Der Herr ist Rettung
1.2. Zehn Aussprüche über die Nationen (Kapitel 13–23)
In den Kapiteln 13–27 werden Gerichte über diejenigen Völker angekündigt, die Israel unterdrückt haben. Jede hochmütige und feindliche Macht wird niedergeworfen werden, damit der Gesalbte des HERRN allein im Mittelpunkt steht.
Das jede dieser Gerichtsankündigungen einleitende Wort „Ausspruch“ (hebr. massa) bedeutet eigentlich „Last“, denn das Gewicht der Worte und die Schwere der Gerichte ist im wahrsten Sinn des Wortes eine Last. Die vielfältige Bedeutung des Wortes „Last“ wird in Jeremia 23,33-40 deutlich.
Aussprüche über Babel und Philistäa
Babel und Babylon
Babel (Babylon ist die griechische Form) ist das erste in der Heiligen Schrift erwähnte weltliche Reich, gehört aber auch zu den einflussreichsten bösen Mächten der Endzeit (1. Mo 10,10; Off 18,21). Um die Bedeutung Babels und seines negativen Einflusses auf das Volk Gottes verstehen zu können, muss man seine Geschichte und seinen Charakter kennen.
Babel im Alten Testament
Der Gründer von Babel war Nimrod (1. Mo 10,9), „ein gewaltiger Jäger vor dem HERRN“, mit anderen Worten, ein Mann der Gewalt. Der Turmbau zu Babel (1. Mose 11) ist ein Symbol der Menschenverherrlichung und -Vergötterung, durch die man aus eigener Kraft zum Himmel gelangen will (1. Mo 11,4; Jes 14,13; Jer 51,53). Babel wurde so zum Inbegriff des Götzendienstes (Jes 21,9; Jer 50,38) und des Handels mit weltlichen Kostbarkeiten, die das menschliche Herz betören (vgl. Jos 7,21; vgl. Off 18,11-14). Der Name Babel wird in 1. Mose 11,9 mit „Verwirrung“ erklärt.
Geschichtlich gesehen entfaltete das Reich, dessen Name auf die Hauptstadt Babel zurückgeht, nach dem Niedergang Assyriens seine größte Macht in den Jahren 626–539 v. Chr. In diese Zeit fallen die entscheidenden Angriffe Babels gegen das Südreich Juda und dessen Unterjochung sowie die Verschleppung in die siebzigjährige babylonische Gefangenschaft (in den Jahren 605, 597 und 586 v. Chr.). Die Bewohner des Nordreiches waren schon 721 v. Chr. in die assyrische Gefangenschaft gebracht worden. So gelangte das Volk Gottes infolge seines Ungehorsams und seiner Verstockung unter den Einfluss dieser götzendienerischen, den Menschen versklavenden Macht.
Im Jahr 539 v. Chr. wurde Babel von den Medo-Persern erobert (Jes 13,17; Dan 6,1), und im Jahr 537 v. Chr. konnte ein Überrest der Juden nach Jerusalem zurückkehren (Esra 1). Die Stadt Babel versank nach der Einverleibung in das persische Reich mehr und mehr in Bedeutungslosigkeit, war aber noch bis um 1000 n. Chr. – zu einem erheblichen Anteil von Juden – bewohnt (vgl. 1. Pet 5,13), bevor sie ganz verlassen und zu einer Ruinenstätte wurde.
Die vier Weltreiche
In der Prophetie der Heiligen Schrift ist Babel der Inbegriff des Götzendienstes und der Unterdrückung des Volkes Gottes. Babel war die erste Macht, die die heilige Stadt Jerusalem eroberte und die von Gott eingesetzte Königsherrschaft in Israel durch die Wegführung des Volkes in die Gefangenschaft beendete.
Mit diesem einschneidenden Ereignis begannen die „Zeiten der Nationen“ (Lk 21,24). In Seinen Regierungswegen mit der Erde legte Gott nun die Herrschaft in die Hand heidnischer Mächte. Diese Zeit, die bis zur Erscheinung Christi andauern wird, ist in Gottes Wort in vier Perioden eingeteilt, deren Kenntnis für das Verständnis der biblischen Prophetie von großer Bedeutung ist (Dan 2 und 7; Sach 6,1-6):
- das assyrisch-babylonische Reich,
- das medo-persische Reich,
- das griechische Reich,
- das römische Reich.
In Daniel 2 sehen wir diese vier Weltreiche aus der menschlichen Sicht des babylonischen Königs Nebukadnezar als imposantes Bild, dessen goldenes Haupt er selbst ist (Dan 2,38). Die Brust und die Arme von Silber stellen das me-disch-persische Reich dar (vgl. Dan 5,26-28), der Bauch und die Lenden von Kupfer oder Erz das griechische (vgl. Dan 8,20.21), und schließlich die Schenkel und Füße von Eisen und teils von Ton das römische Weltreich. Der große „Stein“, der zunächst die Füße, dann aber das ganze Bild zermalmt, ist der Herr Jesus, dessen Reich „in Ewigkeit nicht zerstört und dessen Herrschaft keinem anderen Volk überlassen werden wird“ (Dan 2,44).
In Daniel 7 wird dem Propheten dann die göttliche Sicht der vier Weltreiche offenbart. Er sieht vier verschiedene wilde Tiere aus dem Meer aufsteigen, die das wahre Wesen dieser Reiche darstellen: gewalttätig und ohne jedes Verständnis der Gedanken Gottes. Hier wird Babel in Gestalt eines Löwen gesehen, Persien als Bär, Griechenland als Leopard und Rom als schreckliches, starkes Tier mit zehn Hörnern, das jedoch getötet wird, bevor die Herrschaft dem gegeben wird, der „mit den Wolken des Himmels kam wie eines Menschen Sohn“ (Dan 7,13). Auch hier wird der Herr Jesus als der endgültige Sieger gesehen.
Babylon im Neuen Testament
Alle diese Reiche haben ihre Blütezeit hinter sich. Auch das weströmische Reich, das zur Zeit der Geburt Christi auf dem Höhepunkt seiner Macht stand (vgl. Lk 2,1), ging im Jahr 476 n. Chr. unter. Aber es wird in der Zukunft nochmals 3½ Jahre herrschen (Dan 7,25; Off 13,5), bevor der Herr Jesus es bei Seiner Erscheinung vernichten wird: „Das Tier, das du sahst, war und ist nicht und wird aus dem Abgrund heraufsteigen und ins Verderben gehen“ (Off 17,8; vgl. Kap. 19,19.20). Dieses aus dem Meer und zugleich aus dem Abgrund aufsteigende Tier mit sieben Köpfen und zehn Hörnern (wie das vierte Tier Daniels) ähnelt einem Panther oder Leoparden (Griechenland), hat Füße wie ein Bär (Persien) und ein Maul wie ein Löwe (Babel), d. h. es vereinigt die Züge aller vorhergehenden Weltreiche – also auch von Babel – in sich (Off 13,1.2). Die Umkehrung der Reihenfolge erklärt sich daraus, dass Johannes alles im Rückblick sieht.
Nach der Entrückung der Gläubigen in den Himmel wird der Name Babylon noch einmal eine schreckliche Rolle auf dieser Erde spielen. Die religiöse und kommerzielle Macht der toten Christenheit ohne Christus unter der Führung Roms wird zur großen Hure Babylon, die „auf den vielen Wassern“ sitzt und deren Einfluss sich fast auf die ganze Welt erstreckt (Off 17,15.18). Auch sie wird wie einst Babel im Alten Testament durch die Vermischung von Religion und Welt in höchstem Maß von „Verwirrung“ gekennzeichnet sein. Macht und Einfluss erhält sie von dem Tier mit den sieben Köpfen und den zehn Hörnern, dem Anführer des wiedererstehenden (west-)römischen Reiches, auf dem sie sitzt (Off 17,1-3).
In der Offenbarung hat der Name Babylon symbolischen Charakter, denn er bezieht sich nicht auf die Stadt oder das Reich im Nahen Osten, sondern auf eine religiös-kommerzielle Macht in engster Verbindung mit dem römischen Reich in Westeuropa, dessen Sitz die „Siebenhügelstadt“ Rom sein wird (Off 17,9.18). Auch das römische Reich selbst wird Kennzeichen des alttestamentlichen Babel tragen (vgl. den Ausdruck „das Maul eines Löwen“ in Off 13,2 mit den Worten „gleich einem Löwen“ in Dan 7,4). Die Parallele zwischen dem antiken Babel und dem kommenden Babylon liegt also nicht in der geographischen Lage und der militärischen Macht, sondern in der Übereinstimmung der moralischen Verderbtheit dieser Systeme, die beide große Widersacher Gottes und der Seinen sind.
Während das alttestamentliche Babel von den Medern und Persern geschlagen wurde (Jes 13,17; Jer 51,11; vgl. Dan 2,39; 5,28), wird das neutestamentliche Babylon durch die zehn Könige des römischen Reiches vernichtet werden, die „die Hure hassen werden und sie öde und nackt machen werden und ihr Fleisch fressen und sie mit Feuer verbrennen werden“, ein Gericht, das letzten Endes von Gott ausgeht (Off 17,16; 18,8). Dabei ist zu unterscheiden zwischen dem Gericht über die religiöse Macht der „großen Hure“ in Offenbarung 17 und über die kommerzielle Macht der „großen Stadt“ in Kapitel 18. Nach Offenbarung 14,8 und 16,19 wird die Vernichtung der Hure wohl während des Ausgießens der siebten Schale des Zorns Gottes stattfinden. Das Staatsoberhaupt des römischen Reiches, das Tier, das die Frau trägt, wird gemeinsam mit dem Antichristen bei der Erscheinung Christi Krieg gegen Ihn führen und erst dann lebendig in den Feuersee geworfen (Off 19,19-21).
Wenn die Prophetie des Alten Testaments über den Untergang Babels (Jes 13-14; 46-47; Jer 50-51) sich auch teilweise durch dessen Eroberung im Jahr 539 v. Chr. bewahrheitete, geht sie doch weit darüber hinaus und wird erst im Gericht über das zukünftige Babylon ihre volle Erfüllung finden. Wie der Sieg über Babel den Weg zur Rückkehr des Überrestes nach Israel öffnete, so wird die Beseitigung der Hure Babylon den Weg für die Hochzeit des Lammes mit der wahren Braut im Himmel bereiten, und nach dem Ende des Tieres und des Antichristen wird auch für das irdische Gottesvolk Israel eine neue Beziehung zu Gott beginnen.
Gott ruft zum Gericht über Babel (Kapitel 13,1–8)
Jesaja schaut hier nicht ein „Gesicht“ oder ein „Wort“ (Kap. 1,1; 2,1), sondern einen „Ausspruch“ oder eine „Last“ (hebr. massa), die schwer auf den Betroffenen liegen wird.
Babel, die erste Weltmacht, die die heilige Stadt Jerusalem eroberte und die Bevölkerung in Gefangenschaft brachte, ist auch die erste, deren Gericht angekündigt wird. Gott selbst mobilisiert gleichsam durch ein auf kahlem Berg erhobenes, weithin sichtbares Banner, durch einen Ruf mit lauter Stimme und ein Zeichen mit der Hand Seine „Geheiligten“ – nicht etwa Gläubige, sondern Menschen, die Er für diesen Seinen Zweck abgesondert hat –, mit einem Wort, die Völker, die Babel vernichten sollen (Verse 2 und 3).
Die Antwort darauf ist ein Getümmel und Getöse gewaltiger Kriegsheere, die der HERR aus den fernsten Ländern der Erde als Werkzeuge Seines Zorns herbeigerufen hat, um das ganze Land zu verderben. Doch anders als bei der Offenbarung des Herrn Jesus vom Himmel (Off 19,1ff.) tritt hier keine göttliche Person in Erscheinung, und die Heere sind sich nicht bewusst, dass sie sozusagen „ausführende Organe“ des von Gott beschlossenen Gerichts sind (Verse 4 und 5; vgl. Off 17,16.17; 18,6).
Die Eroberung Babels durch die Medo-Perser erfolgte ganz unvermutet, sozusagen im Handstreich. Das Heulen, das Weh und die Schmerzen, die in den nun folgenden Versen beschrieben werden, beziehen sich daher nicht auf jenen längst vergangenen Tag, sondern auf die zweite Hälfte der letzten Jahrwoche Daniels vor dem Tag des HERRN, der in Vers 6 „nahe“ ist, wenn das endgültige Gericht über Babylon stattfinden wird (Off 14,8). Vor Angst und Schrecken werden die Herzen der Menschen zerschmelzen und ihre Gesichter sich verändern, und sie werden sich winden wie eine Frau in Geburtswehen.
Der Tag der Zornglut des HERRN (Kapitel 13,9–16)
Der Tag des HERRN, dessen Kommen nun angekündigt wird, hat einen allgemeineren, weiter gehenden Charakter, denn an ihm wird die ganze Erde (hebr. erez „Erde, Land“) zur Wüste gemacht und der Erdkreis (hebr. thevel) heimgesucht werden (Vers 11). Es ist der Tag des Grimmes und der Zornglut, an dem die Sünder von der Erde vertilgt werden. Alle durch Sterne, Sonne und Mond dargestellten Mächte und Autoritäten werden erschüttert werden (vgl. Mt 24,29). Alle Bosheit, aller Hochmut auf dem Erdkreis wird ein Ende finden und furchtbar bestraft werden. Die Menschen werden in solchen Massen sterben, dass die Übriggebliebenen kostbarer sein werden als Gold (Vers 12; vgl. Mt 24,22). Dabei darf man jedoch nicht nur an Gläubige denken, denn nach Matthäus 25,31-46 wird der Herr Jesus nach Seiner Erscheinung die Nationen vor Seinem Thron der Herrlichkeit versammeln und „die Schafe [d. h. Gläubige] von den Böcken [Ungläubige]“scheiden.
Himmel und Erde, alle Bereiche der Schöpfung, werden am Tag der Zornglut des HERRN der Heerscharen (hebr. Jahwe Zebaoth) erschüttert werden (Vers 13; vgl. Hag 2,6). Für die Menschen der Welt muss dies das Ende aller ihrer Hoffnungen bedeuten. Aber für den Christen ist es, wie Hebräer 12,26 sagt, eine Verheißung. Alles, was uns umgibt, kann uns nur daran hindern, die unerschütterlichen, bleibenden, himmlischen Dinge zu genießen, die durch den Herrn Jesus unser Teil sind.
