. Im Licht dieser Ausführungen kann man sehen, wie unheilvoll sich die Vorstellung ausgewirkt hat, daß es ausreicht, in der Kirche eine besondere Klasse von amtlich dazu bestimmten Menschen zu haben, seien es Priester oder Prediger, deren Angelegenheit das ist. Es war ein Meisterstück des Widersachers, denn wo diese Vorstellung die Oberhand gewann, da ist die große Masse der Gläubigen von jedem Mitwirken am Glaubenskampf ausgeschlossen und in einem Zustand geistlicher Unmündigkeit gehalten worden.
Jeder wahre Gläubige sollte also für den Glauben kämpfen, und zwar ernstlich, aus einem lebenswichtigen Interesse heraus. Einzelheiten darüber, wie wir kämpfen sollten, werden von Judas in diesem kurzen Brief nicht beschrieben. An anderer Stelle finden wir, daß wir alle fleischlichen Waffen meiden müssen und daß unser Geist sanftmütig und demütig sein sollte nach dem Beispiel des Herrn Jesus, dem wir dienen (siehe 2. Kor 10,4; 2. Tim 2,24.25). Judas belehrt uns darüber, wie wir uns im Glauben stärken sollten, denn das muß dem Kämpfen vorausgehen. Aber das kommt am Schluß des Briefes.
Von Vers 4 an beleuchtet er den Zustand der Dinge, wie er sich damals entwickelte und der seine Botschaft so dringlich machte, Menschen eines sehr verkommenen Typs hatten sich eingeschlichen - Gottlose, die die Gnade Gottes in schlimme Ausschweifung verkehrten und den großen Meister verleugneten, dem sie angeblich dienten. Im ersten Johannesbrief sahen wir, daß es Antichristen gab, die „hinausgegangen waren“, während die Menschen, von denen Judas spricht, „sich einschlichen“. Erstere waren offensichtlich Menschen einer höheren Klasse, intelligent und philosophisch begabt, die sich abkehrten, wenn ihre Vorstellungen zurückgewiesen wurden. Letztere gehörten nicht zu den oberen Klassen, sie waren durch Zügellosigkeit gekennzeichnet und benutzten die Gnade Gottes als Mantel, um ihre Sünde zu verbergen.
Wir hören heutzutage manchmal, daß Menschen gegen die Lehre von der Gnade sprechen, weil sie mißbraucht werden könnte. Die Antwort darauf ist, daß sie mißbraucht worden ist und daß der Mißbrauch in vollem Gang war, ehe das erste Jahrhundert zu Ende ging. Die Schrift teilt uns mit, wie die Gnade mißbraucht wurde. Und doch empfiehlt sie uns nicht, die Lehre von der Gnade fallenzulassen, vielmehr schärft sie uns ein, für sie zu kämpfen.
In den Versen 5-7 werden drei Fälle angeführt, die uns zeigen, daß ein unwiderrufliches Gericht Gottes auf dieser Art des Bösen liegt, das diese gottlosen Menschen verübten. Im Fall Israels war es eindeutiger und vollständiger Unglaube, und die Ungläubigen wurden vertilgt trotz der Tatsache, daß sie anfangs an vielen Vorrechten Anteil hatten. Die Sünde der Engel ist mit einem Wort umschrieben: Abfall. Sie verließen gänzlich ihren ursprünglichen Platz und Zustand. Das ist Abfall. Irgendein Geschöpf, ob Engel oder Mensch, das abfällt, ist hoffnungslos verdammt. Sodom und ihre Schwesterstädte ergaben sich äußerster Sittenlosigkeit. Sie durchbrachen die von Gott gesetzten Schranken und zogen sich ewiges Gericht zu. Drei entsetzliche Warnungen!
