Vorträge über die Sendschreiben
Einleitung
Ehe ich auf die Einzelheiten der Sendschreiben an die sieben Versammlungen eingehe sei es mir vergönnt einige Worte über den allgemeinen Charakter des Buches der Offenbarung zu sagen. Es ist von der höchsten Wichtigkeit, dass wir ein richtiges und klares Verständnis über gewisse Hauptgrundsätze erlangen die sich durch das ganze Buch hinziehen; anders werden wir die Handlungsweise Gottes, wie sie uns in demselben mitgeteilt wird, nicht verstehen. Und vergessen wir nicht, dass wir allein aus der Schrift erfahren können, welches der Ratschluss Gottes ist, und was Er bezweckt mit dem, was Er tut, und mit der Art und Weise, wie Er es tut.
Das erste Kapitel bildet die Einleitung zum ganzen Buche. Letzteres ist eine „Offenbarung welche Jesu Christo gegeben wurde um Seinen Knechten zu zeigen, was bald geschehen muss“ um die Erscheinung Christi vorzubereiten. Es ist ein wunderbarer Gedanke, dass Gott solche Mitteilungen macht, und bewunderungswürdig ist auch die Art und Weise, wie Er sie macht. Gott schreibt nicht, wie ein Mensch, nur um die menschlichen Wünsche zu befriedigen oder zu reizen. Nein, wenn Gott schreibt, so geschieht es, um etwas hervorzubringen, wodurch unsere Seelen geprüft und in Seine Gemeinschaft gebracht werden. Nehmen wir als Beispiel die Evangelien. Sie sind nicht nur geschrieben, um eine historische Darstellung des Lebens Christi hienieden zu geben, sondern um vor unsern Seelen die Ratschlüsse und Gnadenwege Gottes in dem Werke und der Person Seines Sohnes zu entfalten. Und nur wenn wir auf diese Weise die Gedanken und Wege Gottes kennen lernen sind wir fähig zu verstehen, was Gott in jedem Teil Seiner Wege tut.
Das Buch der Offenbarung redet vom Anfang bis zum Ende von Gericht. Gott wird darin geoffenbart als einer, der im Begriff steht das Gericht zu vollziehen. Dies findet seine Anwendung sogar auf die Kirche, wie wir aus Kapitel 2 und 3 ersehen können. Sie wird betrachtet als auf der Erde – dem Gericht unterworfen. Allerdings redet die Prophezeiung von den Gegenständen, die unter dem Gericht sind, sowie von den Mitteln, um dasselbe abzuwenden; allein das ganze Buch trägt durchweg einen richterlichen Charakter, mit Ausnahme der Beschreibung von dem herrlichen Zustande der Kirche, als des himmlischen Jerusalem. Dies ist sogar der Fall, wenn die Kirche in Tätigkeit tritt, wie im 19. Kapitel; sie folgt dort auf weißen Pferden dem Herrn, welcher auszieht zum Gericht. Wenn diese Wahrheit nicht völlig erfasst und festgehalten wird, so ist es unmöglich, den Zweck des Buches zu verstehen.
In Übereinstimmung mit dem oben Gesagten finden wir in der Offenbarung niemals den Namen des Vaters in Verbindung mit den Heiligen, wohl in Verbindung mit Christo. (Vgl. Kap. 1,6; 2,27; 3,5..21.) In Kap. 14,1 wird der Name des Vaters des Lammes an die Stirnen der 144 000 geschrieben; aber auch hier ist es immer Sein Vater, wenn auch Sein Name an ihren Stirnen steht. Ferner ist von dem Verhältnis der Braut, des Weibes des Lammes, durchaus keine Rede, bis die Feier der Hochzeit des Lammes erzählt wird. Die Grundsätze und Verhältnisse tragen in der Offenbarung einen völlig veränderten Charakter. Gott ist mit dem beschäftigt, was auf der Erde ist, und zwar entsprechend der Verantwortlichkeit desselben. Dieser einfache Gedanke ist geeignet, vielen Irrtümern vorzubeugen. Das ganze Buch trägt, wie bereits bemerkt, den Charakter des Gerichts, und zwar steht dieses Gericht in Verbindung mit der Erde, d. h. die Menschen sind auf Erden für das verantwortlich, was ihnen anvertraut worden ist. Wenn also von der Kirche, als auf der Erde befindlich, gesprochen wird, so ist der Gegenstand, um den es sich handelt, ihre Verantwortlichkeit, und daher kommt sie unter das Gericht. Die zweite Sache, die unsre besondere Beachtung verdient, ist diese, dass der ganze Charakter des Buches ein prophetischer ist. „Glückselig, der da liest, und die da hören die Worte der Weissagung und behalten, was darin geschrieben ist.“ Sogar in den Anreden an die sieben Versammlungen ist die Sprache prophetisch. Anders verhält es sich mit den verschiedenen Briefen in dem vorhergehenden Teil des Neuen Testaments. Dort sind es Mitteilungen an die Versammlungen oder Heiligen, um sie zu belehren, wie sie sich in dem Verhältnis, in welches Gott sie in Gnade mit Sich Selbst und mit dem Herrn Jesu gebracht hat, zu verhalten haben. Die Sendschreiben aber sind, wie gesagt, prophetisch, d. h. sie kündigen die Resultate und Folgen an, die im Wege des Gerichts über diejenigen kommen sollen, an welche sie sich wenden, und welche einen öffentlichen Körper bilden. Es handelt sich nicht um den Dienst der Gnade und der Unterweisung in einem gesicherten und bleibenden Verhältnis, das keinem Wechsel unterworfen sein kann. Auch handelt es sich nicht um die gegenwärtige Segnung dessen, der redete, noch derer, welche das Wort zurzeit aufnahmen, weil sie Ohren hatten, zu hören. Wir sehen den nämlichen Unterschied in den alttestamentlichen Propheten und in den prophetischen Stellen, die sich in den Episteln zerstreut finden. 1. Pet 1,11+12 gibt eine Erklärung dessen, was ich meine. Es heißt dort: „Welchen es geoffenbart ward, dass sie nicht für sich selbst sondern für euch die Dinge bedienten.“ Das ist der eigentliche Charakter der Prophezeiung. Sie wendet sich an eine Person und ist bestimmt für andere. Sie ist eine Offenbarung zukünftiger Dinge. Ein Prophet weissagte nicht über sich selbst; was ihm der Geist Christi offenbarte, waren Dinge, die nicht ihn, sondern andre betrafen. Der Unterschied bestand also darin, dass dieselben Dinge (welche jene bedient hatten) den Heiligen durch diejenigen mitgeteilt wurden, welche ihnen das Evangelium durch den vom Himmel gesandten Heiligen Geist predigten. Wenn der Heilige Geist in den Heiligen redet, so tut Er kund, dass die Dinge, von welchen Er spricht, ihnen selbst angehören. Er bedient sich deshalb auch beständig des Wörtchens „uns“. Wir finden dieses Wort im Alten Testament nirgendwo in dieser Verbindung. „Der uns liebt und uns von unsern Sünden gewaschen hat“ – „Gott zur Herrlichkeit durch uns“ – „der uns gesegnet hat ... wie Er uns auserwählt. . . und uns zuvorbestimmt hat“ – „der uns errettet hat“ – „und hat uns mitauferweckt und mitsitzen lassen in den himmlischen Örtern in Christo Jesu.“ Das heißt nicht einfach zukünftige Dinge anzeigen. Wenn der Heilige Geist etwas von den Dingen Christi offenbart, so umfasst Er alle Heiligen – „auf dass ihr völlig zu erfassen vermöget mit allen Heiligen.“ Mit einem Wort, der Heilige Geist schließt, wenn Er also redet, alle Heiligen ein, als solche, die jetzt Teil an der Segnung haben, und Er wendet alles, was uns Gott „in Jesu Christo“ gegeben hat, auf sie an. Allerdings genießen wir jetzt noch nicht alles und werden deshalb ermahnt, völlig auf die Gnade zu hoffen, welche uns gebracht wird, bei der Offenbarung Jesu Christi.
Es gibt hier gleichsam drei Abstufungen. Erstens: der Geist der Prophezeiung, welcher in vergangenen Zeiten in den Propheten, aber nicht für sie selbst, redete; zweitens: der Heilige Geist, hernieder gesandt, um die Erlösung zu verkündigen, und drittens der Heilige Geist als das Siegel, das Pfand und die Salbung, mittelst derer wir unser Teil kennen und genießen, als der Geist der Erwartung, da wir, so lange wir in diesem Leibe sind, noch nicht das besitzen, was einst unser sein wird. Wohl besitzen wir das Pfand, aber wir erwarten die „Sohnschaft, die Erlösung unsers Leibes.“ Dessen ungeachtet verleiht der Geist Gottes, welcher in der Kirche oder Versammlung wohnt, und zwar in eben diesem besonderen Charakter, durch die zwei ausdrucksvollen Worte: „uns“ und „wir“, das Bewusstsein des gegenwärtigen Genusses dessen, was Er offenbart.
Bei einer Betrachtung von Hebräer 9 sahen wir kürzlich, dass Christus in der Vollendung der Zeitalter in den Himmel aufgenommen wurde, und dass, während Er droben ist und bevor Er wieder auf diese Erde zurückkehrt, durch den Heiligen Geist ein Werk getan wird – ein Leib wird gesammelt und mit Ihm, dem Haupte im Himmel zur Rechten Gottes, verbunden. Kraft des auf diese Weise zur Rechten Gottes erhöhten Hauptes sendet Gott den Heiligen Geist hernieder, um einen Leib zu sammeln, der mit Ihm eins sei in der Herrlichkeit, der dieselbe Herrlichkeit besitze, wie Er und aus Gliedern von Seinem Fleische und von Seinen Gebeinen bestehe. Dies ist der eigentliche Charakter des Geistes in Verbindung mit der Kirche; es handelt sich hier nicht um Prophezeiung, nicht um die Mitteilung dessen, was auf Erden Andern begegnen soll, sondern es ist der Geist als das Siegel, das Pfand und die Zusicherung der Segnungen, welche uns angehören, der Geist, welcher bezeugt, wie sehr Gott uns gesegnet hat – uns, und nicht andre Personen, und der bei uns bleibt bis zur Ankunft Christi. Dann wird, Gott sei dafür gepriesen! nicht ein Teilchen des kostbaren Staubes Seiner Erkauften zurückbleiben, denn „wer dem Herrn anhängt, ist ein Geist mit Ihm.“ Christus wird den ganzen Menschen, Leib, Seele und Geist, mit sich zu dem vollsten Genusse der himmlischen Segnungen einführen und zwar für immer und ewiglich.