Flucht scheint in diesem Chaos die einzige Rettungsmöglichkeit zu sein: Nur fort vom Ort des Verderbens! Jeder, dessen die Feinde habhaft werden können, ob kleine Kinder oder Frauen, bekommt ihre furchtbare Grausamkeit und ihre Raubgier zu spüren.
Die Meder erobern Babel (Kapitel 13,17–22)
Mit der Eroberung Babels wendet der Prophet sich jetzt wieder einen Augenblick der näheren Zukunft zu. Als Belsazar, ein Sohn des in der Bibel nicht genannten babylonischen Königs Nabonid und Enkel Nebukadnezars, während der häufigen Abwesenheit seines Vaters Regent in Babel war, konnten die Perser unter ihrem König Kyros (Kores) im Jahr 539 v. Chr. mit Hilfe eines Verräters die Stadt nahezu kampflos erobern und sie mitsamt dem ganzen Land dem persischen Reich einverleiben. Die in Vers 17 erwähnten Meder waren ein den Persern nahe verwandtes Volk und bildeten einen wesentlichen Volksteil im persischen Reich (vgl. den Ausdruck „Meder und Perser“ in Dan 5,28). Ihre Kampfeslust wird in Vers 18 beschrieben.
Wieder macht die Prophetie hier einen „Zeitsprung“ (s. Kap. 3,13; 4,2) und versetzt uns in die Zeit der letzten Jahrwoche vor der Erscheinung Christi, in der das zukünftige Babylon vernichtet wird. Babel wurde von den Medern nicht zerstört, sondern existierte noch Hunderte von Jahren später. Aber wenn in Vers 19 von der „Zierde der Königreiche“ die Rede ist, die wie Sodom und Gomorra umgekehrt und in Ewigkeit nicht bewohnt wird, dann müssen wir an den Fall und die Vernichtung Babylons in Offenbarung 18 denken.
Wie „Babylon, die große … eine Behausung von Dämonen und ein Gewahrsam jedes unreinen Geistes und ein Gewahrsam jedes unreinen und gehassten Vogels“ werden wird (Off 18,2), so wird in der Sprache des Alten Testaments auch von der zerstörten Stadt Babel geklagt, dass nicht nur Wüstentiere, Uhus, Strauße, wilde Hunde und Schakale dort hausen werden, sondern auch Dämonen in Bocksgestalt (vgl. 3. Mo 17,7; 2. Chr 11,15).
Erbarmen mit Jakob (Kapitel 14,1–2)
Der Fall Babels bedeutete Rettung für das Volk Gottes. Kurz nach der Zerschlagung des babylonischen Reiches gab der persische König Kores im Jahr 537 v. Chr. den berühmten Erlass („Kyros-Zylinder“1) heraus, in dem er allen unterjochten Völkern die Freiheit der Religionsausübung gestattete. Dieser Erlass war wohl auch die Grundlage des in 2. Chronika 36,22 und 23 sowie in Esra 1,1-3 berichteten Aufrufs an alle Juden im persischen Reich, nach Jerusalem zu ziehen, um das Haus des HERRN wieder aufzubauen. Aber nur ein kleiner Überrest von 42.360 Juden machte sich auf den Weg (Esra 2,64), und sie mussten bekennen, dass sie Knechte waren (Esra 9,9).
Die Weissagung der beiden Anfangsverse von Kapitel 14 wird also erst in der Endzeit vollständig erfüllt werden. Erst dann, am Ende der „Zeiten der Nationen“, wird der HERR sich Seinem Volk Israel, den Nachkommen Jakobs, wieder in Erbarmen zuwenden. Gewöhnlich zeigt die Erwähnung des Namens Jakob („Fersenhalter, Überlister“), wie tief Gott sich herabgeneigt hat, und der Name Israel („Kämpfer Gottes“), wie hoch Er ihn erhoben und wie reich Er ihn gesegnet hat. Er wird Sein Volk wieder in das Land „einsetzen“, das Er schon Abraham, Isaak und Jakob als dauernden Besitz verheißen hatte (1. Mo 13,15; 26,3; 28,13). Die Gründung des Staates Israel 1948 kann als eine Bestätigung dieser Weissagung angesehen werden, aber zu ihrer wirklichen Erfüllung ist es noch ein weiter Weg. Wo sind die „Fremdlinge“, die sich dem irdischen Volk Gottes „anschließen“, wo die Völker, die die Juden „an ihren Ort bringen“ und als ehemalige Bedrücker dann von den einst Unterdrückten beherrscht werden (vgl. Kap. 49,23; 60,14)? Alles das steht noch in der Zukunft. Vorher muss das neutestamentliche Babylon mitsamt seinen Helfern endgültig und vollständig vernichtet werden, wie wir in Kapitel 12 gesehen haben (s. Einleitung zu Kap. 13).
Gericht über den König von Babel (Kapitel 14,3–23)
So ist auch der „Spruch“ über den König von Babel, den das irdische Volk Gottes anheben wird, wenn der HERR ihm Ruhe schafft von seiner Mühsal, seiner Unruhe und seinem harten Dienst, nicht auf die Zerschlagung Babels und die Rückkehr der Juden aus der babylonischen Gefangenschaft zur Zeit des persischen Königs Kores zu beziehen, sondern schaut weit voraus in die Zukunft. Wir haben hier den letzten Repräsentanten von Babel/Babylon zu sehen. Der erste war der König Nebukadnezar, das goldene Haupt des Bildes der vier Weltreiche, das zum Schluss als Ganzes zermalmt wird, und zwar anfangend bei den Füßen, die ja das römische Reich darstellen (Dan 2). Der letzte ist das Oberhaupt eben dieses Reiches, das Tier, das einerseits Züge aller drei vorherigen – auch von Babel – aufweist, sich andererseits aber mit dem Antichristen und mit der großen Hure Babylon verbindet (Off 13,1.2; 17,3-14). Ihr gemeinsames Kennzeichen ist die Selbstüberschätzung bis hin zur Selbstvergötterung, die auch den hinter ihnen allen stehenden Initiator Satan zu Fall gebracht hat (s. 1. Tim 3,6; Lk 10,18; Off 12,9).
Das endgültige Zerbrechen des Stabes der Gesetzlosen und des Herrscherstabes durch den HERRN (Vers 5) wird nach der Erscheinung Christi stattfinden, wenn die beiden Repräsentanten der Menschenvergötterung, das Haupt des römischen Reiches und der Antichrist, lebendig in den Feuersee geworfen werden, während die Hure Babylon schon vorher ihr Gericht empfangen hat (Off 19,20). Dann wird die ganze Erde ruhen und rasten, und nicht nur die Menschen werden in Jubel ausbrechen. Ein seit der Vertreibung des ersten Menschenpaares aus dem Garten Eden nicht mehr gekannter Friede wird tausend Jahre lang auf der Erde herrschen (Verse 7 und 8; vgl. Kap. 35,1).
Die Verse 9 bis 14 zeigen mehr als deutlich, dass hier nicht ein Herrscher des alttestamentlichen Babel gemeint sein kann. Hier tritt ein Unterdrücker vor unsere Blicke, der sich selbst Gott gleichmacht, wie es außer Satan, dem gefallenen Cherub, von den Menschen nur das Haupt des römischen Reiches im Verein mit dem Antichristen, dem falschen König der Juden, tun wird (Off 13,14.15; vgl. Dan 9,27; Mt 24,15). Bei seiner unerwarteten Ankunft gerät sogar der Scheol in Bewegung. Das hebräische Wort Scheol ist die alttestamentliche Bezeichnung für den Aufenthaltsort der Seelen der Gestorbenen, ungeachtet ihrer früheren Beziehung zu Gott und ihrer ewigen Bestimmung. Die Gläubigen des Alten Testaments besaßen zwar die Hoffnung der Auferstehung (Hiob 19,25-27; Dan 12,2; Joh 11,24), aber noch keine weiter gehende Offenbarung über den Zwischenzustand nach dem Tod. Erst als der Herr Jesus vom armen Lazarus im Schoß Abrahams und vom Reichen in den Qualen des Hades sprach (Lk 16,19-31), fiel mehr göttliches Licht in dieses Dunkel. Seit der Auferstehung und Himmelfahrt unseres Erlösers dürfen wir darüber hinaus durch Glauben wissen, dass die Seelen der entschlafenen Gläubigen bis zu Seinem Kommen „bei Christus sind“, wo es weit besser ist (Phil 1,23).
In äußerst packender, bildlicher Sprache wird nun der Empfang des so tief Gefallenen durch die Insassen des Scheol, die „Schatten“ (vgl. Ps 88,11; Spr 9,18), beschrieben, von denen viele einst selber mächtige Könige waren (Verse 9 bis 11). Wie bei Satan ist auch beim König von Babel tiefste Erniedrigung und ewiges Verderben das Ergebnis des Verlangens, „zum Himmel hinaufzusteigen“, dessen wahres Wesen sich jedoch in den „bis zum Himmel“ aufgehäuften Sünden Babylons offenbaren wird (Verse 12–15; vgl. 1. Mo 11,4; Jer 51,53; Dan 4,19-22; Off 18,5).2
In den Versen 16 bis 20 haben wir wieder den damaligen König von Babel (wohl Belsazar) vor uns, dessen Seele sich im Scheol befindet, während seinem Körper zu seiner großen Schande ein ehrenvolles Begräbnis verweigert wird (vgl. Jer 22,19; 36,30). Voller Erstaunen und Abscheu wird seine unbegrabene, in Fäulnis übergegangene Leiche betrachtet, die fern von seinem Königsgrab inmitten von Erschlagenen liegt. Welch ein Gegensatz zwischen dem geehrten Schössling aus den Wurzeln Isais (Kap. 11,1) und dem König von Babel, der als verabscheuter Schössling (hebr. nezer) der Schande preisgegeben wird (Vers 19)! Da er die Königreiche der Erde verwüstet, die Gefangenen – auch die Juden – nicht in ihre Heimat entlassen und sein eigenes Land zu Grunde gerichtet hat, wird er mit seiner ganzen Dynastie, der „Nachkommenschaft der Übeltäter“, ein unrühmliches Ende finden (Verse 20 und 21).
Noch einmal spricht der HERR der Heerscharen (hebr. Jahwe Zebaoth) selbst Sein Gerichtsurteil aus (Verse 22 und 23). Babel wird mit Namen und Überrest (hebr. schem und schear), d. h. mit Hohen und Geringen, mit Spross und Schoss (hebr. nin und necher), d. h. mit Sohn und Nachkommen, also mit „Mann und Maus“ ausgerottet werden. Der HERR der Heerscharen selbst wird es ausfegen mit dem Besen der Vertilgung. Babel wird untergehen und vom Wasser des Euphrat überflutet, ein Tummelplatz wilder Tiere werden (vgl. Kap. 13,19–22).
Assyrien geschlagen (Kapitel 14,24–27)
Nach der Beschreibung des Gerichts über Babel wird plötzlich nochmals der Untergang Assyriens erwähnt, den der Prophet bereits ausführlich behandelt hat (Kap. 10,12–19.28–34). Der Grund dafür scheint zu sein, dass die Reihenfolge dieser beiden zukünftigen Ereignisse nochmals klar herausgestellt werden soll, denn in der Vergangenheit wurde Assyrien vor Babel gestraft (Jer 50,18), während es in der Endzeit nach dem Fall Babels, und zwar im Land Israel „zertreten“ wird (s. Einleitung zu Kap. 10). Nur ein Satz ist es, der den Fall des Assyrers im Land und auf den Bergen des HERRN der Heerscharen und damit das Ende der Bedrückung Seines Volkes festhält (Vers 25). In den Versen davor und danach wird die Unwandelbarkeit des Ratschlusses Gottes hervorgehoben. Was Er beschließt, wird zustande kommen, und was Er tut, kann niemand verhindern (Verse 24,26 und 27).
Ausspruch über Philistäa (Kapitel 14,28–32)
Von alters her gehörten die Philister (hebr. Pelischtim, vgl. den Namen Palästina) zu den ärgsten Feinden des Volkes Israel, die deshalb besonders gefährlich waren, weil sie innerhalb der Grenzen des von Gott verheißenen Landes wohnten und ihren verderblichen Einfluss oft ohne große Hindernisse ausüben konnten. Sie waren von der Insel Kaphtor (wahrscheinlich Kreta) gekommen, stammten aber ursprünglich von Mizraim ab, d. h. aus Ägypten (1. Mo 10,13.14; Jer 47,4). Ihre Wohnsitze waren an der Mittelmeerküste im Südwesten des Landes Israel, also nahe bei Ägypten. Ihre wichtigsten Städte waren Asdod, Askalon, Ekron, Gat und Gaza (vgl. 1. Sam 6,17.18).
Die Tatsache, dass ein weltgeschichtlich so bedeutungsloses Volk wie die Philister neben den großen Weltreichen Babel und Assyrien als Gegenstand des Gerichtes Gottes genannt wird, zeigt uns, mit welch unbestechlicher Gerechtigkeit Er das Böse bestrafen wird, das Seinem Volk angetan worden ist, unabhängig davon, wer es getan hat und wann es geschehen ist. Auch wenn die Philister jetzt nicht mehr zu existieren scheinen, wird Gott sie auf Seine Weise wieder ans Licht treten lassen. Das gilt auch für die Moabiter (Kap. 15 und 16).
