Auf dass Er uns zu Gott führe
Wer ist Gott und wer der Mensch?
Die Himmel erzählen die Herrlichkeit Gottes, und die Ausdehnung verkündet seiner Hände Werk.
Ein Tag berichtet es dem anderen, und eine Nacht meldet der anderen die Kunde.
Keine Rede und keine Worte, doch gehört wird ihre Stimme.
Mess-Schnur geht aus über die ganze Erde, und ihre Sprache bis an das Ende des Erdkreises. Er hat der Sonne in ihnen ein Zelt gesetzt,
und sie ist wie ein Bräutigam, der hervortritt aus seinem Gemach; sie freut sich wie ein Held, die Bahn zu durchlaufen.
Vom Ende der Himmel ist ihr Ausgang, und ihr Umlauf bis zu ihren Enden; und nichts ist vor ihrer Glut verborgen. (Ps 19,2–7)
Gestern las ich auf einem Schild: „Schicke dich an, deinem Gott zu begegnen!“ Dieser Vers aus Amos 4,12 hat mich sehr getroffen. Der Inhalt dieser Worte ist auch eigentlich der Ausgangspunkt für die Vorträge, die, so der Herr will, diese Woche hier gehalten werden. Wir lesen in 1. Petrus 3,18, dass der Herr Jesus das Werk am Kreuz vollbracht hat, um uns zu Gott zu führen. Diese beiden Schriftstellen werfen nun die wichtige Frage auf: Wer ist Gott? Wer ist es eigentlich, mit dem wir es zu tun haben? Die zweite Frage ist: Wer ist der Mensch? Und das ist das Thema des heutigen Abends: „Wer ist Gott, und wer ist der Mensch?“
Eigentlich erschrecke ich, über dieses Thema etwas zu sagen. Ist es nicht Vermessenheit, wenn ein Geschöpf etwas darüber sagen will, wer Gott ist? Wir können nur etwas über Gott sagen, weil Er Sich selbst in seinem Wort offenbart hat. Hier wird uns gezeigt, wer Gott ist. Der Mensch, auf sich selbst gestellt, kann Gott nicht erkennen. Er hat es trotzdem versucht und die Fähigkeiten, die der Schöpfer ihm gegeben hat, dazu benutzt, Gott zu beurteilen. Die Folge war, dass er entweder beim Götzendienst landete oder bei der Behauptung, dass es keinen Gott gebe. Wenn der Mensch aus sich heraus, mit seinem Verstand und mit seinem Intellekt, den Schöpfer erkennen oder beurteilen könnte, würde das bedeuten, dass er selbst Gott wäre. Wie töricht ist da der Schluss vieler Menschen, weil sie Gott mit dem Intellekt nicht erkennen können, dass es keinen Gott gebe. Es ist so, wie wenn eine Spinne, die, wie ich einmal hörte, nur vierzig Zentimeter weit sehen kann, sagen würde: Ich habe noch niemals einen Menschen gesehen, also gibt es keine Menschen.
Wir lesen in 1. Korinther 1,21, dass „die Welt durch die Weisheit Gott nicht erkannte“. Sie benutzte ihren Intellekt vielmehr, um Gott zu beurteilen, und kam daher zu dem Schluss, dass es keinen Gott gebe. Gottes Wort nennt diese Menschen Toren (Ps 14,1). Über den Weg des Verstandes oder des Intellekts kann ein Mensch nicht gerettet werden: „So gefiel es Gott wohl, durch die Torheit der Predigt die Glaubenden zu erretten“ (1. Kor 1,21). Es ist nur möglich auf dem Weg des Gewissens und des Glaubens, Gott kennen zu lernen und gerettet zu werden. Die Welt sagt: Zuerst verstehen, danach glauben. Bei Gott heißt es: Zuerst glauben und dann verstehen. Diesen Grundsatz finden wir in Hebräer 11,3: „Durch Glauben verstehen wir, dass die Welten durch Gottes Wort bereitet worden sind ...“ Also durch Glauben und nicht durch unseren Intellekt. Wenn der Mensch nun nicht einmal die Schöpfung verstehen kann, wie sollte er dann etwas von Gott erkennen, wenn Gott sich nicht offenbart hätte! Es ist ein großer Unterschied, ob wir aus uns heraus etwas erkennen, oder ob wir etwas annehmen, das offenbart worden ist. Wie wunderbar ist es da, dass Gott den Menschen – obwohl er ein Geschöpf ist und daher von sich aus Gott nicht erkennen kann – doch so erschaffen hat, dass er Gott erkennen kann, wenn Dieser sich offenbart hat. Gott hat dem Menschen im Gegensatz zu den Tieren einen Geist gegeben. Der Mensch besteht aus Leib, Seele und Geist (1. Thes 5,23). Auch die Tiere haben einen Leib und eine Seele, doch keinen Geist. Darin unterscheidet sich der Mensch grundlegend vom Tier. Der Mensch wurde auf eine völlig andere Weise erschaffen als das Tier. Wir lesen in 1. Mose 2,7: „Und der HERR Gott bildete den Menschen, Staub von dem Erdboden, und hauchte in seine Nase den Odem des Lebens; und der Mensch wurde eine lebendige Seele.“ Weil Gott das Leben in den Menschen einhauchte und der Mensch auf diese Weise das Leben unmittelbar von Gott bekam, ist dieses Leben auch unsterblich. Lediglich der Leib ist sterblich. Wenn ein Tier stirbt, hört es auf zu existieren, denn die Seele des Tieres ist sterblich. Außer der Seele und dem Leib hat Gott dem Menschen, wie gesagt, aber noch den Geist gegeben. Der Geist ist nicht von dieser Erde, sondern steht mit geistigen Dingen in Verbindung. Johannes 4,24 sagt, dass Gott ein Geist ist. Auch die Engel sind Geister (Heb 1,7.14). Durch seinen Geist kann der Mensch nun mit Gott in Verbindung kommen, ja, mit allem, was Geist ist. Nicht von sich aus, wie wir gesehen haben, sondern nur dann, wenn Gott sich offenbart hat, und auch nur in so weit, wie Gott sich offenbart hat.