Diese Menschen nun, die Judas öffentlich anklagt, hatten mit ähnlichen Dingen zu tun. Sie befleckten sich selbst durch fleischliche Sünden, und gleichzeitig verachteten sie in überheblicher Weise jede Autorität. Das leitet über zu dem denkwürdigen Vers über den Wortwechsel des Erzengels Michael mit dem Teufel. Was Judas hier anführt, ist im Alten Testament nicht erwähnt. Der Teufel - jetzt ein gefallenes Wesen - nahm einst im Reich der Engel einen hohen Rang ein, und seine Würde ist so lange zu respektieren, bis Gott ihn endgültig entmachtet hat. Selbst ein unter den Engeln mit so hoher Würde ausgestatteter Erzengel Michael respektierte ihn. Er tadelte ihn nicht selbst, sondern überließ das dem Herrn.
Daraus wollen wir lernen, daß auch wir nicht tun, wovon selbst Michael sich zurückhielt. Wie oft hören wir vielleicht die Leute über Satan in einer leichtfertigen und spöttischen Weise reden, und wir mögen das auch schon getan haben. Laßt es uns nicht wieder tun. Satan ist ein Geistwesen, das einmal eine führende Stellung einnahm, wenn nicht den höchsten Platz in der Hierarchie der Engelwelt. Obwohl er abgefallen ist, übt er noch ungeheure Macht aus, die zu verachten wir uns nicht erlauben können. Doch unter der schützenden Macht unseres Herrn brauchen wir ihn nicht zu fürchten.
Vers 10 enthält eine scharfe Anklage. Unwissende und arrogante Menschen neigen im allgemeinen dazu, Dinge, die sie nicht verstehen, zu mißbrauchen. Diese Menschen taten nicht nur das, sondern sie verdarben sich selbst in Dingen der Natur, die sie verstanden. „Was irgend sie aber von Natur wie die unvernünftigen Tiere verstehen, darin verderben sie sich.“ Über geistliche Dinge spotten sie, in natürlichen Dingen richten sie sich zugrunde. Wirklich eine furchtbare Anklage!
Der Lebensweg dieser Menschen nun und im besonderen vielleicht der Verlauf des von ihnen verübten Bösen, wie es sich in ihren Nachfolgern immer weiter fortsetzt, wird uns in Vers 11 anschaulich skizziert. Wieder werden drei Begebenheiten aus dem Alten Testament angeführt, die den Sachverhalt deutlich vor uns stellen. In dieser Sache gibt es nichts Neues unter der Sonne. Wieder und wieder zeigt sich das Böse in denselben Formen, nimmt den gleichen Verlauf und kommt zu demselben Ende. Judas nimmt kein Blatt vor den Mund. Wehe diesen Menschen! Sie werden ihrer ewigen Qual nicht entrinnen.
Der Anfang ihres Weges entspricht dem Weg Kains. Das ist ein Weg des Eigenwillens in göttlichen Dingen. Kain war der erste, der diesen Weg ging, und er hat ihm seinen Namen aufgeprägt. Er wollte Gott nahen, was an sich gut war. Aber er wollte es auf seine Weise tun, nicht auf Gottes Weise. Nun hatte Gott dadurch, daß Er unsere ersten Eltern mit Röcken von Fell bekleidet hatte, angezeigt, daß der Tod eines Stellvertreters Seine Weise war, und der Glaube Abels hatte das erfaßt. Kain hatte keinen Glauben, nur seine eigenen Gedanken. Warum sollte Gott nicht zufriedengestellt sein auf eine Weise, wie sie Kain recht erschien? Er wollte es im Eigenwillen auf seine eigene Art machen.
Diese Menschen gingen den Weg Kains, und das ist immer noch ungeheuer populär. Es gibt Mengen von Menschen, die ihre eigenen Gedanken dem Wort Gottes vorziehen. Warum sollten denn ihre Anstrengungen und ihr Nahen Gott nicht angenehm sein? Solange sie Ihn anerkennen, können sie da nicht nahen und anbeten, wie es ihnen gefällt? Das jedenfalls möchten sie tun. Ach, sie gehen noch immer auf dem Weg Kains, und an seinem Ende steht das Wehe.
