Älteste und Diener
„Habe acht auf dich selbst und auf die Lehre, beharre in diesen Dingen, denn wenn du dieses tust, so wirst du sowohl dich selbst erretten als auch die, welche dich hören“ (1. Tim 4,16).
Den Christen, welche, dem bestimmten Gebot Gottes folgend, aus den religiösen „Lagern“ der Christenheit „zu ihm“ hinausgegangen (Heb 13,13) sind, wird häufig der Vorwurf gemacht, dass sie jedes „Amt“, oder doch die Fortdauer desselben, in der Versammlung oder Gemeinde Gottes leugneten. Der Vorwurf ist nicht gerecht. Jene Christen leugnen nicht das Amt überhaupt, sie verurteilen nur das, was der Mensch daraus gemacht hat. Sie können das, was man heute unter „Amt“ (im geistlichen Sinne) versteht, nicht als schriftgemäß erkennen und darum auch nicht anerkennen.
Die Hauptursache der Verworrenheit der Begriffe in dieser Hinsicht liegt wohl in der Nichtbeachtung des Unterschiedes zwischen „Amt“ und „Gabe“. Auf diesen Unterschied ist schon oft hingewiesen worden 1. Das Außerachtlassen desselben muss notwendigerweise zu allerlei verkehrten Schlüssen und Handlungen führen.
Die Gaben stehen in Verbindung mit dem Leib Christi in seiner Gesamtheit. Sie werden verliehen zu dessen Sammlung und Auferbauung. Es handelt sich dabei nicht um den Besitz bestimmter Eigenschaften oder besonderer Erfahrungen, um das Erlangthaben einer gewissen Stufe im Alter oder in der Erkenntnis; nein, die Gaben sind, wie schon das Wort ausdrückt, freie Mitteilungen der Gnade, Geschenke des Herrn, vermittelt durch die Kraft und Wirksamkeit des Heiligen Geistes. Er (Christus) ist hinaufgestiegen in die Höhe und hat den Menschen Gaben gegeben (Eph 4,8).
Ämter stehen in Beziehung zu der örtlichen Darstellung des Leibes Christi, der Ortsgemeinde; ihre Befugnisse gehen nicht über diese hinaus, der Kreis ihrer Ausübung ist durchaus auf die örtliche Versammlung beschränkt. Deshalb kann man nicht von einem Apostel, Propheten, Evangelisten, Hirten oder Lehrer einer örtlichen Gemeinde reden, wohl aber von Ältesten und Dienern (Diakonen) oder Dienerinnen der Versammlung zu Philippi, Jerusalem usw. Jene sind gleichsam Gesamteigentum, diese örtlicher Besitz. Darum finden wir einen Apollos heute tätig in Ephesus, bald darauf in Korinth und später auf der Insel Kreta (Apg 18,24–27; 1. Kor 3,6; Tit 3,13). Älteste aber waren an ihren Wohnort gebunden; hier, und nur hier, war die Stätte ihrer Wirksamkeit.
Der Umstand, dass Luther das griechische Wort diakonia (Dienst) an vielen Stellen mit „Amt“ übersetzt hat, hat wohl dazu mitgeholfen, die Begriffe zu verwirren. Wenn er z.B. in Apostelgeschite 6,4 redet vom „Amt des Wortes“ (vgl. auch Apg 20,24; 21,19) und in 2. Korinther von „dem Amt, das den Geist gibt“, – „das die Verdammnis (die Gerechtigkeit) predigt“, in Epheser 4 vom „Werk des Amts, dadurch der Leib Christi erbauet werde“; wenn man ferner in Kolosser 4 liest: „siehe auf das Amt, das du empfangen hast“, oder in 2. Timotheus: „richte ein Amt redlich aus“ (2. Kor 3,8.9; 5,18; Eph 4,12; Kol 4,17; 2. Tim 4,5; 1. Tim 1,12 u.a. Stellen), so kann man verstehen, dass manche des Griechischen nicht kundige Leser des Neuen Testaments nicht zu einem klaren Verständnis der Bedeutung des Wortes kommen können. An all den genannten Stellen steht im Griechischen diakonia (Dienst); sobald man dieses Wort (statt „Amt“) in den Text setzt, wird alles einfach, und die vermeintlichen Widersprüche schwinden.
Es ist eine seltsame Beweisführung, wenn man sagt: „Die Scheidung zwischen Gaben und Amt ist unrichtig. Das Wort Amt heißt im Grundtext diakonia und bedeutet Dienst 2. Wo nun Gaben sind, die gebraucht werden, da ist auch ein Dienst; wenn also jemand die Gabe der Ermahnung hat und sie betätigt, mit derselben dient, dann tut er einen Dienst, und Dienst ist nach der Schrift so viel wie Amt; demnach besteht nach dem Neuen Testament die Scheidung zwischen Amt und Gaben gar nicht.“ – Es ist wohl unnötig, diesen Worten etwas hinzuzufügen. Auf solchem Wege lässt sich allerdings alles beweisen. Der Schreiber scheint gar nicht zu wissen, dass gerade die Vermengung der beiden Begriffe Gabe und Amt Anlass gegeben hat zu der unseligen Scheidung zwischen „Geistlichen“ und „Laien“, zur Aufrichtung der Priesterherrschaft, ja, zu dem Aufbau des ganzen hierarchischen Systems.
Das Wort diakonia bedeutet irgend einen Dienst, sei es im Evangelium, in der Verkündigung des Wortes an die Gläubigen, in der Austeilung von Liebesgaben an die Witwen, in der Bedienung der Tische, in der Besorgung der Herde Christi, oder was irgend sonst es sei. Es erscheint fast immer mit einem Beiwort, das seine nähere Bedeutung bestimmt. In Heb 1,14 wird es absolut gebraucht in Verbindung mit „Engeln“; so auch in 2. Tim 4,11 im Blick auf Markus: „er ist mir nützlich zum Dienst“. Was in beiden Fällen gemeint ist, ist unschwer zu verstehen. Wenn das Wort von Dienst redet, so meint es eben Dienst, und niemals hat diakonia die Bedeutung von „Amt“ in dem Sinne, wie man heute von einem „geistlichen Amt“, „Predigeramt“, „Lehramt“ und dergl. redet. Von alledem weiß die Schrift nichts. Sie redet im Blick auf die Offenbarungen des Geistes in der Mitte der Versammlung (Gemeinde) zur Sammlung, Auferbauung etc. von Gaben oder Gnadengaben, Diensten und Wirkungen (1. Kor 12,4–6; Eph 4,8).