Nun, Gott hat denen, die an Ihn glauben, sein Wort gegeben, worin Er sich offenbart hat. Er hat uns darin gezeigt, was in seinem Herzen ist. Doch dieses Wort können nur Gläubige verstehen, die den Geist Gottes haben. 1. Korinther 2,14 sagt im Blick auf das Wort Gottes, dass der natürliche Mensch nicht annimmt, was des Geistes Gottes ist, „denn es ist ihm eine Torheit, und er kann es nicht erkennen, weil es geistlich beurteilt wird.“
Der natürliche Mensch, das ist der nicht von neuem geborene Mensch, kann die Bibel nicht verstehen. Es gibt nur zwei Dinge, die der natürliche Mensch erkennen kann und auch anerkennen muss: erstens, dass es einen Gott, einen Schöpfer gibt und dass der Mensch als Geschöpf dem Schöpfer gegenüber Rechenschaft schuldig ist über sein Leben. Zweitens muss er anerkennen, dass dieser Schöpfer, wenn er gerecht ist, ihn bestrafen muss mit ewiger Verdammnis in der Hölle. Das ist alles, was ein Ungläubiger aus Gottes Wort verstehen kann. Das Wort Gottes besteht nämlich aus geistlichen Worten, die der Heilige Geist gegeben hat, um geistliche Dinge mitzuteilen, und die folglich auch nur von Gläubigen verstanden werden können, vorausgesetzt, dass sie auch tatsächlich geistlich sind (1. Kor 2,13). Um ein geistlicher Gläubiger zu sein, ist es nicht nur notwendig, das Evangelium geglaubt zu haben und den Heiligen Geist in sich wohnend zu haben (Eph 1,13), sondern ist es notwendig, dass der Heilige Geist ihn, sein ganzes Herz, in Besitz nimmt, so dass er das ganze Leben des Gläubigen beherrscht. Solchen geistlichen Gläubigen offenbart Gott sich durch sein Wort, und sie können es verstehen. Wenn ich heute Abend, soweit es mir möglich ist, etwas darüber sage, wer Gott ist, so vertraue ich darauf, dass der Herr mich dabei bewahrt, so dass ich es in geistlicher Weise tue und nicht so, als ob ich Gott beurteilen könnte. Das ist es dann, was Gläubige verstehen und in ihr Herz aufnehmen können.
Und doch ist es so, wenn Ungläubige das Wort Gottes lesen, dass ihr Gewissen angesprochen wird, so dass sie anerkennen müssen: Das ist Gottes Wort; so können Menschen nicht schreiben. Jeder, der den Herrn angenommen hat, wird das bezeugen können, denn er hat diese göttliche Kraft des Wortes Gottes in seinem Herzen und in seinem Gewissen erfahren. Das Wort Gottes ist der Same der neuen Geburt, und durch dieses Wort wird der Mensch in die Gegenwart Gottes gebracht. Das ist die Wirkung des Wortes Gottes bei einem Ungläubigen: Obwohl er das Wort nicht versteht, wirkt doch der Geist Gottes an seinem Herzen, um ihn zu überzeugen, dass es einen Schöpfer geben muss und dass er selbst das Gericht verdient hat.
Wir haben noch ein zweites Zeugnis von Gott, nämlich dass Gott sich in der Schöpfung offenbart hat. Dieses Zeugnis bestand schon, bevor Gott sich in seinem Wort offenbarte. Es besteht, seitdem es diese Schöpfung gibt. Wir lesen in Römer 1,20: „Denn das Unsichtbare von ihm, sowohl seine ewige Kraft als auch seine Göttlichkeit, die von Erschaffung der Welt an in dem Gemachten wahrgenommen werden, wird geschaut.“ Das bedeutet nicht, dass der Ungläubige Gott in der Schöpfung erkennen kann, wohl aber, dass er durch die Schöpfung von der Existenz des Schöpfers überzeugt wird. Der Mensch kann in der Schöpfung die Kraft und Göttlichkeit Gottes als Schöpfer erkennen, so dass er überzeugt wird, wenn er aufrichtig ist, dass es einen Schöpfer gibt. Ist es nicht wirklich unbegreiflich, dass es Menschen gibt, die sagen, dass alles von selbst entstanden sei? Ja, es ist begreiflich, wenn man weiß, was Gottes Wort über das Herz des Menschen sagt, und wenn wir bedenken, wer wir selbst waren, bevor wir den Herrn kennen lernten. Wir waren Feinde Gottes (Röm 5,10). Wenn ich in meinem Innern weiß, dass ich dem Schöpfer gegenüber einmal Rechenschaft über mein Leben ablegen muss, bleiben mir nur zwei Möglichkeiten: Entweder wende ich mich zu Ihm in dem Bewusstsein, dass ich das Gericht verdient habe, oder leugne, dass es einen Gott gibt, und versuche, damit mein Gewissen zu beruhigen. Wenn mit dem Tod alles aus ist, kann ich ja ruhig leben. Doch ist es nicht an und für sich eine Torheit zu glauben, dass alles von selbst entstanden ist? Gibt es irgendetwas, das von selbst entstanden ist, ohne dass es eine erste Ursache dazu gegeben hat?