„Sich für Lohn dem Irrtum Bileams überliefern“ ist der nächste Schritt. Das ist reiner Eigennutz, in göttlichen Dingen. Man gibt sich einen religiösen Anschein, und das wird zu einem einträglichen Geschäft. Bileam war ein spiritistisches Medium, das sich aus der wahren Erkenntnis Gottes so viel zu eigen machte, als es ihm vorteilhaft schien. Das war der Irrtum, den Bileam praktizierte. Der Irrtum, den er lehrte und durch den er viele in Israel verführte und unter das Gericht Gottes brachte, war eine sündige Verbindung mit der götzendienerischen Welt. Und in alledem, was er praktizierte und lehrte, hatte er nur ein Ziel: Geld zu machen und Lohn zu lieben.
Dieser Brief spricht von „dem Weg Kains“ und „dem Irrtum Bileams“. Im zweiten Petrusbrief lesen wir von „dem Weg Bileams“. Doch in beiden Briefen ist es derselbe Gedanke, der damit verbunden wird, denn Petrus schreibt von Bileam, daß er „den Lohn der Ungerechtigkeit“ liebte. Sein Vorgehen war „Verkehrtheit“. Ach, seine Verkehrtheit hat viele Nachfolger gehabt von dem Tag an, als Judas schrieb, bis heute. Die bösen Menschen, die Judas enttarnte, hatten sich dem Irrtum Bileams überliefert, und wir glauben, daß das noch immer auf viele zutrifft. Die Tatsache ist auffallend, daß Bileam und seine böse Lehre gerade im Sendschreiben des Herrn an die Versammlung in Pergamus erwähnt werden (Offb 2), weil diese Versammlung prophetisch die Epoche darstellt, in der die Kirche sich unter den Schutz der Welt stellte und das Verderben des römischen Systems einsetzte.
In diesem System sehen wir die Religion als eine Macht, die Geld und Reichtum anstrebt, bis zum höchsten Grad entwickelt. Vor Jahren gab es in Spanien ein Papier, in dem aufgezeigt wurde, daß alle vermeintlichen Wohltaten, die Rom von der Geburt bis zum Tod anbot, Geld kosteten. Ohne Geld gab es tatsächlich nichts. Darüber hinaus ging es auch nach dem Tod noch um Geld, ja um Geld, denn es galt, das Fegefeuer abzukürzen. Der Titel des ins Englische übersetzten Schriftstücks war „Die Religion des Geldes“. Die Geschichte Roms durch die Jahrhunderte liefert uns ebenfalls viele und schreckliche Beispiele von Menschen, die die Gnade Gottes in Ausschweifung verkehrt haben, genau wie Judas es sagt. Viele andere Formen des Irrtums haben starke Züge, materiellen Gewinn zu erzielen, wenn auch vielleicht nicht in diesem Umfang.
Schließlich ist da der Widerspruch Korahs, wovon wir in 4. Mose 16 einen genauen Bericht finden. Korahs Sünde war Selbstherrlichkeit und Anmaßung in göttlichen Dingen, und sie brachte schnelles Verderben über ihn. Kain lebte noch manches Jahr, nachdem er seinen eigenwilligen Weg eingeschlagen hatte. Bileam lebte genügend lang, um durch seinen Irrtum viel Verwüstung in Israel zu stiften, und eine Zeitlang schien es, als ob seine Eigennützigkeit sich gelohnt hätte. Dagegen hatte die Anmaßung Korahs ein schnelles und drastisches Gericht zur Folge.
Dies ist die dritte und letzte Stufe im Fortschreiten des Bösen, das heute die Christenheit erfüllt. Es ist sicher nicht unnüchtern, wenn wir sagen, daß nach allen Seiten schreckliche Beispiele dafür reichlich vorhanden sind. Nie waren Menschen in Sachen der Religion überzeugter von sich selbst und ihren Kräften. Korah stellte sich in seiner Anmaßung gegen Mose und Aaron. Heute sind Menschen, die sich Christen nennen, so anmaßend, daß sie sich gegen Christus stellen. „Jesus Christus“, reden sie, „dachte dies und sagte das. Aber wir wissen es jetzt besser, da wir diesem erleuchteten Zeitalter angehören.“ Ein sehr düsteres Zeichen! Das Gericht kann jetzt nicht mehr lange auf sich warten lassen.