Sobald der Geist Gottes Seinen prophetischen Charakter annimmt, verändert sich alles. Sein Zeugnis muss sich dann auf etwas Irdisches beziehen. Er prophezeit niemals über den Himmel. Wenn Er uns sagt: Die ganze Herrlichkeit des Himmels ist euer, so ist das nicht eine Vorhersagung irgendeines später einzutreffenden Ereignisses, sondern eine Offenbarung. In gewissem Sinne sind wir schon dort, weil wir in Christo sind. Wir verwirklichen unsre Gemeinschaft in den himmlischen Örtern, während wir hienieden der Erfüllung alles dessen, was sich noch ereignen soll, entgegensehen und auf die Erlösung unsers Leibes warten. Beschäftige ich mich jedoch mit der Erde und ist die Kirche oder Versammlung der Gegenstand meiner Gedanken, so muss sie – so gewiss und unveränderlich ihre ewigen Vorrechte sind, sobald wir sie in ihrem wahren Charakter betrachten – vor meinen Augen stehen als ein verantwortlicher Körper auf der Erde – als „das was ist“ – verantwortlich nach dem Maß der Vorrechte, in welchen sie hienieden zurückgelassen ist.
Es ist von der allerhöchsten Wichtigkeit, diese Wahrheit festzuhalten, da wir anders die Handlungsweise Gottes nicht verstehen können. Der Heilige Geist, welcher in der Kirche oder Versammlung wohnt, vereinigt mich mit Christo. Handelt es sich um Gerechtigkeit? Ich bin die Gerechtigkeit Gottes in Ihm; um Leben? Er ist mein Leben; um Herrlichkeit, Er sagt; „die Herrlichkeit, die Du mir gegeben, habe ich ihnen gegeben.“ Alles, was Er hat, ist unser, ausgenommen Seine Gottheit, an welcher wir selbstredend nicht Teil haben können. 1 Alles, was Christus besitzt, gehört mir; denn „wer dem Herrn anhängt, ist ein Geist mit Ihm.“ Hiermit konnte sich die Prophezeiung nicht beschäftigen, denn es war ein Geheimnis, das von den Zeitaltern und Geschlechtern her in Gott verborgen war. Jetzt aber hat der Heilige Geist uns mitgeteilt, dass die Versammlung in der gegenwärtigen Zeit mit dem zur Rechten Gottes in den Himmeln erhöhten Christus in lebendige Verbindung gebracht ist – Christus, das Haupt, im Himmel, die Versammlung, die Glieder, auf der Erde. Die Heiligen des Alten Bundes konnten nicht von einem Menschen im Himmel reden, dessen Glieder sich auf der Erde befanden. Es hätte dies gar keinen Sinn für sie gehabt. Christus musste zuerst von der Erde verworfen sein, ehe man sagen konnte, dass Er sich als das Haupt im Himmel befinde und Glieder auf der Erde habe. Kehren wir nun zu der Prophezeiung zurück, so sehen wir die Versammlung in die Kenntnis dessen eingeführt, was Gott auf Erden zu tun beabsichtigt.
Wenn sich der Geist im zweiten und dritten Kapitel der Offenbarung an die Versammlungen wendet, so redet Er nie von der Gnade, die von dem Haupte zu den Gliedern des Leibes hernieder strömt, und selbst wenn uns die Heiligen droben gezeigt werden, so sehen wir sie nicht als einen Leib, sondern als einzelne Anbeter, als Könige und Priester Gottes, die einen Gegenstand der Anbetung im Himmel haben. Der Heilige Geist spricht in diesen Sendschreiben in der Tat nicht von der Versammlung als dem Leibe Christi, sondern Er redet von gewissen Gemeinschaften, die sich in gewissen Umständen hienieden befinden. Er betrachtet sie nicht als die Glieder eines Leibes, noch spricht Er von der lebendigen Macht der Gnade, welche hienieden wirkt, um Segen hervorzubringen, sondern von dem Verhalten derer, welche, nachdem sie in diese Stellung der Segnung versetzt worden waren, die Vorzüge jener Gnade genossen hatten. Es handelt sich nicht darum, was die Kirche oder Versammlung ist, sondern um das, was sie getan hat; nicht um ihre Stellung in der Gnade, in welche sie die Macht des Heiligen Geistes versetzt hat, (denn der Heilige Geist erscheint nicht als in ihnen wohnend oder wirkend) sondern um ihre Verantwortlichkeit. Es findet sich daher, wie ich bereits bemerkte, in diesem Buche nirgendwo die Liebe des Vaters zu den Kindern, noch auch der Heilige Geist als die Seele (wenn ich so sagen darf) des Leibes, die denselben mit dem Haupte verbindet, noch endlich die Macht der Gnade, deren Endresultat die Hochzeit des Lammes ist. Wir sehen vielmehr die Versammlung in einem gegebenen Zustande auf der Erde, dem Gericht unterworfen. Von einer Einheit mit Christo ist hier gar nicht die Rede. Was wir finden, ist die Mitteilung dessen, was Christus einem jeden der besprochenen Zustände gegenüber ist – Sein Urteil über das, was Er sieht und offenbar macht. Halten wir dieses fest, so ist der Inhalt der Sendschreiben einfach und leicht zu verstehen und als Warnung voll Nutzen für unsre Seelen. Die Worte, mit welchen das ganze Buch eingeleitet wird, sind überaus köstlich und lehrreich für uns: „Offenbarung Jesu Christi, die Gott Ihm gab, um Seinen Knechten zu zeigen, was bald geschehen muss.“ (V. 1.) Hier ist es augenscheinlich nicht Christus im Himmel, als das Haupt, noch der Heilige Geist, der in den Gliedern zur Auferbauung des Leibes wirkt. Dieses- Verhältnis und diese Stellung werden in den Episteln klar dargelegt. Hier ist es die Offenbarung, welche Gott Christo gab, um Seinen Knechten (nicht den Söhnen) zu zeigen, was bald geschehen muss. Desgleichen bringt hier der Heilige Geist nicht, wie in dem Brief an die Epheser, den Kindern und der Braut Belehrung von oben, oder macht sie mit ihrer Verbindung mit dem Vater und dem Bräutigam bekannt, sondern es ist eine Offenbarung an Knechte und über Dinge, die bald auf Erden geschehen sollen: „und Er hat gesandt und es gedeutet durch Seinen Engel.“ Der Dienst der Engel tritt auf diese Weise hinzu und zeigt uns den prophetischen Charakter der Stelle. Beachten wir ferner, dass wir hier nicht die Entfaltung der Reichtümer Christi durch den Heiligen Geist haben, sondern eine Botschaft durch einen Engel.
„Der bezeugt hat“ – nicht die Gemeinschaft mit Christo, noch auch die Fülle Christi – sondern „das Wort Gottes und das Zeugnis Jesu Christi.“ (V. 2.) Das Zeugnis Jesu Christi ist nicht Seine Fülle, sondern Sein Urteil über andre Gegenstände. Somit werden uns Geheimnisse auf der Erde vor Augen geführt, und diese sind nie die Fülle Christi im Himmel, was wir stets festhalten müssen. Der dritte Vers enthält die Verheißung des Segens für alle diejenigen, welche die Worte der Weissagung lesen und hören.
„Gnade euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt, und von den sieben Geistern, die vor Seinem Throne sind.“ (Vers 4.) Die Gnade und der Friede kommen hier nicht von dem Vater und Seinem Sohne, sondern von Jehova. Der Gruß ist, besonders was den Heiligen Geist betrifft, nicht derselbe wie in 2. Kor 13,13, wiewohl die sieben Geister ohne Zweifel auf den Heiligen Geist anspielen, indem die Zahl sieben das Symbol der Vollkommenheit in ihrer vielseitigen Macht ist. Der hier dem Geiste gegebene Titel steht in Verbindung mit der Macht und Einsicht, die sich bei der Regierung der Erde kundgeben. (Vgl. Kap. 5,6)
„Und von Jesu Christo, der da ist der getreue Zeuge, der Erstgeborne aus den Toten und der Fürst der Könige der Erde.“ (V. 5.) Christus wird zuletzt erwähnt, um zu zeigen, wie Er hier ganz und gar in Verbindung mit der Regierung der Erde erscheint. Er ist „der getreue Zeuge, welcher, als Er hienieden war, ohne je zu fehlen, geoffenbart hat, was Gott und was die ganze Wahrheit ist. „Der Erstgeborne aus den Toten“ – das ist die Macht der Auferstehung „aus den Toten“ hienieden. „Der Fürst der Könige der Erde“ – Sein Platz in Macht über jegliche Herrschaft hienieden, ein Platz, den Er noch nicht tatsächlich in Besitz genommen hat. Er wird hier nicht „der Sohn des Vaters“ genannt, noch auch als das Haupt des Leibes, der Versammlung, oder als das Lamm inmitten des Thrones eingeführt; Sein Titel ist: Fürst der Könige der Erde, woraus wiederum hervorgeht, dass es sich nur um Seine Verbindung mit der Erde handelt.
