Vorwort – Studienbibel
Altes Testament
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Vorwort zur 2. Auflage der Perlbibel, 1927
Der vorliegenden 2. Auflage der „Perlbibel“ möchten wir nur ein ganz kurzes Geleitwort mit auf den Weg geben.
Wir blicken mit freudigem Dank zu dem Gott aller Gnade empor, der es uns ermöglicht hat, nach langer, schwieriger Zeit wieder an den Druck dieser beliebten, handlichen Ausgabe heranzutreten und damit den langjährigen Wünschen vieler Freunde der „Elberfelder Bibel“ entgegenzukommen. Herzlich danken wir auch allen denen, die uns bei der Beschaffung der zum Druck erforderlichen erheblichen Mittel geholfen haben.
Eingegangene Verbesserungsvorschläge sind sorgfältig geprüft und zum größten Teil berücksichtigt worden. Wenn auch naturgemäß nicht alle Vorschläge angenommen werden können, sollte sich doch niemand dadurch abhalten lassen, uns auf vermeintliche Fehler, oder auch nur Ungenauigkeiten im Ausdruck und dergleichen aufmerksam zu machen. Wir sind aufrichtig dankbar für jeden Hinweis, umsomehr als wir nach wie vor unbedingt an der wörtlichen Eingebung der Heiligen Schriften festhalten und mit schmerzlichem Bedauern wahrnehmen müssen, daß man neuerdings vielfach auf eine schöne, fließende Sprache mehr Wert zu legen scheint als auf eine unbedingt genaue Wiedergabe der Worte Gottes.
Vorwort zur 1. Auflage der Perlbibel, 1905
Mit Dank gegen den Herrn übergeben wir die vorliegende zweite Taschenausgabe der „Elberfelder Bibel“ der Oeffentlichkeit. Um den Wünschen vieler nach einem kleineren und handlicheren Format zu entsprechen, haben wir uns entschlossen, diesmal die sogenannte Perlschrift anzuwenden, und zwar wählten wir lateinische Typen, weil diese in den kleinen Schriftgattungen klarer und leserlicher sind als die deutschen. Zur weiteren Beschränkung des Umfangs des Buches lassen wir das Verzeichnis der abweichenden Lesarten am Schlusse des Neuen Testamentes fehlen und bringen aus den Vorreden, welche die früheren Ausgaben begleiteten, nur einen längeren Auszug, um den Leser mit den Gesichtspunkten bekannt zu machen, welche die Uebersetzer geleitet haben, und die auch bei den späteren Bearbeitungen stets maßgebend geblieben sind.
Nach kurzer Besprechung der Beweggründe, welche die Uebersetzer veranlaßten, das Wort Gottes neu in die deutsche Sprache zu übertragen, fahren sie fort:
„Unsere Arbeit ist nicht eine Verbesserung der lutherischen Uebersetzung; denn auf diesem Wege kann der gewünschte Zweck nicht erreicht werden. Die vermittelst einer solchen Verbesserung eingefügten Sätze passen meistens nicht zu dem alten und würdigen Stil eines seit Jahrhunderten bestehenden Werkes. Die Vermischung liefert ein unangenehmes Stückwerk: das was von dem Alten geblieben, weckt den Wunsch nach dem, was durch die Veränderung beseitigt ist, sowie eine Abneigung gegen die eingefügte genauere Uebersetzung...“
Und weiter, in der Vorrede zum Neuen Testament: „...Durch die Herausgabe einer neuen Uebersetzung gibt man zu verstehen, daß man mit keiner der vorhandenen völlig zufrieden ist. Wir sind weit davon entfernt, die Mängel der Arbeiten anderer aufsuchen und lieblos richten zu wollen; jedoch beweisen die häufigen Anführungen des Grundtextes auf den Kanzeln, sowie die Verbesserungen der lutherischen Uebersetzung, sowie endlich die in den letzten Jahren erschienenen Uebersetzungen auf das klarste das Bedürfnis unserer Zeit.
„Als Gott zu Anfang des 16. Jahrhunderts Sein Licht vor den Augen der in tiefe Finsternis versunkenen Welt hervorbrechen ließ, wurde besonders Martin Luther von Ihm als Werkzeug ausersehen, die Wahrheit in Deutschland zu verbreiten. Dieser treue, glaubensstarke Arbeiter übersetzte zur Förderung des Werkes, welches Gott ihm anvertraut hatte, schon bald nach seinem ersten öffentlichen Auftreten die Heilige Schrift in die Sprache seines Volkes. Hierin folgten ihm andere Männer in verschiedenen Ländern nach, von denen etliche das Ziel ihres heiligen Eifers sogar um den Preis ihres Lebens erringen mußten. – Es sei fern von uns, die Mühe und Liebesarbeit dieser gesegneten Werkzeuge des Herrn gering zu achten; wahrlich, Gott selbst hat sie nicht gering geachtet, und viele Länder genießen seit mehr als drei Jahrhunderten die Frucht ihrer Mühe! Allein die Bedürfnisse unserer Zeit sind andere geworden. Während die Wirksamkeit des Heiligen Geistes vor dreihundert Jahren dahinging, die Fundamente der durch eine unzählige Menge menschlicher Satzungen und Ueberlieferungen verhüllten Wahrheit wieder aufzudecken, und für dieses Werk die Uebersetzung von Luther als ein unschätzbares Mittel segnete, ist Er in der Jetztzeit tätig, anderen Bedürfnissen zu entsprechen. In unseren Tagen geht man weiter als ehemals. Alles wird untersucht, die Schriften werden erforscht, und wer wollte dieses tadeln? Man will nicht nur einige, unbedingt zur Seligkeit erforderliche Wahrheiten, sondern die ganze Wahrheit und also die Gedanken und den Willen Gottes verstehen lernen, insofern es sich um Seine Ratschlüsse und Offenbarungen, sowohl in Bezug auf die Welt als auch auf die Kirche, handelt.
„Der Heilige Geist selbst macht uns aufmerksam auf die Notwendigkeit des Verständnisses des göttlichen Willens, als auf ein Mittel unserer Sicherheit in den letzten Tagen; und die Wertschätzung der Heiligen Schriften in diesen Tagen ist ein Beweis, daß Gott verehrt wird. Auch sind die Anstrengungen des Feindes hauptsächlich wider Sein Wort gerichtet. Während nun der Gelehrte dasselbe im Urtext untersuchen kann, ist dem Nichtgelehrten und der Sprache des Grundtextes Unkundigen der Weg dazu versperrt. Es war daher unser Bemühen und unser Zweck, diesen letzteren hilfreich die Hand zu bieten und ihnen mit wenigen Kosten eine möglichst treue und genaue Wiedergabe des Wortes Gottes in ihrer eigenen Sprache darzureichen. Freilich wird jede Uebersetzung mehr oder weniger mangelhaft sein, und wie groß die Schwierigkeiten sind, die Ausdrücke einer Sprache, zumal die der reichen griechischen, in eine andere zu übertragen, das werden allein diejenigen anerkennen, welche versucht haben, eine Uebersetzung in Ausführung zu bringen. Wir können jedoch mit gutem Gewissen behaupten, daß wir mit aller Sorgfalt gearbeitet haben, um das Wort Gottes möglichst treu wiederzugeben, und wir hegen die Hoffnung, daß selbst der ungeübte Leser unsere Uebersetzung einfach und verständlich finden wird.
„Wohl ist es möglich, daß wir manche Stelle in ein schöneres Deutsch hätten kleiden können; allein, ohne Sklaven der Wörter zu sein, leitete uns stets der Gedanke, daß eine möglichst treue Wiedergabe des Grundtextes jede andere Rücksicht überwiege, umsomehr als wir mit vollkommener Ueberzeugung an die göttliche Eingebung der Heiligen Schrift glauben, als der Offenbarung der unendlichen Weisheit Gottes und des Ausdrucks Seines gnadenreichen Charakters in Christo Jesu. Weil nun aber niemand die ganze Tragweite dieser Offenbarung zu erfassen vermag und oft in einem Satze ein das Verständnis des Uebersetzers übersteigender Sinn verborgen liegt, der in einer freien Uebersetzung verloren geht, in einer genaueren hingegen durch eine tiefere Belehrung des Heiligen Geistes gefunden werden könnte, so ist es eine gebieterische Notwendigkeit, das Wort des Grundtextes gleichsam wie in einem Spiegel wieder hervorzubringen. Selbstredend darf die Grenze, dieser Genauigkeit nicht so eng gezogen werden, daß dadurch der in eine andere Sprache übertragene Satz alle Verständlichkeit verlieren und folglich ohne Sinn bleiben würde.
