Der Gläubige und die Ehe
Ein Wort über die Einstellung des Gläubigen zur Ehe
Der Gedanke, ein Wort über die Einstellung des Gläubigen zur Ehe insbesondere an unsere lieben jungen Freunde zu richten, hat den Schreiber dieser Zeilen schon seit längerer Zeit beschäftigt. Manche betrüblichen Erscheinungen auf diesem Gebiet, besonders in den letzten Jahren, sowie andererseits Ermunterungen seitens mehrerer Freunde, denen das Wohl der Herde Christi und die Ehre Seines heiligen Namens am Herzen liegen, ließen den Gedanken zur Tat werden. Mögen die nachstehenden Zeilen, die sich in erster Linie an jüngere Geschwister richten, unter der Gnade des Herrn manchem von Ihnen zum Nutzen und Segen dienen. Dass das Thema selbst wichtig genug ist und die eingehende Beachtung jedes Gläubigen verdient, bedarf wohl kaum der Erwähnung.
Eine Ehe ist ein so ernster Schritt, dass es kaum einen zweiten von gleicher Bedeutung für unser Leben auf der Erde gibt. Er ist entscheidend für das ganze Leben. Die Meinung vieler, bei einer Eheschließung (da sie ja nur eine Sache des Fleisches sei), bedürfe es keiner besonderen Erwägung vor dem Herrn oder keines Rates von anderen Gläubigen, jede geistliche Auffassung dieses Themas sei nicht am Platze usw., ist deshalb ganz und gar verwerflich. Wir möchten damit keineswegs denen das Wort reden, die meinen, dass ein Bruder bei der Wahl seiner Frau oder gar zur Bestimmung der Zeit oder der Art seines Antrags auf ein bestimmtes Zeichen vom Herrn warten müsse, zumal in den meisten Fällen die eigenen Wünsche und Überlegungen schon lange vorher in Tätigkeit waren; aber wir möchten von vornherein feststellen, dass ein Kind Gottes, das berufen ist, alles sei es Essen oder Trinken irgend etwas anderes im Namen des Herrn und zur Ehre zu tun (1. Kor 10, 31), ganz gewiss nicht die Freiheit hat, einen der wichtigsten Schritte ohne den Herrn, nach seinen eigenen Gedanken und Neigungen, zu tun. Im Gegenteil, wenn die Schrift von der Freiheit des Gläubigen, eine Ehe einzugehen, redet, so sagt sie: „nur im Herrn“ (1. Kor 7, 39). Dieser Ausdruck geht natürlich noch weiter als alles „im Namen des Herrn“ zu tun, schließt es aber gewiss ein. Auf die genauere Bedeutung werden wir später noch zurückkommen.
Wir haben eben von solchen gesprochen, die im Heiraten nur eine Sache für das Fleisch sehen. Der Leser wird mit mir einverstanden sein, wenn ich sage, dass eine solche Auffassung der Ehe nicht nur primitiv ist, sondern auch der Belehrung des Wortes Gottes unmittelbar widerspricht. Sie resultiert zum Teil wohl daraus, dass man die Begriffe „Fleisch“ und „Leib“ miteinander verwechselt. Das „Fleisch“, das sündige Element, in dem der natürliche Mensch sich befindet und bewegt, steht dem „Geist“ gegenüber als dem göttlichen Element, in das der Wiedergeborene versetzt ist. Der Gläubige ist nicht mehr „im Fleische“, sondern „im Geiste“ (Röm 8, 9), und er ist berufen, nicht nach dem Fleische, sondern nach dem Geiste zu wandeln. Wohl ist das Fleisch in ihm; aber er ist nicht mehr im Fleische. Man kann deshalb sagen: so lange ein Gläubiger noch in diesem Leibe ist, sind beide Elemente in ihm; und das eine, das Fleisch, sucht seine Befriedigung, sinnt auf das, was des Fleisches ist, während das andere, der Geist, auf das sinnt, was des Geistes ist (Röm 8, 5).
Soll damit gesagt sein, Heiraten an und für sich sei eine Sache „des Geistes“? Keineswegs; ebenso wenig wie Singen oder Beten an und für sich Dinge des Geistes sind. Wenn durch mein Singen und Beten, durch mein Essen oder Trinken, durch mein Heiraten oder Nichtheiraten nicht der Herr verherrlicht wird, wenn ich diese Dinge nicht in Abhängigkeit von und im Aufblick zu Ihm tue, so ist weder das eine noch das andere eine Sache des Geistes; alle Handlungen sind dann rein menschlich, oder, was noch schlimmer ist, fleischlich.
Wenn ich aber beim Singen oder Beten Ihn preise und mein Herz vor Ihm ausschütte, wenn ich beim Essen oder Trinken Gott, dem Vater, durch Jesus Christus danksage, wenn ich beim Heiraten oder Nichtheiraten der väterlichen Leitung Gottes folge und in dem einen oder anderen den Weg des Herrn für mich sehe, so bin ich in jedem dieser Dinge als ein geistlicher Mensch tätig; sie alle liegen dann für mich auf dem Gebiet der Dinge des Geistes. Gott sei gepriesen für diese kostbare Tatsache! Sie verleiht auch der kleinsten Tätigkeit, der unwichtigsten und geringfügigsten Handlung einen unendlichen Wert für ein geistliches Gemüt. Aber wie wenig wird leider daran gedacht, dass keiner von uns sich selbst lebt! (Röm 14, 7). Wie mancher Christ handelt, als wenn seine Zeit, seine Kraft, sein Verstand, sein Hab und Gut usw. ihm gehörten, und als wenn er nach seinem Gutdünken darüber schalten und walten könnte. Er vergisst, dass geschrieben steht: „Wisset ihr nicht, ...dass ihr nicht euer selbst seid? Denn ihr seid um einen Preis erkauft worden“ (1. Kor 6, 19. 20). Ob Mann oder Frau, Junge oder Mädchen, ob Herr oder Untergebener, Frau oder Hausgehilfin, ob Eltern oder Kinder, Bruder oder Schwester, ob Geschäftsinhaber oder Meister, Geselle oder Lehrling in jeder Stellung und Lebenslage kann und sollte der Gläubige alles tun im Namen seines Herrn und für seinen Herrn, zum Preis und zur Verherrlichung Gottes. „Was irgend ihr tut, arbeitet von Herzen, als dem Herrn und nicht den Menschen“ (vgl. Kol 3, 16–25; Eph 6, 1–9 u.a).