Laßt uns, die wir den Herrn Jesus Christus lieben, darauf sehen, daß wir in allem Seinem Willen unterworfen sind, daß wir Seinen Ruhm suchen, nicht den unseren, und daß wir, statt uns selbst Rechte anzumaßen, für Seine Rechte eintreten. So werden wir wohlgefällig vor Ihm sein.
Wenn Vers 11 skizziert, wie das Böse fortschreitet und im völligen Abfall endet, kommen wir In den Versen 12 und 13 zu den Menschen zurück, die in den Tagen des Judas das Böse auffällig verkörperten. Er hebt weitere Charakterzüge hervor in einer Reihe von anschaulichen Bildern, deren Bedeutung wir uns klarmachen müssen. Sie waren „Flecken“ oder, wie die Fußnote sagt, „Klippen“ bei den Liebesmahlen dieser frühen Christen. Es scheint, daß das so übersetzte Wort eine gezackte Klippe bedeutet, besonders eine, über die das Meerwasser hinwegspült. In diesem Sinn waren jene bösen Menschen, die sich unbemerkt eingeschlichen hatten und nun kühn im gemeinschaftlichen Leben der Gläubigen ihren Platz behaupteten, eine schreckliche Bedrohung, ebenso wie eine verborgene Klippe die Schiffe gefährdet. Ihr Verlangen ging dahin, sich selbst zu weiden und nicht die Herde. Judas warnt uns vor ihrer wahren Natur, damit wir sie meiden können.
Im nächsten Bild sind sie gleich Wolken, die der Wind dahintreibt, jedoch ohne Wasser. In dem Land, wo Judas schrieb, waren Wolken willkommen, weil sie Regen verhießen. So gaben sich auch diese Menschen den Anschein, als ob sie dem ermatteten Erbteil Gottes Erfrischung brächten. Aber sie hatten nichts zu geben, sondern wurden selbst durch Satans Macht getrieben, wovon der Wind ein Bild ist.
Sie gleichen „spätherbstlichen Bäumen, fruchtleer“. Im Herbst erwarten wir, Früchte an den Bäumen zu finden, aber diese haben keine. Diese Menschen tun verheißungsvoll, ohne etwas auszurichten, denn sie sind zweimal erstorben - zuerst der Natur nach und dann als unter Gottes Gericht stehend. Judas nennt sie auch „entwurzelt“. Zweifellos sieht er sie prophetisch unter dem Gericht.
Weiter sind sie vergleichbar den rasenden und schäumenden Meereswogen. Sie sind unbeherrscht, nur Satan hat Gewalt über sie. Ihre eigenen Schändlichkeiten schäumen sie aus. Die Pluralform des Wortes weist auf Dinge hin, die ihnen zur Beschämung sein müßten, deren sie sich aber eher noch rühmen.
Fünftens sind sie gleich Irrsternen oder Meteoren, weil ihr Licht sehr bald in der Schwärze der Finsternis für immer erlischt. Dies spricht wiederum von Gericht und bringt uns zurück zu dem Punkt, den wir am Schluß der Verse 11 und 12 erreichten. Wir alle kennen die Geschwindigkeit, mit der ein Meteor durch den Raum schießt und dann im Dunkel verbrennt. So würde es auch ihnen ergehen. Sie haben kein Licht, das beständig leuchten könnte.
Die letzten Worte in jedem der Verse 11. 12 und 13 weisen auf Gericht hin, in den Versen 14 und 15 spricht Judas deutlich davon, wie das Gericht diese Abtrünnigen erreichen wird. Es geschieht durch direktes Eingreifen des Herrn, der in Herrlichkeit erscheint, was schon seit den Tagen Henochs vorhergesagt worden war.
Alles, was uns die Schrift über diesen denkwürdigen Mann sagt, ist in wenigen Worten enthalten, doch sind diese Worte sehr bedeutungsvoll. 1. Mose 5 berichtet von dem herausragenden Charakterzug seines Lebens, daß er nicht weniger als dreihundert Jahre mit Gott wandelte. Wir erfahren auch von seinem wunderbaren Ausgang, daß er in die Gegenwart Gottes entrückt wurde. Hebräer 11 berichtet uns von seinem Glauben, der sowohl die Kraft seines Lebens als auch die seiner Entrückung war. Hier im Judasbrief sehen wir, daß er ein Prophet war, und zwar, soweit wir wissen, der früheste aller Propheten.
