Wie stehen die Gemeinde und Israel im Bild der Braut des Herrn zueinander?

Ist die Gemeinde (oder Versammlung) aus den Nationen der "Leib" oder die "Braut" des Christus? Und welches ist in diesem Zusammenhang die Stellung des Volkes Israel? Oder ist der "Leib des Christus" der Herr selbst, zusammen mit der Gemeinde, wobei Er das Haupt ist, und dann Israel Seine Braut?

Vor allem müssen wir, wenn wir die Bilder im Worte Gottes erklären wollen, uns vor Schlüssen der menschlichen Logik hüten, denn damit kommen wir unfehlbar zu kurz. Dadurch ist auch die Unklarheit, welche Ihre Frage verrät, entstanden. Wir müssen uns dabei unbedingt an das Schriftwort halten und uns den Tiefblick des Glaubens schenken lassen. Wir müssen uns immer bewusst sein, dass die uns von Gott geoffenbarten Gedanken weit über die menschliche Fassungskraft hinaus reichen, und eine Tiefe und Fülle enthalten, wofür menschliche Worte nicht ausreichen.

Die Gemeinde muss getrennt von Israel gesehen werden

Gerade für die Beziehungen zwischen dem Herrn und den Seinen ist uns eine so reiche Fülle an herrlichen und wichtigen Bildern geschenkt. Jedes Bild muss dabei durchaus für sich erfasst werden, nicht in Verquickung mit anderen Bildern. Ebenso muss die christliche Gemeinde im Neuen Testament (inkl. der gläubigen Juden der Gnaden-Ära) durchaus von Israel als Volk getrennt gehalten werden. Es sind dies zwei völlig selbständige Offenbarungen. Gerade diese Vielfalt macht die Schönheit und Fülle unseres Verhältnisses zu unserem hochgelobten Herrn aus. Jedes Bild zeigt eine andere Seite von dem, was der Herr für uns und wir für Ihn sind, uns selbst anscheinend parallele Bilder haben jedes seine eigene wichtige Bedeutung. So enthält z.B. das Bild "Vater und Kinder" das Ursprungsverhältnis, die Wiedergeburt in der Gott eigenen Natur, "Söhne und Erben" die Anwartschaft auf unsere Teilhaberschaft an der Herrlichkeit und unser Rechts- und Erbschaftsverhältnis, die Herrschaft mit dem Herrn Jesus; "Erstgeborener vieler Brüder", die Wesensgleichheit mit dem Herrn, wobei Er jedoch den fürstlichen Vorrang als ewiger Sohn Gottes hat, somit dennoch unser Herr ist. Da sind wir ferner Seine Knechte, genauer Sklaven, als Sein teuer erkauftes Eigentum, andererseits Seine Freunde und Genossen als vertraute Mitwisser Seiner Ratschläge und Beisitzer bei deren Erfüllung. Wir können hier nicht alle die köstlichen Bilder erörtern und wollen nur auf die beiden in Ihrer Frage berührten Verhältnisse, Leib und Braut, näher eintreten.

Die Gemeinde als der Leib Christi

Das Bild des Leibes zeigt, wie der Herr und die Gemeinde zusammen ein wunderbares organisches Ganzes bilden. Er ist dabei das leitende Haupt, und ebenso das Herz, von dem die aktive Liebe ausgeht, zu uns strömt, und wir sind die vielfach gearteten Glieder, und mit Ihm zusammen der Leib, wie Sie selber vermuten. Darum sagt 1. Korinther 12,12: "Denn so wie der Leib einer ist und viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber, obgleich viele, ein Leib sind: so auch der Christus." Es heißt hier der Christus, also mit Artikel, weil weder das Haupt allein, noch die Glieder allein den Leib bilden. Dieses Bild zeigt die Gemeinde als organische Einheit mit unserem Herrn, welcher als Haupt diese leitet durch Seinen Geist und ihr Kraft zum Wirken gibt, wobei jedes Glied seine eigene Gabe und Funktion hat, alle ein harmonisches Ganzes miteinander.