Und doch könnte gefragt werden: Wie kann ich aber den Weg des Herrn für mich erkennen im Blick auf die vorliegende Frage? Wie kann ich wissen, dass Er durch mein Heiraten verherrlicht wird, oder dass meine Wahl nach Seinem Gedanken ist?
Diese Fragen sind berechtigt, und es ist ein Glück, dass der Gläubige, das Kind Gottes, hierin wie in allem anderen nicht dem sogenannten Zufall überlassen ist, oder im Dunkeln wandeln muss. Nein, der Christ wird „ein Kind des Lichtes“ genannt, und Gott ist der „Vater der Lichter“. Und wenn wir, die wir doch böse sind, unseren Kindern gute Gaben zu geben wissen, wie viel mehr wird „der himmlische Vater“ sie denen geben, die Ihn darum bitten! Er wird, wenn wir um Brot bitten, uns gewiss nicht einen Stein geben, und wenn wir um Licht bitten, uns nicht in Finsternis lassen. Lasst uns nur zusehen, dass wir in Wahrheit und Aufrichtigkeit das Licht bei Ihm suchen, welcher der „Vater der Lichter“, d.i. die Quelle alles Lichtes, heißt. Leider fehlt dazu oft die Wirklichkeit des Herzens, besonders bei der Frage des Heiratens, bei der man so leicht allerlei menschlichen und fleischlichen Beweggründen erlaubt, ihr Gewicht in die Waagschale zu werfen. O möchte der Herr uns in allen Dingen ein wachsames, nüchternes Herz geben und einen einfältigen, lauteren Sinn. Sie sind vor allem dann nötig, wenn es sich um eine Sache handelt, die auf das ganze Leben des Gläubigen einen so großen Einfluss hat. Möchten besonders alle jüngeren Geschwister aufrichtig nach einem solchen Herzenszustand trachten.
Doch lasst uns noch etwas näher auf diese Fragen eingehen. Dass ein Christ, ob Witwer oder junger Mann, ob Witwe oder Jungfrau, die „Freiheit“ hat, zu heiraten, ist bereits berührt worden. Der Apostel behandelt diese Frage ausführlich im 7. Kapitel seines 1. Briefes an die Korinther. Das Verbot zu heiraten, ist ein Zeichen der letzten Tage und des Abfalls vom Glauben (1. Tim 4). Die Ehe ist von Gott eingesetzt, ja, sie ist ein Bild von dem gesegneten, kostbaren Verhältnis zwischen Christus und Seiner Versammlung oder Gemeinde. Darum sagt der Apostel: „Wer heiratet, tut wohl“, aber er fügt auch gleich hinzu: „Wer nicht heiratet, tut besser“ (1. Kor 7, 38). Wir können mit diesen Worten einen bemerkenswerten und oft missverstandenen Ausspruch des Herrn Jesu in Verbindung bringen: „Es sind Verschnittene, die sich selbst verschnitten haben um des Reiches der Himmel willen“ (Mt 19, 12). Das sind solche, die um des Herrn und Seines Werkes willen sich des Heiratens enthalten, die, wie Paulus es ausdrückt, in ihrem Herzen feststehen und über ihren eigenen Willen Gewalt haben, um nicht zu heiraten. Wenn also jemand glaubt, dem Herrn besser zu gefallen und den Seinigen mehr dienen zu können, wenn er unverheiratet bleibt, und er ist imstande, diese Verleugnung auf sich zu nehmen, so tut er nach den Worten des Apostels „besser“, und es wäre sicher verkehrt, ihm den Rat zu geben, zu heiraten. Nur möge er sich nicht in gesetzlicher Weise zur Ehelosigkeit verpflichtet fühlen; denn dadurch würde bei ihm sehr bald ein Zustand entstehen, dem das Verheiratetsein weit vorzuziehen wäre. Der Herr Jesus sagt ausdrücklich: „die sich selbst verschnitten haben.“ Der Apostel Paulus ist ein schönes Beispiel von einem solchen Mann (vgl. 1. Kor 9, 5.15). Die Zahl derer aber, die imstande sind, dem Beispiel des Apostels zu folgen, wird wohl immer sehr gering bleiben. Denn dazu bedarf es einer besonderen Gnade. Die meisten werden lieber von ihrer Freiheit Gebrauch machen. Sollen wir sie deshalb tadeln? Nein, gewiss nicht; Gottes Wort tadelt sie nicht.
Wann aber ist ein Gläubiger zu tadeln? Wenn er von seiner Freiheit einen falschen Gebrauch macht. Wie schon zu Anfang bemerkt, fügt der Apostel, wenn er von dieser Freiheit spricht, das kurze, aber inhaltsschwere und ernste Wort hinzu: „nur im Herrn“. Was will das sagen? Beachten wir wohl, dass es nicht heißt: „wenn jemand heiratet, so tue er es im Namen des Herrn“, sondern „es geschehe im Herrn.“ Ein Gläubiger ist ein Mensch in Christo; er gehört nicht mehr dieser Welt an, er ist aus seiner früheren Stellung, als ein Kind dieser Welt, völlig herausgenommen und steht auf dem Boden der neuen Schöpfung. Er ist ein Erlöster des Herrn; sein Leib ist ein Glied Christi (1. Kor 6, 15). Wenn er nun im Herrn heiraten soll, so kann das offenbar nur geschehen mit einer Person, die mit ihm auf demselben Boden steht, die ebenfalls dem Herrn angehört, die wie er selbst in Christo und ein Glied Seines Leibes ist. Das liegt so klar auf der Hand, dass das Herz eines Gläubigen schon weit von dem Herrn entfernt sein muss, wenn der Gedanke an eine Verbindung mit einem Weltkind bei ihm überhaupt Wurzel fassen kann. Denn welche Gemeinschaft hat Licht mit Finsternis? oder welches Teil ein Gläubiger mit einem Ungläubigen? „Seid nicht in einem ungleichen Joch mit einem Ungläubigen!“ (2. Kor 6, 14. 15). So lautet Gottes einfaches, klares Wort, und schon die Instinkte (wenn ich mich so ausdrücken darf) und Triebe der göttlichen Natur weisen eine solch unreine Verbindung mit Unwillen zurück. Wie ist es möglich, in die denkbar innigste Lebensgemeinschaft mit einem anderen zu treten, dessen Interessen und Herzensneigungen den unsrigen völlig entgegenlaufen? Kann ein Christ, ohne sein Christentum zu verleugnen, wieder denken, reden und tun wie früher, vor seiner Bekehrung? Unmöglich! Nun, ebenso unmöglich ist es, sich mit einem Menschen eins zu machen, der nur als ein Unbekehrter denken, reden und handeln kann. Denn die beiden, die miteinander die Ehe eingehen, „sind nicht mehr zwei, sondern ein Fleisch“ (Mt 19, 6).
