Warum gibt es in den Evangelien Unterschiede bezüglich des Mitnehmens von Tasche, Geld, Stab und Sandalen?
Warum sind in Matthäus 10,9-11, Markus 6,8-10 und Lukas 9,3-4 Unterschiede betreff des Mitnehmens von Tasche, Geld, Stab und Sandalen?
Warum haben wir in Lukas 22,35-36 eine entgegengesetzte Verordnung?
Bibelstelle(n): Matthäus 10,9-11; Markus 6,8-10; Lukas 9,3-4; 22,35-36
Die Einzelheiten der verschiedenen Berichte lehnen sich an die Grundtendenz des betreffenden Evangeliums an. Was Matthäus und Lukas anbetrifft, sind diese Unterschiede nicht wesentlich. Wichtig ist jedenfalls, die Bedeutung der Anordnung zu erkennen. Sie muss aus den Gepflogenheiten im Orient verstanden werden. Wenn man dort auf die Reise geht, nimmt man alles mit, eine Tasche mit Proviant, Geld im Gürtel, einen zweiten Leibrock (Unterkleid), einen Stab und Sandalen. Ferner ist Gastfreundschaft im Orient heilige Pflicht; jedermann, auch Unbekannte, haben Anspruch auf dieselbe im ganzen Umfang und Verweigerung derselben gilt als schwerer Verstoß gegen den Anstand. Beiläufig sei auch das Verbot, jemand zu grüßen, berührt: die Begrüßungen im Orient sind nämlich nicht wie bei uns kurze Formeln, sondern eine lange gegenseitige Orientierung. Damit sollten die Boten des Christus keine Zeit verlieren. Nach Matthäus und Lukas wurden die Jünger ausgesandt, um das Königreich zu verkünden; sie gingen im Auftrage des Königs des Reiches, Jesus Christus, aus, der für sie sorgte. Sie sollten daher in ihrer Erscheinung dartun, dass sie diesem Reiche und diesem König angehörten, und nichts mangelten, sondern den Segen mitbrachten. Markus 6 dagegen zeigt ein etwas anderes Bild. Hier ist nicht vom Königreiche die Rede, sondern nur von der Predigt zur Buße. Die Sendung der Jünger war die durch die Verkündigung des Heils vervollständigte Fortsetzung der Predigt Johannes des Täufers; die Boten tragen den Charakter des Christus als des "Rufenden in der Wüste" (Jes 40,3-11). Daher sollen sie Sandalen tragen, "beschuht sein mit der Bereitschaft des Evangeliums des Friedens" (Eph 6,15), als Fremdlinge, worauf auch der Stab hindeutet.
In Lukas 22,35-36 ist nun die Situation eine wesentlich veränderte. Solange der Herr Jesus hier auf der Erde war, sorgte Er für Seine Jünger. Er war in das Seinige gekommen und hatte daher Anrechte auf Sein Volk; Er wirkte auch in diesem Sinn unter demselben. Nach Lukas 8,3 gab es ja viele, welche Ihm mit ihrer Habe dienten. Mit Lukas 22 aber beginnt die Leidenszeit des Herrn, und indem der Herr verworfen und von ihnen genommen werden sollte, wurde die äußere Lage für die Jünger eine andere. Sie - wie auch wir heute - befanden sich jetzt ebenfalls als Verworfene und Gehasste in einer gottfeindlichen Welt, von der sie nichts Gutes zu erwarten hatten. Sie konnten keine Freundschaft noch Gemeinschaft mit derselben haben, sondern waren, äußerlich betrachtet, auf sich selbst angewiesen. Aus diesem Grunde legt ihnen der Herr nahe, "ein Schwert zu kaufen", nämlich das Wort Gottes, und als Verworfene bedurften sie der Börse und der Tasche. Sie hatten mit Kampf, Anfechtungen und Entbehrungen zu rechnen. Was damals für die Jünger galt, gilt heute auch für uns: "Denn für den Namen sind sie ausgegangen und nehmen nichts von denen aus den Nationen" (3. Joh 7).
Online seit dem 07.09.2006.