Die Ältesten (griech.: presbuteroi = Ältere, daher das heute noch übliche „Presbyter“) waren mit der Beaufsichtigung und Hut der Herde in geistlichem Sinne betraut, die Diener mit der Sorge für das irdische Wohl der Gläubigen; die einen besorgten gleichsam die inneren, die anderen die äußeren Angelegenheiten der betreffenden Versammlung. Allerdings konnten die Ältesten auch besondere Gaben haben, und die Diakonen, wenn sie „wohl gedient hatten, sich eine schöne Stufe erwerben und viel Freimütigkeit im Glauben“ (1. Tim 3,13), und so, wie z.B. der Evangelist Philippus, auch in anderer Weise vom Herrn benutzt werden und zum Segen für Bekehrte und Unbekehrte dienen.
Die Ältesten werden an verschiedenen Stellen „Aufseher“ (griech.: episkopoi, woraus unser Wort „Bischof“ entstanden ist) genannt, weil eben ihre besondere Verantwortlichkeit darin bestand, Aufsicht zu führen und die Herde Gottes zu hüten (1. Pet 5,1–2). Älteste und Aufseher waren also nicht etwa zwei verschiedene Klassen von Personen, sondern dieselben Leute. Paulus sagt zu den Ältesten der Versammlung von Ephesus, die er nach Milet hatte kommen lassen: „Habt nun acht auf euch selbst und auf die ganze Herde, in welcher der Heilige Geist euch als Aufseher gesetzt hat, die Versammlung Gottes zu hüten, welche er sich erworben hat durch das Blut seines Eigenen.“ Derselbe Apostel schreibt an Titus, dass er auf Kreta in jeder Stadt „Älteste“ anstellen möge, und nachdem er einige für den Ältesten notwendige Eigenschaften aufgezählt hat, fährt er fort: „Denn der Aufseher muss untadelig sein als Gottes Verwalter“ (Tit 1,5–7), so unwiderleglich erweisend, dass „Ältester“ und „Aufseher“ gleichbedeutende Begriffe sind, zwei Bezeichnungen für dieselben Personen, die eine mehr auf Alter und Stellung, die andere mehr auf die Art ihrer Tätigkeit hindeutend.
Zu Ältesten konnten naturgemäß nicht junge oder unbekehrte Leute bestellt werden: „nicht ein Neuling, auf dass er nicht, aufgebläht, ins Gericht des Teufels verfalle“ (1. Tim 3,6). Ein Ältester musste verheiratet sein, und zwar Mann „einer“ Frau, untadelig in seinem persönlichen Leben, ein guter Gatte und Vater, der dem eigenen Haus wohl vorstand, von gelindem, friedfertigen Charakter, gastfrei, besonnen, enthaltsam, lehrfähig, von gutem Zeugnis bei der Welt usw. (vgl. 1. Tim 3,1–7; Tit 1,6–9). Als ein „Aufseher“ hatte er die schöne Aufgabe, Sorge zu tragen für die Schafe und Lämmer der Herde Christi, sie zu hüten vor allen Gefahren, von Haus zu Haus, von Familie zu Familie zu gehen, zu weinen mit den Weinenden, sich zu freuen mit den sich Freuenden, die Alten zu ermuntern, die Jungen zu ermahnen, die erschlafften Hände aufzurichten und die gelähmten Knie zu befestigen, auf jeden Einzelnen das Licht des Wortes leuchten zu lassen und mit aufrichtiger Liebe und väterlichem Verständnis an den Schwierigkeiten aller teilzunehmen. Er musste „fähig sein, sowohl mit der gesunden Lehre zu ermahnen, als auch die Widerspenstigen zu überführen“. Denn es gab schon damals „zügellose Schwätzer und Betrüger“, welche um schändlichen Gewinnes willen böse, ungeziemende Dinge lehrten und ganze Häuser umkehrten (Tit 1,9–10). Solchen mussten sie rücksichtslos „den Mund stopfen“.
Es ist offenbar, dass zu solch gesegnetem, vielseitigem Dienst nur treue, erprobte Männer fähig waren, und dass es einer sorgfältigen Auswahl bei ihrer Bestellung bedurfte. Es war ein großes Vorrecht, in solcher Weise tätig sein zu dürfen. Darum sagt der Apostel auch: „Das Wort ist gewiss: wenn jemand nach einem Aufseherdienst trachtet, so begehrt er ein schönes Werk“ (1. Tim 3,1). Nur durchaus unbescholtene Männer, die persönlich in den verschiedenen Lebensverhältnissen, als Jüngling, Mann, Gatte, Vater, Erfahrungen gemacht hatten, konnten den Anforderungen eines solchen Dienstes genügen. Sollten ihre Ermunterungen, Ermahnungen und Zurechtweisungen Kraft haben, so musste ihr Leben und ihr ganzes Verhalten beweisen, dass sie zunächst auf sich selbst acht hatten und unter der Zucht des Geistes standen (Apg 20,28).