Der erste Prophet sprach im Blick auf den Tag des Menschen von den abschließenden Ereignissen, wenn der Herr kommen wird inmitten Seiner heiligen Tausende, um das Gericht auszuführen. Seine Worte machen es sehr klar, daß, wenn der Herr kommt, die Ungerechtigkeit des Menschen ihren Höhepunkt erreicht haben wird. Sie wird so offenkundig und entsetzlich sein, daß nur noch ein überführendes und vernichtendes Gericht übrigbleibt. Es fällt auf, daß Vers 15 von Gottlosen und Gottlosigkeit spricht. Es geht um gottlose Menschen, die auf abscheulichste Weise die greuelhaftesten Dinge tun und sagen. Bei Seinem Kommen wird der Herr sie überführen und ihre Schuld, die sie dann anerkennen müssen, heimsuchen: Sein Gericht wird sie wegraffen.
Von den frühesten Zeiten an ist es also eine offenbare Wahrheit gewesen, daß der Herr selbst einmal erscheinen wird, um mit der schamlosen Bosheit des Menschen abzurechnen. Doch erst im Neuen Testament wurde es enthüllt, daß der Herr Jesus der HERR (Jehova/Jahwe) selbst ist, der kommen würde. Er wird nicht etwa kommen, weil das Evangelium die Welt zugerüstet hätte, Ihn zu empfangen, wie so manche noch immer denken. Er wird kommen, um die Erde durch Gericht zu reinigen, begleitet von Seinen Heiligen. Andere Schriftstellen unterrichten uns darüber, wer diese Heiligen sind und wie sie in den Himmel kommen, damit sie mit Ihm erscheinen. Das Evangelium wird das ihm bestimmte Werk erfüllt haben, das darin besteht, Gläubige aus der Welt heraus für den Himmel zu sammeln. Danach nimmt das Gericht seinen Lauf.
Weiter haben wir in den Versen 16-19 eine Beschreibung und Bloßstellung dieser unversehens eingedrungenen Menschen. Es ist wirklich ungewöhnlich, wie der Geist Gottes bemüht ist, uns den Charakter dieser Menschen zu verdeutlichen, damit wir in der Lage sind, sie zu erkennen. Es heißt von ihnen, daß sie Murrende und Klagende sind, d.h. unzufriedene Personen, die sich beschweren. Doch der Grund dafür liegt nicht bei denen, gegen die sie ihre Anklagen richten, sondern in ihren eigenen Lüsten. Ihre Begierden beherrschen sie so sehr, daß nichts sie zufriedenstellen kann. Sie reden stolze Worte - zweifellos über sich selbst - und lieben eine pompöse Sprache, während sie gleichzeitig vor einflußreichen Personen kriechen und schmeicheln, um von ihnen etwas zu ihrem Vorteil zu erlangen. Was für ein verächtliches Bild bietet uns dies alles.
Judas gebietet uns auch, der Worte zu gedenken, die von den Aposteln des Herrn gesprochen worden sind, bevor er seinen Brief schrieb. In 2. Petrus 3,3 lesen wir von Spöttern, die in den letzten Tagen kommen und nach ihren eigenen Lüsten leben, aber auch die anderen Apostel hatten offensichtlich Zeugnisse in diesem Sinn gegeben. Die Menschen, die Judas vor Augen hatte, trugen diesen Stempel: sie waren sinnliche oder natürliche Menschen, die den Geist nicht hatten. Den Geist zu haben, ist aber das untrügliche Kennzeichen derer, die Christus wirklich angehören. Judas erwähnt ferner, daß „sie sich absondern“. Der Heilige Geist ist die Kraft der Einheit. Diese Menschen, die den Geist nicht haben, sind die Anstifter von Trennungen. Mit diesem Hinweis schließt Judas ihre Beschreibung.