Allein es ist bemerkenswert, dass, sobald Christus genannt wird, die Versammlung ihrer Freude über ihre persönliche Verbindung mit Ihm einen lauten Ausdruck gibt. „Dem, der uns liebt und uns von unsern Sünden gewaschen hat in Seinem Blut und uns gemacht hat zu einem Königtum, zu Priestern Seinem Gott und Vater.“ Dies kann nicht anders sein; mag der Gegenstand, um den es sich handelt, sein, welcher er will, Christus ist und bleibt stets unser Christus, mit welchem wir in lebendiger Weise verbunden sind, und unmöglich kann Sein Name ausgesprochen werden, ohne die Antwort der Seele in Anerkennung dessen, was Er für sie ist, wachzurufen. Selbst wenn ich an das Gericht und an Ihn als den Richter denke, so sage ich: „Ich bin mit Ihm verbunden;“ in allem ist Er mein Christus. Etwas Ähnliches können wir in dem natürlichen Leben beobachten. Wenn die Frau eines hochgestellten Mannes ihren Gatten kommen sieht, so wird sie unwillkürlich ausrufen; „Da kommt mein Mann“, da ihr Verhältnis zu ihm ihre Gedanken zunächst beschäftigt. Ebenso ist es mit der Versammlung Christo gegenüber, unter welchem Charakter Er auch geoffenbart werden mag. Sobald Er am Schluss des prophetischen Teiles des Buches sagt: „Ich bin der glänzende Morgenstern“, antwortet die Versammlung, in Übereinstimmung mit ihrer Hoffnung auf Ihn, alsbald mit dem Rufe; „Komm!“ „Der Geist und die Braut sagen: Komm!“ So sollte Christus stets der Gegenstand aller Gedanken und Zuneigungen unsrer Herzen sein. Gerade das ist es, was einem jeden Zeugnis bezüglich Seiner Person, einem jeden Teil Seiner Herrlichkeit seinen Wert für uns verleiht. Alles, was Ihn angeht, geht auch mich an, was auch direkt der Gegenstand sein mag, um den es sich handelt. Ist mein Herz mit Christo, dem Besitzer der zukünftigen Herrlichkeit, beschäftigt, so wäre selbst die Herrlichkeit in meinen Augen nichts, wenn ich Ihn nicht dort fände. Ich bedarf stets etwas, was Christum angeht; und weil es Ihn angeht, so muss es notwendigerweise auch mich angehen. Allerdings ist es völlig wahr, dass unter den Gegenständen, die mit dem Herrn in Verbindung stehen, die einen anziehender für uns sind, als die andern und zwar in dem Maße, als sie uns in eine innigere Verbindung mit Ihm bringen.
Die Krone Jesu wird an jenem Tage aus vielen Diademen bestehen, und jedes derselben wird, wenn auch nicht getragen im Blick auf die Versammlung, sondern auf andre, die den gesegneten Folgen Seines Werkes teilhaftig geworden sind, einen Teil unsrer Freude bilden, weil es zu Seiner Herrlichkeit gehört; denn der Gedanke, Er könnte einen Teil Seiner Krone und Seiner Herrlichkeit verlieren, würde uns unglücklich machen. Unsre Freude besteht nicht nur in dem Bewusstsein unsrer persönlichen Errettung, ebenso wenig wie diese das Ende unsrer Freude bildet. Sie ist, Gott sei Dank! der Anfang derselben; aber dennoch gibt es nichts, was in den Augen eines Gläubigen je seinen Wert verlieren könnte, wenn er es, sowenig es auch auf seine Errettung Bezug haben mag, in Verbindung mit der Herrlichkeit Christi betrachtet. Dies zeigt sich am deutlichsten an dem Sterbebett eines Christen. Wenn Christus selbst die Freude des Sterbenden gewesen ist, so wird alles, was Christo angehört, kostbar für ihn sein. War aber die Seele nur mit dem Werke Christi, durch welches ihr das Heil gebracht wurde, beschäftigt, so wird sie wohl Frieden haben, weil sie die Errettung kennt, allein sie wird jene innere, stets sprudelnde Quelle der Freude nicht besitzen, welche sie da vorfindet, wo die Person Christi der Gegenstand der Liebe geworden, und wo die Seele mit Ihm beschäftigt ist. Denn wenn Christus der persönliche Gegenstand der Seele ist, so genießt sie eine Freude, welche das bloße Bewusstsein der Errettung, so gesegnet dieses auch ist, nicht ohne Unterbrechung zu geben vermag. Erfüllt Er mein Herz, so werde ich nicht nur wegen meiner Errettung glücklich sein, sondern der Gedanke an Ihn, zu dem ich gehe, wird in mir eine stete, unaussprechliche Freude hervorrufen. Wohl ist es wahr, dass ich in den Himmel gehe, aber nur der Gedanke, dass Christus sich dort befindet, macht den Himmel zu einem Himmel für meine Seele. Ich gehe zu Ihm, den ich hier auf Erden geliebt habe, um allezeit bei Ihm im Himmel zu sein; so wird es stets in der Schrift ausgedrückt. Der Apostel wünscht, „abzuscheiden und bei Christo zu sein.“
Die Versammlung nimmt in der Offenbarung von Anfang an einen besonderen Platz ein; ihr priesterlicher Platz ist in den Himmeln (außerhalb des Wirkungskreises dieses Buches, oder vielmehr innerhalb des Vorhangs) droben, an dem Orte, woher das Buch gekommen ist. Dem entsprechend sind die Gedanken der Versammlung, wie sie dieselben in Vers 5, als auf dieser Erde befindlich, ausspricht: „Dem, der uns liebt.“ Es handelt sich durchaus nicht mehr um Gericht: „Er liebt uns.“ Ebenso wenig herrscht irgendwelche Ungewissheit hinsichtlich ihres Zustandes: „Er hat uns von unsern Sünden gewaschen in Seinem Blute.“ Sobald der prophetische Teil des Buches beginnt, ist nicht mehr von dem Platz des Gläubigen die Rede. Christus ist gestorben und wieder auferstanden „und hat uns zu einem Königtum, zu Priestern Seinem Gott und Vater gemacht;“ und diese Titel besitzen wir, ohne dass unsre Verantwortlichkeit sie in Frage stellen könnte.
Wohl stehen wir unter Verantwortlichkeit, allein Jesus hat uns gewaschen, und wir sind uns des Platzes, in welchen Er uns gebracht hat, wohl bewusst, da wir die Antwort des Herzens, in welchem der Heilige Geist wohnt, besitzen.
Der Platz der Versammlung wird unzweifelhaft festgestellt, ehe irgendetwas anderes geoffenbart wird. Derselbe Grundsatz tritt in Eph 1 noch klarer ans Licht. Zu allererst wird dort die Versammlung in dieselbe Stellung der Annehmlichkeit vor Gott gebracht, in welcher sich der Herr Jesus Christus selbst befindet, und dann erst wird ihr das „Geheimnis Seines Willens“ geoffenbart. Das ist nicht Weissagung, sondern wir sehen die Versammlung versetzt in dieselbe Stellung wie Christus, damit sie der Abglanz Seiner Herrlichkeit sei. Nachdem Gott sie zuerst „begnadigt hat in dem Geliebten,“ führt Er sie nach dem überströmenden Reichtum Seiner Gnade in alle Weisheit und Einsicht ein, damit sie erkenne das Geheimnis Seiner Gedanken und Ratschlüsse hinsichtlich der Herrlichkeit Christi, „alles unter ein Haupt zusammen zu bringen in dem Christus, das, was in den Himmeln und was auf der Erde ist.“
Nachdem der Heilige Geist das Ganze mit einem Amen geschlossen hat, beginnt Er mit der Erde und redet von der Wirkung der Erscheinung Christi auf die Bewohner derselben. „Siehe, Er kommt mit den Wolken, und jedes Auge wird Ihn sehen, und wehklagen werden Seinetwegen alle die Stämme des Landes.“ Nicht so die Versammlung. Sie wird nicht wehklagen, wenn sie Christum sieht. Wie wird im Gegenteil das Angesicht eines jeden Gläubigen strahlen, wenn wir Ihn zum ersten Mal erblicken werden! Allerdings kann, wenn unser Herz nicht in warmer Liebe zu Jesu schlägt, der Gedanke, Ihm entgegengerückt zu werden, keine Ursache zu einer gegenwärtigen Freude bilden; und hier möchte ich fragen: Ist irgend etwas bei dir vorhanden, das den Wunsch rege macht, der Herr möchte noch verziehen? Sind irgendwelche natürlichen Gefühle und Zuneigungen da, die zwischen dich und Christum getreten sind und dein Auge und Herz von Ihm abwenden? Ist das Herz in Wahrheit auf Christum gerichtet, und fühlen wir, was es ist, sich in einer solchen Welt – der Mühsal nicht nur, sondern der Sünde – zu befinden, welch ein Gedanke muss es dann sein, fern von ihr bei Christo zu weilen! Sicherlich gibt es in dem Herzen der Gläubigen keine einzige Saite, die nicht in einer, den Gefühlen derer völlig entgegen gesetzten Weise klingt, welche, wenn sie Ihn sehen, wehklagen werden. Aber dennoch ist die bestimmte Hoffnung und die Freude, Ihn zu sehen und bei Ihm zu sein, eine weit reichere und bleibendere Quelle der Glückseligkeit, als die Errettung selbst. Wenn ich sage: „jedes Auge wird Ihn sehen“, so kann es für die arme Welt nur Wehklagen geben; sage ich aber: mein Auge wird Ihn sehen“, so hüpft mein Herz vor Freude, anstatt zu wehklagen. Erwarte ich etwa, nur vor den Gerichten bewahrt zu werden? Hat Christus nicht gesagt: „Ich gehe hin, euch eine Stätte zu bereiten“, - und „ich komme wieder und will euch zu mir nehmen?“ oder mit anderen Worten: Diese Welt ist nicht gut genug für euch. Ich kann nicht hier bei euch bleiben, wo alles den Stempel der Sünde und des Elends trägt; wenn aber die Stätte bereitet ist, so komme ich wieder und will euch zu mir nehmen, auf dass, wo ich bin, auch ihr seid?“ Welch ein unermesslicher Unterschied besteht zwischen diesen beiden Seiten der Ankunft des Herrn!
