Erfolgt die Entrückung vor der Trübsalszeit?
Wir teilen voll und ganz die Ansicht, dass der Herr vor Beginn der Endgerichte in der Luft kommen wird, um die Seinen zu sich zu nehmen, und dass dies allein den Gedanken und der Liebe Gottes entsprechen kann. Man verwechselt augenscheinlich "nüchterne und sachliche Prüfung" mit einer rein menschlichen Verstandestechnik und man scheint nicht viel davon zu wissen, dass das Buch der Offenbarung in symbolischer Sprache geschrieben ist und dass Gottes Geist in diesen Bildern wunderbar tiefe göttliche Gedanken und Tatsachen offenbart, die in direkten Worten weder ausdrückbar noch für uns fassbar wären. Das zeigt auch die Stelle 2. Petrus 1,20 "indem ihr dies zuerst wisst, dass keine Weissagung der Schrift von eigener Auslegung ist." Die Auslegung der symbolischen Bilder ist in der Schrift selbst zu finden. Nur so kann man die in den Bildern veranschaulichten Gedanken Gottes herausfinden; damit kommt man aber zu einer ganz anderen Auslegung als der mancher Ausleger. Es geht nicht an, auf alle Verkehrtheiten derselben einzugehen, das gäbe ein ganzes Buch, denn man wirft so vieles durcheinander und vermengt, was sorgfältig auseinander gehalten werden müsste. Die Offenbarung ist kein chronologisch geordnetes Gesamtgemälde, sondern gibt uns eine Reihe von Einzelbildern, welche jedes für sich ein Ereignis darstellen. 1
Wir möchten nur einiges bemerken zum Beweis einer der Drangsalszeit vorausgehenden Entrückung. In Offenbarung 1,19 wird Johannes aufgefordert, aufzuschreiben, "was ist und was nach diesem geschehen wird". Nun, was ist das, "was ist?" Es ist die christliche Zeitepoche, welche in den Bildern der sieben Versammlungen in den Kapiteln 2 und 3 der Offenbarung bis zur Ausspielung der abtrünnigen und geistlich toten Namenschristenheit prophetisch dargestellt wird. Wenn man in diesen Versammlungen etwa bloß die sieben genannten Gemeinden jener Zeit erblicke, welchen Sinn hat dann ihre Erwähnung in der Heiligen Schrift, da sie doch längst untergegangen sind? Welch eine Fülle von Belehrungen aber finden wir, wenn wir sie als eine Schilderung von sieben verschiedenen Epochen der Kirchengeschichte bewerten. Auf welche Zeit könnte ferner Offenbarung 3,10, "[so] werde auch ich dich bewahren vor der Stunde der Versuchung, die über den ganzen Erdkreis kommen wird", angewandt werden, wenn nicht auf die Endzeit?
Auch 2. Thessalonicher 2,7 zeigt dies. "Der, der zurückhält", kann nur der Heilige Geist sein, der allein die Macht dazu hat und der die Erde zusammen mit der wahren Kirche bei der Entrückung verlassen wird. Ferner beginnen die Kapitel 4 und 7 mit den Worten: "nach diesem", um anzudeuten, "was nach diesem", d.h. nach der Entrückung der Kirche geschehen wird. Ein weiterer Beweis ist Offenbarung 6,10-11, denn die Sprache der Seelen unter dem Altar geziemt sich doch nicht für die Glieder der christlichen Kirche, sondern entspricht derjenigen Israels, so wie sie in den Psalmen zum Ausdruck kommt. Wir haben also von da an nicht mehr die Heiligen der jetzigen Haushaltung der Gnade vor uns, sondern die aus dem wieder in seine Rechte eingesetzten Volk Israel
In Römer 11,25 lesen wir auch ausdrücklich, dass die Errettung Israels erst erfolgen wird, wenn die Vollzahl der Nationen eingegangen sein wird, d.h. die christliche Brautgemeinde (die Heiligen der Endzeit sind Früchte des jüdischen Zeugnisses). Man anerkennt dies zwar, aber man gibt trotzdem keinen Raum für die Israel zugehörigen Umstände, wie die in Daniel 9,24-27 wörtlich für Israel ("dein Volk") bestimmte siebzigste Jahrwoche. Auch kommt die große Drangsalszeit, die in vielen alt- und neutestamentlichen Stellen dem Volk Israel prophezeit ist, über die, "welche auf der Erde wohnen". Dies ist wieder nicht die Kirche, welche ja nicht auf Erden "wohnt", denn deren Glieder sind hienieden Fremdlinge und Pilger (vgl. Phil 3,20). Man kann also das dem Volk Israel gesagte niemals auf die Kirche anwenden, ohne dem Gedankengang des Wortes Gottes Gewalt anzutun. Schenke der Herr uns geöffnete Augen, Sein Wort "recht zu teilen" (2. Tim 2,15).