Ein düstereres Bild der Gottlosigkeit können wir uns unmöglich ausdenken. Die Beschreibung beginnt damit, daß sie die Gnade Gottes in Ausschweifung verkehren und ihren einzigen Gebieter und Herrn verleugnen. Sie endet bei Abspaltungen, die unzweideutig zeigen, wie sehr diese Menschen davon entfernt sind, den Geist Gottes zu haben. Doch sie hatten sich unauffällig unter die Gläubigen eingeschlichen. Trotzdem würde Gott sie herausfinden, und als Abgefallene werden sie umkommen.
Judas klärt uns aber nicht nur über das Böse auf, sondern fordert uns ebenfalls auf, daß wir, soweit es uns betrifft, eifrig dem Guten nachjagen. In Vers 20 spricht er wieder die wahren Gläubigen an, und er zeigt auf, was sie angesichts dieser Schwierigkeiten kennzeichnen sollte. In seinen Belehrungen setzt er vier Schwerpunkte.
Erstens sollen wir uns selbst auf unseren allerheiligsten Glauben erbauen. Beachte sorgfältig den Wortlaut. Er besagt nicht, daß wir den Glauben aufbauen sollen. Wir haben in dem Brief schon gesehen, daß uns der Glaube als eine vollkommene und vollendete Sache übermittelt worden ist. Er braucht nicht aufgebaut zu werden: wir können ihm nichts hinzufügen. Wir sind es, die der Erbauung bedürfen. Wir mögen den Glauben empfangen und, auf ihn gegründet, einen festen Standort im Glauben erlangt haben. Das ist der rechte und wahre Anfang, aber wir dürfen an diesem Punkt nicht stehenbleiben. Wir müssen auf ihm auferbaut werden, damit er unser eigentliches Leben wird. Wir können nie zu viel darin unterwiesen oder zu fest darauf gegründet sein. Judas spricht von ihm als dem „allerheiligsten“ Glauben. Wir haben nicht wie früher Israel ein Allerheiligstes empfangen. Statt dessen haben wir einen allerheiligsten Glauben. Wir dürfen ihn nicht verletzen oder verfälschen. Keiner wird das ungestraft tun. Nur Toren stolpern da hinein, wo Engel sich mit Furcht zurückhalten.
An dieser Stelle wollen wir wieder auf das Hauptanliegen des Briefes zurückblicken, daß wir mit allem Ernst für den Glauben kämpfen sollten. Unsere Auferbauung auf ihn ist zweifellos nur eine Voraussetzung hierzu. Einige Leute, die einen Kampf um seiner selbst willen lieben, möchten sich in eine Auseinandersetzung stürzen wegen einer Frage, die sie nur unvollkommen, wenn überhaupt, verstehen. Aber das ist doch nicht die Weise der Berufenen, die in Gott dem Vater geliebt und in Jesus Christus bewahrt werden. Der Glaube muß die Grundlage sein, auf die wir aufgebaut sind, bevor er das Banner wird, für das wir kämpfen. Und je wirklicher wir auf ihm auferbaut sind, um so mehr werden wir moralisch und geistlich gerüstet sein, in den Kampf einzutreten.
Zweitens muß dieses Beten “im Heiligen Geist“ geschehen. Nicht „zum Heiligen Geist“, als ob wir uns Ihn als einen Gegenstand des Glaubens außerhalb von uns vorstellen müßten. Wir sollen „in“ ihm beten. Nun, Gebet ist ein Ausdruck der Abhängigkeit von Gott, der außerhalb von uns ist. Wir sind völlig abhängig, und wir sollten das wissen und es in unserem Gebet bekennen. Wir sollten hierin das genaue Gegenteil dieser gottlosen Menschen darstellen, die Judas beschrieben hat. Nach ihrem Gefühl mögen sie sich völlig selbst genügen, und deshalb verachten sie Herrschaften und fürchten sich nicht, Würdenträger zu lästern.
Unsere Gebete sollen also im Geist sein, das heißt, wir sollen als solche beten, die von dem Geist, der in uns wohnt, beaufsichtigt werden und die daher Gebetsanliegen aussprechen, die nach Seinem Sinn sind. Gebete, die vom Heiligen Geist, der in den Herzen der Gläubigen wirkt, angeregt werden, sind sicher sehr ernstlich und richten auch etwas aus.