Das Bild vom Weinstock und den Reben scheint ein ganz paralleles Bild zu sein, hat aber dennoch seine besondere Bedeutung. Es zeigt den Strom des Lebens, der von den Wurzeln des Weinstocks ausgeht und zu allen Ästen und Zweigen bis zum entferntesten Blättchen fließt, und wozu? Um Frucht zu bringen, aus dieser wiederum neues Leben gleich dem des eigenen Ursprungs, in immer wiederkehrender, unveränderlicher Folge. In diesem Bild haben wir also den Gedanken des Wachstums und der Fortpflanzung. Beide Bilder sind somit von gleich großer Bedeutung und Wichtigkeit.

Die Gemeinde als die himmlische Braut Christi

Das wohl herrlichste aller Bilder, das vom Bräutigam und der Braut, nun beschreibt den tiefsten und zartesten Ausdruck des ureigensten Wesens unseres Herrn, Seiner Liebe zu den Seinen. Könnte eine feinere und innigere Darstellung der Liebe des Christus möglich sein, als wie sie der Heilige Geist durch Paulus in Epheser 5, 25-27 gibt? Unmöglich! Hier wird aber auch ganz deutlich gesagt, dass es sich auf die Versammlung oder Gemeinde bezieht, ebenso in 2. Korinther 11,2.

Es ist unerfindlich, wie man da das Volk Israel hineinziehen kann! Zudem wird in Offenbarung 19 und 21 der Ausdruck "Braut des Lammes" gebraucht, und in Kapitel 21 wird diese sogar "als vom Himmel herabkommend" gezeigt, was doch die ausschließliche Zugehörigkeit zur neutestamentlichen Offenbarung zeigt. Dies auf Israel anzuwenden, heißt dem Bilde eigentlich Gewalt antun. Warum soll die Gemeinde nicht die Braut des Christus sein, nur weil sie nach anderer Seite auch als Sein Leib dargestellt wird? Wir wissen doch, dass erst die neutestamentliche Offenbarung die Fülle, das Vorzüglichere ist. Das Ziel der Braut ist ein himmlisches, also ein höheres als das Israels. Wie kann man nun ausgerechnet das höchste symbolische Bild auf etwas Geringeres anwenden? Wie unlogisch ist dies doch!

Bilder Israels im Alten Testament

Allerdings wird auch das Verhältnis des HERRN zu Israel, Seinem irdischen Volk, ebenfalls in verschiedenen Bildern, zum Teil ähnlichen, wie die der christlichen Gemeinde, dargestellt, wiederum, um die verschiedenen Seiten desselben zu entrollen. Jedoch sind diese nur im Alten Testament enthalten, und zwar in Tendenz und Reichweite von den Bildern der christlichen Gemeinde unterschiedlich. Auch Israel ist allerdings als Braut oder Gemahlin des Herrn dargestellt, aber nie als Braut des Lammes, sondern nur als die des alttestamentlichen HERRN, anlehnend an den Charakter des Hauses Israels. Man darf diese daher keineswegs mit den neutestamentlichen Bildern verwechseln. Allerdings deutet das Hohelied Salomos auf Israel hin als Braut; aber wir suchen hier vergeblich nach einer Andeutung der Hochzeit, überhaupt einer Vereinigung beider, noch irgend etwas wie in Epheser 5, dass sich der Herr für seine Braut selbst hingegeben habe, um sie sich geheiligt und verherrlicht darzustellen, d.h. für den Himmel passend gemacht habe. Israel ist eben nur die irdische Braut, im Rahmen des Alten Testaments, während die Braut im Neuen Testament die himmlische Braut des Christus ist. Haben wir nicht im Alten Testament Vorbilder dieser doppelten Brautschaft? Z.B. in den Frauen Jakobs, wobei Lea die Mutter des Samens nach dem Fleisch, d.h. Israels, ist, und Rahel in ihren Söhnen die Mutter der Erbschaft und zukünftigen Herrschaft ist (siehe bei Jakobs Segen), und ebenso bei David, dem König, dessen erste Frau Achinoam die Frau nach dem Fleisch und die zweite, Abigail, diejenige nach dem Geiste und Glauben ist?


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