Im 8. Verse geht der Geist auf die Herrlichkeit der Person des Herrn selbst über: „Ich bin das Alpha und das Omega, spricht der Herr, Gott, der da ist und der da war und der da kommt, der Allmächtige.“ Es ist hier nicht der Vater. Wie ganz anders ist es, das zu erwarten, was der Allmächtige auf der Erde tun wird, oder in das Vaterhaus entrückt zu werden und von dem zu reden, was der Vater dort für uns ist.
Gott hat sich dem Menschen unter drei großen Namen geoffenbart, und zwar zunächst dem Abraham in 1. Mo 17 mit den Worten: „Ich bin Gott, der Allmächtige, (El Shaddai) wandle vor meinem Angesicht und sei vollkommen.“ Gott sagte Seinem treuen Knechte gleichsam: Ich bin der Allmächtige, darum vertraue du auf mich. Der Ausdruck „Vollkommenheit“ entspricht dem Charakter, in welchem Gott sich uns geoffenbart hat. Sobald Gott mit Israel in Verbindung tritt, nimmt Er einen andern Namen an. In dem zweiten Buch Mose offenbart Er sich Ihnen als Jehova, der ewig Seiende, welcher im Begriff steht, alle Seine Verheißungen zu erfüllen. Den Heiligen der Jetztzeit offenbart er sich als Vater. Sie werden mit dem allmächtigen und ewigen Jehova in Verbindung gebracht und in das Verhältnis von Kindern zu dem Vater versetzt, und zwar im Genuss des ewigen Lebens, das ihnen mitgeteilt ist. „Ich werde euch zum Vater sein .... spricht der Herr, der Allmächtige.“ Dieser Offenbarung können wir nur durch den Geist der Kindschaft begegnen, indem wir wirklich Kinder sind und die Natur und den Geist dessen besitzen, der unser Vater ist. Darum wird nicht gesagt: „Du sollst vollkommen sein mit Jehova, deinem Gott,“ (5. Mo 18,13), wie einst in Verbindung mit den Titeln Allmächtiger und Jehova; sondern, nachdem Christus den Namen des Vaters geoffenbart hat, heißt es: „Ihr nun sollt vollkommen sein, gleichwie euer himmlischer Vater vollkommen ist.“ (Mt 5,48) Wir vertrauen Ihm nicht als Fremde, sondern wandeln mit Ihm und gleich Ihm als Kinder. Wir kennen den als Vater, welcher der Allmächtige ist, und Christus sagt: „Dies aber ist das ewige Leben, dass sie Dich, den allein wahren Gott, und den Du gesandt hast, Jesum Christum, erkennen.“ Und wiederum: „Wer mich gesehen, hat den Vater gesehen!“ und wiederum: „Jeglicher, der euch tötet, wird meinen, Gott einen Dienst darzubringen. Und dieses werden sie tun, weil sie weder den Vater, noch mich erkannt haben.“ Sie glauben Gott zu dienen, indem sie Seine Kinder töten; aber sie kennen weder den Vater noch den Sohn. Wir haben bereits bemerkt, dass Gott unter dem Titel „Vater“ in der Offenbarung nicht erscheint, sondern als der Allmächtige und als Jehova.
In den Versen 9–13 tritt uns aufs Neue der Charakter entgegen, mit welchem Christus sich sowohl in Verbindung mit den sieben Versammlungen, als auch mit der Welt bekleidet. Er erscheint nicht als das Haupt des Leibes, oder als die Quelle der Gnade für Seine Glieder hienieden, sondern als einer, der inmitten einer Körperschaft wandelt, die sich außer Ihm befindet, über deren äußern Zustand Er Sein Urteil ausspricht. In Vers 14 sehen wir, dass Christus, wiewohl Er hier als Sohn des Menschen geoffenbart wird, zugleich auch Jehova ist und alle die Charakterzüge des Alten der Tage in Daniel 7 trägt. „Sein Haupt aber und Seine Haare weiß, wie weiße Wolle.“ In Daniel 7 wird der Sohn des Menschen vor den Alten der Tage gebracht. Hier erscheint Er Selbst als der Alte der Tage 2: „Seine Augen wie eine Feuerflamme“, um in das Herz einzudringen und alles darin richten zu können. „Gott ist ein verzehrendes Feuer.“ „Und aus Seinem Munde ging hervor ein scharfes, zweischneidiges Schwert“ – das Schwert des Gerichtes, welches andeutet, dass Er alle Autorität besitzt.
„Und als ich Ihn sah, fiel ich zu Seinen Füßen wie tot. Und Er legte Seine Rechte auf mich und sprach: Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige, und ich war tot, und siehe, ich bin lebendig in die Zeitalter der Zeitalter.“ (V. 17+18.) Es ist außerordentlich ermutigend für die Seele, zu wissen, dass Er, das Alpha und das Omega, der Erste und der Letzte, außer welchem es keinen Gott gibt, derselbe ist, welcher sich um meiner Sünden willen unter die Macht des Todes begab und, indem Er ohne dieselben wieder auferstand, nicht nur für immer jegliche Sünde hinwegtat, sondern mich auch von dem befreite, welcher (und zwar mit Recht) die Macht des Todes besaß, vom Teufel, und mich in die Gegenwart Gottes Selbst einführte. Er „hat einmal für Sünden gelitten, der Gerechte für die Ungerechten, auf dass Er uns zu Gott führe.“ Das ist es auch, was der Seele einen solch festen Frieden gibt; denn wenn ich zu Gott gekommen bin, so habe ich nichts mehr zu suchen: „Wer mich gesehen, hat den Vater gesehen.“ Wenn meine Seele den an dem Kreuze für meine Sünden sterbenden Christus gesehen hat, so bin ich Gott dort hinsichtlich der feierlichen Frage des Gerichts begegnet; ich bin zu Gott gekommen durch einen gestorbenen und auferstandenen Christus, und eben dadurch, dass ich zu Gott selbst gekommen bin, habe ich alles empfangen, was Erde oder Himmel mir geben können. Denn dieser Sanftmütige und von Herzen Demütige, der sich wie ein Lamm zur Schlachtbank führen ließ, ist gerade der Gott, zu dem ich gebracht worden bin, und zwar ohne den geringsten Flecken von Sünde, der mich in Seiner Gegenwart beschämen, könnte. Ich stehe daher vor Ihm in vollkommener Liebe, da jede Ursache zur Furcht beseitigt ist; und Er lebt, um sich uns in der Kraft eines unauflöslichen Lebens zu offenbaren.
Kehren wir jetzt zu dem prophetischen Teile unsers Buches zurück, so finden wir im 19. Verse in bestimmten Ausdrücken die höchst wichtige Einteilung der Offenbarung in drei große Abschnitte.
- „Schreibe, was du gesehen hast“ – d. i. Christus, inmitten der Leuchter wandelnd;
- „was ist“ – der zeitliche und äußere Zustand der Versammlungen oder der bekennenden Kirche auf der Erde, nicht aber der ewige Zustand und die unveränderlichen Vorrechte der Versammlung als Leib Christi;
- „was geschehen wird nach diesem“ – die prophetischen Dinge, die Schlussereignisse auf dieser Welt.
Das vierte Kapitel zeigt uns die Versammlung im Himmel. Den Ausdruck „was ist“ beziehe ich durchaus nicht (aus dem einfachen Grunde, weil die Schrift es nicht tut) auf den ewigen Zustand der Versammlung in ihrer Einheit mit Christo, als ihrem Haupte in Gnade, sondern auf den zeitlichen äußeren Zustand derselben, als betrachtet in ihrer Verantwortlichkeit hienieden während einer bestimmten Periode; und zwar wird dieser zeitliche, äußere Zustand in den sieben Versammlungen gerichtet. Ich wiederhole nochmals, es handelt sich hier nicht um unsere geistlichen Segnungen in den himmlischen Örtern in Christo, sondern um etwas, das außerhalb Christi auf der Erde ist, und in dessen Mitte Er wandelt. Auf der Erde bedarf Er eines Leuchters, eines Lichtes; nicht aber im Himmel – dort ist kein Leuchter, kein Lichtträger nötig, „denn die Herrlichkeit Gottes hat sie erleuchtet und ihre Lampe ist das Lamm.“ (Kap. 21,23) Auf Erden sind jedoch Lichtträger nötig, und deshalb werden die sieben Versammlungen mit Leuchtern verglichen; sie sollen „das Licht der Welt“ sein. Sie werden vom Himmel her erleuchtet, um auf der Erde, in den dunkeln Örtern hienieden, Licht auszustrahlen, um ein Zeugnis für Christum zu sein, während Er abwesend im Himmel, in Gott verborgen ist. Und um diese Lichtträger zu prüfen, wandelt Christus als der Sohn des Menschen inmitten der Leuchter. Wohl ist es wahr, dass unser Leben mit Christo in Gott verborgen ist; aber während wir auf der Erde wandeln, sollen wir als Lichter in der Welt scheinen und das offenbaren, was der Himmel hervorzubringen vermag, nämlich im Himmel zu leben, während man noch auf der Erde wandelt, so wie Jesus von sich selbst sagte, als Er hienieden war: „Der Sohn des Menschen, der im Himmel ist.“
„Das Geheimnis der sieben Sterne“ (V. 20) erweckt den Gedanken an Macht, d. h. an eine untergeordnete Macht, während „die Engel“ 3 die symbolischen Stellvertreter der Versammlungen vorstellen. In der ganzen Heiligen Schrift wird eine höhere Macht durch die Sonne, eine untergeordnetere durch die Sterne symbolisch dargestellt. Der Engel von irgendetwas bezeichnet den Stellvertreter dessen, was nicht selbst gegenwärtig ist. Dies ist selbst der Fall mit dem Engel Jehovas. Als Petrus nach seiner wunderbaren Befreiung am Tore des Hauses der Maria klopfte, sprachen die, welche dort versammelt waren: „Es ist sein Engel“ (Apg 12) und von den Kindern sagt der Herr selbst: „Ich sage euch, dass ihre Engel in den Himmeln allezeit schauen das Angesicht meines Vaters.“ (Mt 18,10) Ferner nannte Jakob den Ort, an welchem er mit dem Engel gerungen hatte, Pniel (Antlitz Gottes), „denn ich habe Gott gesehen von Angesicht zu Angesicht;“ (1. Mose 32) und in 2. Mose 3,2 lesen wir, „dass der Engel Jehovas“ dem Mose in einer Feuerflamme mitten aus einem Dornbusch erschien, während es nachher, als er hinzutrat, um das große Gesicht zu sehen, heißt: „Und als Jehova sah, dass er herzutrat, da rief ihm Gott mitten aus dem Dornbusch etc.“ In ähnlicher Weise bilden hier die Engel die Repräsentanten der sieben Versammlungen. Anstatt von Christo, als dem Haupte des Leibes, zu reden, stellt der Heilige Geist in der Offenbarung die Verantwortlichkeit in den Vordergrund, welcher der Leib in seinem zeitlichen Zustand unterworfen ist, sowie ein gewisses Verhalten, das der Herr als Folge der empfangenen Vorrechte erwartet. Auch handelt es sich nicht um die Mittelung dieser Vorrechte, sondern um den Gebrauch, den die Kirche von denselben gemacht hat. Keine der sieben Versammlungen ist demzufolge an und für sich ein Werk Gottes. Was hier stattfindet, ist eine richterliche Untersuchung, und ich brauche kaum zu sagen, dass Gott nicht Sein eigenes Werk einer Beurteilung unterzieht, sondern Er richtet den Menschen auf dem Boden der Verantwortlichkeit nach dem, was er durch jenes Werk empfangen hat.