Betrachten wir einige der von dem Apostel genannten Vorbedingungen noch etwas näher. Sie alle beweisen die Richtigkeit unserer Behauptung, dass es sich zunächst gar nicht um Begabung handelte, – obwohl diese, wie bemerkt, vorhanden sein konnte, denn die, „welche wohl vorstehen, sollen doppelter Ehre würdig geachtet werden, sonderlich die da arbeiten in Wort und Lehre“ (1. Tim 5,17) – sondern nur um sittliche Eigenschaften und geistliche Fähigkeiten. So durfte z.B. ein Ältester, wie wir hörten, nicht unverheiratet sein, aus Gründen, die leicht zu erraten sind. Auch musste er Mann „einer“ Frau sein, d.h. er durfte nicht, wie es in jenen Tagen unter Juden und Heiden vielfach gebräuchlich war, mehrere Frauen haben. Das war ein Verstoß gegen Gottes ursprüngliche Ordnung. Solchen Männern konnte die Gemeinschaft am Tische des Herrn nicht verweigert werden, wenn sie bekehrt wurden, aber zu Aufsehern, zu heiligen Wächtern über die Ordnung Gottes unter den Gläubigen, waren sie nicht tauglich.
Ferner musste der persönliche Charakter des Ältesten untadelig, er selbst vor der Welt unbescholten sein. Es hat Gott oft gefallen, Leute, deren Vorleben in sittlicher Beziehung höchst traurig war, als gesegnete Evangelisten zu benutzen und sie vielen zu Wegweisern aus Schmutz und Gewalttat heraus dienen zu lassen; aber zu einem Aufseherdienst würden sie nicht geschickt gewesen sein. Auch war zu einem solchen Dienst ein besonderes Maß von Bescheidenheit, würdigem Ernst, Sittsamkeit und Enthaltsamkeit notwendig. Wie hätten sonst die Ermahnungen Gewicht, die Bitten und Vorstellungen Einfluss haben können? Die Möglichkeit eines Hinweises auf eigenes Verfehlen und Zukurzkommen würde unter Umständen jeden guten Eindruck von vornherein ausgeschlossen haben.
Weiterhin musste ein Aufseher „lehrfähig“ sein, oder, wie Paulus an Titus schreibt: „anhangend dem zuverlässigen Worte nach der Lehre, damit er fähig sei, sowohl mit der gesunden Lehre zu ermahnen, als auch die Widersprechenden zu überführen“ (Tit 1,9). Es war nicht erforderlich, dass er ein „Lehrer“ im eigentlichen Sinne des Wortes war, aber er musste die gute, zuverlässige Lehre kennen und imstande sein, das Wort im persönlichen Verkehr mit den Seelen richtig anzuwenden, den Schwachen und Kleinmütigen zum Trost, den Irrenden und Unordentlichen zur Zurechtweisung, den Verkehrten und Widerstrebenden zur Überführung, nicht eigenmächtig, zornmütig oder streitsüchtig, sondern als „Gottes Verwalter“ sanft und gelinde, aber bestimmt und ernst. Denn „eine gelinde Antwort wendet den Grimm ab, aber ein kränkendes Wort erregt den Zorn“; und „ein weiser Mann versöhnt den Grimm“, „eine gelinde Zunge zerbricht Knochen“ (Spr 15,1; 16,14; 25,15).
Um allezeit in dieser Verfassung zu sein, durfte ein Aufseher sich nicht dem Weingenuss ergeben. Der Wein „erhitzt“ (Jes 5,11), raubt Nüchternheit und Besonnenheit und trübt das Urteil: man unterscheidet nicht mehr zwischen dem Heiligen und Unheiligen, zwischen dem Reinen und Unreinen (3. Mo 10,9–10).
Einer der Gründe, weshalb ein Ältester verheiratet sein musste, ist auch wohl darin zu suchen, dass sein Haus gastfrei sein sollte, offen für jeden Bruder und jede Schwester. Einem unverheirateten Bruder ist es kaum möglich, ein solch offenes Haus zu haben. Gastfreundschaft ist aber Gott besonders wohlgefällig (vgl. Röm 12,13; 1. Tim 5,10; Heb 13,2; 1. Pet 4,9). In dieser Hinsicht sollte also der Aufseher den Gläubigen mit gutem Beispiel vorangehen, „ein Vorbild der Herde“ sein. Gajus in Korinth war der Wirt des Apostels Paulus und der ganzen Versammlung. Er war wohl kein angestellter Ältester, denn in Korinth scheinen keine Ältesten gewesen zu sein; aber so steht von ihm geschrieben zur Ermunterung für uns (Röm 16,23). Welch eine liebliche Vorsorge hatte der Herr auf diese Weise für das leibliche Wohl seiner Knechte getroffen, die von Stadt zu Stadt gingen mit dem Worte des Evangeliums oder der Erbauung! Wie ermunternd ist es auch heute noch für einen Diener des Herrn, der sich auf langer, ermüdender Reise oder Fußwanderung befindet, zu wissen: Heute Abend darf ich frei bei dem und dem Bruder einkehren; er ist von dem Herrn unterwiesen, gastfrei zu sein, nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig aus dem Besuch zu machen!
Eine wichtige Eigenschaft lautete: „nicht geldliebend“, oder: „nicht schändlichem Gewinn nachgehend“ (Tit 1,7). Petrus ermahnt die Ältesten: „Hütet die Herde Gottes, die bei euch ist, indem ihr die Aufsicht nicht aus Zwang führet, sondern freiwillig, auch nicht um schändlichen Gewinn, sondern bereitwillig“ (1. Pet 5,2). Den Ältesten wird empfohlen, mit eigenen Händen zu arbeiten und sich der Schwachen anzunehmen, stets an die Worte des Herrn Jesus denkend: „Geben ist seliger als nehmen“ (Apg 20,35).
Besonders ernst war die Bedingung: „der dem eigenen Hause wohl vorsteht, der seine Kinder in Unterwürfigkeit hält mit allem würdigen Ernst, (wenn aber jemand dem eigenen Hause nicht vorzustehen weiß, wie wird er die Versammlung Gottes besorgen?)“ (1. Tim 3,4.5), vergleiche hierzu auch Tit 1,6. Es mochte mancherlei Gründe für die in dem Hause eines Gläubigen herrschende Unordnung geben; aber wenn solche vorhanden war, wenn es dem Hausvater an der nötigen Weisheit und Energie mangelte, wenn seine Kinder zügellos oder gar ausschweifend waren, so konnte er nicht mit der Aufsicht über die Versammlung Gottes betraut werden. Selbst der Besitz einer Gabe als Evangelist oder Lehrer änderte hieran nichts.