Der Ausspruch über Philistäa, der zweite in dieser Reihe, erfolgte im Todesjahr des Königs Ahas (726 v. Chr.), während dessen Regierungszeit die Philister sich gegen die Herrschaft Judas aufgelehnt hatten und in den Süden des Landes eingedrungen waren, nachdem Ussija (791–740 v. Chr.) ihnen große Niederlagen zugefügt hatte (2. Chr 26,6; 28,18). So mochten sie sich jetzt freuen, den Stock, der sie geschlagen hatte, zerbrochen zu haben (Vers 29). Doch Gott lässt ihnen durch Seinen Propheten das schwere Strafgericht ankündigen, das sie empfangen sollten, denn „aus der Wurzel der Schlange wird eine Otter hervorkommen, und ihre Frucht wird eine fliegende, feurige Schlange sein“. In der nächsten Zukunft war es Hiskia (726–697 v. Chr.), der Sohn von Ahas, der Philistäa verheerte (2. Kön 18,8), doch letztendlich wird der Messias es vernichten. Die „Wurzel der Schlange“ ist das Königshaus von Israel und Juda, das nach seiner Blüte in den Tagen Davids und Salomos jetzt stark geschwächt war. Schon die alten jüdischen Übersetzer der Targume3 sahen in der daraus hervorkommenden Otter Hiskia und in der fliegenden Schlange den Messias (vgl. Kap. 11,1). Die fliegende, feurige Schlange bedeutet hier also nicht etwas an sich Böses, sondern ist ein Bild von Christus als Ausführer des Fluches, der als Ausfluss der strafenden Gerechtigkeit Gottes über die Philister kommen wird. In anderem Zusammenhang ist ja auch die eherne Schlange, die Mose in der Wüste zur Errettung der Israeliten aufrichten musste, ein Bild von Christus, der am Kreuz für uns zur Sünde und zum Fluch gemacht wurde, damit wir in Ihm Gottes Gerechtigkeit würden (4. Mo 21,8; Joh 3,14; 2. Kor 5,21; Gal 3,13).
Während der Wurzelstock Israels einmal einen heiligen Samen in Gestalt des gläubigen Überrestes hervorbringen wird (Kap. 6,13), und sogar die Ärmsten, die „Erstgeborenen der Armen“ dieses ehemals so elenden Volkes dann von Ihm selbst geweidet und vollkommen vor allen Gefahren beschützt werden, wird Philistäa bis hin zur Wurzel ausgerottet werden, so dass nichts mehr daraus hervorsprießen kann (Vers 30). Der Ansturm der feindlichen Heere aus dem Norden wird so übermächtig sein, dass die Städte und ihre Tore aufgefordert werden, zu schreien und zu heulen. Da helfen keine Botschafter mehr, denn das Los der Philister ist besiegelt, während der HERR das von Ihm so geliebte Zion als feste Gründung und Zufluchtsstätte für die Elenden Seines Volkes stützen und stärken wird. Diese Weissagung wird ihre volle Erfüllung erst in der Endzeit finden (vgl. Kap. 11,14; Ps 87).
Ausspruch über Moab
Die Moabiter
Die Moabiter waren wie die Ammoniter Nachkommen von Lot, dem Neffen Abrahams, waren also stammesmäßig mit Israel verwandt (1. Mo 19,37). Sie waren ein wohlhabendes Volk von Viehzüchtern und Ackerbauern und hatten ihre Wohnsitze östlich des Toten Meeres. Ihr nördlicher Nachbar war Ammon, ihr südlicher Edom. Aus Furcht vor den Israeliten, die auf ihrem Zug von Ägypten nach Kanaan auch ihr Gebiet durchquerten, riefen die Moabiter Bileam zu Hilfe, der das Volk Israel verfluchen sollte (4. Mo 22,1ff.). Dieser konnte jedoch nichts ausrichten, sondern musste Segen statt Fluch aussprechen. Er riet den Moabitern deshalb, Israel durch Verführung zum Götzendienst und zur Hurerei zu schwächen und zu Fall zu bringen (4. Mo 31,16; Off 2,14). In der Folge blieben die Moabiter immer Feinde des Volkes Gottes (vgl. Ri 3,12-30; 1. Sam 14,47; 2. Kön 13,20). Wegen dieser Feindschaft waren Angehörige Moabs bis zur zehnten Generation von der Versammlung des HERRN ausgeschlossen (5. Mo 23,4-6). Der Grund für das göttliche Gericht über Moab ist jedoch in erster Linie der dem HERRN so verhasste menschliche Hochmut (Jes 16,6; 25,11; Jer 48,29; Zeph 2,10; vgl. Spr 8,13; 16,18).
Gericht über Moab (Kapitel 15,1–9)
Der dritte Ausspruch gilt diesem Nachbarvolk im Osten. Gott wird Moab richten, weil es Sein Volk bedrängt hat, wenn Er es auch zu Zeiten benutzt hat, Israel zu züchtigen (2. Kön 24,2). In bewegten Worten kündigt Jesaja das Schicksal dieses Volkes an (vgl. Kap. 11,14). In seiner Weissagung über Moab wiederholte Jeremia später manche Einzelheiten des Ausspruchs Jesajas (Jer 48). Sie fanden eine vorläufige Erfüllung durch Nebukadnezar, die endgültige steht jedoch noch bevor.
Über Nacht werden die Stadt Ar-Moab („Stadt Moabs“) und ihre Festung Kir-Moab („Mauer Moabs“) verwüstet werden (Vers 1). In Schmach und Angst, mit geschorenen Häuptern, flieht man zu den Heiligtümern der Götzen, als ob man von dort Hilfe erwarten könnte (Vers 2). In den Städten im Norden des Landes, Dibon, Medeba, Hesbon und Elale, ist von allen Seiten, sogar von den Soldaten, nur Jammergeschrei zu hören (Verse 3 und 4). Das Herz des Propheten wird gerührt, wenn er diese prophetischen Bilder vor seinem geistigen Auge sieht (Vers 5). Die bekannten Städte Zoar und Horonaim liegen im Süden von Moab. Das Wasser versiegt, das Land wird zur Wüste, und die Bewohner versuchen, ihre letzte Habe zu retten, doch das Gericht ist noch nicht zu Ende: Gott wird einen Löwen (das Symbol Judas und des Lammes; vgl. 1. Mo 49,9; Off 5,5) über die Entronnenen Moabs kommen lassen (Verse 6 bis 9).
Moab und Juda (Kapitel 16,1–5)
Moab hatte zur Zeit des Königs Joram aufgehört, die jährlichen Abgaben von Schafen und Widdern an Israel zu liefern, deshalb hier die Aufforderung, diese Verpflichtungen zu erfüllen, doch nicht mehr nach Samaria, sondern nach Jerusalem (Vers 1; vgl. 2. Sam 8,2; 2. Kön 3,4.5). Würde dies nicht geschehen, dann müssten die Bewohner Moabs sich auf noch Schlimmeres gefasst machen, so dass ihre Töchter wie hilflose Vögel am Fluss Arnon umherirren würden (Vers 2).
Nun wendet sich die Weissagung offenbar einem neuen Gedanken zu, der durch andere Stellen bestätigt wird. Während der großen Drangsalszeit wird der gläubige Überrest der Juden auf die Berge und in die Wüste fliehen (Mt 24,15f.; Off 12,14). Auch Moab, das dem Ansturm des Assyrers entgangen ist (Dan 11,41), wird ein Zufluchtsort für die Geflohenen werden. Dort werden sie sicher sein, bis der „Verwüster“ (der Assyrer; vgl. Kap. 33,1) und der „Bedrücker“ (der Antichrist; vgl. Kap. 14,4; Ps 72,4; Mt 24,15f.) ihr Ende gefunden haben. So hatte schon David seine Eltern nach Moab in Sicherheit gebracht, während er sich auf der Flucht vor Saul in der Bergfestung versteckt hielt (1. Sam 22,3). Auch beim Angriff des babylonischen Königs Nebukadnezar fanden Juden in Moab Zuflucht (Jer 40,11f.). Moab wird hier aufgefordert, die Flüchtlinge aufzunehmen, bis die Gefahr vorüber ist (Verse 3 und 4).
Doch wenn die Zerstörung im Land Israel aufgehört hat und die Zertreter aus dem Land verschwunden sind, wird „ein Thron durch Güte aufgerichtet werden; und auf ihm wird im Zelt Davids einer sitzen in Wahrheit, der da richtet und nach Recht trachtet und der Gerechtigkeit kundig ist“ (Vers 5). Es bedarf keiner ausführlichen Erklärung, dass diese Beschreibung sich auf die Regierung des Herrn Jesus im Tausendjährigen Reich bezieht (vgl. Kap. 9,6; 11,1–9; Ps 85,10; 89,14).
Moabs Hochmut bestraft (Kapitel 16,6–14)
Nach dieser kurzen Parenthese kommt der Prophet wieder auf seinen Auftrag, die „Last“ Moabs, zurück. Der Grund für das Gericht Gottes ist der Hochmut dieses Volkes (Vers 6; vgl. Kap. 25,11; Jer 48,29). Der Obst- und Weinbau war für Moab eine der Hauptstützen des Wohlstands, so dass Jeremia es mit einem Fass voll Wein vergleichen kann: „Sorglos war Moab von seiner Jugend an, und still lag es auf seinen Hefen und wurde nicht ausgeleert von Fass zu Fass, und in die Gefangenschaft ist es nie gezogen; daher ist ihm sein Geschmack geblieben und sein Geruch nicht verändert“ (Jer 48,11). Doch im kommenden Gericht werden seine Fluren verwüstet und die Weinstöcke vernichtet. Die über das (Tote?) Meer sich ausbreitenden Ranken sind wohl ein bildlicher Ausdruck für den weitreichenden Handel mit diesem Genussmittel (Verse 7 und 8). Alle Freude – die doch nur eine irdisch-weltliche ist – wird ein Ende finden (Vers 10).
Wieder ist das Herz zutiefst bewegt beim Gedanken an das Elend dieses Volkes und in innerer Anteilnahme daran (Verse 9 und 11; vgl. Kap. 15,5; Jer 48,31.36). Die bereits in Kapitel 15,2 erwähnte Suche um Hilfe bei ihren Götzen wird den Moabitern nicht helfen (Vers 12). Das Gericht ist unwiderruflich (vgl. Jer 9,24.25; Hes 25,8-11; Amos 2,1-3). Gott hatte es schon durch Bileam angekündigt, der auf Bitten des Königs von Moab Israel verfluchen sollte, aber gegen seinen Willen Gottes Gedanken aussprechen musste: „Es tritt hervor ein Stern aus Jakob, und ein Zepter erhebt sich aus Israel und zerschlägt die Seiten Moabs und zerschmettert alle Söhne des Getümmels“ (4. Mo 24,17). Nach Psalm 60,8 wird Moab vom Messias geschlagen, aber im Verein mit Israel (Jes 11,14); doch Gott wird die Gefangenschaft Moabs am Ende der Tage wenden (Jer 48,47). Ein geringer Überrest wird bleiben (Vers 14). Alles dies sollte sich – vorläufig – in dem von Gott genau abgemessenen Zeitraum von drei Jahren erfüllen, doch wann die drei Jahre begannen, wissen wir nicht (vgl. Kap. 20,3).
Ausspruch über Damaskus
Damaskus und Ephraim (Kapitel 17,1–3)
Der vierte Ausspruch Jesajas richtet sich gegen Damaskus, die uralte Hauptstadt von Syrien, dem nördlichen Nachbarland Israels. Zur Zeit Jesajas hatten sich Pekach, der König von Israel, und Rezin, der König von Syrien, gegen Ahas verbündet, der in seiner Not Tiglat-Pileser, den König von Assyrien zu Hilfe rief, welcher Damaskus einnahm und Rezin tötete (Kap. 7,1; 2. Kön 16,5-9). Doch die Weissagung unseres Abschnitts geht weiter, sie zielt auf die Endzeit, wie Vers 7 zeigt.
Israel (Ephraim) wird hier mit den Nationen in einem Atemzug genannt, wohl weil es sich damals im Verein mit Syrien gegen Juda gestellt hatte, aber – aus heutiger Sicht – auch, weil es nun schon mehr als zweieinhalb Jahrtausende unter den Nationen zerstreut ist. Doch Gott wird die zehn Stämme, deren Identität uns jetzt nicht bekannt ist, zur rechten Zeit wieder in Erscheinung treten lassen, sie aus den Völkern herausführen und gleichsam nochmals in die Wüste bringen, wo die Empörer und die Abgefallenen ausgeschieden werden, bevor die Übriggebliebenen in das Land Israel zurückkehren – also eine ganz andere Entwicklung als bei den zwei Stämmen, die erst in ihr Land zurückkehren und dort gerichtet werden. Danach wird das Volk wieder für immer geeint sein (Hes 20,34-38; 37,21.22).
Gott wird sich sowohl mit Seinem irdischen Volk beschäftigen als auch mit den Nationen der Nachbarschaft. Durch die Invasion der Heere aus dem Norden werden Damaskus, die Hauptstadt von Syrien, und Aroer, eine wichtige, zeitweilig zu Syrien gehörende Stadt am Arnon, zerstört und zu Viehweiden gemacht werden (Verse 1 und 2; vgl. Jer 49,23-27; Amos 1,3-5). Ebenso wie das Königtum in Damaskus wird aber auch alle Macht und Herrlichkeit des abtrünnigen Israel ein Ende finden (Verse 3 und 4). Wie die Weissagung über die Zerstörung von Damaskus fand auch die über Ephraim eine vorläufige Erfüllung in den Tagen Pekachs und eine weitere in der Wegführung der zehn Stämme in die assyrische Gefangenschaft im Jahr 722 oder 721 v. Chr. (2. Kön 15,29; 17,3-6).
Der Überrest der zehn Stämme (Kapitel 17,4–11)
„An jenem Tag, da wird die Herrlichkeit Jakobs verkümmert sein und das Fett seines Fleisches mager werden“, d. h. all sein Wohlstand geht zu Grunde (Vers 4). Wenn Gottes Volk nicht aus Glauben handelt, lebt es wie die natürlichen Menschen, ist schwächer als die Welt, und wenn die Züchtigung kommt, wird es völlig zu Boden geworfen. Die Menschen werden niedergemäht werden wie das Korn, doch wird eine Nachlese, ein Überrest übrig bleiben. Die Ernte ist oft das Bild eines Gerichts, bei dem eine Scheidung von Gut und Böse stattfindet (Vers 5; vgl. Mt 3,12; 13,30). So wird auch hier ein Überrest sichtbar, der, wie vereinzelte Früchte an einem Olivenbaum (ein Bild des Volkes Israel, vgl. Jer 11,16), zurückbleiben wird (Vers 6).
„An jenem Tag“ werden die Gläubigen, die den Überrest bilden, auf Den blicken, der sie gemacht hat, und ihre Augen werden im Glauben auf den Heiligen Israels (s. Kap. 1,4) blicken. Jedes Vertrauen auf die Götzenbilder, der in Gottes Augen so abscheuliche Götzendienst, wird für immer vorüber sein (Verse 7 und 8). Diese Voraussage hat sich bis heute noch nicht erfüllt.
