Was ist die Bedeutung von Titus 3,4-6?
Diese Verse enthalten die schwierigen Ausdrücke "Waschung der Wiedergeburt" und "Erneuerung des Heiligen Geistes". Wie sind diese zu verstehen?
Bibelstelle(n): Titus 3,4-6
Als aber die Güte und die Menschenliebe unseres Heiland-Gottes erschien, errettete er uns, nicht aus Werken, die, in Gerechtigkeit vollbracht, wir getan hatten, sondern nach seiner Barmherzigkeit durch die Waschung der Wiedergeburt und die Erneuerung des Heiligen Geistes, den er reichlich über uns ausgegossen hat durch Jesus Christus, unseren Heiland. (Titus 3,4–6)
Errettung
In diesem Abschnitt geht es um die ewige Errettung der Seele, die jeder, der an den Herrn Jesus glaubt, durch die Gnade Gottes empfängt. Sie beruht nicht auf menschlichen Werken oder auf menschlicher Gerechtigkeit, sondern auf der Barmherzigkeit Gottes. Kein Mensch kann sich selbst erretten. Wir waren Verlorene, wir gingen dem ewigen Verderben entgegen und befanden uns in der Gewalt der Finsternis, das heißt des Teufels. Aus allem hat Gott uns durch den Herrn Jesus für ewig errettet. Dank sei Ihm dafür!
In Titus 3,5 geht es um den Weg, auf dem wir errettet wurden. Gott hat nicht nur unendlich viel für uns getan, sondern auch an uns. Er hat uns nicht nur Vergebung der Sünden geschenkt und uns vor dem kommenden Gericht sichergestellt, sondern Er hat auch in uns durch die neue Geburt eine grundlegende Veränderung zustande gebracht. Das ist von größter Wichtigkeit. Ohne dieses Werk Gottes in uns könnten wir nicht in Seine heilige Gegenwart kommen. Fleisch und Blut können das Reich Gottes nicht erben, und die Verwesung erbt nicht die Unverweslichkeit (1. Kor 15,50). Das heißt, jeder, der errettet werden will, muss neues Leben, eine neue Natur, von Gott empfangen. Dieser wichtige Gesichtspunkt wird uns hier vorgestellt. Die Errettung wird hier als vollendet („errettete er uns“) und als gegenwärtiger Besitz gesehen, nicht wie an anderen Stellen als etwas noch Zukünftiges (s. Röm 13,10; 1. Pet 1,5).
Der Weg zur Errettung ist die „Waschung der Wiedergeburt“ und die „Erneuerung des Heiligen Geistes“. Ähnliche Begriffe verwendet der Herr Jesus in Seinem Gespräch mit Nikodemus, als Er ihm die Notwendigkeit der neuen Geburt vorstellt: „Wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird, so kann er nicht in das Reich Gottes eingehen“ (Joh 3,5). Im Johannesevangelium wird von Wasser gesprochen, hier von der Waschung, und hier wie dort vom Heiligen Geist.
Waschung
Beschäftigen wir uns zunächst mit der Waschung. Aus Epheser 5,26, wo von der „Waschung mit Wasser durch das Wort“ die Rede ist, geht hervor, dass damit die Aktivität des Wortes Gottes in seiner reinigenden Kraft gemeint ist. Das Wort „Waschung“ (griech. loutron) ist an beiden Stellen dasselbe. Wenn es sich dort auch nicht um die neue Geburt handelt, sondern um die beständige gegenwärtige Reinigung der Versammlung durch den Herrn Jesus, zeigt die Stelle jedoch klar die Bedeutung des Wortes Gottes als Mittel zur geistlichen Reinigung. Von der einmaligen Reinigung spricht der Herr Jesus auch zu Seinen Jüngern: „Ihr seid schon rein um des Wortes willen, das ich zu euch geredet habe“ (Joh 15,3), und: „Wer gebadet [oder: ganz gewaschen] ist, hat nicht nötig, sich zu waschen, sondern ist ganz rein; und ihr seid rein, aber nicht alle. Denn er kannte den, der ihn überliefern würde; darum sagte er: Ihr seid nicht alle rein“ (Joh 13,10f.). Nach diesen Stellen des Johannesevangeliums waren die Jünger (bis auf den Verräter Judas) durch das Wort des Sohnes Gottes in Herz und Seele moralisch gereinigt worden, und zwar grundsätzlich. Es ist eine Reinigung, die nicht wiederholt wird und auch nicht wiederholt zu werden braucht (vgl. Apg 15,9; 1. Kor 6,11; 1. Pet 1,22).
