Wie kann man Lukas 22,36 verstehen?

Lukas 22,36: "Er sprach nun zu ihnen: Aber jetzt, wer eine Börse hat, der nehme sie und gleicherweise eine Tasche, und wer keine hat, verkaufe sein Kleid und kaufe ein Schwert."

Bibelstelle(n): Lukas 22,36; Epheser 6,17; 2. Korinther 10,3

Einleitung

Um recht zu verstehen, was der Herr in Lukas 22,36 meint, muss die Stelle im Kontext gesehen werden. Anderenfalls würde man Gefahr laufen denselben Fehler wie die Jünger zu begehen und die Aussage des Herrn falsch zu verstehen. Das könnte fatale Folgen haben, anstelle des Trostes den der Herr uns geben möchte.

Der Dienst des Herrn und der Dienst der Jünger

Nachdem der Herr Seinen öffentlichen Dienst begonnen hatte, wählte Er sich schon bald die 12 Jünger aus (Lk 6,13), die Ihn ständig begleiten sollten. In besonderer Weise sollten sie von Ihm lernen, um als „Ausgesandte“ für Ihn dienen zu können, wenn Sein Dienst auf der Erde einmal zu Ende sein sollte.

Doch genauso, wie der Herr Jesus die Jünger, um sich scharte um sie zu belehren, so sandte er sie auch aus, um „das Reich Gottes zu predigen und Kranke zu heilen“ (Lk 9,2). Dazu gab Er ihnen die notwendige Kraft. Weiterhin sagt Er ihnen in Vers 3, dass sie keinen „Stab noch Tasche, noch Brot, noch Geld, noch zwei Unterkleider“ mit auf den Weg nehmen sollten. In ähnlicher Weise sehen wir es in Lukas 10 bei der Aussendung der 70. Die Jünger hatten also keine Vorsorge für ihren Lebensunterhalt noch für ihre Sicherheit zu treffen, da der Herr selbst als Messias in Israel war, und für ihre materiellen Bedürfnisse sorgte. So gingen sie daher im Gehorsam und im Vertrauen auf Sein Wort, ohne eine einzige menschliche Hilfsquelle. Darauf nimmt der Herr in Lukas 22,35 Bezug, wenn Er die Jünger fragt, ob es ihnen dabei an irgendetwas gemangelt hatte. Doch es hatte ihnen an nichts gemangelt.

„Aber jetzt“

Der nächste Vers (V. 36) markiert einen Übergang (Wechsel) für die Jünger in ihrem Dienst für den Herrn. Dies macht der Herr durch die zwei Worte „aber jetzt“ klar. Was wir in Vers 35 gesehen haben galt bis jetzt, doch von nun an sollte sich etwas ändern. In wenigen Stunden würden die Menschen kommen, um den Messias gefangen zu nehmen. Seine Verwerfung würde nun ihren Höhepunkt in der Kreuzigung finden. Wenn Er, ihr Meister, verworfen wird, so würde die Feindschaft auch vor den Jüngern keinen Halt machen (vgl. Joh 15,18-27). Das macht es unerlässlich, dass die Jünger jetzt selbst für ihre Versorgung und ihren Schutz Sorge tragen mussten. Der Herr sagt: „... wer einen Geldbeutel hat, der nehme ihn, und ebenso eine Tasche, und wer keines hat, verkaufe sein Oberkleid und kaufe ein Schwert; ...“ „Geldbeutel“ und „Tasche“ stehen hier für ihren Inhalt. Einerseits sollten sie Geld mitnehmen, um bezahlen zu können, was sie für ihre Bedürfnisse brauchten, anderseits sollten sie Nahrung mitnehmen. Anders als zuvor konnten sie sich nicht mehr darauf verlassen, dass jemand sie als Boten des Messias aufnehmen würde und ihnen nach ihren Bedürfnissen gab, sondern sie mussten selbst dafür sorgen. Gleichfalls spricht das Schwert davon, dass die Jünger von nun an selber für ihren natürlichen Schutz sorgen mussten, da sie nicht mehr unter dem direkten und persönlichen Schutz des Messias stehen würden. Was der Herr hier durch die drei Gegenstände (Geldbeutel, Tasche und Schwert) sagen möchte ist, dass die Jünger nun eigenständig Versorgungs- und Schutzmaßnahmen ergreifen müssen. Damit haben wir die eigentliche Aussage dieser Verse erfasst.

