In welcher Sprache rief Jesus Christus am Kreuz „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen“?
Bibelstelle(n): Matthäus 27,46; Markus 15,34
„Um die neunte Stunde aber schrie Jesus auf mit lauter Stimme und sagte: Eli, Eli, lama sabachtani?, das heißt: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Matthäus 27,46).
„Und zur neunten Stunde schrie Jesus mit lauter Stimme: Eloi, Eloi, lama sabachtani?, was übersetzt ist: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Markus 15,34).
Der Herr Jesus tat diesen Ausruf während der Finsternis, die „über das ganze Land kam von der sechsten Stunde an bis zur neunten Stunde“ (Matthäus 27,45). Dabei handelte es sich nicht um eine natürliche Sonnenfinsternis, sondern Gott sandte sie angesichts des nahen Todes seines Sohnes, des Schöpfers. So verhüllte Gott durch diese Finsternis die tiefsten Leiden seines Sohnes, der dort am Kreuz hing, vor den Augen der Menschen. Außerdem – wenn Gott Licht ist, dann bedeutet diese Finsternis auch, dass Gott sich von seinem Sohn abgewandt hat, weil er ihn während der zweiten drei Stunden „für uns zur Sünde gemacht“ (2. Korinther 5,21) hatte.
Aber erst zur neunten Stunde (Matthäus 27,46; Markus 15,34) – fast am Ende jener unerträglichen Leiden – kam dieser Ausruf: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Und von den sieben Sätzen, die der Herr Jesus am Kreuz sprach, wird nur dieser Ausruf in zwei Evangelien erwähnt. Doch in welcher Sprache hat der Herr gesprochen – in Aramäisch oder in Hebräisch? Im Matthäusevangelium sind die ersten beiden Worte „Eli, Eli“ in hebräischer und bei Markus sind die Worte „Eloi, Eloi“ wahrscheinlich in aramäischer Sprache wiedergegeben1. Der zweite Teil „lema2 sabachtani“ ist in beiden Stellen mehr oder weniger aramäisch3. Deswegen kann es sehr gut sein, dass der Herr Jesus in aramäisch rief. Aber ist das nicht ein Widerspruch, wenn einmal die Rede von „Eli“ und das andere Mal von „Eloi“ ist?
Der Unterschied in diesen beiden Versen liegt nicht nur in den ersten beiden Worten des Ausrufs, sondern auch im griechischen Wort für „schreien“. In Matthäus wird das Wort anaboao gebraucht. Das Wort kommt noch einmal im Neuen Testament vor: „Und die Volksmenge erhob ein Geschrei (griechisch anaboao) und fing an zu begehren, dass er tue, wie er ihnen zu tun pflegte“ (Markus 15,8). Dadurch wird wohl mehr die Seite des Aufschreis betont, ohne dass jeder Buchstabe verständlich sein muss. Vielleicht will Matthäus damit andeuten, dass „einige der Dastehenden“ diese Worte missverstanden und dachten, dass der Herr Jesus den Elia, den großen Propheten des Alten Testaments, ruft.
In Markus wird dagegen griechisch boao verwendet. So wird Johannes der Täufer als „Stimme eines Rufenden“ (griechisch boao) bezeichnet (Matthäus 3,3; Markus 1,3; Lukas 3,4; Johannes 1,23). Später ruft (griechisch boao) ein Mann aus der Volksmenge laut und sprach: „Lehrer, ich bitte dich, sieh meinen Sohn an, denn er ist mein einziger“ (Lukas 9,38). In den Parallelstellen heißt es nur, dass er sprach bzw. antwortete (Matthäus 17,15; Markus 9,17). Später ist es der Blinde in Jericho, der ruft (griechisch boao): „Jesus, Sohn Davids, erbarme dich meiner!“ (Lukas 18,38). Auch die Obersten in Thessalonich rufen (griechisch boao): „Diese, die den Erdkreis aufgewiegelt haben, sind auch hierhergekommen ...“ (Apostelgeschichte 17,6). Diese wenigen Beispiele mögen genügen, um zu zeigen, dass die Betonung hier wohl mehr auf klar verstandenen Worten liegt.
So kann es sein, dass in Markus der exakte Ausruf des Herrn Jesus wiedergegeben wird, während Matthäus mehr beschreibt, was einige der Zuhörer verstanden und warum sie auf die Idee kamen, dass der gekreuzigte Herr den Elia rief.
Online seit dem 19.03.2017.
Fußnoten
- 1 Es ist bemerkenswert, dass im Targum (das ist die aramäische Übersetzung des hebräischen Textes) zu Psalm 22,2 für „mein Gott“ nicht die aramäische Form Elohi, sondern die hebräische Form Eli steht. Man sieht, dass sogar die alte aramäische Übersetzung in dieser Stelle nicht einsprachig (aramäisch) ist.
- 2 So nach dem griechischen Text des Neuen Testaments von Nestle-Aland, Stuttgart, 28.Ausgabe.
- 3 Die hebräische Wiedergabe wäre: „lama asabtani“; die aramäische: „lema schabaqtani“. Wahrscheinlich liegt der Unterschied zum Originaltext darin, dass es sich um eine griechische Umschrift der Original-Sprache handelt, die wie so oft nicht phonetisch exakt ist.