Wenn die Schrift von der Versammlung Gottes redet, so geschieht es in ganz bestimmter und unterschiedlicher Weise. Die Leiden Christi und die Herrlichkeit darnach bildeten das Zeugnis der Propheten, ehe der Heilige Geist gesandt wurde. Als Christus auf der Erde war, sagte Er: „Auf diesen Felsen will ich bauen meine Versammlung;“ sie war noch nicht gebildet. Christus konnte nicht eher das Haupt im Himmel sein, bis die Erlösung vollbracht war; ich spreche hier selbstredend nicht von der Errettung Einzelner, sondern von dem Leibe Christi. Die Geschichte des Stephanus führt uns einen Schritt weiter: ein Mensch auf der Erde, erfüllt mit dem Heiligen Geiste, sieht den Himmel geöffnet und den Sohn des Menschen zur Rechten Gottes. Das Gesicht, welches Paulus auf dem Wege nach Damaskus sieht, zeigt uns noch mehr; es offenbart innere Einheit mit Christo. Alle wahren Christen sind Seine Glieder, und dies nicht nur, weil sie Teilhaber Seiner, der göttlichen Natur sind, sondern weil dieselbe Macht, welche Ihn auferweckte, auch sie auferweckt, und weil der Heilige Geist sie mit Ihm, dem Haupte, vereinigt hat, Der Herr fragt den erschreckten Saulus: „Was verfolgst du mich?“ Wenn meine Hand verwundet ist, so sage ich: Ich bin verwundet; denn meine Hand bildet einen Teil von mir. Außerdem aber gibt es noch einen anderen Charakter, den dieser Leib naturgemäß hat; er wird „mit aufgebaut zu einer Behausung Gottes in dem Geiste.“ Da nun die Versammlung der Platz ist, wo Gott wohnt, und auf der Erde zur Offenbarung Seiner Herrlichkeit dienen soll, so kommt Gott, um zu untersuchen, welche Frucht diese Vorrechte in den Händen des Menschen hervorgebracht haben. Es handelt sich hier also nicht um die Tatsache, dass der Heilige Geist in der Kirche wohnt, sondern um den Gebrauch, den die Menschen davon gemacht haben.
Es gibt zwei Grundsätze, nach welchen Gott stets Sein Volk richtet. Erstens: Der ursprüngliche Zustand des Volkes, die Segnung, mit der Er begonnen, die Stellung, von welcher es abgewichen ist. Zweitens: das Ziel, nach welchem Seine Wege führten – die Hoffnung, die Er Seinem Volke vor Augen gestellt hat – und die Fähigkeit desselben zum Genuss der Segnung, mit welcher Er ihm am Ende, bei der Offenbarung Seiner Gegenwart, begegnen will. Zur Erläuterung dieses Grundsatzes führe ich als Beispiel das Volk Israel an. In Jesaja 5 sagt Gott: „Was war noch zu tun an meinem Weinberge, das ich nicht an ihm getan habe?“ Im 6. Kapitel aber beweist die Offenbarung der Herrlichkeit Jehovas, dass der Zustand des Volkes nicht nur der ihm im Anfang verliehenen Segnung nicht entsprach (denn Jesaja sagt: „Inmitten eines Volkes unreiner Lippen wohne ich“), sondern dass er auch nicht für die Herrlichkeit passte, auf welche Jehova ihre Blicke und ihre Erwartung gerichtet hatte. Während der Überrest nach der Wahl der Gnade zu jeder Zeit bewahrt wird, fällt der übrige Teil des Volkes dem Gerichte anheim. Wenden wir uns jetzt zu der Versammlung zurück, so sehen wir, dass der Herr zunächst die Vorrechte, die Er gegeben, berührt und dann fragt, ob der Wandel denselben entsprochen habe. Er richtet gleichsam die Frage an die Versammlung zu Ephesus: Hast du deine erste Liebe verlassen? Und da die Antwort leider bejahend lautet, so fährt Er fort: „Gedenke nun, wovon du gefallen bist.“ „Ich habe euch geliebt und mich selbst für euch dahin gegeben,“ das war das wahre Maß der Liebe zu Ihm, in welchem sie hätten wandeln sollen, als die Versammlung Gottes, welche Er sich erworben hat, durch das Blut Seines Eigenen,“ und die zu allem heiligen Wandel unter den Schutz des Blutes gestellt ist, wie wir dies vorbildlich in den Priestern des alten Bundes sehen. Das Blut wurde auf die Hand, den Fuß und das Ohr des Aussätzigen sowohl, wie des Priesters getan (zur Reinigung des einen und zur Einweihung des anderen; vgl. 2. Mo 29; 3. Mo 14) so dass nichts gestattet werden durfte, was dieses Blut verunehren konnte. So sind auch wir unter den Schutz des Blutes gekommen, und jetzt entsteht die Frage: Haben wir diesem Blute, das auf uns gebracht worden ist, entsprechend gehandelt? Ist in Gesinnung, Tat oder Wandel nichts vorgekommen, was nicht Gott gemäß war? Der Herr übt stets Gericht in Seiner Versammlung aus, obwohl Er sie lange Zeit in Geduld trägt. Er erwies dem Volke Israel Seine Langmut länger als siebenhundert Jahre, nachdem das Gericht durch den Mund Jesajas angekündigt war: aber obwohl Gott den Fehltritten Seines Volkes gegenüber sehr geduldig ist, so kann Er doch den Maßstab der Ansprüche Seiner ersten Segnung nicht verringern.
Zu Sardes sagt der Herr: „Ich habe deine Werke nicht völlig erfunden vor meinem Gott;“ doch wie tief war es gefallen! Wir können uns vor dem Herrn wegen unsrer Fehltritte demütigen und werden dann stets jene Gnade finden, welche uns wieder aufrichtet; aber trotzdem erniedrigt Gott niemals den Maßstab dessen, was in uns hervorgebracht werden sollte, und wir selbst werden dies nicht wünschen. Es kann nicht der Wunsch eines wahren Gläubigen sein, dass Gott den Maßstab Seiner Heiligkeit verringere, um dadurch im Stande zu sein, uns in den Himmel einzuführen.
Durch die Gnade kann ich in Bezug auf die Versammlung Gottes nichts annehmen, was hinter dem Gemälde, welches Gott zuerst von ihr gegeben hat, zurückstände. Nehmen wir z. B. den Menschen als solchen; er hat die Unschuld verloren; dessen ungeachtet kann ich im Blick auf ihn keinen niedrigeren Standpunkt oder Maßstab annehmen, als die gänzliche Abwesenheit von Sünde. Und dies ist noch nicht alles. Gott stellt jetzt einen noch köstlicheren Gegenstand der Wünsche vor mein Herz, in welchem Er das, was verloren gegangen ist, ersetzt, und zwar durch die vollkommene Offenbarung Seiner Selbst, Seiner eigenen Herrlichkeit in Seinem Volke. Der Gläubige soll seinen Zustand nicht mit demjenigen des ersten gefallenen Adam, noch auch mit dem ersten Zustande der Versammlung messen, sondern mit Christo selbst, dem er begegnen wird.