Drittens sollen wir uns in der Liebe Gottes erhalten. Wir sollen uns ihrer bewußt sein und in ihrer Wärme und Kraft bleiben. Mit Paulus sind wir natürlich überzeugt, daß nichts „uns zu scheiden vermag von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn“ (Röm 8,39). Seine Liebe hat uns fest ergriffen, und Er wird uns niemals fallen lassen. Aber auch wir sollten sie in der stillen Tiefe unserer Herzen fest erfassen. Wir sollten in sie eingetaucht sein, genau wie ein Eimer oder ein Gefäß, das in den Ozean geworfen wurde. Dann ist es im Ozean, und der Ozean ist darin. Wenn wir uns so in der Liebe Gottes erhalten, dann wird die Liebe Gottes in uns sein und ihr wundervolles Wesen unserem Leben mitteilen.
Wir dürfen uns jedoch gegenseitig wieder daran erinnern, daß dies zu Gläubigen gesagt wird, die ermahnt werden, ernstlich für den Glauben zu kämpfen. In der Hitze des Kampfes geschieht nichts leichter, als daß wir aufgebracht werden und vielleicht unseren Gleichmut verlieren. Wenn wir uns in der Liebe Gottes erhalten, können wir über den Ärgernissen stehen, die uns unangenehme Menschen mit ihren Urteilen bereiten. Ein Gläubiger mag sich in ein Streitgespräch verwickelt sehen mit Menschen, denen er auf intellektueller Ebene nicht gewachsen ist, aber wenn er selbst auf seinen Glauben auferbaut ist und im Geist betet, wenn er weiter sich in der Liebe Gottes erhält, dann wird er nicht als Zweitbester aus dem Konflikt hervorgehen. Wenn er auch seine Widersacher nicht überzeugen kann, so werden etwaige Zuschauer doch sehr wohl wahrnehmen, daß sie Zeuge von etwas sind, das weit erhabener ist als nur verstandesmäßiger Scharfsinn.
Viertens sollen wir die Barmherzigkeit unseres Herrn Jesus Christus zum ewigen Leben erwarten. Es ist viel, was wir heute schon haben, aber weitaus mehr wird noch folgen. Wir sind Menschen mit Zukunftsaussichten! Böse Menschen um uns herum mögen ihre Zahl vervielfachen, und völliger Abfall mag bevorstehen, doch wir haben einen wundervollen Ausblick und setzen große Erwartungen in das Kommen des Herrn. Wir rechnen nach 1. Thessalonicher 4,15-17 mit Seinem Kommen in die Luft, wenn Er Seine Heiligen zu sich selbst versammeln wird. Dieses gewaltige Ereignis, das Er selbst herbeiführt, wird hier Barmherzigkeit genannt. Wir haben es nicht verdient, ebensowenig wie Vergebung und Erlösung. Aber wir sind im Begriff, es zu erleben, einfach aufgrund der Barmherzigkeit. Es wird eine Tat der Barmherzigkeit sein, eine Krönung aller anderen barmherzigen Werke, die für Sein Handeln mit uns so bezeichnend sind. Und sie wird uns ans andere Ufer, zum ewigen Leben in seinem vollsten Sinn bringen. Dann werden wir nicht nur das ewige Leben haben, sondern dort weilen, wo dieses Leben seine Heimat hat und sich uns in seiner ganzen Fülle erschließt.
Doch wir werden ermahnt, daß wir nicht untätig dieser wunderbaren Vollendung entgegensehen. Wir sollen nicht darauf hoffen, daß Welt oder Kirche sich noch bessern. Wir brauchen auch keine Erweckungsbewegungen zu erwarten - obwohl Gott in Seinem Erbarmen solche schenken kann, und wenn Er es tut, dürfen wir uns freuen und Ihm danken. Nein, wir warten auf das Kommen des Herrn, und je lebendiger uns diese Hoffnung erfüllt, um so besser werden wir den Kampf des Glaubens bestehen.