Wir haben in Psalm 19 gelesen: „Die Himmel erzählen die Herrlichkeit Gottes, und die Ausdehnung verkündet seiner Hände Werk.“ Die Fußnote sagt, dass der Name Gottes hier im Hebräischen „El“ ist. „El“ ist eine Abkürzung von „Eloah“, des Namens Gottes, der normalerweise für Gott gebraucht wird und soviel bedeutet wie „der Kräftige, der Starke“. Dieser Name Gottes wird im Alten Testament meistens in der Mehrzahl „Elohim“ gebraucht, obwohl das jeweils dazugehörende Tätigkeitswort immer in der Einzahl steht. Das ist z. B. in 1. Mose 1 der Fall. Wir könnten also übersetzen: „Im Anfang schuf [die] Götter Himmel und Erde.“ Gleich zu Beginn der Bibel zeigt Gott damit an – durch das Licht des Neuen Testamentes –, dass die Gottheit aus mehreren Personen besteht und dass es dennoch nur ein Gott ist: mehrere Personen in der Gottheit und trotzdem nur ein Gott. Im Neuen Testament ist es offenbart, dass es Gott den Vater, Gott den Sohn und Gott den Heiligen Geist gibt, die zusammen der dreieine Gott sind.
Wie hat sich dieser Gott nun offenbart? Jahrtausendelang gab es kein geschriebenes Wort Gottes. Und doch erzählten die Himmel die Herrlichkeit und Größe des Allmächtigen. Ja, Gottes ewige Kraft wie auch seine Göttlichkeit können in der Schöpfung wahrgenommen werden (Röm 1,20). Werden wir nicht überwältigt, wenn wir über die Größe der Schöpfung nachdenken? Ich las in einem Buch über Astronomie und Geologie, dass die Sonne etwa 1 300 000 Mal so groß ist wie die Erde und dass die Sonne zudem nur ein mittelmäßiger Stern ist. Es gibt z. B. einen Stern, der 36 Millionen Mal so groß ist wie die Sonne. Wie viel größer ist dieser Stern dann erst als die Erde! In diesem Buch stand auch, dass es so viele Sterne gibt, dass auf jeden Menschen, der heute auf der Erde lebt, etwa 25 Milliarden Sterne fallen. Und was ist ein Mensch schon im Vergleich zu dieser Erde! So übertreffen auch die Entfernungen im Weltraum, die man heute errechnet hat, bei weitem unser Vorstellungsvermögen. Die am weitesten von der Erde entfernte Milchstraße, die wir heute kennen, ist z. B. 3 Trillionen Lichtjahre von der Erde entfernt. Von diesem Universum lesen wir in Hebräer 11,3, dass Gott es durch sein Wort bereitet hat. „Er sprach, und es war; er gebot, und es stand da“ (Ps 33,9).
Diesem gewaltigen, allmächtigen Gott müssen wir begegnen. Ist das nicht ein überaus ernstes Wort für jeden, der den Herrn Jesus nicht kennt? Doch welch ein wunderbarer Gedanke für jeden, der mit seiner Sünde und Schuld zu Ihm gegangen ist, dass das der Gott ist, dem er begegnen wird. Wir wissen aus dem Neuen Testament: das ist der „Sohn Gottes, der mich geliebt und sich selbst für mich hingegeben hat“ (Gal 2,20). In Hebräer 11,3 wird gesagt, dass die Welten durch Gottes Wort bereitet worden sind. Und in Johannes 1,1–3 lesen wir: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Dieses war im Anfang bei Gott. Alles ward durch dasselbe.“ Gott hat alles durch sein Wort bereitet, und hier sehen wir, dass das Wort der Sohn Gottes ist: der Herr Jesus hat das ganze Universum geschaffen. In Kolosser 1,16 wird das noch klarer ausgedrückt: „Denn durch ihn sind alle Dinge geschaffen worden, die in den Himmeln und die auf der Erde, die sichtbaren und die unsichtbaren, es seien Throne oder Herrschaften oder Fürstentümer oder Gewalten: alle Dinge sind durch ihn und für ihn geschaffen.“ Wir lesen hier zweimal „durch ihn“ und einmal „für ihn“. Die griechischen Ausdrücke, die hier gebraucht werden, besagen, dass der Herr Jesus alles Selbst geschaffen hat, zweitens, dass Er alles durch seine eigene Kraft, und drittens, dass er alles für Sich selbst, zu seinem eigenen Nutzen erschaffen hat. Bedenken wir noch einmal: dieser Schöpfer des Himmels und der Erde ist Derjenige, der mich geliebt und Sich selbst für mich hingegeben hat!
Vor etwa fünfundzwanzig Jahren war ich zugegen, als in Holland eine Reihe junger Leute am letzten Abend eines Bibellagers im Dunklen einen Spaziergang im Freien machte. Viele Jungen hatten sich in der vorhergehenden Woche bekehrt, nur zwei von ihnen nicht, sie hatten sich bisher geweigert. Es war eine schöne Sommernacht mit einem klaren Sternenhimmel. Ein Bruder, der später Professor an einer Universität wurde, begann, etwas über die Sterne zu erzählen, über ihre Anzahl, ihre Größe, usw. Am Ende dieser Ausführungen sagte ein Bruder aus vollem Herzen: Das ist mein Heiland, der das alles geschaffen hat. Das ist der Sohn Gottes, der für mich zum Kreuz gegangen ist, um dort für mich zu sterben, weil Er mich liebte, dieser große Gott! Das traf die beiden Jungen so, dass einer sich noch am selben Abend und der andere sich am nächsten Morgen bekehrte. Darüber hatten sie noch nie nachgedacht.
Das möchte ich jetzt auch denen hier sagen, die den Herrn Jesus noch nicht kennen. Weißt du, wer Er ist, der sich für dich hingegeben hat? Weißt du, wer Gott ist, dem du begegnen musst? Er ist der Schöpfer von Himmel und Erde, der allein durch sein Wort alles zustande gebracht hat. Gott, der Vater, hat seinen Sohn gegeben, um sündige Menschen zu retten. Deshalb ging der Sohn Gottes zum Kreuz. Er kam in seine eigene Schöpfung und wurde Mensch, um für verlorene Sünder zu sterben, damit sie errettet werden könnten.