Wir haben also gesehen, dass Gott einerseits die Entfernung von der ersten Stellung des Segens richtet und anderseits erforscht, in wie weit die Versammlung der Fülle des Segens, zu welcher Gott sie beruft, entsprochen hat. Gott richtet und beurteilt uns gemäß unsrer vergangenen und unsrer zukünftigen Segnung. Daher finden wir in all den Sendschreiben an die Versammlungen zunächst ihre Entfernungen von den ursprünglichen Segnungen, und dann wird untersucht, in wie weit ihr gegenwärtiger Zustand der Segnung entspricht, zu welcher sie berufen sind und welche von Gott verheißen wird. Paulus konnte sagen: „Vergessend, was dahinten, und mich ausstreckend nach dem, was da vorne ist, jage ich, das vorgesteckte Ziel anschauend, hin zu dem Kampfpreis der Berufung Gottes nach oben, in Christus Jesus.“ Wenn jemand dieses sagen kann, so hat er ein gutes und glückliches Gewissen vor Gott, im Blick auf die vor ihm liegende Herrlichkeit. Möchte es ein jeder Gläubiger mit Ernst bedenken, dass sein Standpunkt ein falscher und seine Neigungen nicht die richtigen sind, sobald er etwas anderes tut, als dem Christus der Herrlichkeit nachzufolgen, welcher vor das Auge seines Herzens gestellt ist. Wir wissen, dass die Versammlung ihre erste Liebe verlassen hat. Möchten wir daher stets eingedenk sein, dass Gott, so geduldig und langmütig Er ist, niemals Seinen Maßstab niedriger stellen kann, und dass es deshalb unser Teil ist, „Buße zu tun.“ Gnade genug ist vorhanden, um aufzurichten und wiederherzustellen; allein mein Gewissen würde nicht glücklich sein, wenn Gott die Züge des Bildes, welches Er mir von der Versammlung gegeben hat, irgendwie schwächte.
Der Mensch hat seine Unschuld verloren; das Kreuz hat jedoch Erlösung und Segnung gebracht, und obwohl ich das herrliche Resultat dieser Erlösung, wie es sich in der Herrlichkeit Dessen, der sie vollbracht hat, offenbaren wird, noch nicht erreicht habe, so „jage ich doch hin nach dem Kampfpreis:“ so nur kann mein Gewissen glücklich sein. Wäre der Gedanke an das Kommen des Herrn, um uns in die Herrlichkeit einzuführen, recht lebendig in uns, wie vieles würde dann verschwinden! Stände die Hoffnung Seiner Ankunft stets vor unsern Augen, wie viele Gegenstände, auf die wir jetzt Wert legen, wie viele Sorgen und Kümmernisse, die uns jetzt drücken, würden dann wie nichts erscheinen! „Ein jeglicher, der diese Hoffnung zu Ihm hat, reinigt sich selbst, gleichwie Er rein ist.“ Aber ach! die Versammlung hat ihre erste Liebe verlassen und damit auch ihre Erwartung verloren. Die Hoffnung der baldigen Ankunft des Herrn bringt Ihn unsern Seelen sehr nahe, und die Folge ist, dass wir den Zustand, in welchem wir uns befinden, richten. Wir sind berufen, Jesu zu begegnen. Befinden wir uns in einem Zustande, der uns Seiner Ankunft freudig entgegensehen lässt?
Es gibt außerdem noch eine andere Wahrheit, die ein Beweggrund zur Heiligkeit in der Versammlung ist: nämlich die Gegenwart des Heiligen Geistes. Es steht geschrieben: „Betrübet nicht den Heiligen Geist Gottes“ – tut nichts, was mit Seiner Gegenwart ebenso wenig vereinbar wäre, wie mit der Herrlichkeit, der ihr entgegen geht und von welcher Er Zeugnis ablegt. In den drei ersten Sendschreiben wird das Kommen des Herrn gar nicht erwähnt; sobald aber hernach das Böse festen Fuß gefasst hatte, bildet diese Ankunft den vorherrschenden Gedanken. Sie ist unsre Freude und Hoffnung, welche uns aufrecht hält, wenn alles andere zusammenbricht.
Bevor ich schließe, möchte ich das Gesagte noch einmal kurz zusammenfassen. Das Buch der Offenbarung trägt einen prophetischen Charakter. Die Versammlung wird in demselben nicht dargestellt als die Behausung des Heiligen Geistes, welcher von Christo, als dem Haupte des Leibes, Zeugnis gibt, noch wird der Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohne Ausdruck gegeben. Alles ist hier richterlich. Christus erscheint zunächst als Richter der Versammlung, betrachtet in ihrer irdischen und nicht in ihrer himmlischen Stellung, und dann als Richter der Welt. Das ganze Buch teilt sich in drei Hauptabschnitte – „was du gesehen hast, was ist, und was geschehen wird nach diesem.“ Gott richtet auf zweierlei Weise. Er untersucht, ob wir die bereits empfangenen Segnungen benutzen, und dann, ob wir in einer Weise wandeln, die mit der verheißenen Herrlichkeit im Einklang steht.
Zufolge der Vorrechte, die Er uns mitgeteilt hat, erwartet der Herr durch die Gnade eine Antwort des Herzens auf die Herrlichkeit, zu der Er uns beruft. Da Er uns gesegnet hat, so erwartet Er die Antwort: „Komm, Herr Jesu!“ Er sucht die Frucht der Gnade, die Er gegen uns hat überströmen lassen, und unser Teil ist es, zu untersuchen, wozu wir durch diese Gnade berufen sind. Nicht als ob wir es schon ergriffen hätten, sondern in der Kraft eines neuen Lebens eilen wir vorwärts, „vergessend, was dahinten ist.“ Das Herz Gottes ist damit beschäftigt, uns zu segnen, und Er erwartet aus unsern Herzen eine Antwort auf diese Kenntnis von unsrer himmlischen Berufung.
Möchten wir daher das genießen, wozu Gott uns in Gemeinschaft mit Seinem Sohne berufen hat! Möchte es auf die Gefühle und Zuneigungen unserer Herzen einen solch mächtigen Einfluss ausüben, dass wir in Aufrichtigkeit sagen können: „Eins aber tue ich!“ Der Herr öffne unsre Augen und erfülle sie mit Seiner Herrlichkeit, damit wir wandeln in der Kraft der Hoffnung, Ihn zu sehen, wie Er ist, und für immer bei Ihm und Ihm gleich zu sein!“
Wie wir das letzte Mal gesehen haben, ist es der Gedanke und Ratschluss Gottes hinsichtlich der Versammlung, dass sie der Leib Christi sein soll, wenn Er die Herrschaft über alles einnimmt. Gott hat Christum hoch erhoben, „über jedes Fürstentum und jede Gewalt und Kraft und Herrschaft ... und hat alles unterworfen unter Seine Füße und Ihn als Haupt über alles der Versammlung gegeben, welche Sein Leib ist,“ und deshalb „die Fülle dessen, der alles in allem erfüllt,“ genannt wird. (Eph 1,21-23) Alle Fülle der Gottheit wohnte in Christo; allein dies ist etwas ganz anderes. Wir sind Seine Fülle, d. h, wir vervollständigen oder vollenden den geheimnisvollen Menschen, dessen Haupt Christus ist. In dem zukünftigen Zeitalter wird die Versammlung die Herrlichkeit Christi vervollständigen und entfalten, und dann wird nicht nur Christus im Himmel sein, gekannt von den Gläubigen, sondern Er wird Seinen Platz nehmen als Herrscher über die Erde und über alle Dinge. Es ist ein köstlicher Gedanke, dass nicht nur Gott als Gott, sondern dass Christus es ist, der in Erlösung und in Seiner Fülle als Mittler in Gnade und Gerechtigkeit alles erfüllt. „Der hinab gestiegen, ist derselbe, der auch hinaufgestiegen über alle Himmel, auf dass Er alles erfüllte.“ (Eph 4,10) Alles, vom Staube der Erde bis zum Throne Gottes, ist der Schauplatz der Erfüllung der Herrlichkeit Christi gewesen und hat zugleich Zeugnis von dieser Herrlichkeit abgelegt. Wenn Er aber wirklich einmal „alles erfüllt“ und dies nicht länger nur Gegenstand des Glaubens ist, so wird Er nicht allein sein, sondern als Haupt des Leibes, der jetzt gebildet wird, die Versammlung an Seiner Herrschaft Teil nehmen lassen. An jenem Tage wird Ihm alles unterworfen und die Versammlung Ihm zugesellt sein. So war es in Eden: Adam, das Bild des Zukünftigen, war Herr über die ganze Schöpfung; Eva bildete weder einen Teil der Schöpfung, über welche Adam herrschte, noch hatte sie ein eigenes Anrecht auf dieselbe, sondern sie war ihrem Manne in der Herrschaft zugesellt. In Epheser 5 wird diese Bildung Evas erwähnt und auf die Versammlung angewandt: „Dies Geheimnis ist groß; ich aber sage es auf Christum und auf die Versammlung.“
Christus besitzt jegliches Anrecht auf die Herrschaft über alle Dinge. (s. Kol 1) Da Er Gott ist, so sind alle Dinge durch Ihn und für Ihn geschaffen. Und beachten wir, dass Er in jenem Kapitel einen doppelten Vorrang hat: Er ist Haupt der Schöpfung, wenn Er als Sohn Seinen Platz in derselben einnimmt – denn Er ist der Schöpfer – und Er ist Haupt der Versammlung, denn „Er ist das Haupt des Leibes, der Versammlung, welcher ist der Anfang, der Erstgeborne aus den Toten, auf dass E r unter allen Dingen den Vorrang habe.“ Ein zweites Anrecht auf den Vorrang besteht darin, dass Er „der Sohn“ ist, und zwar nicht als Schöpfer, sondern auch als Erbe. Wir finden diesen Ratschluss und diese Absicht Gottes in Betreff Seines Sohnes in Heb 1, wo wir lesen: „den Er gesetzt hat zum Erben aller Dinge.“ In diesem Kapitel ist der Messias Gegenstand der Betrachtung.