Online seit dem 07.09.2006. Zuletzt bearbeitet am 25.02.2022.
Fußnoten
- 1 Ich möchte nur einiges über Offenbarung 12 ausführen. Wenn man unter der Frau in Kapitel 12 die Kirche und unter ihrem Sohn die wenigen getreuen Gläubigen des Endes versteht, irrt man gewaltig, um nicht mehr zu sagen. Richtig ist ja, wenn man sagt, dass die Kirche öfter unter dem Bilde einer Frau dargestellt wird. Aber warum dies? Doch um damit ihre Stellung der Abhängigkeit vom Herrn als ihrem Mann und ihre natürliche Schwachheit darzustellen. Wie kommt man nun dazu, unter dem "männlichen Sohn", einem Bild von Kraft und Herrschaft, einen Teil von ihr, zu verstehen? Wenn man die Erklärung in der Schrift suchen würde, müsste man finden, dass z.B. die Opfer, die mit wenigen Ausnahmen, alle von männlichen Tieren genommen sein mussten, deutlich auf den Herrn Jesus selbst hinweisen. Gerade der Ausdruck, "der alle Nationen weiden soll mit eiserner Rute" (Off 12,5), ist doch ein mehr als deutlicher Hinweis auf Ihn (vgl. Ps 2,9 und Off 19,15). Nur auf den Herrn selbst angewandt hat dies einen rechten Sinn. Das Bild von Offenbarung 12,1-6 ist nämlich eine Einschaltung, ein Gesamtüberblick über den gewaltigen Kampf Satans (des Drachen) gegen Christus, welcher Kampf ab Vers 7 in eine neue Phase tritt. Demnach ist die Frau hier nicht die Kirche, sondern das Volk Israel (das im Alten Testament ebenfalls in dem Bild einer Frau dargestellt wird, z.B. in Hosea), aus dem Jesus Christus als Mensch hervorgegangen ist! Wird Er nicht als "Same der Frau" bezeichnet? Soll das an genannter Bibelstelle anders sein? Wie oft hat der Teufel im Lauf der Zeit doch das Geschlecht Jesu zu vertilgen gesucht: in Ägypten durch den Pharao, später durch Athalja (2. Kön 11) und Haman (Est 3), Ihn selbst durch Herodes und schließlich durch die Kreuzigung. Es ist ihm nicht gelungen und wird ihm nie gelingen. Wenn man sagt, dass der Drache den männlichen Sohn verschlungen habe, so sagt man etwas, was nicht wahr ist; denn das steht nicht da, vielmehr wurde jener zum Throne Gottes entrückt. - "Der Mond unter den Füßen" der Frau bedeutet Herrschaft dieser letzteren und dass der Frau Autoritäten unterworfen sind; wie kann da von der Kirche, welche jetzt gar nicht zu herrschen, sondern zu leiden hat, die Rede sein? Solche Auslegungen dürften bezeugen, wie wenig aufmerksam man das Wort gelesen hat.