Die einmalige Waschung mit dem Wasser des Wortes Gottes am Anfang des neuen Lebens beseitigt die Unreinheiten oder Sünden, die ein Mensch in seinem Leben ohne Gott aufgehäuft hat. Und wie geschieht diese Reinigung? Dies im Einzelnen zu erklären, ist uns Menschen wohl unmöglich. Vergessen wir nicht, dass wir es mit dem unergründlichen Handeln Gottes an den Seelen verlorener Menschen zu tun haben. Sagt nicht der Herr Jesus in Johannes 3,8: „Der Wind weht, wo er will, und du hörst sein Sausen, aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er geht; so ist jeder, der aus dem Geist geboren ist.“? Wir können aber feststellen, dass der Heilige Geist das Wort Gottes dazu benutzt, das Böse im Menschen, seine sündigen Gewohnheiten, Gedanken und Wünsche, zu verurteilen. – Der Vollständigkeit halber soll hier erwähnt werden, dass auch das kostbare Blut unseres Herrn eine reinigende Wirkung hat, und zwar in einer gerichtlichen, sühnenden Weise (vgl. Heb 1,3; 9,14; 1. Joh 1,7).
Die Waschung mit dem Wasser des Wortes Gottes reinigt den Menschen von seiner moralischen Unreinheit. Jemand, der sich noch in einem Zustand der Unreinheit und Sünde befindet, kann kein geeignetes „Gefäß“ für das göttliche, neue Leben sein (vgl. 1. Kor 2,14). Daher stehen in Johannes 3,5, in 1. Petrus 1,22 und 23, aber auch in 1. Korinther 6,11 Wasser, Reinigung und Abwaschen an erster Stelle. Im Titusbrief wird die „Waschung der Wiedergeburt“ zuerst genannt. Dabei zeigt der Zusatz „Wiedergeburt“ an, dass die Waschung zur Wiedergeburt gehört. Sie ist ein Teil davon, nicht die ganze Wiedergeburt. Die „Erneuerung des Heiligen Geistes“ ist das Wesentliche. Dementsprechend stellt auch der Herr Nikodemus die Notwendigkeit vor, nicht nur „aus Wasser“, sondern auch „aus dem Geist“ geboren zu werden.
Schon im Buch des Propheten Hesekiel im Alten Testament hatte Gott die Rückkehr Seines irdischen Volkes Israel und seine Reinigung durch Wasser angekündigt, bevor das Tausendjährige Reich beginnt. Es sind Schlüsselverse, die viel Licht auf unseren Gegenstand werfen. Es heißt dort: „Und ich werde euch aus den Nationen holen und euch sammeln aus allen Ländern und euch in euer Land bringen. Und ich werde reines Wasser auf euch sprengen, und ihr werdet rein sein; von allen euren Unreinheiten und von allen euren Götzen werde ich euch reinigen“ (Hes 36,24f.). Es ist klar, dass es sich dabei nicht um eine „kultische“ Waschung mit Wasser handelt, wie sie bei der Weihe der Priester und in anderen Fällen geschah (s. 2. Mo 29,4). Gewöhnliches Wasser kann keine Reinigung von moralischen Unreinheiten und von Götzen bewirken. Das geht auch aus den folgenden Versen hervor, zu denen wir noch kommen werden. Die von Hesekiel erwähnte Reinigung entspricht der neutestamentlichen Waschung mit Wasser durch das Wort, wenn auch das Wort Gottes nicht erwähnt wird.