Schwert und Kampf

Im letzten Teil des Verses fordert der Herr die Jünger auf auch ein „Schwert“ mitzunehmen, gegebenenfalls anstelle eines anderen, kostbaren Gegenstandes (Oberkleid). Kann man in diesem Vers auch eine Legitimation von Gewaltanwendung durch Waffen von Christen sehen?

Abgesehen davon, dass wir oben bereits die Aussage dieser Verse gesehen haben, kann weder aufgrund dieser, noch anderer Stellen in der Bibel, physische Gewaltanwendung legitimiert werden. Dazu einige Argumente:

  • Vers 38 zeigt uns, dass die Jünger in diesem Punkt den Herrn missverstanden hatten. „Herr, siehe, hier sind zwei Schwerter“. Sie hatten nicht verstanden, dass der Herr ihnen lediglich klar machen wollte, dass sie nicht mehr unter seinem direkten Schutz und seiner direkten Versorgung standen, sondern in Zukunft selbst dafür sorgen mussten. Die Jünger jedoch meinten, dass sie materielle Schwerter aus Eisen kaufen sollten. Doch in den Worten „es ist genug“ zeigt der Herr ihnen, dass das nicht das war, was Er versucht hatte ihnen zu sagen und wir hören in Seinen Worten die Traurigkeit über das Unverständnis der Jünger.
  • Wenige Verse später (Lk 22,47-51) wird der Herr im Garten Gethsemane gefangen genommen. Die besorgten Jünger fragen den Herrn: „Herr, sollen wir mit dem Schwert dreinschlagen?“ (V.49). Ohne eine Antwort abzuwarten, nimmt einer der Jünger das Schwert und schlägt dem Knecht des Hohenpriesters das Ohr ab. Ehe noch größerer Schaden passieren konnte, wehrt der Herr mit den Worten: „Lasst es soweit“ (V.51). Deutlichere Worte finden wir in der Parallelstelle in Matthäus 26,51: „Da spricht Jesus zu ihm: Stecke das Schwert an seinen Platz; denn alle, die das Schwert nehmen, werden durch das Schwert umkommen“. Wenn wir auch zugestehen wollen, dass diese Tat wohl aus Liebe geschah, so verurteilt der Herr dennoch dieses Verhalten.
  • Auch in der so genannten Bergpredigt macht der Herr deutlich, dass wir uns nicht wehren, wenn man uns tätlich angreift, und schon gar nicht zurückschlagen sollen. Ein Christ vergilt eben nicht „Gleiches mit Gleichem“.
  • Nicht zuletzt ist der Herr Jesus ein treffendes Beispiel und Vorbild in dieser Frage. In den letzten Stunden vor seinem Tod erlitt er Unsägliches aus der Hand der Menschen: bespuckt, ins Gesicht geschlagen, gegeißelt, man setzte eine Krone aus Dornen auf seinen Kopf und schlug darauf und schließlich kreuzigte man ihn (vgl. Mt 27,26-35). Wehrte er sich? Ohne Zweifel, er hätte es gekonnt (vgl. Mt 26,53). Der Apostel Petrus schreibt über den Herrn Jesus: „der, gescholten, nicht wiederschalt, leidend, nicht drohte, sondern sich dem übergab, der gerecht richtet“ (1. Pet 2,23). Als der Meister hat Jesus Christus so gelebt, wie er es auch von uns, seinen Jüngern, wünscht: „Denn auch Christus hat für euch gelitten, euch ein Beispiel hinterlassend, damit ihr seinen Fußstapfen nachfolgt“ (1. Pet 2,21).