Ich möchte hier wegen der äußerst ernsten Bedeutung unseres Themas einen erfahreneren und bewährteren Schreiber zu Wort kommen lassen, der sich in der Schrift „Gedanken über ungleiche Ehen“ folgendermaßen ausdrückt:
„Wenn wahre Liebe zu Gott vorhanden ist, die Ihn und die innigsten Beziehungen anerkennt, in die Er uns zu Sich Selbst gebracht hat, dann ist es einfach unmöglich, dass ein Christ sich erlauben könnte, eine weltliche Person zu heiraten; denn er verletzt dadurch alle seine Verpflichtungen gegenüber Gott und Christus. Wenn ein Kind Gottes sich mit einem Ungläubigen verbindet, so ist es offenbar, dass es Christus ganz unberücksichtigt lässt, und zwar tut es das mit Willen in dem allerwichtigsten Schritt seines Lebens. Während es gerade in einem solchen Augenblick die innigste Gemeinschaft in Gedanken, Zuneigungen und Interessen mit Christus haben sollte, schließt es Ihn völlig aus. Der Gläubige ist dann mit einem Ungläubigen zusammen gejocht. Er hat seine Wahl getroffen, nämlich ohne Christus zu leben; er zieht es ausdrücklich vor, seinen eigenen Willen zu tun und Christus auszuschließen, anstatt seinen Willen aufzugeben, um so Christus zu genießen und Seine Zustimmung zu haben. Er hat sein Herz einem anderen geschenkt und dadurch Christus verlassen und es aufgegeben, auf Ihn zu hören. Je mehr Zuneigung vorhanden und je stärker das Herz gefesselt ist, desto offenkundiger ist es, dass er etwas anderes Christus vorgezogen hat. Welch ein schrecklicher Entschluss, sein Leben so zubringen zu wollen, indem man einen Menschen zu seinem Gefährten gewählt hat, der noch ein Feind Gottes ist!“
„Der Einfluss einer solchen Verbindung auf den gläubigen Teil muss notwendig der sein, dass er in die Welt zurückgezogen wird. Er hat ja schon ein Weltkind als den meist geliebten Gegenstand seines Herzens erwählt, und denen, die von der Welt sind, können nur Dinge gefallen, die ebenfalls von der Welt sind, obwohl deren Frucht der Tod ist (Röm 6, 21–23). „Und die Welt vergeht und ihre Lust; wer aber den Willen Gottes tut, bleibt in Ewigkeit“ (1. Joh 2, 17). Welch eine entsetzliche Lage! Entweder es an der Treue Christus gegenüber fehlen zu lassen, oder aber beständig gerade da widerstehen zu müssen, wo die zarteste Zuneigung eine vollkommene Einheit hätte schaffen sollen. Tatsache ist, dass, wenn nicht Gottes unumschränkte Gnade ins Mittel tritt, der gläubige Mann oder die gläubige Frau stets ihren Widerstand aufgeben und nach und nach weltförmig werden. Nichts ist auch natürlicher. Der Weltliche hat nur seine weltlichen Wünsche und Neigungen. Der Christ hat neben seinem Christentum das Fleisch noch in sich, das die Welt und ihre Dinge liebt; außerdem hat er bereits seinem Fleische zuliebe seine christlichen Grundsätze aufgegeben, indem er sich mit einem Menschen verbunden hat, der den Herrn nicht kennt. Was ist das Ergebnis einer solchen Verbindung? Dass er mit dem Menschen, der ihm in dieser Welt am teuersten ist, der gleichsam einen Teil von ihm selbst bildet, nicht einen einzigen gemeinsamen Gedanken bezüglich alles dessen hat, das seinem Herzen über alles kostbar sein sollte. Zwischen zwei so Vereinigten wird es nichts als Uneinigkeit und Streit geben. „Wandeln wohl zwei miteinander, es sei denn, dass sie übereingekommen sind?“ (Amos 3, 3). Will der gläubige Partner allen Differenzen aus dem Weg gehen, so wird er zunächst dem verweltlichenden Einfluss nachgeben und schließlich wieder Gefallen an der Welt finden. Dieses unausbleibliche, traurige Ergebnis wird freilich nicht ins Auge gefasst, wenn man den ersten Schritt auf dem Weg zu einer solch verkehrten Stellung tut. Der Gläubige wird nach und nach von dem rechten Weg abgelenkt; da er nicht mehr in Gemeinschaft mit seinem Heiland ist, kann er Gefallen finden an der Gesellschaft einer Person, die ihm sympathisch ist, ohne dabei irgendeinen Gedanken an den Herrn Jesus zu haben. Ist er allein, so denkt er nicht daran zu beten, und ist er bei dem Menschen, den er liebt, so hat er trotz der Warnungen seines Gewissens oder seiner christlichen Freunde keine Kraft zu widerstehen; denn Christus hat nicht Macht genug über sein Herz, um ihn dahin zu bringen, dass er seinen verkehrten Weg verlässt und eine Neigung aufgibt, von der er weiß, dass sie, dem Herrn missfällt. Er hat andere Beweggründe, durch die er sich mehr oder weniger beeinflussen und binden lässt, wie z.B. ein gewisses Ehrgefühl; zuweilen auch Beweggründe verwerflicher Art, wie Geldliebe und dergleichen, und er opfert diesen sein Gewissen, seinen Heiland, ja seine Seele, insoweit es von ihm abhängt, auf alle Fälle aber die Verherrlichung Gottes.“
Wie ernst und wahr sind diese Worte, und wie sollten sie jeden jungen Gläubigen, der in Gefahr steht, in dieser Beziehung in die Schlingen Satans zu geraten, nachdenklich machen; wie sollten sie allen anderen zur Mahnung und Warnung dienen, um acht zu haben auf die Regungen ihrer Herzen und auf die Blickrichtung ihrer Augen! Wird nicht schon der erste Gedanke an eine Verbindung mit einem Unbekehrten als Sünde und Untreue verworfen, so ist dem Feind die Tür geöffnet, und er wird seinen Vorteil ausnutzen. Er heißt nicht umsonst „die alte Schlange“. Wie schlau weiß er das arme Herz zu umgarnen, und wie listig ersinnt er seine Einwände! Wie gern ist unsere alte, sündige Natur, das Fleisch, bereit, auf seine Einwände zu horchen! Er weiß sogar das Wort Gottes zu benutzen. Haben wir z.B. nicht schon oft folgende Fragen gehört: „Steht nicht geschrieben:,Was weißt du, Weib, ob du den Mann erretten wirst? oder was weißt du, Mann, ob du das Weib erretten wirst?' Also wer weiß, ob ich nicht unter der Gnade Gottes dem Unbekehrten zum Segen dienen kann? Wird nicht der gute Einfluss, den ich sicher auf ihn ausüben werde, ihm zum Heil gereichen?“ Ach, wie zeugen solche und ähnliche Fragen von der Verkehrtheit des Herzens! Heißt das nicht den Grundsatz aufstellen und sogar versuchen, ihm die göttliche Weihe zu geben: „Lasst uns das Böse tun, auf dass das Gute komme!“? O armes und verblendetes Herz! Siehst du nicht, wie du das Wort Gottes verdrehst zu deinem eigenen Verderben? Jene Worte stehen allerdings geschrieben, aber nicht wie du sie anwendest. Es steht nicht da: „Was weißt du, Jüngling? oder was weißt du, Jungfrau?“ Nein, die Worte sind gar nicht für dich bestimmt, sondern für solche, die als Unbekehrte geheiratet hatten und von denen nachher der eine Teil bekehrt wurde. Dem letzteren wird zum Trost gesagt, dass die Gnade, die ihm zuteil geworden ist, auch groß genug ist für den anderen Teil.