„An jenem Tag“ – hier zum dritten Mal in diesem Abschnitt erwähnt – werden die Festungsstädte, die Bollwerke irdischer Macht, verödet sein, ähnlich wie die Ruinen der Städte Kanaans, die bei der Ankunft der Israeliten von ihren ursprünglichen Bewohnern verlassen und von Wald und Wüste in Besitz genommen worden waren. Mit „jenem Tag“ kann hier nicht ein Zeitpunkt, sondern nur die längere Zeitspanne gemeint sein, die in den Versen 4 bis 8 beschrieben wird. Das Volk wird hier in seinem Abfall von dem Gott seines Heils und dem Felsen seiner Stärke gesehen. Es hat „ausländische Reben“ gepflanzt, das heißt wohl, heidnische Sitten und Gebräuche angenommen. Denken wir nur an die beiden goldenen Kälber, die Jerobeam, der erste König des Zehnstämmereichs, an die Stelle des Gottes Israels gesetzt hatte (1. Kön 12,28-33)! Doch alles Festhalten an den für das menschliche Herz so anziehenden Dingen der Welt wird ihnen nicht helfen. In der Zeit des Gerichts wird nur ein Haufen trockenes Reisig davon übrig bleiben, der verbrennt.
Das Getümmel der Völker (Kapitel 17,12–14)
Doch auch die Nationen werden ihr Gericht empfangen. Mehrfach werden die im Aufruhr gegen Gott befindlichen Völkerscharen mit den brausenden Wassermassen des Meeres verglichen (Kap. 57,20; Off 17,15). Ihnen gilt das göttliche „Wehe“ in Vers 12. Wenn Gott in der Person Seines in Herrlichkeit erscheinenden Sohnes Seinen Mund öffnet, werden sie wie Stoppeln und Spreu vergehen (Vers 13; vgl. Off 19,15.21). Sein Volk dagegen wird als „ganz Israel“ gerettet werden, wenn es sich in Wirklichkeit auch nur um einen Überrest handelt (Kap. 10,22; Röm 9,27; 11,26). Der Tod von 185.000 Assyrern zur Zeit Hiskias war wie ein Vorspiel, eine teilweise Erfüllung der Weissagung Jesajas: „Zur Abendzeit, siehe da, Bestürzung! Ehe es Morgen wird, sind sie nicht mehr“ (Vers 14), denn von einem „Getümmel vieler Völker“ und einem „Rauschen von Völkerschaften“ konnte beim Heer Sanheribs wohl keine Rede sein (2. Kön 19,35).
Israels Rückkehr
Eine unheilige Allianz (Kapitel 18,1–2)
Zwischen den Aussprüchen über Damaskus und über Ägypten steht wie ein Anhang oder eine Parenthese Kapitel 18, dessen Thema das Volk Gottes ist. Der Abschnitt knüpft in gewisser Weise an den Anfang des vorigen Kapitels an: Dort ist die Rede von einem Bündnis zwischen dem Zehnstämmereich und Syrien, hier von einer Allianz der Juden mit den Nationen, die damals noch in ferner Zukunft lag, in der Gegenwart jedoch ungefähr seit dem Ende des zweiten Weltkrieges deutlich zu erkennen ist. Ähnlich wie in Hesekiel 37 wird hier die anfänglich im Unglauben erfolgende Wiedererstehung eines Staates der Juden in ihrem Land beschrieben.
Diese Weissagung, die auf unterschiedlichste Weise erklärt und von vielen Auslegern nicht auf Israel, sondern auf Äthiopien bezogen wird, wird durch eine Aussage des Propheten Zephanja in bemerkenswerter Weise ergänzt und teilweise erklärt. Er fasst nämlich das Endergebnis, die vollkommene Wiederherstellung Israels im verheißenen Land, in dem einen Satz zusammen: „Von jenseits der Ströme Äthiopiens werden sie mir meine Flehenden, meine zerstreute Schar, als Opfergabe darbringen“ (vgl. Verse 1 und 7a mit Zeph 3,10).
Mit den Worten „He! Land des Flügelgeschwirrs [oder: Land der überschattenden Flügel], jenseits der Ströme von Äthiopien“ wird ein Land gerufen, dessen Name nicht erwähnt wird (Vers 1). Es kann sich aber kaum um Äthiopien handeln. Wenn der hebräische Name Kusch auch meistens mit Äthiopien übersetzt wird, kann er doch Gebiete bezeichnen, die sowohl westlich als östlich des Roten Meeres liegen, also nicht nur in Afrika, sondern auch in Asien (1. Mo 2,13; 1. Mo 10,6ff.; 2. Chr 21,16; Hes 29,10). Die Ströme von Kusch scheinen daher der Nil im Westen und der Euphrat im Osten zu sein. Diese Flüsse begrenzten das Israel umgebende Gebiet, ja, Gott hatte einst Abraham sogar verheißen, seiner Nachkommenschaft das „Land vom Strom Ägyptens bis an den großen Strom, den Strom Euphrat“ zu geben (1. Mo 15,18).
Offenbar steht das ungenannte, ferne Land in freundschaftlicher und schutzgewährender Beziehung zu Israel. Vielleicht ist deshalb statt „Land des Flügelgeschwirrs“, was von großer Aktivität sprechen könnte, mit der englischen und französischen Darby-Version eher „Land der überschattenden Flügel“ zu übersetzen, denn das hebräische Verb zalal kann nicht nur „beben, zittern“, sondern auch „dunkel werden, Schatten geben“ bedeuten. Sowohl Schatten als auch Flügel sind oft Synonyme für Schutz. Wie liebte David den Schatten der Flügel des HERRN (Ps 17,8; 36,8; 57,2; vgl. Jes 30,2)! Das ferne Land entsendet Boten auf dem Meer und Rohrschiffchen über die Wasserfläche. Aus Papyrus oder Binsen hergestellte Boote sind als Transportmittel auf den Flüssen von Ägypten und Assyrien bekannt, doch ist der Ausdruck hier wohl in einem allgemeineren Sinn so zu verstehen, dass das betreffende Land keine Landverbindung zu Israel hat und möglicherweise eine große Seemacht ist (Vers 2).
Israel ist der Gegenstand seiner Bemühungen, denn es gibt wohl kein anderes Volk auf der Erde, auf das die nun folgende göttliche Charakterisierung besser zutreffen könnte: Eine Nation, „die weithin geschleppt und gerupft ist“, ein Volk, „wunderbar, seitdem es ist“, und eine Nation „von Vorschrift auf Vorschrift [oder: von Maß zu Maß; oder: wartend, wartend] und von Zertretung, deren Land Ströme beraubt haben“. Welches Volk außer Israel hat wohl im Lauf seiner nun jahrtausendelangen Geschichte so viel leiden müssen und ist doch wunderbar und gefürchtet seit dem Zeitpunkt seiner Entstehung! Es hat die Rechtsforderungen Gottes im Gesetz empfangen, die jedoch, als es von Ihm abfiel, zu genau bemessenen Gerichten führten, die auch jetzt noch nicht vorüber sind (vgl. Kap. 28,13). Welches Volk ist so zertreten worden wie die Juden, und welches Land ist so oft und grausam von mit gewaltigen Strömen zu vergleichenden fremden Mächten beraubt worden wie Israel (vgl. Kap. 8,7)?
Allein die Existenz des seit Jahrtausenden aus seinem Land in alle Winde vertriebenen Volkes ist ein Wunder und zugleich einer der klarsten Beweise für die Wahrheit der Heiligen Schrift. Die Sehnsucht vieler Juden nach einer nationalen Heimstätte führte vor ungefähr hundert Jahren zu einer stetig wachsenden Rückkehrbewegung in das „Land der Zierde“, die – nach der größten „Zertretung“ in der Geschichte dieses Volkes – ihren Höhepunkt in der Gründung eines unabhängigen Staates Israel im Jahr 1948 fand. Von allen Ländern sind besonders die Vereinigten Staaten und zum Teil auch Europa dem jungen Staat zu Hilfe gekommen, der sich in wenigen Jahrzehnten zu einem bedeutenden Industrie- und Agrarland mit enormer militärischer Schlagkraft entwickelt hat. Doch alle wirtschaftlichen, politischen und militärischen Erfolge sind von Unglauben im Blick auf den Herrn Jesus als Messias Israels gekennzeichnet. Noch immer gilt die Weissagung Jesajas in Kapitel 6,9: „Hörend hört, und versteht nicht; und sehend seht, und erkennt nicht!“ Noch immer liegt die Decke auf ihrem Herzen, die erst dann weggetan wird, wenn sie zum Herrn umkehren werden (2. Kor 3,14-16).
Ein Signal (Kapitel 18,3–4)
Mit seinem nun folgenden Aufruf an die Bewohner der gesamten Erde: „Wenn man ein Banner auf den Bergen erhebt, so seht hin; und wenn man in die Posaune stößt, so hört!“ (Vers 3), scheint der Prophet den bisher beschriebenen Ereignissen ein wenig vorauszueilen und auf die letzte Phase der Wiederherstellung des irdischen Volkes Gottes hinzuweisen. Schon in Kapitel 11,12 hatte er gesagt, dass Gott den Nationen ein Panier erheben und die Vertriebenen Israels zusammenbringen, und die Zerstreuten Judas von den vier Enden der Erde sammeln wird, und in Kapitel 27,13 ist von dem Posaunenstoß die Rede, der die Verlorenen in Assyrien und die Vertriebenen in Ägypten zur Rückkehr in das Land rufen wird. Diese beiden göttlichen Signale, das Panier und die Posaune, werden die ganze Welt zum Hinschauen und Aufhorchen bringen und die endgültige Rückführung des Volkes einleiten.
Doch bis dahin ist es noch ein schmerzlicher Weg. Zunächst sieht es zwar so aus, als ließe Gott alles geschehen, obwohl Er in Seiner Regierung doch hinter allem steht. Er hält sich gleichsam zurück und beobachtet die eifrigen Bemühungen zur Rückführung der Juden unter dem Schutz des in den Versen 1 und 2 genannten Landes von Seiner Wohnstätte aus „wie heitere Wärme bei Sonnenschein, wie Taugewölk in der Ernteglut“ (Vers 4). Noch hat Er Seine Beziehungen zu Seinem Volk nicht wieder angeknüpft, obwohl Er alles sieht, was in Seinem Land geschieht.
Gericht (Kapitel 18,5–6)
Wie auf die Blüte die Ernte folgt, so scheint den Menschen das ersehnte Ziel jetzt in erreichbare Nähe gerückt zu sein. Doch alle diese menschlichen Pläne werden zu Grunde gehen, denn bevor die Blume zur reifenden Traube wird und die Ernte kommt, wird Gott – zunächst durch Gericht – Seine Beziehungen zu Seinem im Ganzen noch abtrünnigen Volk wieder anknüpfen. Das kann jedoch erst geschehen, nachdem die Versammlung in den Himmel entrückt ist.4
Dann wird die letzte der siebzig von Daniel erwähnten Jahrwochen (eine Jahrwoche = sieben Jahre) anbrechen, in der die von Gott zugemessenen Straf- und Läuterungsgerichte über Sein Volk kommen werden (Dan 9,24-27). Er selbst wird die Reben und Ranken des Eigenwillens und der Bosheit abhauen (Vers 5; vgl. Jer 2,21; 5,10; Joh 15,2.4). Das Volk wird eine Beute der „Raubvögel der Berge und der Tiere der Erde“, d. h. der mächtigen Nationen der Welt (Vers 6). In diesen Gerichten, die das Volk Gottes in seinem nun wieder von ihm bewohnten Land treffen, werden die Gottlosen getötet und der gläubige Überrest geläutert, wie uns viele andere Stellen des prophetischen Wortes zeigen (vgl. Kap. 6,11–13; 10,20–23).
Ein Geschenk (Kapitel 18,7)
Der letzte Vers zeigt, dass die hier beschriebenen Ereignisse tatsächlich in der Endzeit stattfinden werden. „In jener Zeit wird dem HERRN der Heerscharen [hebr. Jahwe Zebaoth) ein Geschenk dargebracht werden“ (Vers 7). Dieses „Geschenk“ ist das Volk, das in Vers 2 mit fast den gleichen Worten beschrieben wird. Doch während es dort anfänglich als „Nation“ (hebr. goj, im Plural gojim „Nationen“ oder „Heidenvölker“) bezeichnet wird, heißt es hier „Volk“ (hebr. am); Gott erkennt es dann wieder als Sein Volk an, wenn es auch danach noch einmal – im Rückblick auf die Vergangenheit, die „Zeiten der Nationen“ – die „Nation von Vorschrift auf Vorschrift und von Zertretung“ genannt wird.
Was für eine Freude wird es für den HERRN der Heerscharen sein, wenn Sein so reich gesegnetes und doch jetzt noch so eigenwilliges irdisches Volk Ihm von allen Nationen als Geschenk, ja als Opfergabe dargebracht werden wird (vgl. Kap. 66,20; Zeph 3,10)! Das Volk wird ein Geschenk für Ihn sein, und nach langer Zeit der Verblendung wird es Ihm auch durch Seinen Glauben an den Herrn Jesus als Messias ein großes Geschenk bringen.
Nicht der Berg Sinai, der Schrecken gebietende Ort des Gesetzes und des Fluches, sondern der Berg Zion, der liebliche Ort der Königsherrschaft und der Gnade, wird dann auf der Erde die „Stätte des Namens des HERRN der Heerscharen [hebr. Jahwe Zebaoth]“ sein. Während wir, die Gläubigen der Gnadenzeit, dann bereits auf ewig mit dem Sohn Gottes im Haus Seines Vaters vereint sind, werden die Wege Gottes mit Seinem irdischen Volk ihre Krönung am Berg Zion finden, von wo während einer Zeit von tausend Jahren die Herrschaft des Messias in Gerechtigkeit und Frieden ausgehen wird (vgl. Kap. 2,3; Ps 110,2).
Ausspruch über Ägypten
Gericht über Ägypten (Kapitel 19,1–15)
Seine fünfte Gerichtsankündigung muss Jesaja über Ägypten, das Nachbarland im Süden Israels, aussprechen. Der HERR selbst wird „auf schneller Wolke“ über das Land kommen (Vers 1; vgl. Ps 104,3). Nicht nur die Menschen, sondern auch ihre Götzen erzittern vor Dem, der schon einmal Gericht an ihnen geübt hat, als Er Sein Volk aus diesem eisernen Schmelzofen herausführte (2. Mo 12,12). Das Wissen um Seine Gegenwart beunruhigt Seine Feinde, während Seine Erlösten sich darüber freuen (vgl. Mt 2,3; 8,29; Joh 20,20).