„Ein weiterer Grund, die Uebersetzung so genau wie möglich zu geben, war die Ueberzeugung, daß es für den des Grundtextes unkundigen Leser nicht ohne Nutzen sein werde, etwas von dem Stil, den Gewohnheiten, den Gedanken und den Sitten der Schriftsteller der Evangelien kennen zu lernen. Denn da sowohl das Herz als auch das Verständnis in dem Worte Gottes Nahrung findet, so sind die von ihnen gewählten bildlichen Ausdrücke nicht ohne Wichtigkeit, und durch die Veränderung derselben können, selbst wenn der Sinn des Satzes unverändert bleibt, die Empfindungen des Herzens verloren gehen. Ueberhaupt bewegte uns stets das tiefe Gefühl, daß es das Wort Gottes sei, welches uns beschäftigte; und wir waren daher bemüht, dieses unser Werk, welches wir der Beurteilung rücksichtsvoller Richter anheimgeben, so verständlich und zugleich so wörtlich, wie uns irgend möglich, auszuführen. ...
„Wir hielten uns für verpflichtet, unserer Uebersetzung einen möglichst genauen Text, so wie ihn die mühevolle Arbeit der Gelehrten hergestellt hat, zu Grunde zu legen. Wie schon bemerkt, lag uns der Gedanke fern, eine kritische Ausgabe zu veranstalten; aber wir taten folgendes:
„Da wo die Gelehrten, nach Vergleichung der vorhandenen Manuskripte, in betreff der Lesart einstimmig waren, sind wir ihnen gefolgt; und wir dürfen zu unserer Freude sagen, daß sie, wenige Stellen ausgenommen, in allen wichtigen Fällen in der Lesart übereinstimmen. Infolge der von uns eingeschlagenen Methode mußten wir nicht selten von dem unvollkommenen, durch mancherlei Einschiebungen entstellten Texte des „Textus receptus“ abweichen, den fast alle früheren Uebersetzer in Ermangelung eines besseren ihrer Arbeit zu Grunde legten. ... Nur da, wo man in betreff der Veränderungen in der Lesart unschlüssig war, übersetzten wir nach dem Textus receptus.“ –
Immerhin konnte es trotz des Fleißes der Uebersetzer nicht ausbleiben, daß sich in jene erste Ausgabe manche Fehler und Ungenauigkeiten einschlichen, wie das ja bei jedem erstmaligen Versuch der Uebertragung des Wortes Gottes aus der schwierigen hebräischen Sprache in eine neuere der Fall sein wird. Außerdem wurde ihr zum Vorwurf gemacht, daß sie viele unnötige sprachliche Härten enthalte. Es war nun unser Bemühen, die späteren Auflagen von diesen Fehlern und sprachlichen Mängeln zu reinigen und möglichste Gleichmäßigkeit im Ausdruck herzustellen. Wir erstrebten indes, wie wir schon bei einer früheren Gelegenheit gesagt haben, „nicht so sehr Schönheit der Sprache, als vielmehr eine möglichst treue Wiedergabe des Urtextes“. Worte, die zur Abrundung und zum Verständnis in den Text eingeschoben werden mußten, sind durch schrägliegende Schrift kenntlich gemacht. Die eckigen Klammern [], die im Neuen Testament einzelne Worte oder Satzteile, hie und da auch kleinere oder größere Stellen einschließen, sollen nicht das Eingeklammerte als ungewiß oder zweifelhaft hinstellen, sondern nur andeuten, daß es in vielen guten Handschriften fehlt.
Wir fügen hier einige kurze Erklärungen über verschiedene Namen und Ausdrücke bei, welche dem Leser unverständlich sein möchten. Wir beginnen mit dem Alten Testament:
Die Namen Gottes.
a) El = der Starke. – b) Eloah. Bedeutet nach einigen: der Mächtige, Unumschränkte; nach anderen: der Furcht Einflößende. – c) Elohim (Mehrzahl von Eloah) = Gott, der Schöpfer und Erhalter des Weltalls, die Gottheit im absoluten Sinne. – Wo in dem Text der Name „Gott“ ohne Anmerkung vorkommt, steht im Hebräischen immer Elohim. – d) Jehova. Wir haben diesen Namen des Bundesgottes Israels beibehalten, weil der Leser seit Jahren an denselben gewöhnt ist. Er kommt in zweierlei Form vor: erstens, und das ist das Gewöhnliche, mit den Vokalen des Namens Adonai (Herr); zweitens mit den Vokalen des Namens Elohim, dies jedoch nur dann, wenn er in Verbindung mit dem Namen Adonai (d.h. also: Herr, Jehova) steht. Tatsächlich lesen daher die Juden im ersten Falle stets Adonai (Herr), im zweiten stets Elohim (Gott). Von den neueren Gelehrten wird fast einstimmig angenommen, daß anstatt Jehova oder Jehovi „Jahwe“ (d. i. der ewig Seiende, der Unwandelbare, vergl. 2. Mose 3, 14. 15; Jes 40, 28) zu lesen sei.
Der in 2. Mose 15, 2 und in den Psalmen häufig vorkommende Ausdruck Jah ist wahrscheinlich eine abgekürzte Form desselben Namens; sie weist vielleicht mehr auf das absolute als auf das immerwährende Dasein Jehovas hin.
Astoreth (Griech. Astarte) = eine weibliche Gottheit, welche von den semitischen Völkern als Mondgöttin oder Königin des Himmels (auch Liebesgöttin) verehrt wurde. – Astaroth = Bildsäulen der Astoreth. – Aschera (Mehrzahl Ascherim, seltener Ascheroth) = ein zu Ehren der Astoreth in die Erde gepflanzter Baumstamm ohne Wurzeln, aber mit stehengelassenen Zweigen, welcher gewöhnlich neben den Altären des Baal aufgerichtet wurde. An einzelnen Stellen gleichbedeutend mit Astoreth. – Baal (Herr) = die höchste männliche Gottheit der semitischen Völker, der Sonnengott. – Kamos = der höchste Gott der Moabiter, dessen Verehrung derjenigen des Molech ähnlich war. – Molech, auch Milkom (König) = der höchste Gott der Ammoniter, welchem Kinderopfer dargebracht wurden.
Scheol. Bedeutet ursprünglich wahrsch.: Senkung, Tiefe, und wird im ganzen Alten Testament in dem gleichen Sinne gebraucht wie das griechische Wort Hades im Neuen. (Sieh über letzteres die Vorrede zur ersten Ausgabe des Neuen Testamentes.)
Verbannen. Das hebr. Wort bedeutet eigentlich: abschneiden, ausschließen; daher in übertragenem Sinne: a) aussondern, weihen; b) dem Bannfluch anheimgeben, vertilgen. Die Ausdrücke: Verbanntes, zu einem Banne werden usw. erklären sich hieraus von selbst.
Bezüglich der Schreibung der Eigennamen sei schließlich noch bemerkt, daß wir bei den bekannteren Namen die hergebrachte Schreibweise beibehielten, während wir die seltener vorkommenden der hebräischen Form möglichst nachgebildet haben.
Aus den Erläuterungen zum Neuen Testament geben wir folgende wieder: „Wir haben, soweit es uns zulässig schien, den Stil eines jeden der verschiedenen Schriftsteller unverändert gelassen, indem wir unseren Zweck festhielten, das geschriebene Wort so treu wie möglich zu übersetzen. Wir haben da, wo für den Leser kein Mißverständnis entstand, stets den Satz in seiner ursprünglichen Form, wie wir ihn im Grundtext fanden, beibehalten, und uns nur dann, wenn eine Nachahmung jener Form Zweideutigkeiten hervorgerufen haben würde, eine Veränderung erlaubt, um, so gut wir es vermochten, den Sinn wiederzugeben. Da, wo eine Redeweise die Sitten des Morgenlandes bezeichnet, haben wir dieselbe nicht denen des Abendlandes anzupassen gesucht, um dem Leser auf diese Weise ein möglichst treues Bild jener Sitten und Gebräuche vor Augen zu führen, wodurch zugleich der Sinn mancher Stellen verständlicher wird. So erklärt z.B. die wörtlich wiedergegebene Redeweise: „zu Tische liegen“, wie Lazarus im Schoße Abrahams und Johannes im Schoße des Herrn lag. Man wird ohne große Mühe noch andere gleichartige Beispiele auffinden können. ...