Lässt es unsere Herzen und Gewissen unberührt, wenn wir sehen, wer Gott ist? In Jesaja 46,10 lesen wir, dass Gott von Anfang an das Ende verkündet. Nichts ist vor Ihm verborgen. In Psalm 139,2.4 lesen wir sogar, dass Gott meine Gedanken schon kennt, bevor sie in meinem Herzen sind: „Du verstehst meine Gedanken von ferne ... Denn das Wort ist noch nicht auf meiner Zunge, siehe, HERR, du weißt es ganz.“ So haben wir auch in Psalm 19,6 von der Sonne gelesen, die dort ein Bild von dem Herrn Jesus ist, dass vor ihrer Glut nichts verborgen ist. Bevor ich einen Gedanken habe, kennt Gott ihn schon, bevor ich ein Wort ausspreche, weiß Er es. Doch sein Wissen reicht noch viel weiter.
Wir lesen in 3. Mose 16,21, dass Aaron am Großen Versöhnungstag seine beiden Hände auf den Kopf eines lebendigen Bockes legen und auf ihn alle Ungerechtigkeiten der Kinder Israel und alle ihre Übertretungen nach allen ihren Sünden bekennen musste. Im Vorbild bedeutet das, dass der Herr Jesus, als Er am Kreuz hing und unsere Sünden trug, diese Sünden alle kannte und sie alle einzeln vor Gott bekannte. Das heißt also, dass Er schon vor 1900 Jahren, bevor ich geboren wurde, mich kannte – nicht nur mich persönlich kannte, sondern auch mein ganzes Leben, jede einzelne Handlung, jeden einzelnen Gedanken. Er wusste sogar das, was ich noch tun werde, wenn der Herr noch verzieht und ich noch auf dieser Erde zu bleiben habe. Denn Er hat alle meine Sünden dort an seinem Leib getragen. Er kannte sie und hat sie alle vor Gott bekannt. Das ist der Sohn Gottes, der gekommen ist, um für Sünder zu sterben. Gott hat alle meine Sünden auf Ihn gelegt. Das ist der Gott, dem wir begegnen werden, dem jeder begegnen muss. Er wusste schon damals, was jeder von uns, ja, jeder einzelne Mensch auf dieser Erde, in seinem Leben tun würde.
Wie groß ist dieser Gott! Wie entsetzlich muss es dann für einen Menschen sein, vor diesem Gott zu stehen und von Ihm gerichtet zu werden! In Offenbarung 20,12 lesen wir, dass die Toten einmal vor dem großen weißen Thron stehen werden und nach ihren Werken gerichtet werden. Dort werden Bücher geöffnet werden, aus denen zu ersehen ist, was jeder Mensch getan hat. Und wie wir soeben gesehen haben, wusste Gott schon im Voraus nicht nur, welche Taten wir vollbringen würden, sondern auch, welche Worte wir sprechen und welche Gedanken wir haben würden. In Hebräer 4,12 lesen wir von dem Wort Gottes – das ist das geschriebene Wort, aber auch der Herr Jesus (Joh 1,1) –: „Das Wort Gottes ist lebendig und wirksam und schärfer als jedes zweischneidige Schwert, und durchdringend bis zur Scheidung von Seele und Geist, sowohl der Gelenke als auch des Markes, und ein Beurteiler der Gedanken und Gesinnungen des Herzens; und kein Geschöpf ist vor ihm unsichtbar, sondern alles bloß und aufgedeckt vor den Augen dessen, mit dem wir es zu tun haben.“ Gott kennt also nicht nur im Voraus unsere Gedanken, sondern Er beurteilt auch unsere Gedanken und Gesinnungen. Er dringt hindurch bis zur Scheidung von Seele und Geist und weiß, aus welcher Quelle unsere Gedanken entspringen. Denn sie können sowohl aus unserer Seele als auch aus unserem Geist hervorkommen. Die Seele macht die Persönlichkeit aus, sie ist der Sitz der Gefühle, Leidenschaften und Lüste. Der Geist ist mehr der Intellekt und was damit in Verbindung steht. Der Geist Gottes, Gott selbst, beurteilt nicht nur unsere Taten, sondern auch unsere Gedanken. Er sieht, ob sie aus der Seele oder aus dem Geist des Menschen hervorkommen. Wenn wir – das trifft nicht nur für Ungläubige, sondern auch für jeden Gläubigen zu – vor dem Richterstuhl Christi offenbart werden, werden auch wir erkennen, aus welcher Quelle alle unsere Gedanken hervorkamen. Der Richterstuhl Christi hat für uns als Gläubige nichts Schreckliches mehr, sondern ganz im Gegenteil: wir werden dort unser ganzes Leben mit den Augen des Herrn Jesus sehen. Verlangen wir nicht danach, alles so zu sehen wie Er es sieht? Dann wird uns auch das ganze Ausmaß der Gnade bewusst werden, denn wir werden nicht nur alle unsere Sünden sehen, sondern auch, wie viele Sünden es waren, für die der Herr Jesus das Gericht an seinem Leib getragen hat, und auch, dass es für uns kein Gericht mehr gibt. Wie falsch beurteilen wir doch häufig heute noch unsere Gedanken, Worte und Taten. Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang an eine kleine Geschichte, die Spurgeon einmal erzählt hat. Er träumte einmal von einer Predigt, die er gehalten hatte, und sah im Traum einen Engel, der die Predigt wog und ihm zeigte, wie sehr er dabei sich selbst im Auge gehabt hatte: wie viel Hochmut dabei war, dass er so gut sprechen konnte, wie viel Eigenliebe, usw., und wie wenig Liebe zu dem Herrn Jesus und zu den Verlorenen darin enthalten war. – Sind wir uns immer bewusst, aus welcher Quelle unsere Gedanken kommen?