In Vers 2 nimmt Gott selbst das Wort gegen Ägypten. Zunächst wird ein Bürgerkrieg vorausgesagt, in dem jeder gegen jeden kämpft (Verse 2 und 3). Mit den Königreichen wird wohl zunächst auf die vielen Stadtstaaten mit ihren Königen angespielt, die es damals in Ägypten gab. Gott wird allen Verstand der Ägypter zunichte machen, so dass sie ihre Zuflucht bei ihren Götzen und bei okkulten Mächten suchen (Vers 3; vgl. Kap. 8,19).
Mit dem harten und grausamen König, in dessen Hand Gott die Ägypter überliefert (Vers 4), kann ein Despot aus ihren eigenen Reihen gemeint sein, möglicherweise jedoch auch ein fremder Herrscher, wie einige Ausleger meinen, die die Erfüllung dieser Weissagung in der Unterwerfung Ägyptens durch die Assyrer im 7. Jahrhundert v. Chr. sehen. Aus Daniel 11,42 und 43 wissen wir jedoch, dass auch in der Endzeit der Assyrer nach der ersten Belagerung Israels nach Ägypten weiterziehen und dieses Land ebenfalls erobern wird.
Ein weiteres Strafgericht Gottes ist die Austrocknung des Nils und die daraus hervorgehende Hungersnot (Vers 5). Das Wasser des Nils, der hier wegen seiner gewaltigen Ausdehnung „Meer“ genannt wird, war die Hauptquelle des Wohlstands Ägyptens und der Stolz der Ägypter (vgl. 5. Mo 11,10; Hes 29,3). Aus den Seitenarmen und Kanälen wurde das schlammige, fruchtbare Wasser durch ein sinnreiches Bewässerungssystem auf die Felder gebracht. Wenn diese gewaltige Wasserquelle versiegt, werden die Felder zur Wüste, können keine Fische mehr gefangen werden, gibt es keine Ernte von Flachs und Baumwolle mehr – kurz, das gesamte wirtschaftliche Leben liegt am Boden, und die Grundpfeiler des Staates sind zerstört (Verse 6–10).
Zoan (oder Tanis) war eine sehr alte Stadt im östlichen Nildelta (4. Mo 13,22), in deren Ruinen Gräber von Pharaonen, die hier residiert haben, ans Licht gekommen sind. Die südlich von Kairo und westlich des Nil gelegene Ruinenstätte Noph (auch Moph oder Memphis; vgl. Hos 9,6) war lange vor der Gründung von Alexandrien und Kairo ebenfalls Residenzstadt der Pharaonen. Zoan und Memphis repräsentieren somit uralte und wichtige Städte des Landes. Ihre Fürsten waren Träger der „Weisheit der Ägypter“, in die auch Mose am Hof des Pharao eingeweiht wurde (Apg 7,22). Aber ihnen und den Ratgebern des Pharao fehlt es jetzt vollkommen an dieser Weisheit, für die Ägypten doch so berühmt war. Sie sind zu Toren und Dummköpfen geworden. Das, was der HERR der Heerscharen (hebr. Jahwe Zebaoth) über Ägypten beschlossen hat, vermögen sie nicht zu offenbaren oder auch nur zu erkennen (Verse 11 und 12).
Erleben wir heute nicht ganz Ähnliches? Aller wissenschaftliche und technische Fortschritt befähigt die Menschheit nicht dazu, die Wahrheit und den Ernst des Wortes Gottes zu erkennen und zu verstehen. Es scheint im Gegenteil, als ob die zunehmende Kenntnis die Menschheit immer weiter vom Weg der rechten Erkenntnis wegführt. Wie bestätigt sich dadurch auch heute noch die Wahrheit der Worte des Apostels Paulus: „Die Weisheit dieser Welt ist Torheit bei Gott“ (1. Kor 3,19; vgl. 1. Kor 1,18-25)!
In den Versen 13 bis 15 wird erklärt, dass Gott die Herzen der Weisen von Ägypten betört hat. Er hat einen „Geist des Schwindels“, d. h. des Taumelns, der Verwirrung, über das Land ausgegossen. Es ist also Sein Strafgericht. Durch die falschen Ratschläge ist das Volk derart in die Irre geführt worden, dass es mit einem Betrunkenen zu vergleichen ist, der sich in seinem eigenen Erbrochenen herumwälzt und nicht in der Lage ist, aufzustehen und nach Hause zu gehen. Ob hoch oder niedrig, stark oder schwach, niemand ist in Ägypten, der noch irgendetwas Vernünftiges tun kann (vgl. Kap. 9,14f.).
Ägypten und das Volk Gottes (Kapitel 19,16–25)
Der im Folgenden sechsmal vorkommende Ausdruck „an jenem Tag“ (s. Verse 16, 18, 19, 21, 23, 24) versetzt uns in die zukünftige Zeit des Endes (vgl. Kap. 2,12.17.20; 3,7; 4,1.2; 7,18 usw.; 10,20; 11,10.11; 12,1; 17,4 usw.). Wie wir bereits gesehen haben, ist damit nicht ein Tag von 24 Stunden gemeint, sondern die ganze zukünftige Periode, während derer Gott sich wieder unmittelbar mit der Erde beschäftigen wird, anfangend von den Strafgerichten vor der Erscheinung des Herrn bis zum Ende des Tausendjährigen Reiches. Aus dem Zusammenhang ergibt sich jeweils, welcher Abschnitt dieser langen Periode gemeint ist.
Hier handelt es sich nun um die zukünftige Besinnung und Umkehr Ägyptens, die in sechs Stufen beschrieben wird, von denen jede mit den Worten „an jenem Tag“ beginnt.
„An jenem Tag“ wird Ägypten zunächst noch unter dem Gericht Gottes zittern, der nicht nur den Überrest Seines Volkes aus diesem Land loskaufen, sondern „mit der Glut seines Hauches“ Seine Hand im Gericht über es schwingen wird (Kap. 11,11.15). Offenbar werden viele Ägypter auf diesem Weg dazu geführt werden, die Beziehung Gottes zu Seinem irdischen Volk zu erkennen. Sie werden sehen, dass nach Seinem Ratschluss das Land Israel den Juden gehört, und dass Er selbst Sein Volk wieder dahin zurückgebracht hat. Dadurch wird das Land Juda für Ägypten ein Schrecken sein (Verse 16 und 17). Wie weit sind die Völker – auch Ägypten – jetzt noch von dieser Erkenntnis entfernt! Doch „wenn deine Gerichte die Erde treffen, so lernen die Bewohner des Erdkreises Gerechtigkeit“ (Kap. 26,9). Im Licht dieser Worte können wir die nun folgende Beschreibung der Umkehr Ägyptens verstehen.
„An jenem Tag“, d. h. wohl am Anfang des Tausendjährigen Reiches, werden fünf Städte im Land Ägypten die Sprache Kanaans sprechen und bei dem Gott Israels schwören. Nur eine von ihnen wird mit dem hebräischen Namen Ir-ha-Heres („Stadt des Niederreißens“, oder mit Änderung eines Buchstabens: Ir Ha-Cheres „Sonnenstadt“, d. h. Heliopolis) genannt; die anderen sind nicht bekannt (Vers 18). In bildlicher Sprache wird hier das Ergebnis der Umkehr Ägyptens zum HERRN der Heerscharen (hebr. Jahwe Zebaoth) beschrieben.
„An jenem Tag“ wird dem HERRN mitten in Ägypten ein Altar gebaut, und an der Grenze wird eine Denksäule als Zeugnis für Ihn aufgerichtet werden (Vers 19). Zwar wird im Tausendjährigen Reich das Zentrum des Gottesdienstes der ganzen Erde in Jerusalem sein (Kap. 2,3; 56,7), aber auch die Weissagung von Maleachi 1,11 wird ihre Erfüllung finden: „Denn vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang wird mein Name groß sein unter den Nationen; und an jedem Ort wird geräuchert, dargebracht werden meinem Namen, und zwar reine Opfergaben.“ Unter dem Joch des Bedrückers (wohl des Assyrers) werden sie zum HERRN schreien, der ihnen einen Retter senden wird (Vers 20). Wenn alle Strafgerichte vorüber sein werden, wird es in allen Völkern Menschen geben, die sich in ihrer Not glaubensvoll zu dem allein wahren Gott gewandt haben und Seine Rettung erfahren.
„An jenem Tag“ werden die geretteten Ägypter nach ihrer Befreiung den HERRN, der sich ihnen in Seiner Heiligkeit, aber auch in Seiner Gnade und Barmherzigkeit offenbart hat, anerkennen und Ihm Schlachtopfer und Speisopfer bringen sowie Gelübde aussprechen und erfüllen (Vers 21). Ebenso wird es in Israel sein (Hes 43,18-25; 45,18-25). Die Wiederaufnahme der alttestamentlichen Opfer darf uns nicht erstaunen. Wir dürfen nicht vergessen, dass es sich hier um irdische Völker mit – wenn auch nicht ausschließlich – irdischen Segnungen handelt. Die alttestamentlichen Opfer bezeugten, dass es vor Gott ohne Blutvergießung keine Vergebung gibt, und wiesen vorbildlich (typologisch) auf das Opfer des Herrn Jesus hin (Heb 8,4f.; 9,22); im Tausendjährigen Reich werden die Menschen, die dann auf der Erde leben, zur Erinnerung an das vollbrachte Werk Christi ebenfalls wieder solche Opfer darbringen. In der jetzigen Zeit dagegen dürfen wir durch den Glauben an den Herrn Jesus und Sein Sühnungswerk am Kreuz im vollen Genuss aller geistlichen Segnungen in den himmlischen Örtern stehen. Als heilige Priesterschaft dürfen alle Erlösten Gott Opfer des Lobes („die Frucht der Lippen“), d. h. geistliche Schlachtopfer darbringen, die Ihm wohlgefällig sind durch Jesus Christus (Heb 13,15; 1. Pet 2,5). Während die Opfer im Tausendjährigen Reich einmal zu Ende gehen, wird unsere Anbetung, mit der wir hier schon beginnen dürfen, im Himmel bis in alle Ewigkeit fortdauern (Off 5)!
Doch bevor die Ägypter sich zu Gott wenden, muss Er sie schlagen, um sie danach zu heilen (Vers 22). Dies wird sich auf die Invasion des Assyrers in Ägypten beziehen, die nach der ersten Belagerung Jerusalems stattfinden wird, bevor er bei seinem zweiten Angriff auf den Bergen Judas sein Ende findet (Dan 11,42.43).
„An jenem Tag“, wenn Ägypten geheilt und Assyrien von seinem Tyrannen befreit ist, werden beide Völker, die in der Vergangenheit ständig in Kriege miteinander verwickelt waren, in Frieden miteinander leben. Zwischen ihren Ländern, die dann gemeinsam Gott dienen werden, wird eine dauernde Verbindung bestehen, ein „gebahnter Weg“ (Vers 23; vgl. Ps 84,6).
„An jenem Tag“ wird Israel ein „Segen inmitten der Erde“ sein und als Erbteil des HERRN der Heerscharen (hebr. Jahwe Zebaoth) mit Ägypten, Seinem Volk, und Assyrien, dem Werk seiner Hände, einen Dreierbund gesegneter Völker bilden (Verse 24 und 25). Dann wird die Segensverheißung Gottes an Abraham endgültig und vollkommen in Erfüllung gehen: „Ich will dich zu einer großen Nation machen und dich segnen, und ich will deinen Namen groß machen; und du sollst ein Segen sein! Und ich will die segnen, die dich segnen, und wer dir flucht, den werde ich verfluchen; und in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter der Erde!“ (1. Mo 12,2.3). Wenn auch im Lauf der Geschichte des Volkes Israel immer wieder feindliche Mächte Gottes Absichten zu durchqueren suchten und suchen, so wird Er doch Seinen Eid erfüllen (vgl. 1. Mo 15,7-21).
Auch wenn dieser Abschnitt eine historische Teilerfüllung gefunden hat, wie Kapitel 20 zeigt, so weist er doch ohne Zweifel auf die zukünftige Zeit und den Segen des Millenniums hin.
Vertrauen auf Ägypten ist Torheit (Kapitel 20,1–6)
Kapitel 20 beschließt die Weissagung über Ägypten mit einer Illustration zu den im vorigen Kapitel beschriebenen Beziehungen Judas zu Ägypten und Assyrien. Manche Juden erhofften sich im Kampf gegen Assyrien Hilfe von Ägypten, doch vergeblich. Assyrien würde nämlich bald Ägypten und Äthiopien schlagen und viele Gefangene machen. Diese Situation muss Jesaja in drastischer Weise symbolisch darstellen. Solche „prophetischen Erlebnisse“ der Boten Gottes werden auch an anderen Stellen des Wortes Gottes beschrieben (vgl. Hes 4,1-8; Hos 1,2-9). Sie zeigen uns, dass die Propheten nicht nur Sprachrohr Gottes waren, sondern dass Seine Botschaft ihr ganzes Sein ergriff.
Der Abschnitt enthält wieder eine recht genaue Zeitangabe. In Assyrien herrschte der König Sargon, der in der Bibel nur an dieser Stelle erwähnt wird, aber auf Inschriften im Zweistromland bezeugt und als Sargon II. (722–705 v. Chr.) in der Weltgeschichte bekannt ist. Ungefähr in der Mitte seiner Regierungszeit hatten sich die Städte der Philister, zu denen Asdod gehörte, gegen ihn aufgelehnt. Er sandte den Tartan, seinen Feldherrn, um den Aufstand, der von Ägypten unterstützt wurde, niederzuschlagen (Vers 1).
In dieser Zeit – inzwischen regierte der König Hiskia (s. Kap. 1,1) – spricht Gott durch Jesaja zu Seinem Volk. Er muss auf Sein Geheiß barfuß und „nackt“, d. h. ohne Obergewand herumlaufen (Vers 2; vgl. 1. Sam 19,24; Joh 21,7). Offenbar hatte Jesaja bereits vor dieser Aufforderung als Zeichen der Trauer oder als Prophetenkleidung Sacktuch getragen, das er nun ebenso wie seine Sandalen ablegen sollte. Drei Jahre lang geht er wie ein Sklave oder Kriegsgefangener durch die Straßen, um den Bewohnern von Juda zu zeigen, wie es denen ergehen würde, auf die sie sich stützten.