Wiedergeburt
Der Ausdruck „Wiedergeburt“ (griech. palingennēsia), der hier die Waschung charakterisiert, ist nicht identisch mit dem Ausdruck in Johannes 3,3: „von neuem geboren“ (griech. gennēthē anōthen) und ebenso wenig mit dem in 1. Petrus 1,3 und 23 verwendeten „wiedergezeugt“ und „wiedergeboren“ (griech. anagennēsas, anagegennēmenoi; in beiden Fällen dasselbe Verb). Allen gemeinsam ist zwar der Grundbegriff des Zeugens oder Gebärens, aber die bestimmenden Zusätze (Adverb palin-, anōthen, Präfix ana-) sind nicht dieselben. In allen drei Fällen handelt es sich um das Hervorbringen eines neuen Zustandes, der vorher nicht existierte. Dabei hat das Wort Gottes einen wichtigen Platz. Das zeigt auch Jakobus 1,18: „Nach seinem eigenen Willen hat er uns durch das Wort der Wahrheit gezeugt, damit wir eine gewisse Erstlingsfrucht seiner Geschöpfe seien.“ Hier ist jedoch nicht von einer Wiederzeugung oder Wiedergeburt, sondern nur von „zeugen“ die Rede. Das dazu benutzte griechische Verb apokyeō wird nur von Jakobus verwendet, und zwar zweimal: zuerst in Vers 15 von der Sünde, die den Tod „gebiert“, danach in Vers 18. Es geht auf das Verb kyeō zurück, das „schwanger sein, trächtig sein“ bedeutet.
Nach 1. Petrus 1 geht die Wiederzeugung oder Wiedergeburt auf die Barmherzigkeit Gottes zurück (V. 3; vgl. Tit 3,5). Das lebendige und bleibende Wort Gottes ist der unverwesliche Same. Dadurch sind diejenigen „wiedergeboren“, die ihre Seelen gereinigt haben „durch den Gehorsam gegen die Wahrheit“, das heißt das Wort Gottes (V. 22 und 23). Das Wort bewirkt hier also sowohl die Reinigung als auch die Wiedergeburt. Doch schon ganz zu Anfang, in Vers 2, spricht Petrus von der „Heiligung des Geistes“, wie auch Paulus in 2. Thessalonicher 2,13. In beiden Fällen handelt es sich um die heiligende Tätigkeit des Heiligen Geistes, der den Menschen für Gott absondert. Das geschieht durch die neue Geburt. Das Ziel ist die Errettung (2. Thes 2,13; 1. Pet 1,5).
Die erwähnten Stellen in den Briefen von Jakobus und Petrus beschreiben den wichtigen Anteil, den das lebendige Wort Gottes an der neuen Geburt hat. Das Wort wird an den anderen Stellen an erster Stelle genannt. In 1. Korinther 6,11 lesen wir: „Aber ihr seid abgewaschen, aber ihr seid geheiligt, aber ihr seid gerechtfertigt worden in dem Namen des Herrn Jesus und durch den Geist unseres Gottes.“ Das Abwaschen geschieht durch das Wort, die Heiligung durch den Geist Gottes, der das neue Leben hervorbringt. Ebenso ist es in Johannes 3 und Titus 3.
Ohne Zweifel geht die Offenbarung der Gedanken Gottes durch den Herrn Jesus in Johannes 3 am weitesten. „Von neuem geboren“ zu werden ist etwas, was „von oben“ (griech. anōthen) geschieht, aber es ist zugleich auch ein vollkommen neuer Anfang (in Lk 1,3 geben die Worte „von Anfang an genau gefolgt“ ebenfalls griech. anōthen wieder). „Von neuem geboren“ ist gleichbedeutend mit „aus Wasser und Geist geboren“ und „aus Gott geboren“. Den letztgenannten Ausdruck finden wir bei Johannes achtmal (Joh 1,13; 1. Joh 3,9 [2x]; 4,7; 5,1.4.18 [2x]). Acht ist die Zahl der neuen Schöpfung. Das Ergebnis der neuen Geburt ist ein neues Leben, eine neue Natur, die den Charakter Dessen trägt, der sie hervorgebracht hat: „Was aus dem Geist geboren ist, ist Geist“, ebenso wie für den natürlichen Menschen gilt: „Was aus dem Fleisch geboren ist, ist Fleisch“ (Joh 3,6). Bei der neuen Geburt empfangen wir durch den Heiligen Geist die Teilhabe an der göttlichen Natur und zugleich die Fähigkeit, Gottes Gedanken zu erkennen, zu verstehen und uns daran zu freuen. Ein wunderbares Teil!