„In der Apostelgeschichte wird man das Wort „Weg“ in einer besonderen Weise angewandt finden. (Apostelgesch. 19,9; 24,22.) Wir haben uns jedoch zu einer Umschreibung dieses Ausdrucks nicht veranlaßt gefunden, da der Leser bald verstehen wird, daß man in jener Zeit sich desselben in einer ähnlichen Weise bediente, wie man in unseren Tagen zur Bezeichnung der Christen das Wort „Pietist“ gebraucht. ...
„Eine fast unüberwindliche Schwierigkeit bot uns das mit „Taufe“ verbundene Vorwort eis dar, weil die deutsche Sprache kein Wort hat, welches dem griechischen in allen Fällen entspricht. Die Juden waren eis Mosen getauft. (1. Kor 10, 2.) In Beziehung auf den Namen Jesu übersetzten einige das griechische eis durch „auf“, andere durch „in“: „auf den Namen Jesu“, oder „in dem Namen Jesu“. In Röm 6, 3. 4 sagt der Apostel: „Wir sind getauft eis Christum Jesum eis den Tod“, mithin: „begraben durch die Taufe eis den Tod“. – Wollte man übersetzen: „getauft in Christum“, so würde man auch, dem Zweck dieser Handlung zuwider, sagen müssen: „getauft in Mosen“; und ein ähnliches Hindernis würde der Ausdruck „an Christum“ bieten, indem es dann auch gegen allen Sprachgebrauch „an den Tod“ heißen müßte. Für den Üebersetzer handelt es sich indes nicht um eine Lehre von der Taufe, sondern um eine möglichst genaue Uebersetzung, deren Ausführung, wie schon gesagt, sehr erschwert ist, weil die deutsche Sprache für das griechische eis kein entsprechendes Wort hat. Dieses, eine Richtung bezeichnend, kann, wenn von einem Orte die Rede ist, ohne Schwierigkeit übersetzt werden; z. B. „ich gehe nach Rom“. Wenn es jedoch in Bezug auf einen sittlichen Zweck, den man erreichen, oder eine Person oder Sache, der man sich anschließen will, angewandt ist, so ist für den Uebersetzer das Hindernis auf befriedigende Art nicht zu besiegen. Wir sind daher, gleich mehreren anderen Uebersetzern, gezwungen gewesen, die Frage mit Hilfe des Wörtchens „auf“ zu beantworten, so wenig uns auch unsere Wahl befriedigte.
„Der Ausdruck „zweit-erster Sabbath“ (Lk 6, 1) bietet auf den ersten Blick dem Verständnis einige Schwierigkeit dar, die jedoch bei einer näheren Beleuchtung der jüdischen Gebräuche schwinden wird. Das religiöse Jahr begann mit dem Monat Abib (d. i. grünes Korn), der von Mitte März bis Mitte April dauerte. In dem 23. Kapitel des dritten Buches Mose, wo wir die jüdischen Feste beschrieben finden, bemerken wir neben dem allgemeinen und wöchentlich wiederkehrenden Feste des Sabbaths, daß die Hauptfeste mit dem Passah (14. Abib) beginnen, und daß in unmittelbarer Verbindung damit verordnet wird, am Tage nach dem darauffolgenden Sabbath die Erstlinge des Korns in der Aehre zu opfern: ein Vorbild der Auferstehung Jesu, welche am Morgen nach dem Sabbath der Passahwoche oder des Festes der ungesäuerten Brote stattfand. Der auf den Tag des Passah unmittelbar folgende Sabbath war also der „erste“ oder Hauptsabbath; und nach der am anderen Morgen, dem ersten Tage der Woche, stattfindenden Darbringung der Erstlinge durfte man ernten und neues Korn essen, was vorher, selbst wenn die Frucht schon reif im Felde stand, nicht erlaubt war. An dem folgenden Sabbath, der mithin der „zweite“ nach dem „ersten“ oder Hauptsabbath war, sehen wir, da schon am ersten Tage der Woche die Opferung der Erstlinge geschehen war, daß die Jünger auf dem Wege Aehren aßen; und da man von diesem Tage an sieben Wochen oder Sabbathe bis zum Pfingstfest zählte, so war derselbe folglich der „erste“ dieser sieben Sabbathe, aber der „zweite“ in Bezug auf den Hauptsabbath des Passah. Nach diesen Erläuterungen glauben wir die Bezeichnung: „zweit-erster Sabbath“ gerechtfertigt und die Schwierigkeit für das Verständnis des Lesers gehoben zu haben.
„Die von uns gebrauchten, etwas fremd klingenden Ausdrücke: „der Christus, des Christus“ anstatt: „Christus, Christi“, sind von uns in der Absicht gewählt worden, um dadurch den Unterschied zwischen der Stellung und dem Namen des Herrn zu bezeichnen. „Christus“ ist nach dem Sprachgebrauch der Jetztzeit ein einfacher Name geworden; früher war das nicht der Fall. „Christus“ (griechisch) oder „Messias“ (hebräisch) bedeutet: „der Gesalbte“, den man nach der Verheißung Gottes erwartete. Dieses Wort ist also mehr als eine bloße Bezeichnung des Namens einer Person, wiewohl dieser Gebrauch schon in der Zeit, als die Schriften des Neuen Testamentes geschrieben wurden, aufkam; und da nach unserer Meinung die Bezeichnung der Stellung und die des Namens nicht verwechselt werden darf, so haben wir, um die Kraft des Wortes zu erhalten, da, wo es sich um den Namen handelt, „Christus“, wo aber mehr die Stellung des Messias, des Gesalbten, bezeichnet werden soll, „der Christus“ gesagt. Im Griechischen gibt an vielen Stellen der Artikel den Unterschied an.
„Der Leser wird ferner finden, daß wir „Nationen“ anstatt „Heiden“ übersetzt haben. Es ist dies aus dem Grunde geschehen, weil die letzte Bezeichnung, in unseren Tagen als Name für unbekehrte Götzendiener gebraucht, nicht überall am Platze ist. Allerdings waren alle Nichtjuden der alten Zeit Götzendiener, denn die Menschen waren von Gott abgewichen. Die Gnade jedoch, welche die Nationen besucht hat, veränderte alles; und obgleich diese im Gegensatz zu den Juden nicht aufgehört haben, „Nationen“ zu sein, so sind sie doch keine „Heiden“ mehr. Dies war die Ursache, weshalb wir „Nationen“ als eine allgemeine Bezeichnung wählten. Wir konnten nicht „Völker“ sagen, weil die Juden das vornehmste Volk waren. An den Stellen, wo ta ethnä eine Klasse bedeutet und nicht die Völker, haben wir das Wort durch den Ausdruck „die aus den Nationen“ übersetzt.
„Nicht minder auffallend wird man die Anwendung des nichtdeutschen Wortes „Hades“ finden. Der Grund zu dieser unserer Wahl war wichtig genug. Luther hat nämlich zwei Wörter durch „Hölle“ übersetzt, obwohl deren Bedeutung ganz und gar verschieden ist, indem durch den einen Ausdruck der Ort zukünftiger Qual, bereitet für den Teufel und seine Engel, durch den anderen aber im allgemeinen die unsichtbare Geisterwelt bezeichnet wird. Das hebräische Wort Scheol, welchem wir in den Büchern des Alten Testamentes so oft begegnen, bezeichnet dieselbe Sache. De Wette hat die etwas heidnische Bezeichnung „Unterwelt“ gebraucht. Da wir aber dasselbe Wort auf Christum, der ins „Paradies“ gegangen ist, angewandt finden, so zogen wir vor, das griechische Wort „Hades“ beizubehalten, auf daß es nicht mit „Hölle“ (gehenna), dem Orte ewiger Pein, verwechselt werde. Im „Hades“ kann sowohl Freude als Pein sein. Der reiche Mann und der arme Lazarus waren beide im Hades. In der Hölle ist nur Pein.