Wie gern gibt sich der durch irgendeine Neigung betörte Gläubige auch einer Täuschung hin, indem er sich einredet, die Person, an die sein Herz gebunden ist, sei doch wohl bekehrt. Wenn sie sich allmählich eine christliche Sprache angewöhnt und wozu ist das trügerische Herz nicht fähig, wenn es gilt, ein ersehntes Ziel zu erreichen? wenn sie ein gewisses Bekenntnis ablegt und sich bemüht, aus ihrem Wesen und Wandel offenbar Anstößiges zu entfernen, o wie leicht gibt man sich dann mit Beweisen von Bekehrung zufrieden, die man unter anderen Umständen als durchaus unvollkommen und ungenügend betrachten würde! Der eigene Wille ist in Tätigkeit. Man hat nicht auf den Herrn gewartet und geblickt, sondern man hat ohne Ihn seine Wahl getroffen und man will die betreffende Person heiraten. Nur um seinen Willen unter dem bestmöglichen Schein durchzusetzen und sich nicht gerade in offenbarem Widerspruch zu dem deutlich geoffenbarten Willen Gottes zu sehen, sucht man sich und anderen etwas einzureden, wovon man selbst keineswegs überzeugt ist. O arme Seele! wie ernst wird dein Erwachen sein, wenn du nach kurzer Täuschung erkennen musst, dass das Bekenntnis nur oberflächlich war, und dass das Herz deines Jochgenossen in und von der Welt ist! Zu spät siehst du dann ein, dass du dich selbst betrogen hast; umsonst ist die Betrübnis und Reue über den geschehenen Schritt: du hast dein Nasiräertum aufgegeben, du hast dich mit der Welt eins gemacht und musst die bitteren Folgen deiner Untreue vielleicht zeitlebens tragen. Unter den beständigen Vorwürfen deines Gewissens verbringst du deine Tage, stets gehindert durch einen Partner, der deine Gefühle nicht verstehen und an dem, was dich interessiert, nicht teilnehmen kann, ja, der im Grunde seines Herzens ein Feind des Herrn ist, den du liebst und dem du dienen möchtest. Was das Ende eines solchen schrecklichen Weges ist, wenn Gottes Barmherzigkeit sich deiner nicht annimmt, das hast du weiter oben schon gehört;
Darum, mein lieber Leser, meine liebe Leserin, lass dich durch nichts bewegen, mit einem Ungläubigen in ein ungleiches Joch zu treten! Wollen derartige unerlaubte Neigungen in deinem Herzen Platz greifen, so bedenke, dass es nicht die Neigungen des neuen Menschen, sondern die der alten Natur sind, und flehe zu Gott um Kraft, damit du sie ohne Zögern verurteilen und Ihm zum Opfer bringen kannst. Aber vielleicht sagst du: „Es steht für mich außerordentlich viel auf dem Spiel; eine,so gute Partie' (um einen landläufigen Ausdruck zu gebrauchen) kann ich vielleicht nie wieder machen; Gesundheit, Anmut, ein angenehmer, liebenswürdiger Charakter, ein gutes Einkommen, kurz, alles ist vorhanden, was eine gute Ehe, soweit Menschen zu urteilen vermögen, gewährleisten kann; soll ich nun meinen Interessen so völlig entgegen handeln?“ Haben deine Interessen mehr Wert für dich als die Interessen Christi? Ist es nicht schon eine traurige Sache, wenn deine Interessen nicht mit denjenigen deines Herrn, der dich so teuer erkauft hat und dem du angehörst für Zeit und Ewigkeit, eins sind? Willst du Seine Interessen, Seine Ehre und Verherrlichung aufgeben und dich, ein Glied Seines Leibes, mit einem Kind der Welt, willst du „Christus mit Belial“ (2. Kor 6, 15) verbinden? Was sind alle Schätze der Welt, wenn du sie um einen solchen Preis erkaufen musst? Willst du den Frieden und das Glück deiner Seele dem ungerechten Mammon oder der Bequemlichkeit und dem Ansehen in dieser Welt opfern? Willst du deinem Herrn und Heiland den Rücken wenden? Willst du Ihn aufs tiefste betrüben und verunehren und auf Sein Lob: „Wohl, du guter und getreuer Knecht, oder du gute und getreue Magd!“ verzichten? Willst du das Geheimnis deiner geistlichen Kraft der Welt verraten, wie einst Simson es der Delila verriet? Willst du dir eine Bürde aufladen, die dich zu Boden drücken und dich in deinem Wettlauf völlig zum Stillstehen bringen muss? Willst du gestatte mir zum Schluss auch noch diese offene Frage, denn wenn es sich um solch ernste Dinge handelt, gilt es offen und ehrlich zu sein willst du der Vater oder die Mutter von Kindern werden, die in einem solchen Fall fast immer dem unbekehrten Teil des Elternpaares folgen werden, und auf die du die köstliche Verheißung: „Du und dein Haus“ deiner Untreue wegen nicht anwenden kannst?