Das in Titus 3,5 verwendete Wort „Wiedergeburt“ (palingennēsia) kommt noch ein weiteres Mal im Neuen Testament vor, und zwar in Matthäus 19,28. Dort sagt der Herr Jesus zu Seinen Jüngern: „Ihr, die ihr mir nachgefolgt seid, auch ihr werdet in der Wiedergeburt, wenn der Sohn des Menschen auf seinem Thron der Herrlichkeit sitzen wird, auf zwölf Thronen sitzen und die zwölf Stämme Israels richten.“ Hier geht es um den Anfang des Tausendjährigen Reiches (vgl. Mt 25,31ff.; Lk 22,30). Die Verbindung des Reiches mit der Wiedergeburt darf uns nicht überraschen. Hatte der Herr Jesus nicht zu Nikodemus gesagt: Ohne die neue Geburt kann niemand in das Reich Gottes eingehen? Nikodemus, der das Reich Gottes als die zukünftige sichtbare Herrschaft des Messias auf der Erde kannte, hätte wissen müssen, dass nur solche, die von neuem geboren sind, in dieses Reich eingehen werden. Deshalb machte ihm der Herr mit Seiner Frage „Du bist der Lehrer Israels und weißt das nicht?“ einen gewissen Vorwurf. Denn wie wir sahen, hatte der Prophet Hesekiel schon davon gesprochen: „Und ich werde euch aus den Nationen holen und euch sammeln aus allen Ländern und euch in euer Land bringen. Und ich werde reines Wasser auf euch sprengen, und ihr werdet rein sein; von allen euren Unreinheiten und von allen euren Götzen werde ich euch reinigen. Und ich werde euch ein neues Herz geben und einen neuen Geist in euer Inneres geben; und ich werde das steinerne Herz aus eurem Fleisch wegnehmen und euch ein fleischernes Herz geben. Und ich werde meinen Geist in euer Inneres geben; und ich werde bewirken, dass ihr in meinen Satzungen wandelt und meine Rechte bewahrt und tut. Und ihr werdet in dem Land wohnen, das ich euren Vätern gegeben habe; und ihr werdet mein Volk, und ich werde euer Gott sein.“ (Hes 36,24–28).
Sowohl die an Nikodemus gerichteten Worte als auch die Weissagung Hesekiels enthalten Hinweise darauf, warum der Herr Jesus das Tausendjährige Reich die „Wiedergeburt“ nennt. Hesekiel spricht zwar nur zum „Haus Israel“, während der Herr Jesus in Seine Worte alle Menschen einschließt („... so ist jeder, der aus dem Geist geboren ist“; Hes 36,22; Joh 3,8). Tatsächlich werden am Anfang des Tausendjährigen Reiches die „Brüder“ des Herrn sowie die „Schafe“, die „Gerechten“, das heißt alle, die das Reich erben und in das ewige Leben eingehen, von neuem geboren sein. Die Ungläubigen dagegen werden in die ewige Pein gehen (vgl. Mt 25,31–46). Neben dem Wichtigsten, der Herrschaft unseres Erlösers als König der Könige, wird ein wesentliches Kennzeichen (wenigstens am Anfang) des Millenniums die Tatsache sein, dass alle Menschen von neuem geboren sind. Nur deshalb kann es die „Wiedergeburt“ genannt werden. Denn die übrige Schöpfung bleibt grundsätzlich, wie sie vorher war. Zwar werden in der Natur erhebliche Veränderungen stattfinden (s. Jes 11,6–8; 35,1; 65,17; 66,22), aber die Schöpfung als solche wird noch die alte sein. Schon das Vorbild der Sintflut zeigt, dass der gläubige Noah zwar eine gereinigte, aber nicht eine grundsätzlich neue Erde betrat. Der neue Himmel und die neue Erde werden erst nach dem Tausendjährigen Reich erstehen (Off 21,1). Der Begriff „Wiedergeburt“ in Matthäus 19,28 bezieht sich daher nicht auf die im Millennium herrschenden äußeren Umstände, sondern auf den sittlich erneuerten Zustand derer, die darin eintreten. Sie sind alle von neuem geboren. Das ist etwas, was es bis dahin noch nie gegeben hat. Daher ist es sehr verständlich, dass der Herr Jesus dieses Kennzeichen als Inbegriff des Tausendjährigen Reiches benutzt.