„Etwas ausführlicher müssen wir des gewöhnlich durch „Kirche“ oder „Gemeinde“, von uns aber durch „Versammlung“ übersetzten Wortes ecclesia gedenken. Wenn wir auch im allgemeinen bezüglich dieses Ausdrucks unbesorgt sein konnten, so dürfen wir es nie in betreff einer falschen Darstellung des Wortes Gottes sein. Das griechische Wort ecclesia bedeutet „Versammlung“ und bezeichnet besonders eine Versammlung derer, welche in den griechischen Staaten, ähnlich wie in einigen Republiken der Jetztzeit, Bürgerrecht hatten, gegenüber solchen Einwohnern, welche desselben ermangelten, und die den schwer zu übersetzenden Namen paroikos trugen, den wir durch „Fremdling“ oder „ohne Bürgerrecht“ verdeutscht haben. Daß wir ecclesia nicht durch „Gemeinde“ übersetzt haben, geschah deshalb, weil diese Bezeichnung die wahre Bedeutung des Wortes in seinem ursprünglichen Charakter nicht wiedergibt. Um daher jeder Begriffsverwirrung vorzubeugen, haben wir es durch „Versammlung“ übersetzt, und so findet es der Leser in Apostelgesch. 19, 41 unzweifelhaft gebraucht, wo wir lesen: „Der Stadtschreiber entließ die Versammlung“. Das Wort wird auf jede Art von Versammlung angewandt, sowohl auf diejenige der Kinder Israel in der Wüste, als auch auf diejenige der ins Theater stürzenden Aufrührer und Gesetzeseiferer zu Ephesus (Apostelgesch. 19); sowohl auf die allgemeine Versammlung der Christen im Himmel, als auch auf die sogenannte Gemeinde auf der Erde, auf die Versammlung an einem Orte oder auch in irgend einem Hause.
„Das Wort „Aelteste“ entspricht nicht vollkommen dem griechischen pres-byteros, weil dieses letztere, obwohl es unzweifelhaft für ein Amt gebraucht wird, in verschiedenen Stellen einen Gegensatz zu neoteros, Jüngere, bildet, der in dem deutschen Ausdruck ganz und gar verloren ist. Allerdings ist presbyteros nicht bloß ein alter Mann: presbytäs, sondern wird für die ganze Klasse der Alten, im Gegensatz zu den Jüngeren, gebraucht.
„Zu erwähnen ist ferner der durch „Diener“ übersetzte Ausdruck hypäretäs. Es gibt außer diesem Worte noch zwei andere, die ebenso übersetzt werden können, nämlich doulos und diakonos. Doulos ist ein Sklave; diakonos ein gewöhnlicher Diener, bei Tische usw.; hypäretäs aber ist mehr amtlich oder offiziell. Die ursprüngliche Bedeutung dieses Wortes ist „Ruderer“ und bezeichnet im allgemeinen jemand, der sich in einem bestimmten Dienst befindet. Da wir dieses Wort aber nur durch „Diener“ übersetzen konnten, so geben wir hier die Stellen an, in welchen es vorkommt: Mt 5, 25; 26, 58; Mk 14, 54. 65; Lk 1, 2; 4, 20; Joh 7, 32. 45. 46; 18, 3. 12. 18. 22. 36; 19, 6; Apstgsch. 5, 22. 26; 13, 5; 26, 16; 1. Kor 4, 1.
„Dem Leser wird in 2. Kor 2, 16 der ungewöhnliche Ausdruck „Wohlgeruch des Todes“ auffallen. Zum Verständnis desselben wird ihm die Bemerkung von Nutzen sein, daß dieser Ausdruck bildlich ist und auf die römischen Triumphzüge anspielt. Man verbrannte nämlich bei denselben wohlriechende Kräuter, Weihrauch usw. und tötete bei dieser Gelegenheit oft viele Gefangene, während andere Gefangene verschont wurden. Der „Wohlgeruch“ war also für die einen ein „Geruch des Todes“, für die anderen „ein Geruch des Lebens“. Ebenso, sagt der Apostel, sei auch das Evangelium, wenn es angenommen werde, ein Mittel des Lebens; wenn es aber nicht angenommen werde, so kostbar es auch sei, ein Anlaß zur Verurteilung.
Der mit den Sitten, Gebräuchen und Einrichtungen der damaligen Zeit wenig vertraute Leser wird nicht selten auf noch andere Ausdrücke stoßen, die unseres Erachtens, da wir sie ohne Umschreibung nicht deutsch wiederzugeben vermochten, einer kurzen Erläuterung bedürfen. Wir lassen sie der Reihe nach folgen.
Das „Prätorium“. Durch dieses Wort wurde das Hauptquartier eines römischen Lagers, wo der Oberbefehlshaber seine amtliche Stellung hatte, oder in Rom dasjenige der kaiserlichen Garde bezeichnet, und war also im allgemeinen das befestigte Hauptquartier der Kriegsknechte; und weil die von dem Kaiser abhängenden Landpfleger einer Provinz Prätoren hießen, so wurde auch der Saal, in welchem diese, wie der Oberbefehlshaber in dem Hauptquartier, Anordnungen trafen und Urteile fällten, „Prätorium“ genannt. Das Wort wird in allen diesen Bedeutungen, die erste ausgenommen, im Neuen Testament gebraucht, und wir haben es deshalb unverändert gelassen.
Das „Synedrium“ war die oberste Verwaltungsbehörde und der höchste Gerichtshof der Juden, der seine Sitzungen in Jerusalem abhielt, 71 Mitglieder zählte und aus Priestern, Schriftgelehrten und Aeltesten gebildet wurde; der jeweilige Hohepriester führte den Vorsitz in demselben.
Die „Synagoge“ war für das Judentum dasselbe, was heute für die bekennende Christenheit die „Kirche“ ist. Man brachte zwar die Opfer nur im Tempel dar, aber in den Synagogen fanden die gewöhnlichen Gottesdienste statt. Hier las man das Wort, hier predigte man; von hier ging auch die Zucht aus, indem man diejenigen, welche man nicht für treue Juden hielt, ausschloß.
„Asiarchen“ waren Beamte des prokonsularisehen Asiens (eines Teiles von Kleinasien), welche jährlich von den Vornehmsten der Provinz gewählt wurden, um bei den verschiedenen Götzendiensten als Vorsteher zu dienen und die zu Ehren der Götter gefeierten Festspiele abzuordnen.
Der „Areopagus“ war ein von Solon, dem Gesetzgeber von Athen, eingerichteter Gerichtshof, um sowohl über die Sitten der Athener, als auch darüber zu wachen, daß den Göttern die gebührende Ehre erwiesen würde. Diese Einrichtung wurde, obgleich ihrer Wichtigkeit beraubt, auch unter der Herrschaft der Römer beibehalten. Dieser Gerichtshof hielt auf dem Hügel des Mars oder Ares, wovon der Name „Areopagus“, d.h. Ares- oder Marshügel, abgeleitet ist, seine Sitzungen. Man kann daher Apstgsch. 17, 19 sowohl: „Sie führten ihn zum Areopag“ (oder Areshügel), als auch: „vor den Gerichtshof, genannt Areopagus“, übersetzen.
„Sandalen“ waren Sohlen, welche mit ledernen Riemen unter die Füße gebunden wurden. Als die römische Ueppigkeit sich ausbreitete, trugen die Männer Schuhe oder Halbstiefel, „hypodämata koila“, und, wie es scheint, später bloß hypodämata genannt. Im Neuen Testament finden sich sowohl „Hypodämata“ als auch „Sandalen“. Es ist jedoch nicht wahrscheinlich, daß jene Ueppigkeit die Jünger erreicht hat; und da die Schriftsteller des Neuen Testaments zwei Wörter für dieselbe Sache gebrauchen, so wird der Leser unter „Sandalen“ jene mit ledernen Riemen unter die Füße gebundenen Sohlen verstehen.
Münzen und Maße. Die genaue Kenntnis des Wertes der verschiedenen Geldmünzen ist nicht sehr wichtig, weil dieselben im Neuen Testament im allgemeinen nur gebraucht werden, um große oder geringere Summen zu bezeichnen, und dieser Unterschied aus den betreffenden Stellen selbst hervorgeht. Weil wir aber einige griechische Namen gebraucht haben, so geben wir hier den ungefähren Wert der verschiedenen Münzen an. Hinsichtlich der Drachme bemerken wir nur, daß einige den Wert derselben geringer angeben als wir. – Lepton: Ein halber Pfennig oder noch weniger; die kleinste Geldmünze. – Quadrans: so viel wie 2 Lepta. – Assarion (As) = 4 Quadrans oder 8 Lepta. – Denar: beinahe so viel wie eine Drachme. – Drachme: etwa 75 Pfennig. – Doppeldrachme: 1 Mk 50 Pfennig. – Mine (= 50 Sekel): die Silbermine ungefähr 125 Mark; die Goldmine ungefähr 2250 Mark. – Talent (= 60 Minen): der Wert eines Talentes war in den verschiedenen Ländern verschieden. Im Neuen Testament ist wahrscheinlich das syrische Talent gemeint. Das silberne Talent in Syrien belief sich nach heutigem Geldeswert auf etwa 7500 Mark, das goldene auf rund 135 000 Mark. – Chönix: ungefähr ein Liter. – Bath: 6 Hin (1 Hin = 12 Log) oder ungefähr 24 Liter. – Corus: 10 Bath oder etwa 240 Liter. – Stadium: ein Längenmaß, 600 griech. Fuß oder ungefähr 190 Meter betragend.