Die „Waffe“ des Christen

Auch wenn der Christ keine physische Gewalt anwenden soll, so steht er dennoch in einem permanenten Kampf. Doch bei diesem Kampf handelt es sich nicht um einen Kampf wie wir ihn üblicherweise hier auf der Erde kennen, sondern um einen geistlichen Kampf (vgl. Eph 6,12). Auch der Apostel Paulus schreibt an die Korinther: „Denn obwohl wir im Fleisch wandeln, kämpfen wir nicht nach dem Fleisch; denn die Waffen unseres Kampfes sind nicht fleischlich [d.h. materiell], sondern göttlich [d.h. geistlich] mächtig zur Zerstörung von Festungen“ (2. Kor 10,3.4). Ein Kampf gegen geistliche Mächte kann eben nur mit geistlichen Waffen geschlagen werden.

Ein Christ ist nicht über die Umstände des täglichen Lebens erhaben, aber er durchlebt sie als himmlischer Mensch. Genau das möchte Satan mit aller verfügbaren List verhindern. Deshalb geraten wir in ein Spannungsfeld hinein, das zu Konflikt und Kampf führt. Diese Kämpfe können in den verschiedensten Situationen sein, sei es, zum Beispiel, wenn es um das Evangelium geht (vgl.1. Thes 2,2), die Lehre des Wortes Gottes, oder unseren persönlichen Wandel in Treue und Reinheit.

Das Bild des Schwertes wird noch einmal durch den Apostel Paulus aufgenommen, wenn er von dem „Schwert des Geistes, das Gottes Wort ist“ (Eph 6,17) spricht. Sowohl die Bedeutung des Schwertes als auch die Botschaft gehen über die von Lukas 22,26 hinaus. Wir erfahren hier welche geistliche Hilfe der Christ in seinen geistlichen Kämpfen bekommt. Es geht um das Erkennen und Verstehen des Wortes Gottes. Wer das Schwert des Geistes benutzt, wendet das Wort Gottes in einer bestimmten Situation unter der Leitung (Führung) des Heiligen Geistes an. Das kann sehr plötzlich und unerwartet geschehen und setzt somit voraus, dass wir das Wort Gottes auch kennen. Ein Beispiel gibt uns der Herr selber in Matthäus 4,1-11. Dreimal versucht Satan den Herrn und dreimal erwidert der Herrn mit: „es steht geschrieben“. Der Herr kannte die Schrift und konnte Satan widerstehen. Möge es so sein, dass wir, wie die 60 Helden in Hohelied 3,8, alle das Schwert führen und im Kampf geübt sind.

Zusammenfassung

Was für die Jünger damals neu war ist für einen Jünger Jesu heute von vornherein normal. Der Herr wurde gekreuzigt, nach drei Tagen stand Er wieder von den Toten auf und nach 40 Tagen fuhr Er in den Himmel auf. Dort sitzt Er jetzt zur Rechten der Majestät in der Höhe (Heb 1,3). Die Periode, die in Lukas 22,36 begann, dauert bis heute noch an.

In der bildhaften Ausdrucksweise – Geldbeutel, Tasche, Schwert – wollte der Herr den Jüngern damals (und uns heute) mitteilen, dass nun eine Zeit anbrechen würde, in der sie nicht mehr mit der Versorgung und Beschützung in der Form rechnen konnten, wie in der Zeit, als Er noch bei ihnen war.

Auch heute gilt, dass ein Christ, der meint, er müsse materielle Waffen im Kampf für das Evangelium, gegen Satan oder für den eigenen Schutz benutzen, die Aussagen der Bibel zu diesem Thema gründlich missverstanden hat, oder gar ignoriert. An keiner Stelle fordert die Bibel einen Christen dazu auf, Gewalt anzuwenden.

Auch wenn ein Christ Kämpfe zu bestehen hat, so sind dies „geistliche Kämpfe“. Durch den Heiligen Geist möchte der Herr Jesus uns in die Wahrheit hinein leiten (Joh 16,13), damit wir das „Schwert des Geistes“ in rechter Weise benutzen können.


Online seit dem 24.12.2009. Zuletzt bearbeitet am 28.11.2024.