Dennoch sind die Begriffe „Wiedergeburt“ und „Tausendjähriges Reich“ nicht identisch. „Wiedergeburt“ ist das Teil aller, die in der jetzigen Zeit errettet werden, aber ebenso aller, die jemals an Gott geglaubt haben oder glauben werden – auch im Tausendjährigen Reich. „Wiedergeburt“ ist nichts anderes als „von neuem geboren“ oder „wiedergezeugt“ zu sein. Es gibt ja keine verschiedenen Arten der Erneuerung des menschlichen Herzens.
Das erste Kennzeichen der neuen Geburt ist die „Waschung“, die Reinigung von Herz und Seele durch das Wort Gottes. Das hatte Hesekiel dem Volk Israel mit den bereits zitierten Worten angekündigt: „Und ich werde reines Wasser auf euch sprengen, und ihr werdet rein sein; von allen euren Unreinheiten und von allen euren Götzen werde ich euch reinigen“ (Hes 36,25). Die Reinigung durch „reines Wasser“ entspricht den Worten „aus Wasser ... geboren“ in Johannes 3 und der „Waschung der Wiedergeburt“ in Titus 3. Der andere wesentliche Teil ist die „Erneuerung des Heiligen Geistes“.
Es ist dabei sehr beachtenswert, dass der Herr Jesus zu Nikodemus zwar vom Geborenwerden „aus dem Geist“ sprach (Joh 3,6.8), nicht aber „aus Wasser“. Daran sehen wir, dass das wesentliche Geschehen bei der neuen Geburt nicht die Reinigung durch das Wasser, sondern der Empfang des neuen Lebens durch den Geist ist. Man könnte nicht sagen: Was aus dem Wasser geboren ist, ist Wasser, wohl aber: „Was aus dem Geist geboren ist, ist Geist“. Dennoch gehört das Wasser unbedingt dazu. Diese Tatsache hebt der Heilige Geist in Titus 3 dadurch hervor, dass Er nicht einfach von der Waschung, sondern von der „Waschung der Wiedergeburt“ spricht. Die Waschung ist der erste Teil der Wiedergeburt.
Erneuerung des Heiligen Geistes
Das zweite und zugleich wesentliche Kennzeichen der neuen Geburt ist die „Erneuerung des Heiligen Geistes“. Sie entspricht den Worten des Herrn in Johannes 3,5: „aus ... Geist geboren“. Der Heilige Geist bringt in uns ein neues Leben, eine neue Natur hervor, die Ihm und damit Gott entspricht: „Was aus dem Geist geboren ist, ist Geist“ (Joh 3,6; vgl. Gal 5,25). „Der Geist ist es, der lebendig macht; das Fleisch nützt nichts“ (Joh 6,63). Auch diese Tatsache hat der Prophet Hesekiel im Blick auf das Volk Israel erwähnt, wenn es vor Anbruch des Tausendjährigen Reiches in sein Land zurückkehren und zu seinem Gott umkehren wird: „Und ich werde euch ein neues Herz geben und einen neuen Geist in euer Inneres geben; und ich werde das steinerne Herz aus eurem Fleisch wegnehmen und euch ein fleischernes Herz geben“ (Hes 36,26).