Gerade fünfzig Jahre sind verflossen, seitdem die erste Auflage des Neuen Testamentes unserer Uebersetzung erschien. Der Herr hat unserer geringen Arbeit Seine gnädige Anerkennung nicht versagt. Die Uebersetzung hat im Laufe der Jahre eine immer weitere Verbreitung gefunden und sich zahlreiche Freunde erworben. Möge der Herr auch dieser neuen Ausgabe Sein Geleit schenken und sie dazu beitragen lassen, daß Sein teures Wort mehr gelesen werde, zur Befestigung der Herzen in dieser bewegten letzten Zeit!
Vorwort zur Erstausgabe des Elberfelder Neuen Testaments (1855)
Neue Uebersetzung des zweiten Theiles der Heiligen Schrift genannt Neues Testament. Aus dem Urtext übersetzt von einigen Christen. Selbstverlag der Herausgeber. Elberfeld, 1855. Gedruckt bei Sam. Lucas.
Vorwort. [III]
Um den Leser in den Stand zu setzen, diese neue Uebersetzung mit größerem Nutzen gebrauchen zu können, ist es nothwendig, sowohl über den uns dabei vorgesetzten Zweck, als auch über die angewandten Mittel, denselben zu erreichen, so wie endlich über verschiedene Einzelnheiten etliche Andeutungen zu geben.
Durch die Herausgabe einer neuen Uebersetzung gibt man zu verstehen, daß man mit den vorhandenen nicht zufrieden ist. Wir sind weit entfernt, die Mängel der Arbeiten Anderer aufsuchen und lieblos richten zu wollen, jedoch beweisen die wiederholten Anführungen des Urtextes verschiedener Bibelstellen auf den Kanzeln, so wie die Verbesserungen der lutherischen Uebersetzung, so wie endlich die in den letzten Jahren erschienenen neuen Uebersetzungen auf das Klarste das Bedürfniß unserer Zeit.
Als Gott zu Anfang des 16. Jahrhunderts Sein Licht vor den Augen der in tiefer Finsterniß versunkenen Welt hervorbrechen ließ, ward besonders Martin Luther von Ihm als Werkzeug ausersehen, die Wahrheit in Deutschland zu verbreiten. Dieser Arbeiter voll Glaubens beschäftigte sich auch vornemlich mit dem Werke, welches Gott ihm anvertraut hatte. Er bediente sich, um diesen Zweck zu erreichen, der Bibel, welche er deshalb übersetzte. Hierin folgten ihm Andere in verschiedenen Ländern nach, deren Etliche sogar das Ziel ihres heiligen Eifers um den Preis ihres Lebens erringen mußten. – Es sei ferne von uns, die Mühe und die [IV] Arbeit der Liebe dieser gesegneten Werkzeuge des Herrn zu verachten; gewiß, Gott Selbst hat sie nicht verachtet, und viele Länder genießen seit drei Jahrhunderten die Frucht ihrer Mühe. Allein die Bedürfnisse unserer Zeit sind andere geworden. Während die Wirksamkeit des heiligen Geistes vor dreihundert Jahren dahin ging, die Fundamente der durch eine unzählige Menge menschlicher Satzungen und Ueberlieferungen verhüllten Wahrheit wieder aufzudecken und für dieses Werk die Uebersetzung von Luther als ein schätzbares Mittel segnete, ist Er in der Jetztzeit thätig, andern Bedürfnissen zu entsprechen. In unsern Tagen geht man weiter, wie ehemals. Alles wird untersucht; die Schriften werden erforscht, und – wer wollte dieses tadeln? – Man will nicht nur einige, unbedingt zur Seligkeit erforderliche Wahrheiten, sondern die ganze Wahrheit und also die Gedanken und den Willen Gottes verstehen lernen, insofern es sich um seine Rathschlüsse und Offenbarungen, in Bezug auf die Welt und in Bezug auf die Kirche, handelt.
Der heilige Geist Selbst macht uns auf die Nothwendigkeit des Verständnisses des göttlichen Willens, als auf ein Mittel unserer Sicherheit in den letzten Tagen, aufmerksam; und die Werthschätzung der heil. Schriften ist in diesen Tagen ein Beweis, daß Gott verehrt wird. Auch sind die Anstrengungen des Feindes hauptsächlich wider Sein Wort gerichtet. Während nun der Gelehrte dasselbe im Urtexte untersuchen kann, ist den Nichtgelehrten und des Urtextes Unkundigen dazu dieser Weg versperrt. Es war daher unser Bemühen und unser Zweck, diesen Letzteren hülfreich die Hand zu bieten und ihnen mit wenigen Kosten eine möglichst treu [sic] und genaue Darstellung des Wortes Gottes in ihrer eigenen Sprache darzureichen. Freilich wird jede Uebersetzung mehr oder weniger mangelhaft sein, und wir schätzen keineswegs unsere Arbeit so hoch, daß wir eine vollkommenere Ausführung derselben von anderer Hand in Abrede stellen. Wie groß die [V] Schwierigkeiten sind, die Ausdrücke einer Sprache, zumal die der reichen griechischen, in eine andere zu übertragen, das werden allein diejenigen anerkennen, welche versucht haben, eine Uebersetzung in Ausführung zu bringen. Wir können jedoch mit gutem Gewissen behaupten, daß wir mit aller Sorgfalt gearbeitet haben, das Wort Gottes möglichst treu darzustellen, und hegen daher die Hoffnung, daß selbst der ungeübteste Leser unsere Uebersetzung einfach und verständlich finden werde. Wohl möglich, daß wir manche Stelle in ein schöneres Deutsch hätten kleiden können; allein, ohne Sclaven der Wörter zu sein, leitete uns stets der Gedanke, daß eine möglichst treue Darstellung des Urtextes jede andere Rücksicht überwiege, um so mehr, da wir mit vollkommener Ueberzeugung die göttliche Eingebung der h. Schrift glauben, als die Offenbarung der unendlichen Weisheit Gottes und den Ausdruck Seines gnadenreichen Charakters in Jesu Christo. Weil nun aber Niemand die ganze Tragweite dieser Offenbarung aufzufassen vermag, und oft in einem Satze ein das Verständniß des Uebersetzers übersteigender Sinn verborgen liegt, welcher in einer freien Uebersetzung verloren geht, in einer genauern hingegen durch eine tiefere Belehrung des heil. Geistes gefunden werden könnte, so ist es eine gebieterische Nothwendigkeit, das Wort des Urtextes gleichsam wie in einem Spiegel wieder hervorzubringen. Selbstredend darf die Grenze dieser Genauigkeit nicht so enge gezogen werden, daß dadurch der in eine andere Sprache übersetzte Satz alle Verständlichkeit verlieren, und folglich ohne Sinn bleiben würde.
Ein anderer Grund, die Uebersetzung so genau als möglich zu geben, war die Ueberzeugung, daß es für den des Urtextes unkundigen Leser, nicht ohne Nutzen sein könnte, etwas von dem Styl, den Gewohnheiten, den Gedanken, den Sitten der Schriftsteller der Evangelien kennen zu lernen. Denn da sowohl das Herz, als auch das Verständniß in dem Worte Gottes Nahrung findet, so ist das von ihnen gewählte Bild [VI] der Ausdrücke nicht ohne Wichtigkeit, und durch die Veränderung desselben, selbst wenn der Sinn des Satzes unverändert bleibt, können oft die Empfindungen des Herzens verloren gehen. Ueberhaupt bewegte uns stets das tiefe Gefühl, daß es das Wort Gottes sei, das uns beschäftigte, und wir waren daher bemüht, dieses unser Werk, indem wir es der Beurtheilung rücksichtsvoller Richter anheimgeben, so verständlich und zugleich so wörtlich, als uns irgend möglich, auszuführen.
Zur Erreichung dieses Zwecks übersetzten wir zunächst nach dem Urtext; wir benutzten aber auch die Uebersetzungen von Luther, von de Wette, von von der Heydt, so wie die durch Meier verbesserte lutherische Uebersetzung; ferner die im Allgemeinen sehr wörtliche berleburgische, die holländische und englische Uebersetzung, welche letztere beide sehr genau und vortrefflich sind, und endlich die Polyglottenbibel von Stier, welche, außer einigen der genannten deutschen Uebersetzungen, noch mehrere andere enthält. Wir machen keinen Anspruch darauf, eine kritische Ausgabe der Oeffentlichkeit übergeben zu wollen; jedoch wollten wir dem der griechischen Sprache unkundigen Leser die Gelegenheit verschaffen, von der Frucht der Mühe der Gelehrten genießen zu können; und einige Worte über die Geschichte des Textes werden über das, was wir zur Erreichung dieser Absicht versucht haben, nähern Aufschluß geben.