Nein, du kannst und willst es nicht! Darum, sollten deine Neigungen schon irgendwie in unerlaubter Weise gefesselt sein, so opfere sie, koste es was es wolle, auf dem Altar Gottes! Fliehe vor dem Strick des Vogelstellers! Und sollten deine Füße schon verstrickt sein, so flehe zu Gott um Gnade und Kraft, um die Stricke zerreißen zu können. Du darfst versichert sein, dass eine reiche Belohnung für das Opfer, das du bringst, dir zuteil werden wird. Ein gutes Gewissen und ein vom Frieden Gottes erfülltes, glückliches Herz, diese beiden Schätze von unermesslichem Wert werden dir erhalten bleiben, und der Gott des Friedens wird mit dir sein. Und sollte Er, der dich über alles liebt, dich nicht so leiten, dass dir am Ende nichts als Lob und Dank übrigbleiben wird? Er wird es ganz gewiss tun. Er kennt die Wünsche deines Herzens, und Er wird sie, wenn es gut und nützlich für dich ist, sicher zu Seiner Zeit erfüllen.
Ihn, Ihn lass tun und walten,
Er ist ein weiser Fürst;
Und wird Sich so verhalten,
Dass du dich wundern wirst.
Im ersten Teil unserer Betrachtung haben wir gesehen, dass es für einen Gläubigen unter allen Umständen verkehrt ist, weil es nicht dem Wort Gottes entspricht, eine Ehe mit einer Person einzugehen, die dem Herrn nicht angehört, mag sie auch sonst achtbar und selbst religiös sein. Hieraus folgt nun umgekehrt noch nicht, dass das Bekehrtsein einer Person, von der wir uns angezogen fühlen, die einzige Bedingung ist, an deren Erfüllung ein Christ bei seiner Verheiratung zu denken hat. Nein, es gibt noch mancherlei andere Dinge, die für einen so folgenschweren Entschluss von Bedeutung sind und Beachtung finden sollten. Wohl hat jeder Christ, wie wir weiter oben gezeigt haben; im allgemeinen die Freiheit, zu heiraten; aber in jedem besonderen Fall ist doch die Prüfung am Platze, ob sich einer Heirat nicht ernste Bedenken und Schwierigkeiten in den Weg stellen. Wenn z.B. um nur einiges zu nennen ein Bruder oder eine Schwester gegen nahe Angehörige, bejahrte, erwerbsunfähige Eltern usw., Verpflichtungen hat, deren Erfüllung durch das Eingehen einer Ehe unmöglich gemacht werden würde; so ist die Freiheit zum Heiraten durch diese Umstände doch beschränkt. Oder wenn ein Bruder nicht imstande ist, eine Frau und Familie zu ernähren, so kann man nicht behaupten, wenn auch das Heiraten an und für sich erlaubt ist, dass Gott einem solchen Bruder die Anwendung dieser Erlaubnis auf sich persönlich zugesteht. Denn so wenig wie Gott mich zu einem Dienst beruft, ohne mir das, was ich zu dessen Erfüllung bedarf, auch darzureichen, ebenso wenig kann ich, wenn mir das, was ich zur Ausführung einer Handlung bedarf, fehlt, mit Freimütigkeit, als von Gott dazu ermächtigt, diese Handlung vollziehen wollen. Ach, wie mancher junge Christ hat sich durch die Nichtbeachtung dieser einfachen Erwägung in großes Elend gebracht und sich mit vielen Schmerzen durchbohrt! Und, was noch ernster ist, wie manche auf diese Weise geschlossene Ehe hat zu langjähriger Verunehrung des Namens des Herrn geführt!
Freilich hat die Welt, die ja immer die Ordnung Gottes umkehrt, für solche Fälle einen Ausweg gefunden. Sind zwei, die sich gern haben, noch zu jung zum Heiraten, oder liegen Umstände, wie die oben erwähnten vor, die das Eingehen der Ehe vorläufig unmöglich machen, nun, so gehen die beiden eben „ein Verhältnis“ ein, sie verkehren miteinander, gehen miteinander usw.; und solche „Verhältnisse“ bestehen dann oft viele Jahre. Diese Gewohnheit ist in der Welt so allgemein geworden, dass ein junger Mensch nicht mehr zu warten braucht, bis er in der Lage ist, eine Ehe einzugehen; nein, er kann, selbst wenn er bezüglich der Frage seines Unterhaltes noch teilweise oder ganz auf seine Eltern angewiesen ist, schon vorläufige Schritte im Blick auf eine Heirat wagen. Der Gedanke an die Reinheit der Ehe findet bei dem Anknüpfen eines solchen Verhältnisses meist nur einen geringen, vielleicht gar keinen Platz in den Herzen der Betreffenden. Wie sehr ein solcher Schritt zu verurteilen ist, brauchen wir wohl kaum zu sagen, da für ein derartige Handlungsweise nicht einmal der Schein von Rechtfertigung übrigbleibt. Das Wort Gottes kennt diesen Zustand nicht und erkennt ihn deshalb auch nicht an. Schon dieser eine Umstand sollte für den Christen genügen, um ein solches Verhältnis zu meiden, das in Wirklichkeit meist auch nur traurige Früchte zeigt. Wollten alle, die einen solchen Weg gegangen sind, einmal aufrichtig bekennen, zu welchen Dingen sie dabei gekommen sind, so bin ich fest überzeugt, dass die Gläubigen diese weltliche Erfindung auch der Welt überlassen würden. Und wenn auch ein solcher langjähriger Verkehr nicht immer zu offenbar Bösem geführt hat, so sind doch infolge der Natur der Sache eine Anzahl Versuchungen damit verbunden, denen wir uns sicher nicht aussetzen werden, wenn die Bitte: „Führe uns nicht in Versuchung“ uns nicht ganz fremd geworden ist.
Ich möchte deshalb alle jüngeren, unverheirateten Geschwister herzlich bitten, sich auch in dieser Beziehung von der Welt und ihrem Tun unbefleckt zu erhalten, und vor allen Dingen nicht im Geheimen ein solches „Verhältnis“ anzuknüpfen. Wer sich auf diesen Weg begibt, kann nicht damit rechnen, dass der Herr ihn bewahren wird. Wohl bewahrt der Herr die Seinen, wenn sie in Abhängigkeit von Ihm und in Gottesfurcht vor Ihm wandeln, nicht aber, wenn sie eigene Wege, Wege der Welt und des Fleisches einschlagen. Im Gegenteil, sie sind dann den Leidenschaften und Lüsten ihrer alten Natur schutzlos preisgegeben. Das Herz ist nicht in der Gemeinschaft mit dem Herrn, das Auge hat seine Einfalt verloren, und das Gebet, wenn es überhaupt noch gepflegt wird, ist ohne Kraft.
