Können wir auch zu Hause anbeten?
Können wir auch zu Hause in einer gleich wohlgefälligen Weise anbeten, wie am Tisch des Herrn?
Ich möchte nicht gerne sagen, dass wir nur sonntags morgens, wenn wir um den Tisch des Herrn versammelt sind, um den Tod des Herrn zu verkündigen, anbeten können. In Hebräer 13 wird uns gesagt, dass wir allezeit (stets) ein Opfer des Lobes darbringen sollen. Es wäre auch wohl recht armselig, wenn wir nur sonntags morgens während der eineinhalb Stunde, die wir zusammen sind – an einigen Orten nur eine Stunde – wenn wir nur eine Stunde von sieben Tagen von je 24 Stunden, d.i. also insgesamt von 168 Stunden dem Herrn widmeten, um Anbetung darzubringen. Gott gebe, dass wir viel anbeten, und ich möchte insbesondere für die jüngeren Geschwister etwas aus meiner eigenen Erfahrung erzählen.
Mit 17 Jahren (ich war schon lange bekehrt) bekam ich die Gewissheit, dass meine Sünden vergeben waren. Aber noch zwei Jahre danach hatte ich keine Minute Freude; ich war zu sehr mit mir selber beschäftigt, zu sehr in Römer 7. Ich konnte nicht bekennen, bekehrt zu sein. Meine Mutter hat mich in dieser Zeit oft ermahnt: „Du musst dich bekehren, sonst gehst du verloren“; und ich hatte nicht den Mut zu sagen: „Mutter, ich bin bekehrt“. Ich dachte: Das kann sie ja doch nicht glauben, wenn sie den ganzen Tag lang sieht, wie du bist. Mit 19 Jahren fand ich dann endlich Frieden mit Gott. Ich sah, dass das Werk des Herrn Jesus genug war: nicht nur für meine Sünden, sondern auch für meinen Zustand. Ich sah: Gott kann mich nicht verbessern und hat mich darum in dem Herrn Jesus zum Tod gebracht. Gott hat mich angenommen, so wie ich bin. Der Herr ist für meine böse Natur gestorben. So fand ich Frieden mit Gott: Ich sah, dass Gott nichts mehr gegen mich hatte, und dann wurde ich glücklich.
Dann habe ich auch gleich angefangen, mich jeden Tag eine Stunde mit dem Wort Gottes zu beschäftigen. Ich war allein in meinem Zimmer, ich war nicht mehr zu Hause. Einige Jahre später führte der Herr es so, dass ich mich mehrere Stunden am Tag mit Seinem Wort beschäftigen konnte. Und ich weiß noch: alles war so neu für mich. Ich lernte die Wahrheit erst kennen. Ich las Gottes Wort und hatte eine Betrachtung dabei. Die deutschen Betrachtungen über das Neue Testament von Darby waren der einzige Leitfaden, den ich in diesen Jahren hatte. Wie wunderbar, wenn man sich die Mühe nimmt, Gottes Wort so zu studieren! Oft konnte ich nicht weiterlesen, weil ich erst danken, erst meine Hände falten musste, um vor Gott auszusprechen, wie glücklich mein Herz und wie voll es beim Sehen all dieser wunderbaren Gedanken Gottes war, die ich in Seinem Wort fand.
Das war Dank, das war auch Anbetung, von mir allein. Ja, die Gefühle von uns schwachen Menschen können so hochsteigen, dass es wirklich Anbetung ist. Aber wenn wir am Tisch des Herrn zusammen sind, vereinigen sich die Gefühle von anderen Brüdern mit meinen Gefühlen. Der eine Bruder sieht dies von dem Herrn Jesus, der andere das, ich sehe wieder anderes, und doch – wir alle zusammen sehen unseren treuen Herrn, so dass das mehr den vollen Charakter der Anbetung bekommt, als wenn ich allein bin. Ich sage das gewiss nicht, um der persönlichen Anbetung Abbruch zu tun; denn das würde den größten Schaden anrichten, wenn jemand das so auffasste. Denn der Herr liebt es, wenn wir uns persönlich mit Ihm beschäftigen und unseren Empfindungen auch persönlich Ihm und dem Vater gegenüber Ausdruck geben. Und der Vater liebt es ebenso. Aber wenn wir da zusammen sind, wo der Herr Jesus in der Mitte ist und wenn der Heilige Geist dann unsere Gedanken auf den Herrn Jesus und auf Sein Werk lenkt, werden dann nicht höhere Empfindungen in unseren Herzen wach? Wenn ich allein bin, ist der Heilige Geist auch in mir; denn Er wohnt in jedem Christen, in jedem, der Frieden mit Gott hat. Aber wenn wir zum Gedächtnis unseres Herrn versammelt sind, ist der Heilige Geist in besonderer Weise in der Mitte der Gläubigen – jedenfalls, wenn wir Ihm die Freiheit geben, wenn wir uns wirklich unter Seine Leitung und Zucht stellen, so dass Er wirken kann, wie Er will. So kann Er z.B. einen Bruder bewegen, einen Abschnitt vorzulesen, um unsere Gefühle zu wecken, um uns etwas Besonderes bei dem Herrn sehen zu lassen. Einen anderen Bruder gebraucht Er, um ein Lied vorzuschlagen, durch das unsere Gedanken wieder etwas mehr von der Herrlichkeit des Herrn und Seinem Werk sehen. Und wenn dann ein dritter Bruder wieder Gedanken ausspricht, die in unseren Herzen Wiederhall finden und durch die wir wieder etwas weiter kommen in dem Anschauen des Herrn – wenn das so ist, dann steigen aus aller Herzen geistliche Gefühle auf zur Anbetung. Der Heilige Geist wirkt sie in uns – das, was wir, Gott gebe es, in der Woche schon gesammelt haben. Und Anbetung, so vereinigt, wird natürlich einen höheren Charakter haben, als Anbetung von mir allein, wenn ich zu Hause bin.
Möge nun aber niemand denken, es sei nicht so wichtig, sich zu Hause mit dem Herrn zu beschäftigen, oder es sei nicht würdig, allein Ihm zu danken, Ihn zu bewundern und vor Ihm Selbst Ausdruck davon zu geben, wie herrlich Er für uns geworden ist. Denn das wäre für den Herrn ein großer Verlust und auch für uns selbst.
Online seit dem 29.10.2006.