Bis zu Ende des 15. Jahrhunderts, um welche Zeit die Druckerei erfunden wurde, waren die heil. Schriften, gleich allen andern Büchern, nur in Manuscripten zu finden. Die erste gedruckte Bibel verdanken wir dem Kardinal Ximenes. Es wurde nämlich ein großes Werk von Manuscripten in Spanien zusammen gestellt, welches man nach dem lateinischen Namen des Ortes, wo es vollendet wurde, Complutensis nannte. Man sagt auch, daß einige Manuscripte von Rom gesandt worden seien, was jedoch von anderer Seite verneint wird; und so weiß man nicht genau, welche die Quellen waren, [VII] woraus jene, auf Kosten des Kardinals arbeitenden Gelehrten schöpften. Lange vermißte man diese Manuscripte, und erst in neuerer Zeit versichert man, daß sie in Madrid aufgefunden seien. Auch macht man jener Ausgabe den Vorwurf, daß sie zu sehr der Vulgata, das ist der lateinischen Uebersetzung, gefolgt sei; jedoch sind die Gelehrten, für welche allein dieses Werk geeignet ist, hierüber nicht einstimmig. Obgleich dieses kostbare und gelehrte Werk das erste war, das gedruckt wurde, so war doch bereits zwei Jahre vor diesem ein kleineres von Erasmus veröffentlicht, der, da in jener Zeit die Manuscripte nicht so zugänglich, wie in unsern Tagen, waren, nur wenige derselben und dazu noch unvollkommene, ja sogar in Betreff der Offenbarung nur ein einziges schlechtes benutzen konnte, welchem letzteren obendrein das 21. und 22. Kapitel fehlten, so daß er, um dennoch sein Werk zu vollenden, sich gezwungen sah, das Fehlende durch Uebersetzung aus der Vulgata in das Griechische zu ergänzen.
Zu Ende des 16. Jahrhunderts veröffentlichte R. Stephanus in Paris eine Ausgabe, die er mittelst Vergleichung von dreizehn, in der französischen königlichen Bibliothek aufgefundenen Manuscripten, so wie nach einem andern, angeblich von seinem Sohne Heinrich untersuchten, bearbeitet hat, welches letztere zu jener Zeit Beza gehörte, jetzt aber in Cambridge aufbewahrt wird. Am Ende des 16. Jahrhunderts veröffentlichte Beza selbst eine Ausgabe des neuen Testaments, nebst einer Uebersetzung desselben. Die meisten der europäischen Uebersetzungen sind daher nach der einen oder andern dieser früheren Ausgaben bearbeitet. Es war auch eine etwas später in Holland erschienene Ausgabe des Urtextes vom neuen Testament wenig von der Stephanischen verschieden, obgleich man sich erkühnte, ihr den Titel: Textus ab omnibus receptus (allgemein angenommener Text) zu geben, unter welchem sie bis jetzt noch immer bekannt ist.
Der fromme und gelehrte Bengel in Deutschland be- [VIII] mühte sich, einen genauern Text durch eine weitere Untersuchung zu erlangen, und war, soviel wir wissen, der Erste, der auf die Classen der zahlreichen Manuscripte (gewöhnlich Familien genannt) die Aufmerksamkeit wandte. Auf die Einzelnheiten dieses Gegenstandes dürfen wir uns hier nicht näher einlassen, sondern nur im Allgemeinen andeuten, daß zwei Haupt-Classen der griechischen Manuscripte, die sogenannte Alexandrinische und die Konstantinopolitanische, die gewöhnlichsten sind. Zu der ersten Classe gehören fast alle die ältesten Manuscripte, zu der zweiten die bei Weitem größte Zahl, welche, mit Ausnahme einiger, später geschrieben sind.
Nach Bengel ließ Mill, ein gelehrter Engländer, viele Manuscripte an verschiedenen Orten untersuchen, und setzte, ohne den Textus receptus zu verändern, die nach seiner Meinung genaueste Lesart unter den Text [Er nahm die Stephanische dritte Ausgabe (in Folio) in Paris 1550 als seinen Text auf.]. Ihm folgte Wetstein in Holland, welcher gleichfalls den Textus receptus unverändert ließ, und die von ihm vorgezogenen Lesarten unter den Text setzte, dabei aber viele andere Manuscripte nachschlug und Anmerkungen hinzufügte, die, wenn auch einerseits oft unglaublich, anderseits sehr nützlich sind, weil sie eingeführte Stellen von griechischen, lateinischen und jüdischen Schriftstellern enthalten, um die Anwendung der in dem Text gefundenen Wörter und Ausdrücke zu erläutern. Wir können hier jedoch einige mehr oder weniger wichtige und unserm Zweck fern liegende Ausgaben unberührt lassen und der Bemühung Griesbach's gedenken, der die durch Mill und Wetstein begonnene Untersuchung vieler werthvollen Manuscripte mit großem Fleiße fortsetzte, und noch andere untersuchte, indem er dieselben, um den Text so genau, als möglich einzurichten, mit sorgfältiger Nachforschung verglich. – Ohne weiter von Birsch, einem dänischen Gelehrten, der reiche Sammlun- [IX] gen [Zufolge eines Brandes in Kopenhagen hat Birsch nur die Evangelien, so wie seine Sammlungen der verschiedenen Lesarten des übrigen Theils des neuen Testaments herausgegeben.] ähnlicher Art veranstaltete und besonders das Vaticanische Manuscript in Rom verglich, von welchem auch Bentley, ein englischer Kritiker, die Lesarten erhielt, und von Matthiä, der die russischen Manuscripte verglich, und eine auf dieselben gegründete Ausgabe veröffentlichte [Diese gehören jener zahlreichen und spätern Classe von Manuscripten, genannt die Konstantinopolitanische, an. -], so wie endlich von vielen andern nicht sowohl bekannten Ausgaben in Deutschland und England zu reden, nennen wir noch die Arbeit von Scholz in Bonn, der den Vorrath der nachgeschlagenen Manuscripte um Vieles vermehrte, ferner die von Tischendorf und Lachmann, welche diese Untersuchungen fortsetzten, und zum Schluß die von Alter, die die vortrefflichsten Manuscripte der kaiserlichen Bibliothek in Wien verglich und veröffentlichte.
Diesen Untersuchungen nun verdanken wir es, daß wir, anstatt jener dreizehn Manuscripte, welchen man sich, was einzelne derselben, deren Identität nicht nachgewiesen ist, betrifft, nicht ganz zu vertrauen wagt, jetzt, theils von dem ganzen neuen Testament, theils von einem Theil desselben, etwa sechshundert besitzen, welche, um die durch öfteres Nachschreiben eingeschlichenen Fehler zu corrigiren, mehr oder weniger verglichen sind. –
Um den nichtgelehrten Lesern eine weitere Vorstellung von den Quellen zu verschaffen, aus denen man zu schöpfen im Stande war, fügen wir noch hinzu, daß das neue Testament seit den ersten Jahrhunderten übersetzt worden ist. Wir nennen die syrische [Peschito genannt; eine andere ist später gemacht.] und die italische Uebersetzung, die wahrscheinlich im 2. Jahrhundert bearbeitet sind, und welche letztere im 5. Jahrhundert durch Hieronymus verbessert und fortan unter dem Namen Vulgata von den Katholiken [X] gebraucht wurde. – Diesen Hülfsmitteln muß man die zahlreichen Anführungen aus den heiligen Büchern hinzufügen, welche sich in den Schriftstellern nach dem Tode der Apostel, in einem derselben vor dem Tode Johannis, vorfinden, indem diese mit mehr oder weniger Genauigkeit das in ihrer Zeit in den Schriften Gelesene mittheilen. Von solchen Mitteln haben auch die genannten Herausgeber des neuen Testaments fleißig Gebrauch gemacht, um den Text so genau und vollkommen, als möglich darzustellen; und wunderbar ist es, daß, einige ungewiß bleibende Einzelnheiten abgerechnet, trotz der verschiedenen Systeme und Theorien bezüglich der Manuscripte, dieselben in fast allen erheblichen Veränderungen einstimmig sind. Die Vorsehung Gottes hat ungeachtet der Schwachheit der Menschen über Sein Wort gewacht, so daß, während man von den berühmtesten und viel gelesenen Klassikern, wie z. B. von Virgil, nur etwa sechs Manuscripte auffinden konnte, man von dem wenig gelesenen und der Welt unbekannten neuen Testament schon im Besitz von etwa sechshundert Codices gelangt. Und selbst die Thatsache, daß diese in Klöstern und öffentlichen Bibliotheken aufbewahrten Manuscripte unbenutzt geblieben sind, ist ein Mittel gewesen, sie desto sicherer und unveränderter jetzt in unsern Händen zu haben. Gott sei Dank! Das schlechteste und mit großer Nachlässigkeit geschriebene Manuscript enthält die ganze Wahrheit und Alles, was nöthig ist, unverfälscht, und die Fehler, welche sich durch Nachschreiben eingeschlichen haben, sind durch Vergleichung einer so großen Anzahl beinahe alle beseitigt. Außer diesen augenscheinlichen Fehlern sind andere dadurch entstanden, daß man Worte, um gewisse Stellen des Textes durch klarere Ausdrücke verständlicher zu machen, als Randbemerkungen beifügte, und sie nach und nach dem Texte einverleibte. Einige dieser Manuscripte sind 1200–1300 Jahre alt.