Ein drittes Anrecht auf den Vorrang gibt Christo Seine Stellung als Mensch.“ Der 8. Psalm, der die Herrlichkeit des tausendjährigen Reiches ankündigt, wird in Heb 2 durch den Heiligen Geist auf Christum angewandt. „Wir sehen aber Jesum, der ein wenig unter die Engel erniedrigt war, mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt.“ „Du hast alles unterworfen unter Seine Füße.“ (vgl. Eph 1,22; 1. Kor 15,27) Die gänzliche Erfüllung dieser Unterwerfung steht freilich noch bevor. Christus hat also, wie wir gesehen haben, Anrecht auf die Herrschaft: erstens, als Schöpfer, denn „durch Ihn sind alle Dinge erschaffen;“ zweitens, als Sohn, „den Er gesetzt hat zum Erben aller Dinge;“ drittens, als Mensch, dessen Füßen nach den Ratschlüssen Gottes alles unterworfen ist. Er kann aber das Erbe in seinem verunreinigten Zustande nicht antreten, und so hat Er vermittelst der Erlösung ein viertes Anrecht: Sein Anrecht auf ein erlöstes und gereinigtes Erbteil. In Bezug auf uns, die wir unter der Sünde waren, entfremdet und Feinde nach der Gesinnung durch die bösen Werke, handelt es sich nicht nur um Reinigung; auch unsre Schuld ist hinweg getan, und nachdem dies geschehen, hat Er uns zu Seinem Leibe gemacht, wie geschrieben steht: „Wir sind Glieder Seines Leibes, von Seinem Fleische und von Seinen Gebeinen.“ Der Heilige Geist kommt hernieder und heiligt uns, um der Leib Christi zu sein in lebendiger Kraft und in Einheit, denn wir sind mit dem Heiligen Geiste zu einem Leibe getauft. (1. Kor 12,13) Nicht nur wird jede einzelne Seele lebendig gemacht und durch den Heiligen Geist versiegelt, sondern die Gläubigen sind in einem Geiste alle zu einem Leibe getauft. Dies nahm am Pfingsttage seinen Anfang, und seitdem war diese Taufe das Teil eines jeden Gläubigen. Es ist eine wichtige und gesegnete Wahrheit, dass der Heilige Geist, wie sehr wir Ihn auch betrübt haben mögen, doch persönlich in jedem Gläubigen wohnt und ihn zurechtweist. Auch ist es in Bezug auf die Versammlung überaus köstlich, zu wissen, dass der Heilige Geist nicht, wie der Herr Jesus, nur kurze Zeit bei Seinem Volke weilt und dann wieder weggeht. „Er wird euch einen andern Sachwalter geben, dass Er bei euch sei in Ewigkeit.“ Die bleibende Gegenwart des Heiligen Geistes in der Versammlung ist auf die durch Christum vollbrachte Erlösung gegründet und nicht abhängig von dem Gebrauch, den wir von den erlangten Vorrechten machen; wohl aber hängt Seine Wirksamkeit von dem guten oder schlechten Gebrauch dieser Vorrechte ab.
Die Versammlung Gottes, die mit Christo vereinigt ist, hat ihren Platz: erstens, kraft der Person Christi; zweitens, auf Grund der Erlösung durch Christum und drittens durch die Gegenwart des Heiligen Geistes, hierbei handelt es sich nicht um Prophezeiung, sondern um die Macht der göttlich lebendigen Gnade, welche die Versammlung oder Kirche in die göttliche Herrlichkeit stellt. Sobald der Heilige Geist die Versammlung also gebildet hat, wird sie hienieden als der Leib Christi behandelt: „aus welchem der ganze Leib, durch die Gelenke und Bande Darreichung empfangend und zusammengefügt, das Wachstum Gottes wächst.“ Es verhält sich damit, wie mit dem Wachstum eines Kindes; der Leib ist vorhanden und jedes Glied an seinem Platz, und das Kind wächst auf zu seinem vollen Wuchs.
In den beiden ersten Kapiteln der Epistel an die Epheser wird uns die Versammlung einerseits als der Leib Christi im Himmel, und anderseits als die Wohnung Gottes durch den Geist auf der Erde dargestellt. Dieser zweite Charakter der Versammlung ist ein höchst wichtiger. Die Bildung der Versammlung Gottes auf der Erde durch den Heiligen Geist schließt notwendigerweise ihre Verantwortlichkeit in sich, hienieden die Herrlichkeit dessen zu offenbaren, der sie an diesen Platz gestellt hat. Die Verantwortlichkeit verändert nie die Gnade Gottes; aber so lange die Versammlung auf der Erde weilt, ist sie hienieden für die Verherrlichung ihres abwesenden Hauptes verantwortlich – nicht als sei sie unter dem Gesetz – aber sie ist verantwortlich, die Herrlichkeit dessen darzustellen, der sie erkauft und in diese Stellung versetzt hat. Sie soll ein Licht sein inmitten der Finsternis – „inmitten eines verdrehten und verkehrten Geschlechts, unter welchem ihr scheinet wie Lichter in der Welt;“ (Phil 2,15) „damit ihr die Tugenden dessen verkündigt, der euch berufen hat aus er Finsternis zu Seinem wunderbaren Licht,“ (1. Pet 2,9) und wie Paulus in 2. Kor 3 sagt: „die ihr. offenbar geworden, dass ihr ein Brief Christi seid ... gekannt und gelesen von allen Menschen.“ Es heißt „Brief“ und nicht „Briefe“ Christi. Es ist ein Leib – eine Abschrift von Christo. Die Versammlung wurde hingestellt als ein Empfehlungsbrief Christi an alle Menschen, damit diese in demselben lesen und sehen möchten die Macht der Erlösung und den Charakter dessen, der nicht gesehen wird, der aber durch den Heiligen Geist in der Versammlung wohnt und sie zu einem sichtbaren Zeugen ihres unsichtbaren Hauptes bildet. Jesus bittet in Joh 17: „auf dass sie alle eins seien.“ Zu welchem Zweck? „Auf dass die Welt glaube, (noch nicht „erkenne“, welches die Frucht der Herrlichkeit ist) dass D u mich gesandt hast.“ Das hätte die Wirkung dieser Einheit während der jetzigen Periode sein sollen. Wenn die Versammlung in der Offenbarung der Herrlichkeit bei Christo und Ihm gleich ist, so muss die Welt notwendigerweise erkennen, dass der Vater den Sohn gesandt hat, und nicht allein das, sondern sie wird auch erkennen, dass der Vater uns geliebt, wie Er Jesum geliebt hat, indem sie uns mit Jesu in derselben Herrlichkeit erblickt. Wenn daher die Welt, um zu glauben, die Versammlung als „eins,“ als den Brief Christi auf ihrem Platze der Verantwortlichkeit hienieden, sehen soll, so muss dies vor jener herrlichen Zeit geschehen. Die Verantwortlichkeit der Versammlung besteht darin, das Leben des Hauptes im Himmel auf der Erde in Macht zu offenbaren. So sehen wir also, welch ein verantwortlicher Platz es ist, unter der Gnade zu sein; denn gerade unsre Stellung unter einer so freien Gnade hat unsre besondere Verantwortlichkeit hervorgebracht. Wenn dieser Leib in seiner Verantwortlichkeit auf der Erde in Betracht kommt, so sehen wir, dass der Herr notwendigerweise Kenntnis nimmt von seinem Verhalten unter derselben. Deshalb finden wir den Herrn in Off 2 und 3 nicht als das Haupt des Leibes, noch als den, von welchem die Gnade auf die Glieder des Leibes herabfließt, sondern wandelnd inmitten der Leuchter in dem Charakter eines Richters, um zu sehen, ob ihre Tätigkeit der empfangenen Gnade entspricht. Durch alle Sendschreiben zieht sich gleichsam folgender Grundsatz des Gerichts hindurch: „Ich will einem jeden von euch geben, je nach dem Gebrauch, den er von den Vorrechten und der Gnade gemacht hat, in welche die Versammlung im Anfang gesetzt worden ist.“ Das ist ein ernstes Wort für uns, umso ernster, je mehr wir die Gnade zu schätzen wissen. Es handelt sich hier nicht um Verdammnis, wie bei dem Gesetz; allein je völliger ich die Liebe verstehe, in deren Zeugnis ich gefehlt habe, desto mehr wird mein Herz betrübt sein, wenn ich dieser Gnade nicht in einer ihr würdigen Weise entspreche. Indem ich hierin fehle, verbinde ich gleichsam die Sünde mit dem Namen Gottes, welchen ich trage. Die Bosheit Israels bewies nicht nur, dass der Mensch ein Sünder ist, sondern bewirkte auch, weil Gott „Seinen Namen dort hingesetzt“ (2. Kön 21,4) hatte, eine Verbindung mit dem Namen Gottes. Dies ist es, was Jehova Israel vorwirft, wenn Er sagt: „Der Name Gottes wird eurethalben gelästert unter den Nationen.“ Das Zeugnis von Seinem Namen war ihnen anvertraut worden, und sie hätten es bewahren sollen. Gott wird am Ende die Rechte Seines heiligen Namens völlig auf der Erde zu behaupten wissen; und noch weit mehr ist dies der Fall hinsichtlich der Versammlung des lebendigen Gottes. Die Welt sollte in der Versammlung die praktische Darstellung vollkommener Heiligkeit und Liebe sehen; denn wir sind zu Teilhabern Gottes geworden und sind Gegenstände Seiner unendlichen und vollkommenen Liebe. Die Versammlung sollte hienieden ununterbrochen nur eine Stellung, nur einen Dienst haben, nämlich der Welt zu offenbaren, was sie von ihrem lebendigen Haupte im Himmel genießt. Nie hat die Versammlung Christum nach dem Fleische gekannt; sie kennt Ihn nur als den, der von der Welt verworfen und jetzt im Himmel ist, und deshalb sollte sie in einer so völligen Trennung von der Welt erfunden werden, dass es offenbar würde, was ihr Haupt ist. In dieser Weise sollte sie der Empfehlungsbrief Christi sein. Beachten wir hier die Tragweite des Wortes Brief. So wie einst das Gesetz auf den steinernen Tafeln zu lesen war, (2. Kor 3) so sollte die Welt sehen, was Christus in uns ist; wir sollten ein lebendiger Brief sein, „gekannt und gelesen von allen Menschen.“ Der Charakter unsers Wandels wird in dem Maße an wahrer Tiefe gewinnen, als wir verwirklichen, was Seine Gnade für uns getan und wozu sie uns berufen hat. Wir sehen also, wie der Herr dieses dem Grundsatz nach nie aufgibt. Er weicht nimmer von dem ab, wozu die Versammlung als Zeugin berufen ist, wenn Er sie auch in Geduld tragen mag.