So unendlich groß ist Gott, dass nichts vor Ihm verborgen ist, Er, von dem wir gelesen haben, dass die Himmel seine Herrlichkeit erzählen und die Ausdehnung seiner Hände Werk verkündet. Er hat alles erschaffen. Doch es ist nicht so, dass der Herr Jesus im Anfang Himmel und Erde als eine Art automatische Maschine erschaffen hat, die von selbst weiterläuft und um die Er sich nicht mehr zu kümmern brauchte. Nein, Hebräer 1 sagt uns, dass Er alle Dinge durch das Wort seiner Macht trägt (V. 3). Alles ist in jedem Augenblick von Ihm abhängig. Er trägt alles durch das Wort seiner Macht, Seiner Kraft. Das bedeutet, dass, wenn ich ein Wort sage, ich das nur tun kann, weil Er mir die Kraft dazu gibt. Wenn ich atme, kann ich das nur tun, weil Er mich dazu fähig erhält. Wenn ich meinen Daumen bewege, kann ich das nur deshalb tun, weil Er diesen Daumen bewahrt. Für mich ist das alles nur deshalb möglich, weil es in seiner Macht geschieht und Er alles trägt. Das gilt nicht nur für mich, sondern für jeden Menschen auf der Erde, für die gesamte Schöpfung. Er trägt und erhält alles durch das Wort seiner Macht.
Das ist der Schöpfer, der Gott, dem jeder Mensch begegnen muss. Wenn wir uns das einmal bewusst machen, verstehen wir auch, dass alles vor Ihm offenbar ist und dass Er alles weiß. Können wir verstehen, dass Gott auch dann die Kraft gibt, wenn ein Mensch sie missbraucht und den Namen Gottes entehrt? Ja, Gott gibt diese Kraft, weil Er den Menschen in einer moralischen Weise gewinnen will. Gott hat dem Menschen einen Willen gegeben, so dass er die Möglichkeit hat, sich von Gott abzuwenden. Ich sage nicht, dass der Mensch einen freien Willen hat, denn er hat nicht das Recht, sich von Gott abzuwenden: er ist ein Geschöpf und hat als Geschöpf die Pflicht, Gott zu dienen. Doch Gott lässt dem Menschen die Möglichkeit, sich von Ihm abzuwenden, weil Er niemanden zwingen will, Ihm zu dienen. Wir werden gerufen, den Herrn Jesus anzunehmen. Ja, es ist wahr: wir alle, die wir den Herrn Jesus kennen, werden Ihm in alle Ewigkeit dafür danken, dass Er unsere Herzen durch seine Liebe „gezwungen“ hat, Ihn anzunehmen, obwohl wir es nicht wollten. Er hat unseren eigenen Willen gebrochen, um uns so zu sich zu bringen. Doch Er hat es mit moralischen Mitteln getan, nicht durch seine Allmacht.
Dieser große Gott, der durch die Erschaffung des Himmels und der Erde seine Allmacht bewiesen hat, ist auch der Allwissende, ohne dessen Willen nichts geschieht. Wir lesen in Matthäus 10,29+30, dass sogar kein Sperling zur Erde fällt ohne den Willen unseres Vaters und dass selbst die Haare unseres Hauptes alle gezählt sind. So unendlich und unbegrenzt ist Gott in seiner Kraft. Und von diesem Gott sagt 1. Johannes 1,5, dass Er Licht ist und gar keine Finsternis in ihm ist. Das ist der Gott, dem einmal jeder Mensch gegenübertreten muss. Wenn du noch nicht von neuem geboren bist, so wisse, dass Gottes Wort von dir sagt, dass du Finsternis bist. Paulus schreibt an die Epheser, dass sie einst, als sie noch nicht bekehrt waren, Finsternis waren (Eph 5,8). Und wenn Gottes Wort sagt: „Schicke dich an, deinem Gott zu begegnen“, so bedeutet das: Schicke dich an, zu Ihm zu gehen, der Licht ist und in dem gar keine Finsternis Ist. Gott kann nicht mit etwas in Verbindung stehen, das im Widerspruch zu Ihm ist. 1. Timotheus 6,16 sagt uns, dass Gott ein unzugängliches Licht bewohnt, in dem kein Geschöpf sein kann. Es ist unmöglich für ein Geschöpf, in dieses Licht einzutreten. Wenn der Mensch als Geschöpf in die Gegenwart Gottes – in seiner absoluten Gottheit – käme, würde er verzehrt werden. So groß ist dieses Licht, diese Herrlichkeit Gottes.
In Offenbarung 1 wird uns der Herr Jesus als der Mensch Christus Jesus, der selbst Gott ist, als Richter vorgestellt. Johannes sieht Ihn dort, wie Er auf diese Erde kommt, um zu richten. Als Johannes Ihn sieht, fällt er wie tot zu seinen Füßen hin (V. 17). Dabei war Johannes doch von neuem geboren und einer der größten Diener des Herrn. Er hatte sogar an der Brust des Herrn Jesus gelegen und nennt sich selbst mehrere Male in dem Evangelium „der Jünger, den Jesus liebte“. Wenn schon Johannes beim Anblick seiner Herrlichkeit wie tot zu Boden fällt, wie muss es dann jemandem ergehen, der nicht weiß, dass er ein Gegenstand der Liebe des Herrn Jesus ist? Was wird es für jemanden sein, der sich als Feind Gottes erwiesen hat und dann das gerechte Gericht empfängt für das, was er in seinem Leben getan hat, und vor allem dafür, dass er die Gnade und die ausgestreckte Hand Gottes verschmäht hat? Wir lesen in 2. Korinther 5,20, dass Gott die Menschen bittet, sich mit Ihm versöhnen zu lassen. Wenn nun jemand diese Hand zurückweist und diese Gnade verschmäht, hat er damit das Blut des Bundes für gemein geachtet und den Sohn Gottes mit Füßen getreten (Heb 10,29). Er hat das Blut des Herrn Jesus verworfen, dieses wunderbaren Schöpfers, der in seiner unendlichen Gnade auf diese Erde gekommen ist, um Menschen zu erretten.