Aber, so könnte eingewendet werden, kennt die Schrift denn nicht einen Brautstand, den Zustand des „Verlobtseins?“ Gewiss! Er wird sogar als ein liebliches Bild des Verhältnisses benutzt, das jetzt zwischen Christus und Seinen Erlösten besteht. Er ist der Bräutigam, wir sind die Braut. Wir finden im Wort Gottes jedoch nichts von einem Verhältnis und Verkehr, wie wir ihn soeben geschildert haben, sondern nur von dem Übereinkommen zweier Menschen, einander zu heiraten, von einem Sichverloben zwecks baldiger Eheschließung. Ein solches Übereinkommen ist durchaus natürlich und den Gedanken Gottes entsprechend. Wohl mag dann zwischen der Verlobung und der Hochzeit eine längere oder kürzere Zeit vergehen, soweit diese nötig ist, um Vorbereitungen für die Ehe zu treffen; aber das ist etwas ganz anderes als die vorhin angedeutete böse Gewohnheit. Eine Brautzeit ist für die Verlobten, wenn sie sie im rechten Geist, in Reinheit und Keuschheit, genießen, sicher besonders schön und lieblich; aber doch soll und darf sie nur eine Übergangszeit bilden. Die Erfahrung hat nur zu oft gezeigt, dass es vom Übel ist, sie länger auszudehnen, als die vorliegenden Verhältnisse es notwendig machen. Mag auch der Geist willig sein, so bleibt doch das Fleisch immer schwach, und wir sollten im Blick darauf jeder Gefahr so weit wie möglich aus dem Weg gehen. Diese Erwägung möchten wir auch den gläubigen Eltern verlobter junger Geschwister dringend ans Herz legen. Oft ist auch von den Eltern in dieser Beziehung viel gefehlt worden, zu ihrer späteren tiefen Beschämung und Betrübnis.
Noch einmal, ihr lieben jungen Männer und Mädchen, seid auf der Hut! Seid vorsichtig im Verkehr miteinander! Habt acht auf eure Augen, auf eure Zunge und euer Herz! Seid wachsam und nüchtern und bewahrt euch selbst keusch! Hütet euch vor jenen sündhaften Liebeleien, die, um nicht das Schlimmste zu sagen, schon so manches junge Herz verunreinigt, so manche liebliche Pflanze im Garten Gottes in ihrem Wachstum gehindert, ja vielleicht auf Jahre hinaus verkümmern lassen! Wachet und betet, damit ihr nicht in Versuchung fallet! Hört auf die freundlich mahnende Stimme des guten Hirten, der Seine Schäflein so gern vor schädlicher Weide bewahren möchte!
Doch, wird man fragen, wie sollen sich denn junge Gläubige, die von ihrer Freiheit, zu heiraten, Gebrauch machen wollen, verhalten? Was sollen sie tun? Vor der Beantwortung dieser Frage, oder richtiger, um sie besser zu beleuchten, möchte ich an das Verhältnis erinnern, das zwischen Christus und Seiner Braut besteht, und das in den irdischen Beziehungen zwischen Bräutigam und Braut oder Mann und Frau sein Abbild findet. Warum hat der Herr Seine Braut gesucht? Geschah es deshalb, weil sie Ihm so viel Angenehmes und Anziehendes bieten konnte? Geschah es überhaupt um Seinetwillen, aus Liebe zu Sich selbst, oder in dem Gedanken an Sein Glück und an Seine Interessen? Nein, Er hat sie gesucht um ihretwillen, um ihr Seine ganze Liebe zu schenken und sie an allem teilnehmen zu lassen, was Sein ist. Und aus wessen Hand empfing Er sie? Aus der Hand Seines Vaters. „Sie waren dein, und du hast sie mir gegeben“, sagt Er zum Vater (Joh 17, 6). Und gerade weil der Vater Ihm, dem Sohn, die Braut gegeben hat, deshalb ist sie so unendlich teuer in Seinen Augen und so kostbar für Sein Herz.
Unter voller Berücksichtigung des großen Unterschiedes zwischen den ewigen und den zeitlichen Dingen, zwischen geistlichen und leiblichen, himmlischen und irdischen Verhältnissen, fühlen wir uns doch verpflichtet, in dem eben Gesagten die Grundsätze zu erkennen, die einen Bruder bei der Wahl einer Lebensgefährtin leiten sollten. Die Tatsache, dass diese Grundsätze im allgemeinen wenig beachtet werden, mag uns tief betrüben, kann aber kein Grund sein, sie abzuschwächen oder herunterzuschrauben; ebenso wenig wie die Erkenntnis, dass unsere alte Natur sich diesen Grundsätzen unmittelbar widersetzt, uns die Freiheit geben kann, sie beiseite zu setzen.
Die wahre Liebe sucht nie sich selbst. Aber ach! in welch vielfältiger Weise sucht der Mann oft sich selbst, wenn er den Entschluss fasst, eine Frau zu nehmen! Er möchte eine schöne, stattliche Frau, mit der er „sich sehen lassen“ kann; er möchte seine äußere Lage verbessern; er sucht Genuss und Bequemlichkeit, Geld und Gut, eine angesehene oder doch möglichst angenehme Verwandtschaft usw. alles Dinge, die ihm zugute kommen sollen. Gewiss, er will seine Frau lieb haben; aber doch steht der Gedanke, was für ihn bei der Verbindung herauskommt, was er gewinnen kann, im Vordergrund. Wie ganz anders ist es, wenn wahre Liebe das Herz regiert! Sie sucht nicht das Ihre, sondern das was des anderen ist. Sie denkt nicht an sich selbst, sondern an ihren Gegenstand und dessen Wohl.