Die vier Ermahnungen des Judas betreffen also den Glauben, den Heiligen Geist, die Liebe Gottes und die kommende Barmherzigkeit unseres Herrn Jesus Christus. Wenn wir sie beherzigen, erbauen wir uns, beten wir, erhalten wir uns und stehen in Erwartung. Diese Ermahnungen sind persönlich gehalten und sprechen jeden an, der den Herrn liebt.
Die Verse 22 und 23 enthalten weitere Ermahnungen bezüglich unserer Haltung gegenüber zwei verschiedenen Gruppen von Menschen. Sie werden als „die einen“ und „die anderen“ bezeichnet. Diese sind weder die bösen Menschen, die der Brief anprangert, noch die gottesfürchtigen Gläubigen, an die der Brief gerichtet ist.
Die „einen“ in Vers 22 scheinen Menschen zu sein, die bis zu einem gewissen Grad von den bösen Menschen beeinflußt oder verführt worden sind. Solche sind sorgfältig zu unterscheiden und mitfühlend zu behandeln. Die „anderen“, die in Vers 23 betrachtet werden, sind offensichtlich tiefer in das Böse verstrickt und dadurch verunreinigt worden. Doch selbst diese sind, wenn möglich, noch zu retten, obwohl jemand, der sie befreien möchte, das nur in einem Geist tun darf, der frei von jeglichem Selbstvertrauen ist. Er muß das Feuer fürchten, das sie zu verzehren droht, und das Fleisch hassen, das sie beschmutzt hat. Nur wenn er in einer solchen Gesinnung handelt, wird er davor bewahrt, selbst versengt oder befleckt zu werden, und fähig sein, solche zu retten.
Dieses Wort ist wichtig für uns, denn wir sind von Natur aus sehr geneigt, alle gleich zu behandeln, die irgendwie in solche abscheulichen Dinge verwickelt sind. Wir mögen das Böse deutlich sehen und uns gefühlsmäßig ganz entschieden dagegen einstellen, gerade dadurch aber auch schnell bereit sein, alles miteinander in einen Topf zu werfen, die Verführten mit den Verführern. Dann überlassen wir sie ihrer Verunreinigung, in der sie eine Beute des Feuers werden. Dies soll nicht sein. Wir müssen einen Unterschied in bezug auf sie machen.
Nun kommen wir zu den Versen 24 und 25. Wie erquickend ist da der Gegensatz zu dem, was vorausgegangen ist! Wir kommen heraus aus der Finsternis menschlicher Bosheit und Abtrünnigkeit wie auch selbst aus den Streitigkeiten und Anstrengungen der wahren Gläubigen angesichts des Bösen und treten in das klare Licht der Macht und Herrlichkeit Gottes. Unsere Augen werden emporgelenkt zu „dem, der euch ohne Straucheln zu bewahren vermag“. Hier, und hier allein, ist wahre Ruhe für das Herz zu finden.
Wir haben für den Glauben zu kämpfen, uns selbst auf ihn zu erbauen, wir haben uns auch abzumühen, um andere aus ihrer Verunreinigung und ihrem Verderben zu retten, aber Ruhe in uns selbst oder in unseren Anstrengungen können wir dabei nicht finden. Wir mögen Gnade haben, uns selbst in der Liebe Gottes zu erhalten, zumindest bis zu einem gewissen Grad, Ruhe können wir jedoch nur in der Tatsache finden, daß Er uns vor Straucheln zu bewahren und vor Seiner Herrlichkeit tadellos darzustellen vermag.
Weil Er das vermag, haben wir allein uns selbst zu tadeln, wenn wir auf dem Weg straucheln. Doch wenn wir straucheln, bedeutet das nicht, das wir endgültig fallen. Wir werden vor Seiner Herrlichkeit dargestellt werden, wenn ihr Lichtglanz durchbricht, und nicht einmal das Licht dieser Herrlichkeit wird einen Fehler in uns bloßlegen! Was für ein Vorzug! Was für ein Triumph der Gnade und Macht Gottes!
Nichts bleibt übrig, als sich in der Gegenwart eines solchen Heiland-Gottes zu beugen und durch den Herrn Jesus Ihm Herrlichkeit, Majestät, Macht und Gewalt zuzuerkennen, jetzt und in alle Ewigkeit! Amen.