Dass ein Ältester kein „Neuling“ sein durfte, haben wir bereits erwähnt. Im Alten wie im Neuen Testament wird unter einem „Ältesten“ immer ein Mann in reiferen Jahren verstanden. Es gibt wohl keine einzige Ausnahme von dieser Regel. Das Wort deutet ja schon an und für sich darauf hin, dass ein junger Mann unmöglich für dieses Amt in Aussicht genommen werden konnte. Er würde bald, „aufgebläht, in das Gericht des Teufels verfallen“ sein. Denn abgesehen von den „jugendlichen Lüsten“, sind Selbstgefälligkeit und Überschätzung der eigenen Wichtigkeit besondere Gefahren der Jugend.
Fragen wir jetzt nach der Zahl der Ältesten, so ist im Worte Gottes darüber keine Anordnung getroffen; wir wissen nur, dass es in einer Versammlung niemals nur einen, sondern immer mehrere Älteste gab. Die Zahl richtete sich jedenfalls nach der Größe der örtlichen Gemeinde und nach den vorliegenden Bedürfnissen. Es heißt in Apg 14,23: „Als sie ihnen aber in jeder Versammlung Älteste gewählt hatten, beteten sie mit Fasten und befahlen sie dem Herrn, an welchen sie geglaubt hatten“. Im nächsten Kapitel wird uns berichtet, dass die Apostel und die Ältesten von Jerusalem sich versammelten (Apg 15,6). Paulus ruft die Ältesten der Versammlung von Ephesus nach Milet herüber (Apg 20,17). Titus wurde von dem Apostel in Kreta zurückgelassen, damit er „in jeder Stadt Älteste anstellen möchte“ (Tit 1,5). In der Anrede an die Versammlung in Philippi (Phil 1,1) werden außer den Heiligen Aufseher (Älteste) und Diener genannt. In Jak 5,14 wird der Kranke angewiesen, die Ältesten der Versammlung zu sich zu rufen.
Neben dieser wichtigen, aber leider so oft vergessenen Tatsache, dass es niemals nur einen Ältesten, Aufseher oder Vorsteher in einer Versammlung (Gemeinde) gab, ist zu beachten, dass niemand den Titel oder das Amt eines Ältesten haben konnte, selbst wenn er die nötigen Eigenschaften und Fähigkeiten dazu besaß, es sei denn, dass er in geziemender Weise bevollmächtigt war. Er bedurfte einer Anstellung, und zwar musste diese durch einen Apostel oder den Bevollmächtigten eines Apostels vollzogen werden. Die ganze Kraft und Bedeutung der Einrichtung hing von der Quelle der Autorität ab, aus welcher sie floss. Nirgendwo finden wir in den Tagen der Apostel ein Beispiel von der Wahl oder Anstellung von Ältesten seitens einer Versammlung (Gemeinde). Weder in der Apostelgeschichte noch in einem Brief an eine Versammlung ist von einer solchen Wahl die Rede. Dagegen wird Titus von Paulus auf Kreta zurückgelassen, um „was noch mangelte in Ordnung zu bringen und in jeder Stadt“, also in bereits bestehenden Versammlungen, „Älteste anzustellen“ (Tit 1,5). Nachdem er diesen Auftrag vollzogen hatte, sollte er zum Apostel nach Nikopolis kommen (Tit 3,12). Wir haben somit nicht einmal einen Beweis dafür, dass Titus ein Recht hatte, anderswo Älteste anzustellen. Der Bereich, auf welchen sich sein Auftrag bezog, war ganz bestimmt begrenzt.
Dem Satz, dass die Anstellung eines Ältesten nur durch einen Apostel oder dessen Bevollmächtigten habe geschehen können, ist oft widersprochen worden. Man sagt, die Versammlungen (Gemeinden) hätten sich ihre Ältesten selbst gewählt und sollten es heute noch tun. Da man dafür keine Belege bringen kann, weder in der Form einer durch den Geist gegebenen Anweisung, noch in geschichtlichen Beispielen, nimmt man seine Zuflucht zu Beweisführungen, die oft recht wunderlich sind. So sagt man z.B.: „Die elf Jünger samt ‘der Schar’ (die ganze Zahl betrug 120) wählen nach der Himmelfahrt des Herrn unter Gebet und Anwendung des Loses an Stelle des abgewichenen Judas den Matthias zum Apostel (Apg 1,15–26) ... Und wenn die Gläubigen im allgemeinen hier einen Apostel mitwählen können, der doch eine höhere Stelle inne hatte als ein Gemeindeältester, weshalb sollen die Gemeinden sich dann nicht an einer Ältestenwahl beteiligen können?“
Ganz abgesehen von der Frage, ob jene Gläubigen „einer Anordnung des Herrn zuwider handelten“ oder nicht, was für unseren Gegenstand nichts beweisen würde, denn die Einsetzung eines Apostels und eines Ältesten sind eben zwei sehr verschiedenen Dinge, muss von vornherein betont werden, dass von der Wahl eines Apostels in der angeführten Stelle überhaupt nicht die Rede ist. Nachdem Petrus im Anschluss an Ps 109,8 die Erfordernisse für einen „Zeugen der Auferstehung des Herrn“ deutlich bezeichnet hatte, – es musste ein Mann sein, der von der Taufe Johannes' an bis zur Himmelfahrt Christi mit den Aposteln gegangen war, – lesen wir weiter: „und sie stellten zwei dar: Joseph, genannt Barsabas, der Justus zubenamt war, und Matthias“. Beide Männer entsprachen ohne Frage den gestellten Anforderungen, aber die Versammelten wagten nicht, einen von den zwei zu wählen, sondern warfen Lose über sie, indem sie dem Herrn die Entscheidung anheim stellten. „Du, Herr, Herzenskündiger aller“, beten sie, „zeige von diesen beiden den einen an, den du auserwählt hast.“ Es war also ein Apostel, der die ganze Sache einleitete, es waren Apostel, welche die zwei Männer vor den Herrn stellten, und es war der Herr, der wählte.