In enger Verbindung damit steht der zweite oben angedeutete Grundsatz. Was war es, das der Braut in den Augen Christi ihre Schönheit verlieh? Sie selbst besaß ja keine, wie wir wissen. Es war, wie gesagt, der Umstand, dass der Vater sie Ihm geschenkt hatte, dass sie eine Gabe Seiner Hand war. Je mehr der Sohn den Vater ehrte, desto größeren Wert besaß in Seinen Augen das, was der Vater Ihm schenken wollte. „Du hast sie mir gegeben, und ich habe sie bewahrt“, das war die Sprache Seines Herzens. Was der Vater Ihm gibt, ist ein kostbares Kleinod für Ihn, das Er mit zärtlicher Sorgfalt behütet. Nun, so soll auch der Mann seine Frau als ein Geschenk aus der Hand des Herrn nehmen. In wie mancher Ehe sind auf die ersten süßen Tage des ungestörten Beisammenseins Zeiten bitterer Enttäuschung gefolgt, die das Liebhaben zu einer Aufgabe machten, die fast unerfüllbar schien! Woher kommt diese betrübliche Erscheinung? Weil in solchen Ehen der Mann seine Frau nicht vom Herrn erbeten und aus Seiner Hand empfangen hat. Er hat, nachdem er ein gewisses Alter erreicht hatte und die Umstände vielleicht eine Heirat wünschenswert machten, den Entschluss gefasst, sich eine zu suchen. Bei seiner Wahl (selbst wenn er dabei in dem Kreis der Schwestern blieb) hat er, wie eben angedeutet, sein Auge auf Schönheit, Geld oder Ansehen gerichtet, oder im bester Fall danach gefragt, ob eine Schwester da sei, die nach Neigung, Charakter, Fähigkeit usw. zu ihm und in sein Haus passe. Diejenige, die ihm in einer oder mehrerer dieser Beziehungen am besten gefiel, hat er erwählt, nach ihr ging sein Herz aus. Diese Regungen seines Herzens hat er in gutem Glauben für wahre, treue Liebe gehalten; diese wurde anscheinend erwidert, und so wurde unter den günstigsten Voraussetzungen die Ehe geschlossen, und das eheliche Leben begonnen. Aber ach! wie bald war der Traum zerronnen, wie bald folgte ein schmerzliches Erwachen!
Mein lieber unverheirateter Leser! Der Herr bewahre dich vor einem solchen dornenreichen Weg! Er gebe dir, wenn du heute oder morgen vor die Frage des Heiratens gestellt werden solltest, ein Herz, das bereit ist die ganze Angelegenheit Ihm zu übergeben: und Er schenke dir das einfältige, kindliche Vertrauen, dass deine Sache in Seinen Händen sicher und gut aufgehoben ist, und dass Er zu Seiner Zeit und in Seiner Weise dir den Wunsch deines Herzens geben wird. Wie tröstlich ist für ein Kind Gottes das Bewusstsein, dass es nicht dem Walten des Zufalls oder dem Zusammenwirken der Umstände überlassen ist, sondern dass es sich in den Händen eines treuen, sorgenden Gottes und Vaters befindet, dem unsere Angelegenheiten, klein oder groß, am Herzen liegen, ja, zu Herzen gehen. Er kennt uns und unsere Lage ganz genau; Er weiß was wir nötig haben. Ihm können wir auch, wenn eine Neigung in unserem Herzen entstanden ist, offen und vertrauensvoll alles sagen; und Er, der die jungen Raben speist und dem Vieh sein Futter gibt, wird gewiss mit väterlicher Liebe und Huld auf uns hören und unsere Sache in Seine guten Hände nehmen. Ach, wenn die Gläubigen nur einfältiger wären und mehr Glauben hätten wie viel reichere und kostbarere Erfahrungen von Seiner gnädigen Hilfe und weisen Leitung würden sie machen!
Wenn irgendwo, so gilt auch hier das Wort des Herrn: „Wenn dein Auge einfältig ist, so wird dein ganzer Leib licht sein“ (Mt 6, 22). Wie viele verkehrte Schritte auf dem Gebiet, das uns beschäftigt, sind gerade darauf zurückzuführen, dass das Auge nicht einfältig auf den Herrn gerichtet war und das Herz nicht vertrauensvoll in Seiner Liebe ruhte! Man war selbst auf dem Plan, und obwohl man vielleicht zum Herrn gerufen und um Seinen Segen gefleht hatte, war das Herz doch nicht ruhig genug, um still auf Seine Führung warten zu können. Es ist ein großer Unterschied, ob man dem eigenen Wirken auch das Bitten hinzufügen will, oder ob man dem Herrn wirklich seine Sache übergibt und auf Ihn wartet, ohne Seinen Weg in irgendeiner Weise beschleunigen und Seinem Tun gleichsam nachhelfen zu wollen. Es ist etwas ganz anderes, ob man selbst Vorkehrungen trifft und Anstrengungen macht und den Herrn dann bittet, diese zu segnen, oder ob man zu aller erst sein Auge auf den Herrn richtet und dann die Wege einschlägt, die Er anweist, oder die Mittel gebraucht, die Er uns in die Hand gibt. Im ersten Fall stehen, wenn auch in einer äußerlich christlichen Weise, der Mensch und menschliche Überlegungen im Vordergrund, im letzteren Gott und Seine väterliche Leitung. Und selbst wenn wir die Leitung Gottes bezüglich Seiner Kinder sogar in den Fällen annehmen wollen, in denen die Augen der Seinigen nicht auf Ihn gerichtet waren, so ist es doch für diese unmöglich, die väterliche Leitung Gottes zu erkennen und zu schätzen, solange ihre eigenen Überlegungen die Hauptrolle bei ihrem Tun spielen. Wie könnte man Gott herzlich für etwas danken, was man nicht von Ihm erbeten und aus Seinen Händen empfangen hat?
Wie köstlich ist es aber andererseits für einen Bruder, in seiner Frau ein Geschenk seines himmlischen Vaters erblicken zu können! Welch einen hohen Wert empfängt sie gerade dadurch für sein Herz, dass Er sie betrachten kann als die kostbare Gabe, die der Vater ihm auf seine Bitte hin gegeben hat! Und wie schön und gesegnet wiederum auch für die Schwester, wenn sie auf den Herrn gewartet hat und nun auch, in Erhörung ihrer Gebete, ihren Mann als ihr von Gott gegeben betrachten kann, als den, dessen treue Gefährtin und Gehilfin sie sein soll in guten und in bösen Tagen, und der in ihr seine „Herrlichkeit“ und „Krone“ erblickt! In einem solchen Fall kann man wirklich mit Recht und in jeder Beziehung sagen: „Was Gott zusammengefügt hat...“
Ehe wir unsere kurze Betrachtung schließen, möchte ich noch gern einen Punkt erwähnen, der gerade in unseren Tagen von Bedeutung ist, in denen die Menschen unter anderem als „den Eltern ungehorsam“ gekennzeichnet werden. Wenn heute in der Welt ein junger Mann soweit gekommen ist, dass er seinen Unterhalt verdient, so denkt er gewöhnlich: „Nun stehe ich auf eigenen Füßen und brauche nicht mehr nach meinen Eltern zu fragen; ich kann tun und lassen, was ich will.“ Dass eine solche Sprache sehr böse und verwerflich ist, brauche ich kaum zu sagen; vor allem aber sollte sie nie in einer christlichen Familie gehört werden. Mag auch aus dem Kind ein Junge und ein Mann werden, so bleibt doch das göttliche Gebot: „Ehre deinen Vater und deine Mutter“ stets gültig, und auch erwachsene Kinder werden immer wieder finden, dass der Gehorsam gegen dieses Gebot reichen Segen mit sich bringt. Er ist und bleibt das erste Gebot, an dessen Erfüllung eine Verheißung geknüpft, ist:,,auf dass es dir wohl gehe und du lange lebest auf der Erde“ (Eph 6, 1–3).