Am Ende der drei Jahre erklärt Gott das äußerst auffallende Verhalten Seines Knechtes als Zeichen und Vorbild. Die Ägypter und Äthiopier würden von den Assyrern in die Gefangenschaft getrieben werden, „nackt und barfuß und mit entblößtem Gesäß, zur Schande Ägyptens“ (Verse 3 und 4). Damit soll der Partei in Jerusalem, die sich mit Ägypten gegen Assyrien verbünden wollte, die Nutzlosigkeit einer solchen Allianz verdeutlicht werden. Bestürzung und Beschämung bei den Juden würden nämlich das Endergebnis sein (Vers 5).
„Wie sollten wir entkommen?“ So fragen die Bewohner der Küstenstriche Israels angesichts der Hoffnungslosigkeit, vor dem König von Assyrien in Ägypten und Äthiopien Hilfe zu finden (Vers 6). Stellt diese Frage sich nicht auch heute jedem Menschen, der erkennen muss, dass „Menschenrettung eitel ist“? (Ps 60,13). Doch der Herr Jesus bietet jedem Sünder ewiges Heil an. Nur für diejenigen, die diese große Errettung missachten, gibt es keine Hoffnung (Heb 2,3).
Aussprüche über die Wüste des Meeres, Duma und Arabien
Gericht über Babel (Kapitel 21,1–10)
Der sechste Ausspruch richtet sich gegen die „Wüste des Meeres“, womit Babel gemeint ist, das die Assyrer wegen der vielen Überschwemmungen des Euphrat das „Meerland“ und dessen Herrscher den „König des Meeres“ nannten. Das Land sollte jedoch zur „Wüste“ werden (Vers 1; vgl. Jer 51,36.43). Ob der Ausdruck „Wüste des Meeres“ nicht auch einen Hinweis auf die gesetzlosen Volksmassen dieser götzendienerischen Macht und ihre geistliche Öde und Trostlosigkeit enthält (vgl. Kap. 17,12; 57,20; Off 17,3.15)?
Babel ist Synonym für die größte Feindschaft gegen Gottes Volk (s. Kap. 13 und 14). Dieses von Streben nach Reichtum und Macht sowie von Götzendienst gekennzeichnete Weltreich eroberte Jerusalem und führte Gottes Volk in die Gefangenschaft. Doch das gewalttätige Volk sollte eines Tages selbst von einer anderen Macht, die wie ein furchtbarer Wüstensturm daherfahren würde, beraubt und verwüstet werden. Das Gerichtsinstrument Gottes waren die Perser und Meder, die im Jahr 539 v. Chr. Babel eroberten; Elam war zu jener Zeit eine persische Provinz mit der Hauptstadt Susa (s. Kap. 13,17–22; Dan 8,2). Die Bestrafung der Unterdrücker führt zur Befreiung der gefangenen Juden und zum Aufhören all ihres Klagens und Seufzens (Vers 2). Eine der ersten Amtshandlungen des persischen Königs Kores war der Aufruf an die Juden, in ihr Land zurückzukehren und den Tempel in Jerusalem wieder aufzubauen (Esra 1).
Jesaja, der heilige Mann Gottes, ist tief bewegt von dem „harten Gesicht“, der prophetischen Schau des unerwarteten Falls von Babel, obwohl es doch der Bedrücker seines eigenen Volkes war (Verse 3 und 4; vgl. Kap. 15,5; 16,9). Was er sieht, entspricht den Tatsachen, die Daniel fast zweihundert Jahre später als Augenzeuge berichtet (Dan 5). Die Tische sind zum Festmahl Belsazars gedeckt, man isst und trinkt, aber weder die aufgestellte Wache noch die eiligen Verteidigungsbemühungen können das hereinbrechende Verhängnis verhindern. Das Bestreichen der Schilde mit Öl sollte feindliche Schläge davon abgleiten lassen (Vers 5). Doch alles ist zu spät. In derselben Nacht wird Babel von den Medo-Persern erobert.
In Vers 6 wird der Prophet von Gott aufgefordert, einen Wächter aufzustellen (vgl. Hab 2,1). Der Fall Babels war ja für die Juden von großer Bedeutung. Er sollte der Auftakt zu ihrer Befreiung sein. Der Wächter, der ganze Nächte hindurch auf der Warte steht, sieht prophetisch eine unermessliche Schar von Reitern paarweise mit je einem Zug von Eseln und Kamelen als Tross erscheinen, was ein Hinweis auf die beiden Nationen der Meder und Perser sein könnte (Verse 7 und 8). Wie wir aus der Geschichte wissen, fällt Babel ihnen nahezu kampflos in die Hände.
Die Übereinstimmung des Ausrufs in Vers 9: „Gefallen, gefallen ist Babel …“ mit Offenbarung 14,8 und 18,2 ist selbstverständlich kein „Zufall“, sondern zeigt die enge Verknüpfung der Prophetie des Alten mit der des Neuen Testaments. Erst in der Endzeit wird diese Weissagung ihre volle Erfüllung finden. Die Weltmacht Babel der Geschichte ist wie das zukünftige religiöse Babylon der Inbegriff des Götzendienstes, der von Gott gerichtet wird, hier in vorläufiger Weise, dort endgültig und für immer.
Letztlich geht es um das irdische Volk Gottes, dieses „gedroschene“ Volk, das Jesaja als Sprachrohr Gottes auch „Sohn meiner Tenne“ nennt. Der HERR der Heerscharen (hebr. Jahwe Zebaoth), der Gott Israels, wird die Gerichte über Sein Volk vollenden und die Frucht einsammeln. Die Weissagung über Babel zeigt, wie es dem Werkzeug ergehen wird, das Er zur Züchtigung Seines Volkes benutzt. So wie Jesaja es von Ihm gehört hatte, verkündigte er es auch (Vers 10).
Gericht über Edom (Kapitel 21,11–12)
Duma ist der Gegenstand des siebten Ausspruchs in dieser Reihe. Der Name bedeutet „Schweigen, Totenstille“ (vgl. Ps 115,17) und könnte ein Anagramm, d. h. eine durch Buchstabenumstellung entstandene Bezeichnung für Edom sein, die zugleich dessen zukünftiges Schicksal ankündigt. Duma hieß ein Sohn Ismaels, dessen Nachkommen wohl in der gleichen Gegend wie die Edomiter lebten und daher mit diesen vereint gesehen werden (vgl. 1. Mo 25,14). Die Edomiter, die Nachkommen Esaus, des Bruders Jakobs, die sich oft als Feinde des Volkes Gottes erwiesen, bewohnten den Landstrich Seir südöstlich des Toten Meeres (vgl. 1. Mo 36,8). Wegen ihrer Feindschaft wird auch sie das Gericht Gottes ereilen (vgl. Kap. 11,14; 34,5ff.; 63,1–4; Ps 137,7; Jer 49,7-22; Obad 12).
Das Gesicht besteht nur aus einer Frage und der Antwort des Sehers. Aus Seir, wo offenbar alle göttlichen Warnungen missachtet worden sind, ruft man dem prophetischen Wächter wiederholt spottend zu: „Wächter, wie weit ist es in der Nacht?“ (Vers 11).5 Dieser antwortet mit heiligem Ernst: „Der Morgen kommt, und auch die Nacht.“ Für Gottes Volk Israel wird einmal ein „Morgen ohne Wolken“ anbrechen (s. 2. Sam 23,4), für Edom jedoch die Nacht des Gerichts. Die Nachbarvölker Moab und Ammon werden nach ihrer Bestrafung eine Wiederherstellung erfahren, nicht aber Edom, das zur ewigen Einöde werden wird (vgl. Jer 48,47; 49,6.13). Was der Glaubende erwartet, wird ebenso eintreffen wie die Nacht für den Ungläubigen und Spötter, die Nacht des Todes, in der niemand mehr wirken kann (vgl. Joh 9,4). Doch noch ist die Nacht nicht gekommen, und für den wirklich Suchenden und Fragenden gibt es daher noch eine Antwort. Deshalb schließt diese Weissagung mit den Worten, in denen die Gnade Gottes zum Ausdruck kommt: „Kehrt wieder, kommt her!“ (Vers 12). Die Zeit der Gnade dauert noch immer an, wie das letzte Kapitel der Bibel bestätigt: „Wen da dürstet, der komme; wer da will, nehme das Wasser des Lebens umsonst“ (Off 22,17).
Gericht über Arabien (Kapitel 21,13–17)
Arabien gilt der achte Ausspruch. Tema und Kedar waren Söhne Ismaels, ein Dedan wird (wie Scheba) einmal als Nachkomme Hams, ein anderes Mal als Nachkomme Abrahams erwähnt (1. Mo 10,7; 25,3.13.15). Es handelt sich um Viehzucht und Handel treibende arabische Beduinenstämme in der Nachbarschaft Edoms, d. h. im Nordwesten der arabischen Halbinsel (Jer 25,13; Hes 25,13; 27,20f.). Im Jahr 715 v. Chr. führte Sargon II. von Assyrien eine Invasion nach Arabien durch, von der auch die hier genannten Stämme betroffen waren.
Doch weist die Prophezeiung in eine fernere Zukunft. Während der großen Drangsal wird der jüdische Überrest auf die Berge Judäas fliehen (Mt 24,16), zum Teil aber auch bei den Nachbarvölkern Unterschlupf finden. Moab, Mesech und Kedar werden ausdrücklich genannt (Jes 16,4; Ps 120,5-7). Doch danach werden die Ismaeliter am Kampf Assyriens gegen Jerusalem teilnehmen (Ps 83,5-9; vgl. Jes 8,9.10). Deshalb wird auch sie das Gericht Gottes treffen (vgl. Jer 49,28-33).
Die Karawanen der Dedaniter werden im Krieg geschlagen und verstecken sich in der arabischen Wildnis, wo sie Hunger und Durst leiden (Vers 13). Die hilfsbereiten Bewohner von Tema bringen den Flüchtlingen Wasser und Brot entgegen (Verse 14 und 15).
Doch Gott selbst hat das Urteil bereits gesprochen: „Binnen Jahresfrist, wie die Jahre eines Tagelöhners, wird die Herrlichkeit Kedars verschwinden“ (vgl. Kap. 16,14). Zwar wird ein kleiner Überrest verbleiben, doch das Urteil des HERRN, des Gottes Israels, steht fest (Verse 16 und 17). Er ist und bleibt Seinem so untreuen Volk, vor allem aber sich selbst immer treu!
Ausspruch über das Tal der Gesichte
Jerusalem gefallen (Kapitel 22,1–14)
Dass der Gegenstand dieses neunten Ausspruches die Stadt Jerusalem ist, geht aus den Versen 4 und 9–11 hervor. Mit dem „Tal der Gesichte“ kann Jerusalem selbst gemeint sein, das rings von hohen Bergen umgeben ist (vgl. Ps 125,2), es könnte sich jedoch auch um ein bestimmtes Tal in der Umgebung handeln (vgl. Joel 4,12.14). Die Menschen sind entweder wegen eines besseren Überblicks über das Geschehen oder aus Furcht auf die flachen Dächer ihrer Häuser gestiegen (Vers 1). Die Verse 2 und 3 versetzen uns in die einst „getümmelvolle, lärmende Stadt“, wo man jetzt Erschlagene sieht, denen nicht die Ehre des Todes in der Schlacht zuteil geworden ist, und Flüchtende, die schließlich doch gefangen genommen werden.
Derselbe Geist, der den Propheten die furchtbaren zukünftigen Ereignisse schauen lässt, ruft in ihm eine so tiefe Trauer über die in ferner Zukunft liegende Zerstörung der geliebten Stadt hervor, die hier „Tochter meines Volkes“ genannt wird, dass er sich von niemand trösten lassen will (Vers 4; vgl. Kap. 15,5; 16,9; 21,3; Klgl 2,11; 3,48). Die Eroberung wird für Jerusalem ein nie zuvor gekannter „Tag der Bestürzung und der Zertretung und der Verwirrung vom Herrn, dem HERRN der Heerscharen [hebr. Adonai Jahwe Zebaoth]“ sein. Gott selbst wird Sein von Ihm so sehr geliebtes und doch abtrünniges Volk ein letztes Mal züchtigen, um es zur Umkehr zu bringen (Vers 5). Was hier von dieser Stadt gesagt wird, wurde bei der Belagerung durch Sanherib (702/701 v. Chr.) wie auch bei den späteren Eroberungen durch Nebukadnezar (586 v. Chr.) und Titus (70 n. Chr.) nur teilweise erfüllt und wartet daher noch auf die endgültige Erfüllung beim ersten Angriff des Assyrers in der Endzeit (s. Einleitung zu Kap. 10,5–34).
Elam, ein altes Reich nordöstlich des Persischen Golfs, und Kir, das Ursprungsgebiet der Syrer, befanden sich damals im Machtbereich Assyriens und sind mit ihrer hervorragenden Bewaffnung die Repräsentanten des internationalen assyrischen Heeres (Vers 6; vgl. 1. Mo 10,22; 14,1; 2. Kön 16,9; Amos 9,7). Mit ihren Wagen und Reitern füllen sie die fruchtbaren Täler rings um Jerusalem und richten ihren Angriff gegen die Tore der Stadt (Vers 7). Ebenso wie in Vers 4 die Stadt Jerusalem wird auch hier das Volk von Juda als Jungfrau gesehen, deren Schleier aufgedeckt wird, wodurch sie schutz- und wehrlos der Schande ausgesetzt ist (Vers 8).
Statt sich in ihrer Not an ihren Gott zu wenden, nehmen die Bewohner ihre Zuflucht zu menschlichen Hilfsmitteln und Waffen. Das „Waldhaus“ hatte Salomo als Waffendepot in Jerusalem erbaut und „Haus des Waldes Libanon“ genannt, weil es aus Zedernholz bestand (1. Kön 7,2; 10,17). Dahin richten sich nun die Blicke der Bewohner der Stadt. Sie sehen zudem die Risse in der Stadtmauer und versuchen, sie mit den Steinen abgebrochener Häuser zu reparieren, und legen zusätzliche Wasserbehälter für die Bevölkerung an. So ließ auch Hiskia während der Belagerung Sanheribs das Wasser umleiten und die Stadtmauern reparieren (Verse 9–11; 2. Chr 32,2-7.30). Ähnliche Bemühungen werden auch bei der zukünftigen Belagerung Jerusalems stattfinden, wobei der Prophet die damals vorhandenen Gegebenheiten zum Ausgangspunkt nimmt.