Aber selbst wenn die Gläubigen den Matthias gewählt hätten, was, wie wir gesehen haben, keineswegs der Fall war, so würde es doch mehr als gewagt sein, die Schlussfolgerung daraus zu ziehen, dass sie sich ebenso gut oder gar mit noch größerem Recht an einer Ältestenwahl hätten beteiligen können. Viel eher noch könnte man den Schluss ziehen, wenn wir überhaupt zu solchen Folgerungen berechtigt wären, dass es uns heute noch gestattet sei, Apostel zu wählen. Aber davon wird kein dem Wort unterwürfiger Gläubiger im Ernst denken.
Unwillkürlich ist man versucht zu fragen: Warum will man durchaus etwas tun, wozu Gottes Wort weder Anleitung noch die Wege weisende Beispiele gibt? Die Antwort ist einfach: Weil man, ohne Rücksicht auf den eingetretenen Verfall und unter Beiseitesetzung der Wahrheit von der Einheit des Leibes, „Gemeinden bilden will nach apostolischem Vorbild“, wie man es nennt, in denen man dann nicht nur Älteste und Diener, sondern auch Gemeindevorsteher, Evangelisten, Prediger etc. nach eigener Wahl ernennen kann. Man will „unabhängige Gemeinden“ haben, in denen der Mensch eine Rolle spielen kann. Das ist das ganze Geheimnis der Sache. Man will einerseits seine Herde haben, an deren Spitze man steht, und man will andererseits die Verantwortlichkeit von sich auf eine Anzahl Männer abwälzen, die zu Vorstehern, Leitern etc. der Gemeinde gewählt sind. Anstatt hinsichtlich aller Bedürfnisse der Herde Christi einfach auf den Herrn zu warten und in Anerkennung der allgemeinen Verwirrung die einzelnen Bruchstücke zu ihm hin zu sammeln, welcher der einzig wahre Mittelpunkt ist, und dessen Name allein Wert hat, will man seine Gemeinde, seinen Prediger, seine Ältesten usw. haben. Statt einfältig zu fragen: Wie steht geschrieben? sagt man: Warum sollten wir nicht dies, warum könnten wir nicht das tun? Mit einem Wort: der Mensch ist auf dem Plan.
Wenn der Herr gewollt hätte, dass nach dem Tode der Apostel die Befugnisse, Älteste anzustellen, fortdauern sollte, würde er, dem das Wohl Seiner Gemeinde so am Herzen liegt, uns über eine so wichtige Sache nicht eine klare und verständliche Mitteilung gegeben haben? Oder wenn es nach Seinem Willen gewesen wäre, dass die Versammlungen sich selbst Älteste wählen sollten, würde er uns diesen Willen nicht so kundgegeben haben, dass keine Missdeutung möglich wäre? Ganz gewiss. Es ist aber keines von beidem geschehen. Damit ist nicht gesagt, „dass nach dem Heimgang der Apostel das Ältestenamt aufhören sollte“. Im Gegenteil, es besteht fort; nur fehlt es an der Autorität, Älteste zu ernennen. Und wer sind wir, dass wir ohne ein klares Wort Gottes eine so ernste, bedeutungsvolle Handlung vornehmen sollten?
Wenn nun dennoch eine kleinere oder größere Zahl von Gläubigen, die sich zu einer Gemeinde zusammengeschlossen hat sich nun „biblisch einrichten“ will, selbständig aus ihrer Mitte einige nach ihrer Meinung für das Ältestenamt passende Männer wählt und zu Ältesten ernennt, kann man von diesen Brüdern, so treu und ehrenwert sie sein mögen, deshalb sagen, dass „der Heilige Geist sie als Aufseher in der Versammlung (Gemeinde) Gottes gesetzt habe“? Und das müsste doch so sein, wenn die „ganze Herde“, die ganze Gemeinde „in der Stadt“ sie als solche anerkennen und ihnen unterwürfig sein soll. Älteste irgendeiner Sondergemeinschaft kennt Gottes Wort nicht, nur Älteste der Versammlung oder Gemeinde an einem Ort.
Dann hat also doch nach dem Heimgang der Apostel und ihrer Bevollmächtigten das Amt der Ältesten aufgehört, und wir sind des gesegneten Dienstes solcher Männer für immer beraubt? Keineswegs! Gottes liebende Sorge für Sein Volk hört nimmer auf. Der Herr gedenkt an die Bedürfnisse Seiner Herde auch in den schwierigsten Zeiten und stillt sie. Es gibt, sein Name sei dafür gepriesen, noch viele Männer, die zu Ältesten oder Aufsehern geschickt sind, trotzdem es keine Apostel mehr gibt, um sie zu wählen und einzusetzen. Man kann kaum einen Blick in irgend eine Versammlung von Kindern Gottes werfen, ohne von dem einen oder anderen würdigen älteren Bruder zu hören, der den Irrenden nachgeht, die Unordentlichen zurechtweist, die Kleinmütigen tröstet, den Schwachen aufhilft, mit einem Wort, der da ermahnt, warnt und Aufsicht übt. Und was ist die Pflicht der Gläubigen solchen Männern gegenüber, auch wenn sie nicht, wie im Anfang, förmlich angestellt sind? Sie um ihres Werkes willen zu schätzen, sie zu lieben und ihnen unterwürfig zu sein als solchen, die der Geist Gottes gegeben und gesetzt hat, um über die Seelen ihrer Geschwister zu wachen. Man braucht sie nicht Älteste zu nennen, sie nicht zu wählen und anzustellen, um so die demütigende Tatsache möglichst zu verdecken, dass alles in Verfall und Unordnung ist. Nein, lasst uns lieber diesen Verfall und seine Folgen bereitwillig anerkennen und uns dementsprechend vor Gott und Menschen verhalten! Der Herr wird uns in seiner Gnade zu Hilfe kommen, und wir werden erfahren, dass er für Seine kleine, schwache Herde sorgt, auch wenn so vieles fehlt, was einst das Zeugnis zierte.