Die „Erneuerung des Heiligen Geistes“ ist ein einmaliges Geschehen, durch das Gott, der Heilige Geist, dem Menschen neues, göttliches Leben schenkt. Zwar beschreibt dasselbe Wort in Römer 12,2 einen fortlaufenden Prozess der „Erneuerung“ (griech. anakainōsis) des Sinnes im Gläubigen, aber hier ist es anders. Der Zusammenhang entscheidet. Vergessen wir nicht, dass es am Anfang von Vers 5 heißt: „... errettete er uns“. Die Errettung der Seele ist kein andauernder Prozess, sondern für jeden wahren Gläubigen eine vollendete Tatsache.
Gott kann mit dem alten Menschen und der alten Natur nichts anfangen. Wir hätten keine Möglichkeit, mit Ihm in Verbindung zu treten, wenn Er nicht das Alte beseitigte und etwas völlig Neues erschüfe. Beides kommt in der „Waschung der Wiedergeburt und der Erneuerung des Heiligen Geistes“ zum Ausdruck. Das Wesentliche ist dabei die Tätigkeit des Heiligen Geistes, der mit dem neuen Leben etwas vollkommen Neues in uns erschafft. Zugleich erfüllt Er unsere Gedanken mit den Dingen der neuen Schöpfung.
Die neue Geburt entspricht bei Petrus der „Heiligung des Geistes“ (1. Pet 1,2). Paulus sagt von den Korinthern, sie seien nicht nur „abgewaschen“, sondern auch „geheiligt“ (1. Kor 6,11). Durch die Waschung sind sie von allen Unreinheiten des Lebens ohne Gott gereinigt und durch die Heiligung für Ihn beiseite gesetzt. Dadurch sind sie von neuem geborene Menschen mit einem neuen Leben geworden.
Alle wahren Gläubigen in allen Zeiten haben Leben aus Gott empfangen. Ohne dies könnten sie keine Gemeinschaft mit Ihm haben oder in Seine ewige Herrlichkeit eintreten. Aber nachdem der Sohn Gottes als Mensch auf der Erde das ewige Leben offenbart (1. Joh 1,1f.) und das Erlösungswerk vollbracht hat, aufgrund dessen alle, die an Ihn glauben, auch Anteil an diesem Leben haben, hat es einen höheren Charakter erhalten: Es ist „Leben ... in Überfluss“ (Joh 10,10). Durch die Erneuerung des Heiligen Geistes haben wir dieses ewige Leben empfangen, von dem Paulus schon am Anfang des Titusbriefes sagt: „... in der Hoffnung des ewigen Lebens, das Gott, der nicht lügen kann, verheißen hat vor ewigen Zeiten; zu seiner Zeit aber hat er sein Wort offenbart durch die Predigt, die mir anvertraut worden ist nach Befehl unseres Heiland-Gottes“ (Tit 1,2). Vorher konnte niemand es in dieser reichen, vollen Form besitzen, weil erst das Erlösungswerk Christi die Grundlage dazu legte, damit wir es empfangen konnten. Denn wir besitzen das ewige Leben nur in Ihm, und Er ist unser Leben (Kol 3,4; 1. Joh 5,11.20b). Wenn wir Ihn betrachten, sei es als demütigen Menschen auf der Erde, sei es als verherrlichten Menschen zur Rechten Gottes, sehen wir das ewige Leben in seiner ganzen Fülle – unser Leben. Das ist ein unaussprechlicher Reichtum, ein unergründlicher Segen.