Eins jedoch fehlt vollständig: der Gedanke daran, dass Gott die Drangsal herbeigerufen, ja schon vorlängst über Sein irdisches Volk verhängt hat (Vers 11). Keine Besinnung, keine Umkehr, kein Rufen zu Gott, der Sein Volk doch zur Buße und zum Heil leiten will (Vers 12; vgl. 2. Kor 7,10).
Stattdessen herrscht in der bedrängten Stadt immer noch „Wonne und Freude“, Tiere werden geschlachtet, damit man angesichts des nahenden Verderbens noch feiern kann (Vers 13)! Müssten Juda und Jerusalem es nicht besser wissen? Ist dieses Leben denn alles, was wir haben, gibt es danach nichts mehr zu hoffen oder zu fürchten? Können sie denn wirklich sagen: „Lasst uns essen und trinken, denn morgen sterben wir!“? Paulus führt dieses Wort in 1. Korinther 15,32 an, um zu zeigen, dass so nur jemand sprechen kann, der nicht an die Auferstehung, nicht an ein Leben nach dem Tode glaubt.
So folgt denn auch am Schluss dieses Teils des Ausspruchs über das Tal der Gesichte das Urteil Gottes über solche Hartnäckigkeit: „Wenn euch diese Schuld vergeben wird, bis ihr sterbt!“ (Vers 14). Nur eine wirkliche Umkehr zu Gott kann das Volk retten. Tun sie es nicht, ergeht es ihnen ebenso wie den Juden, denen der Herr Jesus sagen musste: „Wenn ihr nicht glaubt, dass ich es bin, so werdet ihr in euren Sünden sterben“ (Joh 8,24). Vergebung der Sünden von Gott kann der Mensch nur in diesem Leben empfangen, gleichgültig in welchem Zeitalter er lebt.
Schebna und Eljakim (Kapitel 22,15–25)
Dieser Abschnitt bildet eine Art Anhang zum „Ausspruch über die Wüste des Meeres“, der das Gericht Babels beschreibt (Jes 21,1-10), und dem „Ausspruch über das Tal der Gesichte“, in dem das Gericht über Jerusalem durch den Assyrer angekündigt wird (Jes 22,1-14). Manche Voraussagen in diesen Kapiteln des Buches Jesaja haben eine teilweise Erfüllung in der Vergangenheit gefunden, aber aus der Reihenfolge, in der sie angeordnet sind, muss man doch entnehmen, dass es hier in erster Linie nicht um damals unmittelbar bevorstehende, sondern in ferner Zukunft liegende Ereignisse geht, die uns bis in die Zeit nach der Entrückung und Heimholung der Gläubigen in den Himmel führen. Ganz anders als in der alten Geschichte wird nämlich zunächst Babylon gerichtet werden, und erst danach der Assyrer.
Wie wir aus anderen Stellen des Wortes Gottes wissen, muss auch der Antichrist, der falsche König in Jerusalem, beseitigt werden und Platz machen für Christus, den König der Könige. Dieses Ereignis wird hier anhand der beiden Personen Schebna und Eljakim dargestellt. Wir haben in den Geschehnissen um die beiden hoch gestellten Männer am Königshof in Jerusalem zur Zeit Hiskias also eine typologische oder vorbildliche Prophetie vor uns, die im Alten Testament ja oft vorkommt. Parallelen zu diesem Paar sehen wir beispielsweise in Saul und David, Haman und Mordokai.
Schebna, dessen Name „Jüngling, Zartheit“ bedeutet, war nach 2. Könige 18,18 Schreiber, d. h. ein hoher Beamter des Königs Hiskia. Er wird hier als Verwalter bezeichnet, der über das Haus, den Palast des Königs, gestellt ist. Wie wichtig diese Position war, zeigt nicht nur der Ausdruck „deine Herrschaft“ in Vers 21, sondern auch die Einsetzung Jothams, des Sohnes Ussijas, als stellvertretender Regent „über das Haus des Königs“ in 2. Chronika 26,21. Die Tatsache, dass der Name des Vaters Schebnas nicht genannt wird, kann als Hinweis darauf verstanden werden, dass er ein Emporkömmling von niedriger oder fremder Abkunft war. Auch über die Herkunft des Antichristen wird nirgendwo in der Schrift etwas gesagt. Er wird zwar ein Jude sein, der sich nicht um den Gott seiner Väter kümmert (Dan 11,37), aber Einzelheiten über seinen Ursprung erfahren wir nicht.
Jesaja empfängt den Auftrag vom Herrn, dem HERRN der Heerscharen (hebr. Adonai Jahwe Zebaoth), „zu diesem Verwalter da, zu Schebna,“ zu gehen und ihn zu fragen: „Was hast du hier, und wen hast du hier, dass du dir hier ein Grab aushaust?“ (Verse 15 und 16). Offenbar hatte Schebna keinerlei persönliche Beziehungen zu Jerusalem und Juda, der Stadt und dem Volk Gottes, wollte sich aber einen Namen machen und sein Gedächtnis bis in die ferne Zukunft sichern, indem er sich in einem hohen Felsen ein kostspieliges Grabmal aushauen ließ. Es war das Symbol eines Hochmuts, der einmal seinen absoluten Gipfel im kommenden Menschen der Sünde, dem Sohn des Verderbens, finden wird (vgl. Dan 11,36.37; 2. Thes 2,3.4). Zudem spricht ein Grab vom Tod, nicht vom Leben.
Doch der HERR würde diesen hochmütigen Mann wie ein Knäuel verächtlich zusammenrollen und wie einen Ball weit wegschleudern „in ein geräumiges Land“. Er, der eine Schande für das Haus seines Herrn, des Königs, war, würde von seiner hohen Stellung verstoßen und in die Verbannung geschickt werden (Verse 17 bis 19). Dort sollte er sterben – ohne ehrenvolle Bestattung und prächtiges Grabmal. Dieser Ausspruch wird uns erst richtig verständlich, wenn wir die große Bedeutung eines würdigen Begräbnisses zur damaligen Zeit berücksichtigen (vgl. Kap. 14,15–20). Weit schrecklicher wird es jedoch dem Antichristen, dem falschen Propheten, ergehen: Er wird nach der herrlichen Erscheinung Christi zusammen mit dem Tier, dem Herrscher des Römischen Reiches, „lebendig in den Feuersee geworfen, der mit Schwefel brennt“ (Off 19,20).
Anstelle des treulosen, hochmütigen Schebna wird der HERR „an jenem Tag“ Seinen Knecht Eljakim („Gott richtet auf“; vgl. Kap. 49,6a), den Sohn Hilkijas, rufen. Wer in der bisherigen Schilderung einen eindeutigen Bezug auf die Endzeit vermisste, wird ihn jetzt mit jedem Satz deutlicher erkennen. Mit „jenem Tag“ meint Jesaja fast immer die kommende Zeit, in der Gott sich wieder Seinem Volk zuwenden wird, zunächst zwar im Gericht, schließlich aber in Gnade (vgl. Kap. 2,11.17.20; 3,7.18; 4,1.2 und viele andere Stellen). Sodann nennt Er Eljakim „meinen Knecht“ und gebraucht damit eine Bezeichnung, die uns im zweiten Hauptteil des Buches Jesaja wiederholt als Titel des Messias begegnen wird (vgl. Kap. 42,1; Mt 12,18). Und schließlich ist Er es selbst, der diesen Mann rufen wird, den Er bereits als Seinen treuen Knecht kennt (Vers 20; vgl. 2. Kön 18,18).
Als Erstes wird Er ihn mit dem Leibrock und dem Gürtel des abgesetzten Schebna bekleiden, die jener zu Unrecht getragen hatte. Diese Kleidungsstücke waren Zeichen der Würde hoher Amtspersonen und der Priester (vgl. 3. Mo 8,13). Nachdrücklich wird das Umbinden des Gürtels beschrieben, der bereits in Kapitel 11,5 als besonderes Kennzeichen des Messias erwähnt wird (vgl. Off 1,13). Sodann wird Er ihm die bisher von Schebna ausgeübte Herrschaft übertragen (vgl. Kap. 9,6). So wird Eljakim den Bewohnern von Jerusalem und dem Haus Juda in väterlicher Weise Schutz und Führung geben (Vers 21; vgl. 1. Mo 45,8).
Aber damit nicht genug. Gott wird „den Schlüssel des Hauses David auf seine Schulter legen; und er wird öffnen, und niemand wird schließen, und er wird schließen, und niemand wird öffnen“ (Vers 22). Mit fast den gleichen Worten stellt der Herr Jesus sich im prophetischen Sendschreiben an die Versammlung in Philadelphia vor (Off 3,7; vgl. Off 1,18). Was hier von Eljakim gesagt wird, gilt letztendlich für Christus, der sowohl in der Zeit der Gnade als auch während des Tausendjährigen Reiches der Heilige und Wahrhaftige ist. Der Schlüssel des Hauses Davids ist das Symbol Seiner rechtmäßigen Verfügungsgewalt als Sohn Davids im Tausendjährigen Reich, der niemand zu widerstehen vermag. Gott hat Ihm alle Gewalt im Himmel und auf der Erde gegeben (Mt 28,18). Er allein entscheidet, wer in die Segnungen, die Gott von Grundlegung der Welt an bereitet hat, eingehen kann und wer nicht (vgl. Mt 25,31-46).
Zugleich wird Er ein an einem festen Ort eingeschlagener Pflock und ein Thron der Ehre für Sein Vaterhaus, das Haus Davids, sein (Vers 23; vgl. Jer 17,12; Lk 1,32). Ein Pflock dient zur Befestigung und zum Halt; er ist ein Bild des Beistandes und der Kraft Gottes (Esra 9,8). So war Eljakim ein Vorbild des Messias, von dem im Tausendjährigen Reich alles abhängen wird, auch der Dienst im Haus Gottes, und zwar bis hin zu den kleinsten Gefäßen (Vers 24; vgl. Sach 10,4). Die Sprösslinge und Seitenschosse sind die mit Ihm in Verbindung stehenden Menschen, die den Dienst ausüben werden (vgl. Kap. 44,3; Hiob 5,25). Die Heiligkeit aller Geräte und Gefäße im Tausendjährigen Reich wird in Sacharja 14,20 und 21 in eindrucksvoller Sprache beschrieben: „An jenem Tag wird auf den Schellen der Pferde stehen: Heilig dem HERRN. Und die Kochtöpfe im Haus des HERRN werden sein wie die Opferschalen vor dem Altar; und jeder Kochtopf in Jerusalem und in Juda wird dem HERRN der Heerscharen [hebr. Jahwe Zebaoth] heilig sein.“
Nach dieser kurzen Beschreibung der Herrlichkeit des Messias wird im letzten Vers des Kapitels die Ankündigung des Gerichts über den Antichristen wiederholt, der sich anmaßt, alle Herrlichkeit und Ehre auf sich zu konzentrieren. Aber er und seine Anhänger werden zugrunde gehen, „denn der HERR hat geredet“ (Vers 25; vgl. 2. Thes 2,4; Off 19,20.21).
Manche Ausleger beziehen diesen Vers jedoch auch auf Eljakim und sehen in Vers 24 bereits seinen Niedergang auf Grund von „Vetternwirtschaft“. Als Grund dafür wird die zweimalige Erwähnung des an einem festen Ort eingeschlagenen Pflockes in den Versen 23 und 25 angeführt, die jedoch durchaus nicht bedeuten muss, dass es sich um die gleiche Person handelt – nicht nur, weil dadurch dem schönen Bild der messianischen Herrlichkeit Gewalt angetan wird. Der verherrlichte Christus wird ja weder weichen noch abgehauen werden oder fallen! „Seine Herrschaft ist eine ewige Herrschaft, die nicht vergehen wird, und sein Königtum ein solches, das nie zerstört werden wird“ (Dan 7,14).
Wie ein genaues Studium des Abschnitts zeigt, kann es sich unmöglich um die gleiche Person handeln. Nach Vers 20 wird Eljakim „an jenem Tag“ berufen und nach Vers 25 würde er „an jenem Tag“ – also zur gleichen Zeit – wieder weichen! Während es in Vers 23 ausdrücklich heißt, dass Gott selbst den Pflock an einem festen Ort einschlagen wird, fehlt in Vers 25 jeder Hinweis auf den Urheber.
Die zweimalige Benutzung der Bezeichnung „Pflock“ – für Eljakim und für Schebna – ist also kein Beweis für die Identität der Person, sondern eher ein Hinweis darauf, dass der Antichrist ein von Satan inspirierter Nachahmer sein wird, der jedoch mit seiner „Macht und allen Zeichen und Wundern der Lüge“ in Wirklichkeit als Gegner des Messias auftreten wird, von dem Petrus bezeugt, dass Er „bestätigt [wurde] durch mächtige Taten und Wunder und Zeichen, die Gott durch ihn in eurer Mitte tat“ (2. Thes 2,9; Apg 2,22). Die Einleitungsworte „an jenem Tag“ verbinden das endzeitliche Urteil über Schebna als Bild des Antichristen mit der zur gleichen Zeit stattfindenden Offenbarung und Einsetzung des wahren Eljakim.
Ausspruch über Tyrus
Die letzte der zehn Gerichtsankündigungen richtet sich gegen die phönizische Stadt Tyrus als Symbol der kommerziellen Macht der Welt. Die seit dem zweiten Jahrtausend v. Chr. bekannte Stadt lag teils auf dem Festland, teils auf einer Felseninsel, zu der Alexander der Große bei seiner Belagerung einen Damm legen ließ, der seitdem die Stadt, die heute eine Ruinenstätte ist, mit dem Land verbindet. Die Bewohner von Tyrus waren im Altertum als hervorragende Seeleute und einflussreiche Kaufleute bekannt. Ihr Hochmut war so groß, dass der König von Tyrus in Hesekiel 28,11-19 als Bild Satans dargestellt wird. Der Herr Jesus erwähnt die beiden Schwesterstädte Tyrus und Sidon als Beispiele der Gottlosigkeit, die jedoch von Chorazin und Bethsaida noch übertroffen wird, denn diese verwarfen den Messias Israels und Seine Taten, weshalb es jenen am Tag des Gerichts erträglicher ergehen wird als ihnen (Mt 11,21f.).