Wer sind diese Menschen? Bereits in 1. Mose 6 lesen wir, dass Gott von dem Menschen sagt: „Alles Gebilde der Gedanken seines Herzens ist nur böse den ganzen Tag.“ Und in Psalm 14 lesen wir: „Sie haben verderbt gehandelt, sie haben abscheulich getan; da ist keiner, der Gutes tue ... Alle sind abgewichen, sie sind allesamt verderbt; da ist keiner, der Gutes tue, auch nicht einer. Haben keine Erkenntnis alle, die Frevel tun?“ In Römer 3 sehen wir, wie der Geist Gottes Teile aus Psalm 14 wiederholt und noch einiges hinzufügt. Wir lesen dort ab Vers 10: „Da ist kein Gerechter, auch nicht einer; da ist keiner, der verständig sei; da ist keiner, der Gott suche. Alle sind abgewichen, sie sind allesamt untauglich geworden; da ist keiner, der Gutes tue, da ist auch nicht einer. Ihr Schlund ist ein offenes Grab; mit ihren Zungen handelten sie trüglich. Otterngift ist unter ihren Lippen. Ihr Mund ist voll Fluchens und Bitterkeit. Ihre Füße sind schnell, Blut zu vergießen; Verwüstung und Elend ist auf ihren Wegen, und den Weg des Friedens haben sie nicht erkannt. Es ist keine Furcht Gottes vor ihren Augen ... damit jeder Mund verstopft werde und die ganze Welt dem Gericht Gottes verfallen sei.“ Das ist das unmissverständliche Urteil Gottes über den Menschen.
Und denken wir zurück an die Erschaffung des Menschen! In 1. Mose 1 und 2 sehen wir, welch eine Stellung und welche wunderbaren Fähigkeiten Gott dem Menschen gegeben hatte. Der Mensch hat eine Seele und einen Körper, durch den er mit der irdischen Schöpfung in Verbindung steht. Wir lesen dort in Kap. 2,19, dass Gott alle Tiere zu Adam brachte „um zu sehen, wie er sie nennen würde; und wie irgend der Mensch ein lebendiges Wesen nennen würde, so sollte sein Name sein. Und der Mensch gab Namen allem Vieh und dem Gevögel des Himmels und allem Getier des Feldes.“ Stellen wir uns das einmal vor: Adam war soeben erschaffen worden, und am gleichen Tag bringt Gott alle Tiere zu ihm, und Adam gibt ihnen Namen. Er war in der Lage, sogleich den Charakter jedes Tieres zu erkennen und ihm einen entsprechenden Namen zu geben. In Gottes Wort haben Namen immer eine Bedeutung: sie sind der Ausdruck des Wesens desjenigen, der diesen Namen trägt. Solche enormen Fähigkeiten hatte Adam vor dem Sündenfall. Er war ein ausgezeichneter Biologe, wie es danach keinen mehr geben konnte, weil alles durch die Sünde verdorben war. Gott hatte Adam in seinem Bild gemacht. Das bedeutet, dass der Mensch hier auf Erden der Vertreter Gottes war. Als solcher war er einzigartig. In der Schöpfungsordnung Gottes standen nur noch die Engel höher als die Menschen. Wir lesen in Gottes Wort, dass das Gesetz durch Engel gegeben wurde (Apg 7,53, Gal 3,19) und dass Gerichte in Gottes Regierungswegen durch Engel ausgeführt wurden (vgl. Ps 103,20+21; Ps 104,4). Doch Engel sind nie im Bild Gottes erschaffen worden. Das trifft nur für den Menschen zu; nur der Mensch war der Stellvertreter Gottes und der Verwalter Gottes über die gesamte irdische Schöpfung. War es nicht eine wunderbare Gunst, eine besondere Güte Gottes, dass Er dem Menschen diesen Platz gab, obwohl er aus dem gleichen Staub gebildet worden war wie die Tiere (1. Mo 2,7)?
Wir haben also gesehen, mit welchen Fähigkeiten Gott Adam für seine Aufgabe ausgestattet hatte. Nicht Gott gab den Tieren Namen, sondern Er ließ es Adam tun und bestätigte ihn somit in der Stellung, die Er ihm gegeben hatte. Gott brachte jedes Tier, sogar die Vögel des Himmels, zu Adam, so dass die Tiere zugleich wussten, dass Adam ihr Haupt war, dem sie unterstanden und dem sie zu dienen hatten.
Weiterhin sehen wir auch in 1. Mose 1,26, dass Adam nach dem Gleichnis Gottes gemacht war. Das bedeutet, dass er ein moralisches Wesen war, unschuldig und ohne Sünde. Wir können zwar nicht sagen, dass er heilig war, denn heilig zu sein, bedeutet, dass man das Böse kennt und dann davon getrennt ist. Doch Adam war rein und hatte keinerlei Verbindung mit dem Bösen. Er kannte die Sünde nicht. Er war moralisch mit Gott in Übereinstimmung, so dass er Gemeinschaft mit Ihm haben konnte, mit dem Gott, der Licht ist und in dem gar keine Finsternis ist (1. Joh 1,5). Die Engel sind, obwohl sie im Himmel sind, nur Diener Gottes (Heb 1,7.14), der Mensch hingegen war das Haupt der irdischen Schöpfung, der Stellvertreter Gottes, und somit souverän gegenüber allen Tieren und der gesamten irdischen Schöpfung. Er war nur Gott Rechenschaft schuldig. Tiere konnten sich nicht zu Gott wenden, sie waren Adam untergeordnet. Welch eine erhabene Stellung hatte Gott dem Menschen gegeben, und dazu hatte der Mensch Gemeinschaft mit Gott. Als Gott in 1. Mose 3 zu Adam kam und mit ihm sprach, sehen wir, dass Adam Gott sofort an seiner Stimme erkannte.