Wenn nun irgendwo und irgendwann, so sollten sicherlich dann die Eltern von den Kindern gehört und um Rat gefragt werden, wenn es sich um einen so wichtigen Schritt handelt wie das Eingehen einer Ehe. Ja, ich zögere nicht zu behaupten, dass das Bestehen eines Verhältnisses, oder richtiger gesagt einer Verlobung, ohne Vorwissen der Eltern eine böse Sache ist. Möchte doch kein Sohn und keine Tochter denken, dass man die elterlichen Rechte nicht mehr anzuerkennen brauche, wenn man ein gewisses Lebensalter erreicht hat. Im Gegenteil, wenn bei einem Kind die richtige Gesinnung vorhanden ist, so wird es, je älter es wird, um so mehr seine Eltern ehren und ihren Rat schätzen. Es wird es als ein großes Vorrecht betrachten, ihre Liebe und Teilnahme so lang wie möglich in Anspruch nehmen und in Gemeinschaft mit ihnen beraten und handeln zu dürfen. Und sollten sich Meinungsverschiedenheiten zwischen Eltern und Kindern zeigen (vorausgesetzt, dass es sich nicht um Gewissensfragen handelt, über die das Wort Gottes Aufschluss gibt), so wird es gewiss unter hundert Fällen neunundneunzigmal die Kinder weniger gereuen, wenn sie der Meinung ihrer Eltern gefolgt sind, als wenn sie ihren eigenen Willen durchgesetzt haben.
Auch möchte ich noch darauf hinweisen, dass neben der irdischen Familie auch die Familie Gottes, der Kreis der Brüder und Schwestern, ihre Rechte hat. Wie mancher hat, als es zu spät war, gedacht und gesagt: „Ach, hätte ich doch ältere, erfahrene Brüder vorher um Rat gefragt!“ Aber die Reue kam zu spät. Vielleicht haben Herz und Gewissen, als noch Zeit war, gemahnt; aber man hat ihre Stimme überhört oder nicht hören wollen. Der eigene Wille war tätig und wurde durchgesetzt. Man mied es vielleicht sogar sorgfältig, den Rat der Brüder einzuholen, weil man von vornherein wusste, dass er nicht nach Wunsch ausfallen würde. Ach möchte doch jeder bedenken, dass eine Sache, die verkehrt angefangen worden ist, selten einen guten Fortgang nehmen kann. Was im Fleisch begonnen wird, kann schwerlich im Geist fortgesetzt werden; und wenn es möglich ist, so kann es nur auf dem Weg der Zucht geschehen, durch die unser himmlischer Vater uns lehren muss, uns selbst und die Beweggründe unserer Handlungen zu verurteilen und deren schmerzliche Folgen oft so lange wir hier sind demütig und geduldig zu tragen. Wie sehr wäre es zu wünschen, dass diejenigen, für die unsere brüderlichen Warnungen bereits zu spät kommen, dies wenigstens tun und sich vor Gott in den Staub werfen! Denn wenn sie auch jetzt unter den Folgen ihrer Torheit schwer zu leiden haben, so wird doch., sobald sie sich und ihren Weg aufrichtig verurteilen, der scharfe Stachel aus der Züchtigung verschwinden; denn dieser Stachel besteht für Kinder nur so lange, wie sie sich weigern, demütig die Rute zu küssen, die sie schlägt.
Für gläubige junge Mädchen liegt die Sache insofern einfacher, als sie nicht der suchende, tätige Teil sind. Sie laufen deshalb nicht so leicht Gefahr, einen verkehrten Schritt zu tun. Andererseits aber liegt die Sache auch wieder schwerer für sie insofern, als sie noch weit bestimmter auf ein Warten auf den Herrn angewiesen sind; und bekanntlich fällt unserer Natur nichts schwerer, als still zu sein und auf den Herrn zu harren; ja, es ist der Natur ganz unmöglich. Sie mag, wie bei Saul, sieben Tage lang warten; aber wenn dann die Aussichten und Hoffnungen für das menschliche Auge immer mehr schwinden, wird sie ungeduldig, nimmt selbst die Sache in die Hand und „handelt töricht“(vgl. 1. Sam 13,8–13). „Nur auf Gott vertraue still meine Seele! denn von Ihm kommt meine Erwartung“, sagt der Psalmist; das ist ein kostbarer Seelenzustand, den ich meinen jungen, unverheirateten Schwestern allezeit von Herzen wünsche. Auch möchte ich ihnen die Worte des Apostels ins Gedächtnis rufen, die er an die Korinther schrieb: „Es ist ein Unterschied zwischen dem Weibe und der Jungfrau. Die Unverheiratete ist für die Dinge des Herrn besorgt, auf dass sie heilig sei, sowohl an Leib als Geist; die Verheiratete aber ist für die Dinge der Welt besorgt, wie sie dem Manne gefallen möge“ (1. Kor 7, 34).
Möchte also – mit diesem Wunsch lasst uns schließen – jeder sich gut überlegen, wie er seine ersten Schritte auf dem Gebiet des Heiratens macht! Es wird nur dann gut gehen, nur dann zu seinem eigenen Segen und zur Verherrlichung Gottes gereichen, wenn er im Licht und vor dem Angesicht des Herrn wandelt. Es gibt kein Verhältnis, keine Beziehung, in der das von größerer Bedeutung ist, als gerade bei der Ehe; denn sie ist ja das innigste Verhältnis, das auf der Erde bestehen kann. Und je schöner und lieblicher ein Verhältnis seiner Art und seinem Wesen nach ist, desto hässlicher und abstoßender ist die Entartung, ein Scheinbild. Selbst unter den Kindern der Welt gilt es als Regel: entweder ist man in der Ehe ganz glücklich, oder man ist es gar nicht; ein halber Zustand ist unhaltbar. Ach, dass es unter Christen so manche unglückliche Ehen gibt, zur Verunehrung des Herrn und zum Anstoß für die Welt! Möchten diese Zeilen durch die Gnade Gottes mit dazu helfen, manche junge Menschen vor törichten, eigenwilligen Schritten zu bewahren!