Bei dieser Gelegenheit sei noch einmal darauf hingewiesen, dass es in den ersten Zeiten der Kirche wohl nicht in allen Gemeinden Älteste gegeben hat, und dass der Apostel durch den Heiligen Geist geleitet worden ist, an solche Versammlungen, die keine Ältesten hatten, Briefe zu richten, die nun für unsere Tage und mangelhaften Zuständen von ganz besonderen Wichtigkeit sind; so z.B. die Briefe an die Thessalonicher und an die Korinther. In Korinth sah es so unordentlich aus, dass, wenn irgendwo, dort die Einsetzung von Ältesten notwendig hätte erscheinen müssen. Aber in den beiden Briefen des Apostels findet sich nicht der geringste Hinweis auf Älteste. Wären sie vorhanden gewesen, so würde Paulus sicherlich sie zunächst zur Rechenschaft gezogen und sie auf die Vernachlässigung ihrer Pflichten aufmerksam gemacht haben 3.
Es scheint überhaupt nicht die Weise der Apostel gewesen zu sein, in ganz jungen Gemeinden Älteste anzustellen. Die Versammlungen, von welchen in Apostelgeschichte 14,23 die Rede ist, bestanden schon seit mehreren Jahren, sodass die geistlichen Fähigkeiten Zeit zu ihrer Entwicklung gehabt hatten und die Männer, welche für das so wichtige Ältestenamt ausersehen werden konnten, mehr bekannt geworden waren. Hier gehen wir mit dem wiederholt angeführten Schreiber ganz einig, wenn er sagt, dass „die Apostel wie auch Timotheus und Titus die Gemeinden wohl mit zu Rat gezogen und gefragt haben, welche unter ihnen für diesen wichtigen Dienst in Betracht kommen könnten“. Warum auch nicht? Wenn jemand „nach einem Aufseherdienst trachten“ (1. Tim 3,1) konnte, warum sollten dann nicht andere ihn zu einem solchen Dienst vorschlagen oder ermuntern können?
Wenn der Apostel in 1. Thes 5,12 die Gläubigen ermahnt, die zu erkennen, die unter ihnen arbeiteten und ihnen vorstanden (vgl. Röm 12,8; 1. Tim 5,17), so geht daraus hervor, dass es „Vorsteher“ unter ihnen gab, die an anderen Stellen „Führer“ genannt werden (Heb 13,7.17); aber aus der ganzen Redeweise des Apostels ergibt sich zugleich mit großer Wahrscheinlichkeit, dass diese Männer nicht „angestellte“ Vorsteher oder Führer waren, sondern „durch ihr Werk“ (Vers 13) 4 sich als solche erwiesen hatten. In ähnlicher Weise hatten Stephanas und sein Haus in Achaja sich selbst den Heiligen zum Dienst verordnet, und es sollten ihnen deshalb die Gläubigen „untertan sein und jedem, der mitwirkte und arbeitete“ (1. Kor 16,15.16).
Wenn man fragt: Wie konnten denn solche Männer als vom Herrn in ihren Dienst gestellt anerkannt werden? so ist die Antwort schon gegeben. „Durch ihr Werk“, sagt der Apostel. Oder: „den Ausgang ihres Wandels anschauend, ahmet ihren Glauben nach“ (Heb 13,7). Woran erkennt man einen wahren Christen, woran einen Evangelisten, Hirten oder Lehrer? An dem treuen Wandel, dem Eifer Seelen für Christum zu gewinnen oder die für Jesum gewonnenen weiter zu führen, zu pflegen, zu nähren, zu weiden und zu hüten. So war es in den ersten Tagen der Gemeinde Gottes, und so ist es heute noch. Sollten wir nun außer Stande sein, solche Männer aus unserer Mitte zu erkennen, die als Vorsteher und Führer Ruf und Befähigung von dem Haupt des Leibes empfangen haben? Und wenn wir auch nicht den Auftrag und die Macht haben, sie zu Aufsehern der Herde Gottes zu ernennen, sollten wir sie deshalb weniger achten, ihnen weniger Liebe und Vertrauen entgegenbringen? Ach, was uns so sehr mangelt, ist nicht Einsicht und Erkenntnis, sondern Herzenseinfalt und Herzensunterwürfigkeit.
Das Heranziehen von Stellen wie Apg 13,1–3; 15,1.2.22; 2. Kor 8,19.23, um darzulegen, dass die Wahl von Ältesten berechtigt sei, zeigt, wie arm man an Beweisen sein muss. Dass die Versammlungen nicht tote Maschinen waren oder heute sein sollen, ist klar. Der Geist Gottes wirkte in ihnen und leitete sie an, in der verschiedensten Weise ihre Teilnahme an dem Werk des Herrn kundzutun, entstehenden Schwierigkeiten zu begegnen, über die von ihnen gesammelten Gelder zu verfügen, zum Zweck der Verhandlungen oder zur Überbringung der Gaben Männer aus ihrer Mitte abzuordnen und dergleichen Dinge mehr. Aber was beweist das alles für die uns beschäftigende Frage?