Die Stadt Tyrus war in der Antike mehrfach Ziel von Eroberungen. Am bekanntesten sind die dem jüdischen Historiker Josephus zufolge dreizehn Jahre dauernde Belagerung (ca. 585–572 v. Chr.) durch Nebukadnezar, den König von Babel, die ausführlich in Hesekiel 26-28 beschrieben wird (s. Hes 26,7; 29,18; vgl. Joel 4,4; Amos 1,9f.), und die Eroberung durch Alexander den Großen im Jahr 332 v. Chr. (Sach 9,2-4). In beiden Fällen wurde die Stadt jedoch nicht zerstört. Jesaja spricht wohl vom Angriff Nebukadnezars, schaut aber wie meistens auf die Endzeit und beschreibt die weitreichenden Folgen des Zusammenbruchs einer wirtschaftlichen Großmacht, womit der Fall von Babylon in Offenbarung 18 zu vergleichen ist.
Gericht über Tyrus (Kapitel 23,1–7)
Der Ausspruch beginnt mit der Klage über die Zerstörung der Stadt (Vers 1). Die Tarsis-Schiffe sind die Handelsschiffe von Tyrus (s. Kap. 2,16). Tarsis wird allgemein in Spanien vermutet, wozu die Absicht Jonas, vom Mittelmeerhafen Japho (Jaffa) mit einem Schiff nach Tarsis zu fliehen, durchaus passt (Jona 1,3); aber die Tarsis-Schiffe, die Salomo und Josaphat von Ezjon-Geber am Roten Meer aussandten, sind wohl kaum nach Spanien gesegelt (1. Kön 9,26-28; 10,22; 22,49). So könnte es sein, dass die Bezeichnung Tarsis-Schiffe in einem allgemeineren Sinn für lange Seereisen gebaute Handelsschiffe zum Transport von Luxusgütern meint. Die Schiffe sind durch die Einnahme von Stadt und Hafen jetzt heimatlos geworden, denn es gibt kein Haus mehr, und kein Schiff kann mehr einfahren. Die heimkehrenden Schiffe erhalten die Nachricht vom Land der Kittäer (hebr. Kittim), das hier wohl in seiner ursprünglichen Bedeutung als Name für die Bewohner der nicht weit entfernten Insel Zypern zu betrachten ist (s. 4. Mo 24,24); im weiteren Sinn sind damit jedoch die Länder an der gesamten Mittelmeerküste gemeint (Jer 2,10; Hes 27,6).
Die Bewohner der Insel, auf der Tyrus lag (oder: der Küste; das hebr. Wort bedeutet beides), werden auf Grund der gewaltigen Katastrophe, die die Stadt getroffen hat, zum Schweigen aufgefordert. Die vielen Kaufleute aus Sidon, die in Tyrus mit ihren wertvollen, weit über das Meer transportierten Waren Handel trieben, sind verschwunden (Vers 2). Einer der wichtigsten Handelspartner war Ägypten, in dessen fruchtbaren Gegenden am Nil (hebr. Schichor bedeutet „schwarz, trübe“ und ist eine Bezeichnung des Nils oder eines Seitenarms) vieles angebaut wurde, was auf dem Seeweg in den Handel kam und nicht nur den Tyrern, sondern vielen Völkern Erwerb verschaffte (Vers 3).
Doch nicht nur die Bewohner von Tyrus müssen verstummen, auch die eng mit ihnen verbundene Nachbarstadt Sidon wird beschämt. Das Meer und „des Meeres Festung“ – wohl ein Bild der stark befestigten Inselstadt Tyrus (vgl. Vers 14) – werden mit einer Frau verglichen, die kinderlos ist, weil die seefahrenden Bewohner der Stadt nicht mehr da sind (Vers 4). Die Nachricht vom Fall von Tyrus trifft auch das Land Ägypten schwer, dessen Seehandel zusammenbricht (Vers 5; vgl. Vers 3). Hinzu kommt die berechtigte Furcht vor einem Angriff Nebukadnezars auf Ägypten selbst, der nach Hesekiel 29,17-20 tatsächlich stattgefunden hat.
Die übrig gebliebenen Kaufleute von Tyrus werden aufgefordert, möglichst weit von diesem Ort des Unglücks eine neue Bleibe zu suchen. Tarsis, der bekannte – wenn auch nicht eindeutig zu lokalisierende – Handelsort im fernen Westen ist für die vor Elend heulenden Flüchtlinge ein geeigneter Platz (Vers 6; vgl. Vers 1). Dort in der Fremde muss die Bevölkerung der einst so lebenslustigen Stadt, die auf ein sehr langes Bestehen zurückblicken konnte, jetzt versuchen, aufs Neue Fuß zu fassen (Vers 7).
Der HERR richtet (Kapitel 23,8–14)
Die Frage nach dem Ursprung dieses Strafgerichts über die reiche und stolze Stadt wird in Vers 8 gestellt: „Wer hat dies beschlossen über Tyrus …?“ Zugleich werden einige weitere Züge ihrer Macht und Überheblichkeit genannt, die den Grund für die Bestrafung deutlich machen. Die Bezeichnung „Kronenspenderin“ bezieht sich wohl darauf, dass in den von Tyrus angelegten Kolonien wie Karthago Könige eingesetzt wurden. Der Einfluss der Kaufleute und der Händler (im Hebr. identisch mit „Kanaan“) von Tyrus kam dem der Fürsten und Vornehmsten der Erde gleich. Ihr Hochmut brachte sie zu Fall (vgl. Kap. 2,12–18; Spr 16,18). So war es bei dem Teufel, der sich gegen Gott aufblähte (1. Tim 3,6), so wird es dem Antichristen ergehen (2. Thes 2,4-8), und auch die Gläubigen der jetzigen Zeit werden vor Hochmut gewarnt, denn „Gott widersteht den Hochmütigen, den Demütigen aber gibt er Gnade“ (Jak 4,6). Niemand anders als der HERR der Heerscharen (hebr. Jahwe Zebaoth) hat das Gericht über Tyrus beschlossen und führt es auch aus. Er macht nicht nur den Stolz über all die Kostbarkeiten, sondern auch deren Besitzer und Verkäufer zunichte (Vers 9).
In Vers 10 wird die wahrscheinlich von Tyrus gegründete Kolonie Tarsis (s. Vers 1) als vom Joch ihrer Herren befreit gesehen. Wie der Nil seine Ufer überflutet, so können die Bewohner sich jetzt in Unabhängigkeit von der Mutterstadt bewegen und ihre Freiheit genießen. Mit dem Gürtel (vgl. Joh 21,18; Apg 21,11) ist die straffe und einengende Oberherrschaft von Tyrus gemeint, die nun ein Ende gefunden hat.
Gott selbst übt das Gericht über Tyrus aus, unabhängig davon, wen oder was Er als Werkzeug dazu benutzt. „Er hat seine Hand über das Meer ausgestreckt“, das von dieser Stadt als ihr ureigenstes Gebiet betrachtet wurde. Der HERR, nicht Tyrus, gebietet über die Königreiche und hat den Auftrag gegeben, das ganze Gebiet der Phönizier6 mit seinen Festungen zu zerstören (Vers 11). Sein Urteil lautet: „Du sollst nicht mehr frohlocken, du geschändete Jungfrau, Tochter Sidon!“ Wie Tyrus war auch das nahe Sidon eine lebenslustige Stadt gewesen (vgl. Vers 7), die jetzt, nach der gewaltsamen Eroberung durch eine fremde Macht, mit einer vergewaltigten Jungfrau verglichen wird, ähnlich wie Babel und Jerusalem nach ihrem Fall (Kap. 47,1; Klgl 2,13). Von der früheren Schönheit ist nichts mehr zu sehen. Wie die Bewohner von Tyrus sollen auch die von Sidon fliehen, und zwar zur nahe gelegenen Insel Zypern (hebr. Kittim; s. Vers 1), ohne dort jedoch die ersehnte Ruhe zu finden (Vers 12).
Jetzt nennt der Prophet das Werkzeug des Strafgerichts Gottes. Es sind die Chaldäer (hebr. Kasdim, d. h. die Babylonier; vgl. Esra 5,12), die bislang noch nicht als Welteroberer aufgetreten sind, da sie unter der Herrschaft der Assyrer standen, aber nachdem sie deren Joch abgeschüttelt haben, nun als Angreifer vor Tyrus stehen.7 Sie richten ihre Belagerungstürme vor den Mauern auf, um die Stadt zu erobern, ihre Paläste dem Erdboden gleichzumachen und einen Trümmerhaufen zu hinterlassen (Vers 13). Dieser Teil der Weissagung endet fast so, wie er beginnt (Vers 14; vgl. Vers 1). Der Angriff der Chaldäer unter Nebukadnezar wird in Hesekiel 26 bis 28 ausführlich beschrieben (vgl. besonders Hes 26,7; 29,18). Nach den antiken Quellen hat Nebukadnezar die Stadt nicht zerstört, während die Propheten Jesaja und Hesekiel von einer Zerstörung sprechen. Dieser scheinbare Widerspruch ist wohl so zu erklären, dass die verschiedenen Zerstörungen, die tatsächlich stattgefunden haben, in der Eroberung durch Nebukadnezar prophetisch zusammengefasst werden.
Wiederherstellung von Tyrus (Kapitel 23,15–18)
Doch auch die Eroberer von Tyrus kommen zu ihrem Ende; Babels Macht wurde im Jahr 539 v. Chr. durch die Medo-Perser gebrochen. Eine gleich lange Zeit von siebzig Jahren, wie sie Juda in Babel zu verbringen hatte (Jer 25,9), ist auch Tyrus zugemessen. Die „Tage eines Königs“ bezeichnen diese von Gott bestimmte Zeitspanne, während der Tyrus in Vergessenheit geraten würde (vgl. Jer 25,11). Danach würde der HERR eine Wiederherstellung gewähren, die aber nicht zu einer Hinwendung zu Ihm führen würde. Aus der Geschichte ist bekannt, dass Tyrus sich nach jeder Eroberung erstaunlich schnell erholte und zu neuer wirtschaftlicher Blüte gelangte (Neh 13,16). In Gottes Augen ist die Wiederaufnahme des alten Lebens jedoch erneute Hurerei. Die wieder angeknüpften Handelsbeziehungen mit allen Königreichen der ganzen Erde erbringen nur Hurenlohn (Verse 15–17; vgl. Off 18,3).
Der letzte Vers zeigt jedoch eine Wendung zum Guten auf, die ihre vollständige Erfüllung im Tausendjährigen Reich empfangen wird. Vorbildlich sehen wir dies bereits im Verhältnis zwischen Hiram und Salomo (1. Kön 5,1-12). Auch nach der Rückkehr des Überrestes am Ende der siebzigjährigen Gefangenschaft leisteten die Sidonier und Tyrer einen Beitrag zum Wiederaufbau des Tempels in Jerusalem (Esra 3,7), doch schon bald gewann ihr Streben nach Gewinn wieder die Oberhand (Neh 13,16). Aber in der endgültigen Erfüllung dieser Weissagung wird die „Tochter Tyrus“ mit ihren Geschenken kommen und die Gunst des Volkes Gottes suchen, wenn der König die Schönheit Seiner irdischen Braut begehren wird (Ps 45,12.13). Die Reichtümer der Erde werden dann nicht mehr unter der Macht der Sünde stehen und der Befriedigung von Machtgier, Hochmut und Genusssucht dienen, sondern zur Verherrlichung des HERRN (vgl. Kap. 60,9–14). Nach dem Gesetz waren die Dinge, die mit dem Gottesdienst im Zelt der Zusammenkunft und im Tempel in Verbindung standen, „heilig dem HERRN“ (s. 2. Mo 30,37; 3. Mo 23,20; 27,30). Was für Ihn geheiligt ist, wird auch dann den Dienern des Heiligtums gehören, die „vor dem HERRN wohnen“.
Fußnoten
- 1 Es handelt sich um ein in Babylon gefundenes, nahezu zylindrisch geformtes, mit Keilschriftzeichen versehenes Schriftstück aus Ton (Länge ca. 23 cm) mit Berichten über die Taten des persischen Königs Kyros oder Kores (558–529 v. Chr.).
- 2 In Vers 13 lässt Gottes Wort den König von Babel nach den Vorstellungen seines Volkes reden, das sich den Sitz seiner Götter im nördlichen Gebirge dachte. Das ist jedoch nicht als Anerkennung der heidnischen Mythologie zu verstehen (vgl. Kap. 13,21).
- 3 Die Targume sind Übersetzungen des hebr. Bibeltextes ins Aramäische. Sie entstanden in der Zeit um Christi Geburt bis ins Mittelalter.
- 4 In der Bibel wird die Versammlung (ekklesia) Gottes nirgendwo zeitgleich mit Seinem irdischen Volk Israel gesehen. Sie entstand erst nach der Verwerfung Christi von Seiten der Juden, die als Volk seitdem verstockt – nicht endgültig verstoßen – wurden (Mt 16,13-21; 2. Kor 3,12-16; vgl. Röm 11,1.7.25). Jeder Jude, der jetzt an den Herrn Jesus glaubt, gehört zur Versammlung (1. Kor 12,13; Gal 3,28). Aber nach der Entrückung wird Gott Seine vor fast 2000 Jahren unterbrochenen Beziehungen zu Seinem Volk wieder aufnehmen, denn wenn „die Vollzahl der Nationen eingegangen ist, … wird ganz Israel errettet werden“ (Röm 11,25f.).
- 5 Verschiedene Ausleger verstehen die Frage als einen Notruf Edoms, den der Prophet negativ beantwortet.
- 6 Kanaan bezeichnet hier nicht das ganze Land Israel, sondern nur das Gebiet der Phönizier (die „kananäische Frau“ in Mt 15,22 wird in Mk 7,26 „Syro-Phönizierin“ genannt)
- 7 Verschiedene Ausleger beziehen diesen Vers jedoch entweder auf die Eroberung Babels durch die Assyrer oder, mit Veränderung des Bibeltextes, auf eine Eroberung Zyperns..