Der schon erwähnte Griesbach führte nicht nur seine Untersuchungen weiter, als alle seine Vorgänger, aus, son- [XI] dern rief auch noch eine wichtige Veränderung ihres Planes hervor, indem er nicht wie jene den nach einigen Manuscripten von ungewissem Werth gebildeten Text, sondern den, welchen er nach sorgfältiger Prüfung als den Urtext bewährt fand, als den seinigen aufnahm, die Veränderungen aber durch kleinere Typen darstellte und die von ihm verworfenen Lesarten unter dem Texte beifügte. Seitdem sind die meisten Herausgeber diesem Plane gefolgt, indem auch sie den nach ihrer Meinung genauesten Text herausgaben.
Wir haben keinen Grund gefunden, den Lesern die Uebersetzung eines unvollkommenen, auf wenig bekannten Manuscripten gegründeten Textes, anstatt eines solchen zu geben, welchen die mühevolle Sorge der Nachsuchung in möglichster Genauigkeit gebildet hat und der daher der Vollkommenheit am nächsten liegt. Wie schon bemerkt, konnten wir die Einrichtung einer kritischen Ausgabe nicht unternehmen; – wir thaten folgendes:
Da, wo die Gelehrten, nachdem sie zur Erreichung eines genauen Textes die vielen Manuscripte verglichen und alle andere vorhandene Mittel benutzt haben, in Betreff der Lesart einstimmig waren, sind wir ihnen gefolgt; und zur großen Freude dürfen wir sagen, daß sie, wenige Stellen ausgenommen, in allen wichtigen Fällen in der Lesart einstimmig sind. Dazu haben wir die verworfene Lesart d. h. die Uebersetzung des unvollkommenen Textes (Textus receptus), welchen auch die früheren Uebersetzer in Ermangelung eines bessern übersetzten, mit der Anmerkung: „Einige lesen“, – oder: „Einige fügen hinzu“, – unten an der Seite beigefügt. Der nicht gelehrte Leser kann diese Noten ganz unbeachtet lassen, indem wir sie nicht als etwas Ungewisses oder Zweifelhaftes, sondern aus dem Grunde beifügten, um dem Einwurfe zu begegnen, als hätten wir nach Willkühr oder aus Nachlässigkeit diese oder jene Stellen verändert. Nur da, wo man im Betreff der Veränderungen in der Lesart unschlüssig war, übersetzten wir [XII] nach dem Textus receptus. – Wenn ferner der Leser unten als Note das Wörtchen: „Oder“ findet, so soll dadurch angedeutet werden, daß die betreffenden Wörter oder Sätze noch eine andere Uebersetzung zulassen. Ebenso, wenn es in der Note „Buchstäblich“ heißt, soll damit gesagt werden, daß eine wörtliche Uebersetzung des Textes zu sehr der Verständlichkeit ermangeln würde, und daher haben wir es, da dennoch oft in dem buchstäblichen Ausdrucke eine Kraft verborgen liegt, vorgezogen, diesen als Note beizufügen. Endlich zeigen die dem Texte in kleineren Buchstaben beigefügten Wörter an, daß sie nicht im Urtext stehen, sondern nothwendig waren, um den Satz in der deutschen Sprache verständlich zu machen.
So wie wir nun schon über Einzelnheiten zu sprechen begonnen haben, fahren wir fort, nebst der Erklärung etlicher Punkte, noch Einiges hinzuzufügen, welches dem Leser bei Benutzung unserer Arbeit behülflich sein könnte.
Wir haben schon bemerkt, daß wir da, wo es uns zulässig schien, den eigenthümlichen Styl eines jeden der verschiedenen Schriftsteller unverändert ließen, indem wir unsern Zweck festhielten: das geschriebene Wort so treu als möglich zu übersetzen. So mag z. B. das Wörtchen „sagend“, anstatt „und sagte“, – dem deutschen Ohr nicht wohl klingen; allein da die eine Redeweise so verständlich wie die andere ist, so haben wir kein Bedenken getragen, das Wort nach griechischem Gebrauche wiederzugeben. Will Jemand die Ausdrucksweise des Lukas, wo es oft heißt: „Ein gewisser Mensch, eine gewisse Person oder Sache,“ – so wie die des Markus tadeln, wenn er zu sagen pflegt: „antwortete und spricht“; – so bemerken wir einfach, daß man nicht ein schönes Deutsch, sondern die Evangelisten lesen soll. Ueberhaupt bietet in Lukas der grammatische Zusammenhang mancher Stellen wegen ihres fließenden und oft unterbrochenen Styles manche Schwierigkeit dar. Nichts desto weniger haben wir da, wo für den Leser kein Mißverständnis entstand, stets den Satz [XIII] in seiner ursprünglichen Form, wie wir ihn im Urtext fanden, beibehalten, und uns nur da, wo eine Nachahmung jener Form Zweideutigkeiten hervorrufen würde, eine Veränderung erlaubt, um nach unserm Vermögen den Sinn wieder zu geben. So finden wir z. B. im Lukas an vielen Stellen das Wörtchen „und“, wo wir es, um verständlich zu sein, durch „daß“ übersetzen mußten. (Siehe Luc 2, 15.; 5, 1. 17.; 9, 28.; 14, 1.)
Da, wo eine Redeweise die Sitten des Morgenlandes bezeichnete, haben wir dieselbe, denen des Abendlandes nicht anzubequemen gesucht; weil durch ein wirkliches Gemälde derselben alle dort erwähnten Umstände dem Leser anschaulicher vor die Augen gestellt werden.
Auch glauben wir, daß die Darstellung der Sitten und Gebräuche in ihrem ursprünglichen Charakter, (wie z. B. „zu Tische liegen“, anstatt „zu Tische sitzen“), uns nicht nur oft die ganze Scene lebhafter gemalt vorführt, sondern auch, wenn gleich Anfangs unserer Anschauung meist fremd, geeignet sind, manche Stellen in ein helleres Licht zu setzen. So erklärt z. B. die buchstäblich angeführte Redeweise „zu Tische liegen“, wie Lazarus im Schooße Abrahams, und Johannes im Schooße des Herrn lag; und man wird ohne große Mühe noch andere gleichartige Beispiele auffinden können.
Einige Worte erfordern eine ausführlichere Erklärung.
In Mk 14, 72. übersetzten wir: „Als er daran gedachte, weinte er.“ – Jedoch ist die Meinung Vieler über die Bedeutung des durch „als er daran gedachte“ übersetzten Wortes sehr getheilt, indem es Einige durch: „Er ging plötzlich hinaus“, – Andere: „Er bedeckte sein Angesicht“, Andere: „sehr“, Andere: „Er fing an“, Andere: „Jesum anschauend“ – übersetzten. Da der buchstäbliche Sinn heißt: „Er warf an“, so haben noch Einige, ein Objekt hinzufügend, gesagt: „Er warf einen Blick auf Ihn“, oder „Er warf den Mantel über [XIV] seinen Kopf“; während wieder Andere einen idiomatischen Gebrauch des Wortes suchen, wie z. B.: „Er fing an“. –
In der Apostelgeschichte wird man das Wort „Weg“ in einer besonderen Weise angewandt finden. (Apostgesch. 24, 22.; 19, 9.) Wir haben uns jedoch zu einer etwaigen Umschreibung dieses Ausdrucks nicht veranlaßt gefunden, da der Leser bald verstehen wird, daß man in jener Zeit sich desselben in einer Weise bediente, wie man in unsern Tagen zur Bezeichnung der Christen das Wort „Pietist“ gebraucht.