Im Anschluss an die erstgenannte Stelle (Apg 13,1–3) sei noch ein Wort über das „Händeauflegen“ gesagt. Was man daraus gemacht hat im Laufe der Jahrhunderte, ist bekannt. Zunächst sei daran erinnert, dass nirgendwo im Neuen Testament von Händeauflegen die Rede ist als einem Zeichen der Weihung eines Menschen zum Evangelisten, Hirten, Prediger und dergleichen. Der Herr legte den Kindlein, welche zu ihm gebracht wurden, oder auch Kranken zur Segnung und Heilung die Hände auf. Die Apostel taten das Gleiche bei Kranken oder bei solchen, welche noch nicht den Heiligen Geist empfangen hatten. Weiter geschah das Händeauflegen, um Männer, die von Gott begabt und bereits in Seinen Dienst berufen waren, seiner Gnade zu einem besonderen Werk zu befehlen (Apg 14,26), oder andere in förmlicher Weise mit der Besorgung eines Dienstes in zeitlichen Dingen zu betrauen (Apg 6,6), oder schließlich um durch die Kraft des Heiligen Geistes einem Menschen eine Gabe zu übertragen (2. Tim 1,6).
Es mag sein, dass auch Ältesten die Hände aufgelegt worden sind, aber gesagt ist es nirgendwo; vielleicht gerade aus dem Grund, weil der Heilige Geist voraussah, welch ein Missbrauch mit dieser Handlung getrieben werden würde. Die einzige Stelle, welche dahin gedeutet werden könnte, ist 1. Tim 5,22, wo nach einigen Vorschriften in Bezug auf der Ältesten der Apostel sein Kind ermahnt: „Die Hände lege niemandem schnell auf“. Aber ob er dies in Verbindung mit dem Vorangegangenen tut, oder ob er ganz allgemein spricht, ist schwer zu entscheiden. Jedenfalls wäre die Annahme, dass die Worte sich ausschließlich oder auch nur vornehmlich auf die Einsetzung von Ältesten bezöge, durch nichts begründet.
Im allgemeinen war das Händeauflegen im Alten wie im Neuen Testament eine Handlung des Segnens oder des Sicheinsmachens mit dem, welchem die Hände aufgelegt wurden. Selbst in dem oben genannten besonderen Falle der Übertragung einer Gabe durch den Apostel ist diese Bedeutung nicht ausgeschlossen. Nach 1. Tim 4,14 waren Weissagungen über Timotheus ergangen, durch welche der Heilige Geist ihn im voraus für den Dienst, den er tun sollte, bezeichnet hatte. Hierdurch geleitet, legte der Apostel ihm die Hände auf und teilte ihm so mittelst des Heiligen Geistes die Gnadengabe mit, welche ihn zu jenem Dienst befähigte. Mit dem Apostel hatten sich die Ältesten, die am Ort waren, vereinigt, so dass die Gabe „gegeben worden war durch Weissagung mit Händeauflegen der Ältestenschaft“; zugleich war sie nach 2. Tim 1,6 durch das Auflegen der Hände des Apostels. Aus den beiden Stellen geht also einerseits hervor, dass die Ältesten nichts mit der Mitteilung der Gabe zu tun hatten (sie gaben nur ihrer Gemeinschaft mit dem Apostel und Timotheus Ausdruck), und andererseits, dass der Apostel handelte im Anschluss an eine bestimmte Offenbarung des Geistes5.
Nachdem wir uns so lange bei den „Ältesten“ aufgehalten haben, können wir uns im Blick auf die „Diener“ kurz fassen. Das Amt der Diener oder Diakonen (griech.: diakonoi) war von geringerer Wichtigkeit als das der Ältesten. Ihnen lag, wie wir im Anfang unserer Betrachtung sahen, die Sorge für das irdische Wohl der Gläubigen ob. Darum waren die Anforderungen, welche an die Diakonen gestellt werden mussten, niedriger als bei den Ältesten. Von ihnen heißt es: „Die Diener desgleichen, würdig, nicht doppelzüngig, nicht vielem Wein ergeben, nicht schändlichem Gewinn nachgehend, die das Geheimnis des Glaubens in reinem Gewissen bewahren“ (1. Tim 3,8.9). Sie mussten, ehe sie dienen durften, eine Probezeit durchmachen und konnten erst angestellt werden, wenn sie sich als „untadelig“ erwiesen hatten. Auch ihre Frauen mussten „würdig sein, nicht verleumderisch, nüchtern, treu in allem“. Es gab, wie wir aus dem Falle der Phöbe ersehen, auch weibliche Diakonen, „Dienerinnen der Versammlung“, aber an der uns beschäftigenden Stelle handelt es sich ohne Zweifel um die Frauen der Diakonen. Da diese sich naturgemäß vielfach mit den Umständen und zeitlichen Angelegenheiten der Familien beschäftigen musste, konnten sich ihre Frauen sehr nützlich dabei machen, was bei den Ältesten, die über die Seelen der Gläubigen und deren geistliches Wohl zu wachen hatten, ausgeschlossen war. Deshalb wird bei jenen nichts von Frauen gesagt; hier aber werden Anforderungen an die Frauen gestellt, deren Erfüllung das Ansehen ihrer Männer, der Diakonen, erhöhte und sie selbst vor Schwätzereien und deren üblen Folgen bewahrte.
Die Diener durften, wie die Ältesten, nur eine Frau haben und mussten ihren Kindern und Häusern wohl vorstehen (V. 12).
Die einzige Stelle, welche uns Näheres über die Wahl und Anstellung von Diakonen berichtet, ist Apg 6,1–6. Zwar werden die „Sieben“, welche dort zur „Bedienung der Tische“ bestellt werden, nicht gerade Diakonen genannt, aber der ganze Bericht zeigt deutlich, dass es sich um die Anstellung von solchen Männern handelt, wie sie in 1. Tim 3,8–13 beschrieben werden. Und wie geschah die Anstellung? Die Versammlung oder Gemeinde sah sich um nach geeigneten Männern aus ihrer Mitte, die über dieses Geschäft bestellt werden konnten, und die Apostel bestellten sie. Hier trat also die Versammlung (Gemeinde) unmittelbar und in entscheidender Weise in Tätigkeit. Und war es nicht ganz richtig so? Wenn eine Versammlung aus ihrem irdischen Besitz zur Unterhaltung der Armen, Witwen etc. beisteuert, ist es dann nicht durchaus am Platz, dass sie auch eine Stimme in der Wahl derer hat, welche die Gaben zur Verwendung bringen? Sollte sie sich nicht nach solchen Männern aus ihr umsehen, die durch ihr bisheriges Verhalten die Gewähr bieten, dass sie in der Austeilung der Gelder nicht nur mit peinlicher Gewissenhaftigkeit, sondern auch mit Weisheit von oben zu Werke gehen werden? Ja, zeigt sich nicht Gottes Güte und Treue gerade darin, dass Er uns in seinem Wort ein solch einfaches und deutliches Beispiel von dem diesbezüglichen Verhalten einer Versammlung gegeben hat?
