Der Brief an die Hebräer
Einleitung
Bevor wir die Betrachtung dieses Briefes in seinen Einzelheiten beginnen, mögen ein paar einleitende Bemerkungen nützlich sein.
Obwohl in manchen Bibeln der Titel dieser wundervollen Abhandlung vielfach als „Der Brief des Paulus an die Hebräer“ erscheint, war ihr Verfasser durch den Geist doch so geleitet, seinen eigenen Namen wie auch den der Empfänger auszulassen. Dennoch bezeugt fast jede Zeile, daß sie an hebräische Gläubige gerichtet war, wie auch mehrere Andeutungen ziemlich sicher darauf schließen lassen, daß Paulus sie geschrieben hat. Wenn dem so ist, haben wir jenen Brief an jüdische Gläubige vor uns, den Petrus in seinem zweiten Brief erwähnt, als geschrieben von „unserem geliebten Bruder Paulus“ (3,15).
Im weiteren Verlauf der Betrachtung werden wir sehen, daß der Anlaß zum Schreiben dieses Briefes eine gewisse Ermüdung war, die diese Gläubigen erfaßt hatte. Im christlichen Glaubenslauf waren ihre Hände schlaff und ihre Knie lahm geworden, und diese beunruhigenden Anzeichen erweckten Befürchtungen, daß diese rückfällige Tendenz bedeuten könnte, daß sie völlig abfallen könnten.
Wir werden weiter sehen, daß der Hauptgedanke des Briefes die unermeßliche Überragenheit des Christentums über das Judentum ist, obwohl das letztere im Sichtbaren bestand, das erstere aber sich allein an den Glauben wendet. Nebenbei ruft er diese hebräischen Gläubigen auf, ihre letzten Bindungen an das abgenutzte jüdische System zu lösen, an dem sie immer noch hingen, wie uns die Apostelgeschichte zeigt. Der Brief dürfte nur wenige Jahre vor der Zerstörung Jerusalems geschrieben worden sein, die dem eindrucksvollen Tempelritual des Judentums das Ende setzte.
Die Bedeutung des Briefes für die gegenwärtige Zeit kann kaum überbewertet werden. Es gibt heute Massen von Gläubigen, die, obwohl sie aus den Nationen sind und deshalb keineswegs mit dem Judentum zu tun haben, dennoch entarteten Formen des Christentums anhangen. Solche Formen bestehen weithin in Zeremonien und kirchlichen Bräuchen, die ihrerseits zum größten Teil eine Nachahmung des jüdischen Rituals darstellen, das Gott wohl einst verordnet hatte, um die Zeit bis zur Ankunft Christi auszufüllen. Es mag sein, daß die meisten unserer Leser durch Gottes Erbarmen heutzutage von solchen Systemen frei sind, doch haben viele von uns irgendwie damit zu tun gehabt, und ihr Einfluß hat uns fast unmerklich geprägt.
Wenn beim Lesen unser Glaube aufgerüttelt wird, wenn unsere geistlichen Augen einen neuen klaren Blick für die unermeßlichen Herrlichkeiten Christi bekommen und für die Wirklichkeit all der geistlichen Wahrheiten, die sich auf Ihn gründen, so werden wir selbst gestärkt, um „den vor uns liegenden Wettlauf“ mit Ausharren zu laufen.