Diese Fülle des ewigen Lebens konnten die Gläubigen der Zeit des Alten Testaments nicht besitzen, weil sie Christus nicht kannten, in dem es offenbart wurde, weil sie nicht an ein vollbrachtes Erlösungswerk glauben konnten, und weil sie nicht den Heiligen Geist in sich wohnend besaßen. Sie hatten zwar dasselbe Leben – denn es gibt nicht mehrere Arten von göttlichem Leben –, aber sie besaßen es nicht in der Fülle, in der es heute offenbart ist und gekannt und genossen werden kann.
Ewiges Leben ist einerseits eine ewige Existenz (1. Mo 3,22). Es ist aber auch neues Leben von und bei Gott, das schon die Gläubigen vor dem Kreuz kannten (Ps 133,3; Dan 12,2). In der gegenwärtigen Zeit ist es jedoch mit dem Glauben an den Sohn Gottes verbunden (Joh 3,16.36; 6,40.47.54; 10,28; 17,2; 1. Joh 5,13). Es ist die Gnadengabe Gottes in Christus Jesus, unserem Herrn (Röm 6,23). Der Sohn ist der wahrhaftige Gott und das ewige Leben (1. Joh 5,20). „Dies aber ist das ewige Leben, dass sie dich, den allein wahren Gott, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen“ (Joh 17,3). Das ist das wunderbare Teil aller Erlösten in der gegenwärtigen Periode der Gnadenzeit, das Gott, der Vater, uns durch den Heiligen Geist geschenkt hat.
„Reichlich über uns ausgegossen“
Mit der Erneuerung des Heiligen Geistes in Verbindung mit der neuen Geburt ist das Werk Gottes in denen, die errettet werden, jedoch noch nicht zu Ende. Gott, der Heilige Geist, bringt nicht nur neues Leben in denen hervor, die geistlich tot waren, sondern Er nimmt auch Wohnung in denen, die von neuem geboren sind. Diese zwei Aktivitäten des Geistes müssen wohl unterschieden werden. Sie sind nicht miteinander identisch.
Die hier gebrauchte Ausdrucksweise, dass der Heilige Geist über die Gläubigen ausgegossen wird, geht ebenfalls auf das Alte Testament zurück. Im Buch des Propheten Hesekiel kündigt Gott an: „Und ich werde mein Angesicht nicht mehr vor ihnen verbergen, wenn ich meinen Geist über das Haus Israel ausgegossen habe, spricht der Herr, Herr“ (Hes 39,29; vgl. Jes 44,3; Hes 36,17; Sach 12,10). Zu Beginn des Tausendjährigen Reiches wird Gott jedoch nicht nur über die Angehörigen des Volkes Israel, sondern über alle Menschen auf der Erde Seinen Heiligen Geist ausgießen: „Und danach wird es geschehen, dass ich meinen Geist ausgießen werde über alles Fleisch“ (Joel 3,1).
Die zuletzt zitierte Stelle führt Petrus am Pfingsttag in Apostelgeschichte 2 an. Er erklärt damit die wunderbaren Folgen der Herabkunft des Heiligen Geistes: „Nachdem er [d. i. Christus] nun durch die Rechte Gottes erhöht worden ist und die Verheißung des Heiligen Geistes vom Vater empfangen hat, hat er dies ausgegossen, was ihr seht und hört“ (V. 33). Deshalb wird das Pfingstereignis zu Recht die Ausgießung des Heiligen Geistes genannt. Sie ist eine partielle Vorerfüllung der alttestamentlichen Weissagungen an den Gläubigen der jetzigen Zeit, an der Versammlung. Denn durch das Kommen des Geistes auf die Gläubigen wurden und werden sie nicht nur persönlich gesegnet, sondern dadurch wurden sie auch zu einem Leib getauft (1. Kor 12,13). Auf diese Weise entstand die Versammlung Gottes auf der Erde.