„Und die Rede gefiel der ganzen Menge; und sie erwählten Stephanus, einen Mann voll Glaubens und Heiligen Geistes, und Philippus und Prochorus und Nikanor und Timon und Parmenas und Nikolaus, einen Proselyten aus Antiochien, welche sie vor die Apostel stellten; und als sie gebetet hatten, legten sie ihnen die Hände auf“ (Apg 6,5–6). Die ganze Menge der Gläubigen erwählte also die Männer, welche sie für den Dienst geeignet hielt, aber doch gab diesen die bloße Wahl noch nicht ihren Platz. Die Gewählten wurden vor die Apostel gebracht, und diese bestellten sie dann förmlich zu ihrem Amt.
Was folgt daraus? Dass wir heute keine Diakonen mehr wählen dürfen? Nein; wenn das Bedürfnis sich dazu ergibt, hat eine Versammlung gewiss heute wie damals die Berechtigung, sich nach Männern aus ihrer Mitte umzusehen, welche geeignet und imstande sind, die irdischen Angelegenheiten der Versammlung zu besorgen. Die Sache liegt ganz anders als bei den Ältesten. Fehlt auch, hier wie dort, die apostolische Macht, um die Gewählten zu bestätigen und förmlich anzustellen (wer sollte es tun?), so gibt es doch nach der Schrift keinen Grund, weshalb eine Versammlung ihre äußeren Angelegenheiten heute nicht mehr in der Weise ordnen dürfte, wie Gottes Wort in Apg 6,1–6 ihr Anleitung dazu gibt. Indes wird man diese Männer infolge der Zersplitterung wohl nicht Diener der Versammlung in XY nennen dürfen.
Noch einmal sei daran erinnert, dass es sich hier ausschließlich um äußere Dienste, nicht aber um irgendwelche Betätigung von Geistesgaben handelt. Dass Diener, welche wohl gedient hatten, sich „eine schöne Stufe“ erwerben konnten und „viel Freimütigkeit im Glauben, der in Christo Jesu ist“, sagt uns 1. Tim 3,13; und die Fälle von Stephanus und Philippus beweisen es. Auch war und ist Gott selbstverständlich nicht beschränkt, solchen Männern Gaben zur Verkündigung des Evangeliums, zur Auferbauung der Seinigen, zur Verteidigung seiner Wahrheit etc. zu verleihen. Wenn man aber sagt: „Stephanus tut große Wunder und Zeichen unter dem Volke und legt geistesmächtige Zeugnisse vom Herrn ab, und Philippus verkündigt das Evangelium zu Samaria; mithin musste der Dienst, zu dem die sieben Männer gewählt wurden, die Wortverkündigung und den Evangelistenberuf in sich schließen“, so widerspricht das so unmittelbar den einfachen Belehrungen der Schrift, dass man eine Erklärung nur finden kann in dem dichten, jeden klaren Ausblick und Umblick hindernden Nebel menschlicher Meinungen und Lehren, von welchen man nicht loskommen kann. Immer wieder will der Mensch, bewusst oder unbewusst, in die Rechte eingreifen, welche Gott sich vorbehalten hat. Nur die Gnade vermag uns von dieser bösen Neigung zu befreien, und je mehr wir sie in uns wirken lassen, desto mehr werden wir mit heiligem Eifer über die Rechte Gottes wachen und dem Ich den Platz anweisen, der ihm gebührt, sei es im persönlichen Leben, sei es in der Versammlung und im Dienste des Herrn. Was kann ein Mensch, was eine ganze Versammlung zu tun haben mit der Übertragung von Gaben, die von dem verherrlichten Christus ausfließen und von dem Heiligen Geiste ausgeteilt werden, wie er will?
Fußnoten
- 1 Vergleiche auch die Abhandlung über „Gaben und Ämter“ von J.N.Darby.
- 2 Wenn es Dienst bedeutet, dann sollte man es doch auch so übersetzen.
- 3 Man sagt: „Der Schluss ist unrichtig; denn Paulus hat alle seine Gemeindeschreiben an die Heiligen, Brüder usw. gerichtet und nicht an die Ältesten, Vorsteher, auch wenn solche, wie z.B. in Ephesus, vorhanden waren“. Selbstverständlich! Hätte er das nicht getan, so wären es ja gar keine Gemeindeschreiben, sondern Briefe an die Ältesten oder Vorsteher. Dass in dem Brief an die Versammlung in Ephesus, wo es Älteste gab, diese nicht erwähnt werden, ist wiederum leicht begreiflich. die Zustände waren zur Zeit der Abfassung des Briefes so gut, dass eine besondere Warnung oder Mahnung an die Ältesten gar nicht am Platze gewesen wäre. Diese hatten getan, was der Apostel ihnen in Milet ans Herz gelegt hatte (Apg 20,28).
- 4 Der Schreiber spielt sicher auf 1. Thes 5,13 an: „... um ihres Werkes willen“ (eigene Anm.).
- 5 Ebenso verhält es sich in 5. Mo 27,23 zwischen Mose und Josua. Gott hatte Josua für diese Aufgabe erwählt und dem Mose entsprechend Weisung gegeben (5. Mo 1,38), und Mose stattet ihn weisungsgemäß öffentlich mit Autorität aus (5. Mo 34,9) (eigene Anm.).