Doch wie schnell hat die Sünde alles verdorben. 1. Mose 3 zeigt uns, wie der Mensch in Sünde fiel. Wir lesen dort: „Und die Schlange war listiger als alle Tiere des Feldes, die Gott der HERR gemacht hatte; und sie sprach zu der Frau: Hat Gott wirklich gesagt: Ihr sollt nicht essen von jedem Baum des Gartens? Und die Frau sprach zu der Schlange: Von der Frucht der Bäume des Gartens essen wir; aber von der Frucht des Baumes, der in der Mitte des Gartens ist, hat Gott gesagt: Davon sollt ihr nicht essen und sie nicht anrühren, damit ihr nicht sterbt. Und die Schlange sprach zu der Frau: Ihr werdet durchaus nicht sterben, sondern Gott weiß, dass an dem Tag, da ihr davon esst, eure Augen aufgetan werden und ihr sein werdet wie Gott, erkennend Gutes und Böses. Und die Frau sah, dass der Baum gut zur Speise und dass er eine Lust für die Augen und dass der Baum begehrenswert wäre, um Einsicht zu geben; und sie nahm von seiner Frucht und aß, und sie gab auch ihrem Mann bei ihr, und er aß. Da wurden ihrer beider Augen aufgetan, und sie erkannten, dass sie nackt waren.“ Wir sehen hier, wie die Schlange zu Eva kommt und Eva die hohe Stellung verlässt, die der Mensch von Gott empfangen hatte. Sie entehrte Gott, indem sie das einzige Gebot missachtete, das Gott gegeben hatte. Durch dieses Gebot wollte Gott dem Menschen bewusst machen, dass er, auch wenn er das Haupt der irdischen Schöpfung war, doch ein Geschöpf blieb und einen Schöpfer über sich hatte, dem er Verantwortung schuldig war.
Doch war es nicht das Schrecklichste, dass Gott durch die Missachtung dieses Gebotes so verunehrt wurde? Die Schlange leugnete die Eigenschaften Gottes, und Eva glaubte ihr. Gott hatte gesagt: „Denn an dem Tag, da du davon isst, wirst du gewisslich sterben“ (2,17). Aber die Schlange wandte ein: „ Ihr werdet durchaus nicht sterben, sondern Gott weiß, dass an dem Tag, da ihr davon esst, eure Augen aufgetan werden und ihr sein werdet wie Gott, erkennend Gutes und Böses“ (3,4.5). Die Schlange machte Gott zum Lügner, und Eva glaubte ihr. Das war das Erste. Zweitens stellte die Schlange Gott so dar, als wollte Er Adam und Eva etwas vorenthalten, nämlich so zu sein wie Gott, erkennend Gutes und Böses. Sie sagte gleichsam zu Eva: Gott ist nicht gut. Er liebt euch nicht, Er will euch gering halten. Wenn Er euch liebte, hätte Er euch alles gegeben. Doch Er will nicht, dass ihr Ihm gleich werdet. Das ist die zweite Lüge Satans. Und drittens behauptete die Schlange gleichsam: Gott ist nicht gerecht. Wenn ihr das Haupt dieser Schöpfung seid, habt ihr auch ein Recht, von diesem Baum zu essen, auch wenn Gott euch sagt, dass ihr es nicht tun sollt.
Die Schlange sagte also: Erstens ist Gottes Wort nicht wahr, Gott ist ein Lügner; zweitens liebt Er euch nicht, indem Er euch etwas vorenthält, und drittens ist Gott nicht gerecht, indem ihr als Haupt über die gesamte Schöpfung doch nicht von diesem Baum essen dürft. Und wir kennen das Ergebnis: Eva glaubte der Schlange, nahm von der Frucht und aß. Damit hatte sie also nicht nur das einzige Gebot, das Gott gegeben hatte, übertreten, sondern leugnete auch all die herrlichen Eigenschaften Gottes. Wir haben in 1. Johannes 1,5 gelesen, dass Gott Licht ist und gar keine Finsternis in Ihm ist, und in 1. Johannes 4,8.16 lesen wir, dass Gott Liebe ist. Das Wesen Gottes ist also Licht, und seine Natur, das, was von Ihm ausgeht, ist Liebe. All das leugnete Eva. Sie leugnete die Liebe Gottes, seine Güte, sein Licht, seine Gerechtigkeit und seine Heiligkeit. Das ist aus dem Menschen geworden, dem, was seine Stellung betrifft, höchsten Geschöpf, das Gott gemacht hatte, den Gott mit so vielen Segnungen ausgestattet hatte.
Nicht nur Adam und Eva wurden Sünder, sondern auch alle ihre Nachkommen. In 1. Mose 5,3 lesen wir, dass Adam Seth in seinem Gleichnis zeugte. Jeder Mensch ist seit dem Sündenfall im Gleichnis Adams geboren, ist ein gefallener Sünder, ein Übertreter des Gebotes Gottes. Und nicht nur das: der wahre Zustand des Menschen ist der, dass er Gott seiner Ehre beraubt hat. Wir haben es in Psalm 14 und Römer 3 gelesen, dass es keinen Menschen gibt, der Gott sucht, ja, alle sind abgewichen und leugnen sogar die Existenz Gottes: „Der Tor spricht in seinem Herzen: Es ist kein Gott!“ (Ps 14,1). Heutzutage sagen es die Toren nicht mehr nur in ihren Herzen, sondern rufen es sogar von den Dächern: Es ist kein Gott; sie lächeln mitleidig über die, die noch glauben, dass es einen Gott gibt.