Die Ausgießung des Geistes ist nicht auf den Pfingsttag beschränkt, denn nach der Bekehrung des Kornelius und seines Hauses heißt es, dass die Gläubigen aus den Juden außer sich gerieten, als sie erkannten, „dass auch auf die Nationen die Gabe des Heiligen Geistes ausgegossen worden war“ (Apg 10,45). So schreibt auch Paulus an Titus, dass der Heilige Geist „reichlich über uns ausgegossen worden ist“. Zwar ist das Kommen des Heiligen Geistes am Pfingsttag ein großes, einmaliges Ereignis, und doch werden alle, die später an den Herrn Jesus glauben, auch als solche betrachtet, auf die der Heilige Geist ausgegossen wird.
Bevor der Herr Jesus Sein Erlösungswerk vollbracht hatte, konnte kein Gläubiger den Heiligen Geist besitzen. Wohl wirkte Er zeitweilig in bestimmten Personen, aber ausgegossen wurde Er erst, nachdem der Herr Jesus nicht nur Sein Werk am Kreuz vollbracht hatte, sondern auch zur Rechten Gottes verherrlicht war. Das wird in Johannes 7,39 gesagt: „Dies aber sagte er von dem Geist, den die an ihn Glaubenden empfangen sollten; denn noch war der Geist nicht da, weil Jesus noch nicht verherrlicht worden war.“ Auch der Herr Jesus selbst spricht mehrmals von der bevorstehenden Sendung des Geistes auf die Gläubigen (Joh 14,16; 15,26; 16,7–13; Apg 1,4.5.8). Im vorliegenden Abschnitt wird dies durch die Worte bestätigt: „den er reichlich über uns ausgegossen hat durch Jesus Christus, unseren Heiland“. Nur durch Ihn sind wir in den Besitz und den Genuss dieses Segens gekommen.
Zum Schluss noch einige Worte über den Ausdruck „reichlich“. Zeigt er uns nicht, wie groß der Reichtum der Gnade Gottes in Christus für uns ist? Sind wir uns immer bewusst, wie reich wir durch unseren Erlöser und Herrn sowie durch den Heiligen Geist gesegnet worden sind? Die reichliche Ausgießung des Heiligen Geistes über uns ist ein Teil der geistlichen Segnungen in den himmlischen Örtern, die wir in Christus, unserem Herrn empfangen haben (Eph 1).
- Wir sind durch den Heiligen Geist versiegelt und dadurch unverbrüchlich zu Gottes Eigentum erklärt (2. Kor 1,22: Eph 1,13; Eph 4,30).
- Der Heilige Geist ist das von Gott gegebene Unterpfand für unseren zukünftigen Besitz (2. Kor 1,22; 2. Kor 5,5; Eph 1,14).
- Er ist auch die Salbung, durch die wir zu jedem guten Dienst befähigt worden sind (2. Kor 1,21; 1. Joh 2,20.27; vgl. Apg 10,38).
- Er wohnt in jedem einzelnen Glaubenden, aber auch in der Versammlung als Ganzes (Röm 8,9.11; 1. Kor 3,16; 6,19; 2. Tim 1,14; Jak 4,5).
- Der Heilige Geist ist das Zeugnis Gottes in uns, dass wir Seine Kinder sind und Ihn „Abba Vater“ nennen dürfen (Röm 8,15.16; Gal 4,6; vgl. 1. Joh 3,24).
- Er verherrlicht den Herrn Jesus in uns, denn Er empfängt alles von Ihm und verkündigt es uns (Joh 16,14).
- Er leitet uns in die ganze Wahrheit (Joh 16,13).
- Er leitet uns als Söhne Gottes, die nicht unter Gesetz, sondern in der Gnade stehen und „im Geist“ wandeln (Röm 8,14; Gal 5,18).
- Er gibt uns die Freimütigkeit zum Nahen zu Gott, dem Vater (Eph 2,18).
- Durch Ihn bringen wir Gott den wahren Gottesdienst dar (Phil 3,3).
Das sind einige Auswirkungen davon, dass der Heilige Geist „reichlich über uns ausgegossen“ ist. Welcher Segen wäre es für die ganze Versammlung Gottes, wenn wir sie besser kennen lernten, uns mehr daran erfreuten und sie mehr praktisch auslebten!
Online seit dem 08.04.2013.