Wenden wir uns jetzt zu einem andern Punkte, zu der Frage, welcher Gebrauch von den sieben Sendschreiben zu machen ist, so fällt uns auf den ersten Blick zweierlei ins Auge. Zunächst ist es eine geschichtliche Tatsache, dass es Versammlungen auf der Erde gab, die sich in dem hier beschriebenen Zustande befanden; zweitens enthalten die Briefe eine moralische Belehrung, die auf jeden einzelnen Heiligen ihre Anwendung findet – auf jede Person, die ein Ohr hat zu hören und ein verständiges Herz, um den Sinn des Herrn zu erkennen. Gehen wir weiter, so werden wir finden, dass auch die Zahl der Versammlungen, an welche die Sendschreiben gerichtet sind, von Bedeutung ist. Die Zahl Sieben, das Symbol der Vollkommenheit, wiederholt sich häufig in dem Buche der Offenbarung – sieben Siegel, sieben Trompeten, sieben Schalen etc. Die Wahl dieser Zahl bezeichnet daher in diesem Falle den vollständigen Kreis der Gedanken Gottes bezüglich der Kirche, als verantwortlich auf der Erde gemäß der ihr zu Teil gewordenen Gnade. Nicht, als ob zu jener Zeit nur sieben Versammlungen auf Erden bestanden hätten; wir kennen noch viele“ andere, wie zum Beispiel die von Kolossä und Thessalonich, Korinth etc., aber alle diese bleiben unerwähnt, weil sie nicht die moralischen Elemente darboten, die der Heilige Geist zu jenem vollständigen Gemälde bedurfte.
Beschäftigen wir uns mit der Einheit des Leibes mit dem Haupte, so haben wir es nicht mit der Verantwortlichkeit, sondern mit den Vorrechten zu tun, deren Maß und Ziel das Leben und die Herrlichkeit Christi sind. Das 2. und 3. Kapitel der Offenbarung stellen uns jedoch den gegenwärtigen und veränderlichen Zustand der Versammlung vor Augen. Es handelt sich daher nicht um Vorrechte, sondern in ganz bestimmter Weise um Verantwortlichkeit. Ferner können sich die Schreiben nicht alle auf den ganzen verantwortlichen Körper zu ein und derselben Zeit beziehen. Es sind sehr verschiedene Zustände in den Versammlungen vorhanden, und deshalb können wir das, was der einen gesagt wird, nicht auf jede andere anwenden; die jedesmaligen Beschuldigungen und Verheißungen tragen einen unterschiedenen Charakter. Wir werden jedoch finden, wenn wir in die Einzelheiten näher eingehen, dass von verschiedenen Teilen der bekennenden Kirche mit unterschiedlichen Charakteren gesprochen wird, als wenn sie teilweise zu gleicher Zeit beständen. Wir können deshalb sagen: Der Inhalt eines jeden Sendschreibens findet in gewissem Sinne seine Anwendung auf die Kirche im Allgemeinen, doch beziehen sich nicht alle auf die ganze Kirche zu ein und derselben Zeit. Was wir in denselben finden, ist daher entweder ein fortlaufendes und prophetisches Gemälde von dem Zustande der Kirche auf der Erde, als verantwortlich vor Gott, vom Anfang bis zum Ende der gegenwärtigen Periode, oder der besondere Zustand eines Teiles derselben, der zur Vervollständigung des ganzen Gemäldes notwendig ist – die verschiedenen Zustände, worin sie sich der Welt dargestellt hat, bis sie der Herr ausspeit aus Seinem Munde.
Es möchte nun gefragt werden: „Wie kann die Kirche aus dem Munde Christi ausgespieen werden, wenn sie den Leib Christi bildet und bei Ihm in der Herrlichkeit sein soll?“ Dies ist allerdings unmöglich, so lange man von dem Leibe Christi spricht; aber die Kirche, als äußerlicher Körper auf der Erde, verliert nie ihre Verantwortlichkeit, worin auch ihre charakteristischen Merkmale bestehen mögen. Wenn der untreue Knecht seines Herrn Willen nicht tut, so wird er nicht behandelt, als wenn er gar kein Knecht wäre, sondern ein Heuchler, gemäß der Stellung, in welcher er gefunden wird. Obwohl er in Wahrheit kein Knecht ist, so wird ihm doch nicht gesagt: „Du bist kein Knecht“, sondern: „Den unnützen Knecht werft hinaus in die äußerste Finsternis ... und setzt ihm sein Teil mit den Untreuen.“ Er wird auf Grund seines Bekenntnisses behandelt und verurteilt.
Ähnlich erging es dem Volke Israel. Von Gott dazu ausersehen, Seinen Namen vor der Welt zu tragen, fehlte es; es wurde als verantwortlich behandelt und, was seine Stellung unter dem alten Bunde betrifft, bei Seite gesetzt. Das Wort des Herrn an den unfruchtbaren Feigenbaum lautete: „Nimmermehr esse jemand von dir Frucht in Ewigkeit.“ Der Feigenbaum mochte Blätter tragen, aber der Herr kam, um Frucht zu suchen, und als Er keine fand, sprach Er: „Nimmermehr komme von dir Frucht .... und alsbald verdorrte der Feigenbaum.“ Auf diese Weise wurde Israel, als ein Gefäß, das den Namen Gottes tragen sollte vor der Welt, bei Seite gesetzt; aber dies berührt keineswegs die Frage der Treue Gottes. Gott wird Israel in den letzten Tagen wiederherstellen, und bis dahin fließt der Strom der Gnade ununterbrochen fort, indem Gott den Überrest aus ihnen, den wahren Samen Abrahams, sammelt, und zwar zum Genuss besserer Vorrechte als die früheren; denn sobald Israel als ein Ganzes bei Seite gesetzt war, begann der Herr aus Juden und Heiden Seine Versammlung zu bilden, und Er „tat täglich hinzu zu der Versammlung, die gerettet werden sollten.“ Es handelt sich hier nicht um die Gewissheit persönlicher Errettung, sondern um das Gefäß, dessen Gott sich bedient, um Seinen Namen vor der Welt zu tragen. Einzelne, welche glauben, werden in den Himmel eingehen, aber das Gefäß des Zeugnisses muss, wenn es gefehlt hat, zerbrochen werden. Gott hat lange Zeit Geduld mit ihm; wenn es aber, nach allem, was mit ihm geschehen ist, nur wilde Trauben hervorbringt, so muss es abgehauen werden. Ohne Zweifel wird ein treuer Überrest in den Himmel aufgenommen, allein das Gefäß, als sichtbares, öffentliches Zeugnis, wird weggeworfen.
In Röm 11 sehen wir, wie Gott das, was Er jetzt auf der Erde gebildet hat, um Seinen Namen zu tragen, in die Stellung eines öffentlichen, sichtbaren Systems hienieden bringt, so wie Er es einst mit Israel tat. „Siehe nun die Güte und Strenge Gottes: gegen die, die gefallen sind, Strenge, gegen dich aber Güte Gottes, wenn du an der Güte bleibst, sonst wirst auch du ausgehauen werden.“ Gott kann die bekennende Kirche, in vollkommener Übereinstimmung mit dem, was Er von sich selbst geoffenbart hat, ausspeien, weil es sich dabei nicht um Seine Gnade und Güte oder um persönliche Errettung, sondern einzig und allein um die Verantwortlichkeit handelt. Und gerade dies macht Seine Handlungsweise mit den Versammlungen zu einer so tiefen und ernsten Warnung für uns; es wird derselbe Grundsatz auf das Zeugnis der Nationen angewandt, wie einst auf dasjenige der Juden. Wohl wird Gott jede Verheißung, die Er Israel gegeben hat, buchstäblich erfüllen. Aber dessen ungeachtet wissen wir, dass Er das Volk, als den sichtbaren Zeugen Seines Namens vor der Welt, verworfen hat. Und ebenso wird Er die Kirche verwerfen, wenn sie ihrer Verantwortlichkeit auf der Erde nicht entspricht. Wir sehen also, dass Gott Seine Regierung in Bezug auf das Zeugnis, welches Sein Volk unter jeder Verwaltung ablegen sollte, aufrecht hält, und dass sowohl die Kirche als auch Israel – obgleich in beiden Systemen das Heil des Einzelnen für immer gesichert ist – hinsichtlich ihres öffentlichen, sichtbaren Zeugnisses bei Seite gesetzt werden. Was wir hier finden, ist also einerseits Verantwortlichkeit und andererseits die Folgen des Fehlens im Zeugnis.
Fußnoten
- 1 Moralisch sind wir allerdings Teilhaber der göttlichen Natur geworden um fähig zu sein uns völlig in Gott zu freuen.
- 2 Auch in Dan 7 scheint der 22. Vers anzudeuten, dass der Sohn des Menschen selbst der Alte der Tage ist.
- 3 Man hat gedacht, dieses Wort sei mit Bezugnahme auf den Engel der Synagoge gebraucht und bezeichne daher den Bischof oder Haupt-Ältesten. Allein der Engel der Synagoge war keineswegs der Leiter derselben, sondern ein Vorleser. Der Leiter der Synagoge war eine ganz andere Person. Es ist möglich, dass zurzeit, als die Offenbarung geschrieben wurde, der Älteste oder der hervorragendste unter den Ältesten eine Art von Vorsitz führte. Aber wenn dies auch wirklich der Fall war und jener Älteste dadurch verantwortlich wurde, so beweist doch schon der Gebrauch des Namens „Engel“, dass wir es hier mit etwas anderem zu tun haben. Nimmer würde der Herr in der Schrift einen solchen kirchlichen Titel anerkennen.