Vor einigen Jahren kam ein älterer Herr von über siebzig Jahren zu mir ins Büro. Er wollte für jemanden anders etwas bezahlen. Ich kannte ihn nicht und fragte ihn, wie alt er sei. Nachdem er sein Alter genannt hatte, fuhr ich etwa so fort: Mit siebzig Jahren hat man ein hohes Alter erreicht, und da wird es bald so weit sein, dass Sie Gott begegnen müssen. Sind Sie bereit, das zu tun? Daraufhin sagte er Lästerungen über Gott und den Sohn Gottes, die ich nicht nachsprechen kann. Solche Dinge wagt ein Mensch über den allerhöchsten Gott und über seinen Sohn zu sagen, der am Kreuz starb, damit Menschen errettet werden könnten. Gott hat diesen Mann nicht sogleich gerichtet, aber er wird ins Gericht kommen. In Wirklichkeit ist das der Zustand jedes Menschen, der nicht bekehrt ist, und das war auch unser Zustand, bevor wir unsere Sünden und unsere Schuld vor Gott bekannten. Der Mensch ist ein Feind Gottes geworden. Was ist der Mensch, verglichen mit der Größe und Unendlichkeit Gottes: Gott ist unendlich mächtig, Er ist der Allmächtige, Er ist unendlich in seinem Wissen, Er ist der Allwissende, Er ist unendlich in seiner Gerechtigkeit, Er ist Licht, und Er ist auch unendlich in seiner Liebe: Er hat das Größte getan, was Liebe tun kann: Er hat seinen eingeborenen Sohn gegeben, damit kleine, nichtige Geschöpfe, ja, Feinde, wie Römer 5,10 sagt, errettet werden könnten.
Diesem Gott muss jeder Mensch einmal begegnen. Muss Gott nicht, wenn Er gerecht ist, mit der höchsten Strafe strafen, die ein allmächtiger Gott verhängen kann? Eine größere Sünde als die, die der Mensch begangen hat, ist gar nicht denkbar: Der Mensch hatte die höchste Stellung, die größten Segnungen in der irdischen Schöpfung bekommen, wandte aber Gott den Rücken zu und beraubte Ihn seiner Ehre. Nicht nur das. Als der Schöpfer selbst auf die Erde zu dem Menschen kam, brachte der Mensch Ihn ans Kreuz, nachdem er Ihn schrecklich misshandelt hatte. Was die Verantwortlichkeit des Menschen angeht, so hat er seinen Schöpfer auf die furchtbarste Weise ermordet. Der Mensch verschmähte die Gabe Gottes, indem er gleichsam sagte: Ich will deine Gnade nicht. Er hat den Herrn Jesus nicht nur ans Kreuz gebracht, sondern schmäht Ihn heute noch und weist seine Gnade zurück. Muss nicht Gottes Gerechtigkeit danach verlangen – und verlangt es nicht selbst unser menschliches Gerechtigkeitsgefühl, dass Gott solche Menschen mit dem schrecklichsten Gericht straft, wie es nur ein allmächtiger Gott tun kann? Kann Gottes Licht solche Menschen in seiner Gegenwart dulden? Muss Er sie nicht in die völlige Trennung von Sich selbst, in die ewige Finsternis bringen, wohin kein Strahl Gottes dringen kann, denn Gott ist Licht, und gar keine Finsternis ist in Ihm.
Und doch hat Gottes Liebe einen Weg gefunden, all das zu überwinden. Der Herr Jesus hat das Werk vollbracht und ist gestorben, damit Er uns zu Gott führe (1. Pet 3,18). Er ist gestorben, um uns in die Gegenwart Gottes bringen zu können, ohne uns zu richten, und uns stattdessen mit allem zu segnen, was ein allmächtiger Gott geben kann. Kann es etwas Höheres geben, als dass Gott uns zuvorbestimmt hat, dem Bilde seines Sohnes gleichförmig zu sein, damit Er, der Sohn, der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern (Röm 8,29)?
Noch einmal: Gott hatte von dem Menschen gesagt, dass all das Gebilde der Gedanken seines Herzens nur böse ist den ganzen Tag. In Römer 3 haben wir gelesen, wie Gott all die schrecklichen, bösen Dinge aufzählt, die der Mensch getan hat, so dass der Geist Gottes schließlich sagen muss: „Denn alle haben gesündigt und erreichen nicht die Herrlichkeit Gottes“ (Röm 3,23). Gott konnte an dem Menschen nichts Anziehendes finden. Der Mensch war so böse, dass es keine übleren und böseren Dinge gibt, die er hätte tun können. Dabei hatte der Mensch solche hohen Segnungen empfangen. Und doch will Gott solche Menschen, wenn sie seine ausgestreckte Hand annehmen, dem Bilde seines Sohnes, der all sein Wohlgefallen hat und seine Wonne ist, gleichförmig machen, so dass Er der Erstgeborene ist unter vielen Brüdern. Diese Menschen, die Ihm so den Rücken zukehrten, Ihn beleidigten, Ihn entehrten, Sein Gebot übertraten, Ihm gleich sein wollten, die wollte Er dem Bilde seines Sohnes gleichförmig machen und ihnen die göttliche Natur geben. Gott hat Ihnen seinen Sohn als ihr Leben gegeben, so dass sie in alle Ewigkeit außerhalb der Schöpfung, im Haus des Vaters, da wo der Vater und der Sohn und der Heilige Geist in alle Ewigkeit gewohnt haben, wohnen könnten. Dort will Er sie als seine Söhne, als seine Kinder gleichförmig dem Bilde seines Sohnes haben, um ihnen dort all die Segnungen zu schenken, die sein eigenes Teil und das Teil seines Sohnes sind. Das ist die Antwort der Liebe Gottes auf das, was der Mensch getan hat.
Ich hoffe, so der Herr will, an den nächsten Abenden weiter darüber zu sprechen, wie Gottes Liebe einen Weg gefunden hat, uns diese ewigen Segnungen zu schenken.