Sowohl um die Uebersetzung einiger Stellen, im Blick auf die Eigenthümlichkeit im Style des Evangelisten Lukas zu rechtfertigen, als auch eine für Viele schwer zu verstehende Stelle selbst zu erklären, machen wir darauf aufmerksam, daß Lukas nicht selten die dritte Person der Mehrzahl eines aktiven, anstatt eines passiven Zeitworts gebraucht, und zwar selbst dann, wenn keine Thätigkeit vorhanden ist. Wir führen hier zum Beweis mehrere Stellen an: Luc 6, 38. lesen wir: „Sie werden geben“, – und in demselben Verse: „Sie werden messen“, – was so viel heißt, als: „Es wird gegeben werden, – es wird gemessen werden“; – und ebenso passend würde es sein, wenn auch nicht in allen Fällen, zu sagen: „Man wird geben“. – Die Stelle Vers 44: „Die Feigen werden nicht von den Dornen gelesen“, – oder: „Man lieset nicht Feigen von den Dornen“, – heißt im Griechischen: „Sie lesen nicht &c.“ – Kap. 14, 34.: „Sie warfen es aus“, heißt nur: „Es ist ausgeworfen“, – oder: „Man wirft es aus“. – Kap. 12, 20. heißt es: „Heute Nacht werden sie deine Seele von dir fordern“. – Hier würde es nicht passend sein zu sagen: „Man wird deine Seele fordern“, sondern: „sie wird gefordert werden“. – Siehe auch Kap. 21, 16., Apostelgesch. 27, 42. Freilich sind diese letztern Beispiele nicht so bestimmt; allein, gestützt auf die vielen andern, haben wir Luc 16, 9. durch: [XV] „Auf daß Ihr aufgenommen werden möget“, zu übersetzen gewagt; und diese Bemerkung deutet die Ursache an, aus welcher wir δέξωνται (dexontai) – also verdeutscht haben.
Was das Gebet des Herrn betrifft, so läßt es die langjährige Gewohnheit der Christen kaum zu, irgend eine Veränderung zu treffen, ohne dabei Anstoß zu erregen. Obwohl nun allerdings nicht zu bezweifeln ist, daß in Lukas einige Sätze fehlen, so haben wir dennoch da, wo die das Wort untersuchenden Gelehrten nicht einstimmig waren, unserer Regel gemäß, nichts verändert. Nur das Wort: έπιoύσιoς (epiousios) – erfordert hier eine Bemerkung. Man wird es durch: „bis zum Morgen“, oder: „für Morgen“ übersetzt und als Note beigefügt, finden; da wir das verwandte Wort: έπιoύσα ήμέρα (epiousa hämera) in Apostelgesch. 7, 26.; 20, 15.; 21, 18.; 23, 11. durch „am folgenden Tage“ übersetzt finden. Weil nun aber das „heute“ bis zum folgenden Tage hinreichend, gedacht werden kann, so haben wir das Wort „täglich“ beibehalten, und begnügen uns damit, an diesem Orte die nach unserer Meinung vorzuziehende Lesart im Lukas anzuführen. Sie heißt: „Vater! geheiligt sei Dein Name; es komme Dein Reich; gib uns heute unser Brod bis (oder für) morgen, und vergib uns unsere Sünden, denn wir vergeben auch Jedem, der uns schuldig ist, und führe uns nicht in Versuchung“.
Es wird den Leser einigermaßen befremden, die in der Offenbarung verworfene Lesart nicht unten als Note, wie bei den übrigen Büchern, verzeichnet zu finden. Unter andern sind zwei Ursachen vorhanden, welche eine große Anzahl von Fehlern in den Text früherer Ausgaben dieses Buches gebracht haben. Die erste war, daß das Buch nach einem beschädigten Manuscript gedruckt wurde, in welchem sogar, wie schon berührt, die beiden letzten Kapitel fehlten, so daß man zur Errei- [XVI] chung eines vollständigen Ganzen sich benöthigt fand, das Fehlende aus der lateinischen Uebersetzung wieder in's Griechische zu übertragen, während man in unsern Tagen 93 Manuscripte von diesem Buche, von denen drei sehr alt sind, nachschlagen kann. Als eine andere Ursache bezeichnen wir die außerordentliche Unregelmäßigkeit in der grammatischen Bildung der Offenbarung, die größtentheils durch die Natur des Buches hervorgerufen ist, indem der durch göttliche Eingebung geleitete Schriftsteller, beschäftigt mit dem Gegenstande, welcher „im Gesicht“ vor seinen Augen war, schreibt, ohne der grammatischen Verbindung der betreffenden Stelle eine besondere Aufmerksamkeit zu widmen. So ist z. B. wenn er in seinem Gesicht eine Person schaut, das Zeitwort oder Particip mit dem Gesehenen, nicht aber mit dem vorhergehenden Worte in grammatischer Verbindung [Aehnliches finden wir im Deutschen, wo bei Personennamen das Fürwort das natürliche Geschlecht bezeichnet, wie z. -.: „Sie brachten ein Weib zu Ihm und stellten sie (nicht es) in die Mitte“. Die Offenbarung geht indeß noch weiter.]. Die Grammatiker, welche diese Ausdrücke zu corrigiren versuchten, haben nur Verwirrung in den Text hinein gebracht; und sobald man durch die Untersuchung der Manuscripte das Ergebniß der Anstrengungen menschlicher Weisheit beseitigen konnte, wurden alle diese Correkturen einstimmig verworfen. Es schien uns daher eine überflüssige Mühe zu sein, dieselben als Note beizufügen, weil zuerst das Buch nach einem, alle jene Correkturen enthaltenden Manuscripte gedruckt worden ist, so daß der wahrhaftige Text nothwendig wieder als Correktur erscheinen mußte. Ueberhaupt haben sie nichts mit dem Sinn der Stellen zu thun und treten oft in einer Uebersetzung nicht in die Erscheinung.
Wir machen noch darauf aufmerksam, daß in der Offenbarung das Wort „geben“ (δίδωμι – didomi) – auf eigenthümliche Art gebraucht ist und so viel heißt, als: „Kraft geben“, oder: „gültig machen“. (Kap. 8, 3.; 11, 3.) [XVII] Bei andern Stellen möchten wir vielleicht einer Lesart den Vorzug gegeben haben, in Betreff derer sich die Herausgeber nicht einig sind. In Kap. 22, 14. lesen z. B. Einige: „Die, welche ihre Kleider gewaschen haben“, statt: „Die, welche Seine Gebote gehalten haben“. Der Unterschied entsteht im Griechischen durch einige Buchstaben. Jedoch sind wir auch hier unserer Regel gefolgt, indem wir nichts veränderten, wo die Einstimmigkeit der vornehmsten Untersucher fehlte.
Wir lassen jetzt für die, welche Griechisch verstehen, hier eine Bemerkung einfließen. Wir sind nämlich nicht mit der Uebersetzung des in Heb 9, 1. sich findenden Ausdrucks „weltliches Heiligthum“ zufrieden, weil „Heiligthum“ ἅγιov (hagion) nach der Ordnung des Satzes ein Adjectiv sein sollte. Es gibt zwar etliche wenige Beispiele dieser ungewohnten Ordnung wie ζωή αίωίη (zoä aioniä), – wenn anders diese Lesart richtig ist, – und man kann dazu keinen Grund finden, χoσμιχός (kosmikos) als Hauptwort zu gebrauchen. Wir haben jedoch in der gewöhnlichen Uebersetzung nichts verändert; denn wenn dieses geschehen würde, so bezeichnete das griechische Wort eine „allgemeine heilige Ordnung“.
Eine fast unüberwindliche Schwierigkeit bot uns das mit „Taufe“ verbundene Vorwort είς (eis) dar, weil die deutsche Sprache kein Wort hat, das dem griechischen in allen Fällen entspricht. Die Juden waren είς Mosen getauft. (1. Cor. 10, 2.) Der Apostel fragt Apostelgesch. 19, 3.: „Wozu seid ihr getauft?“ – Sie antworteten: „Zu der Taufe Johannes“; – eine Antwort, welcher im Deutschen aller Wohllaut mangelt. In Beziehung auf den Namen Jesu übersetzen Einige das griechische είς (eis) durch „auf“, Andere durch „in“. („Auf den Namen Jesu“, oder: „in den Namen Jesu“.) – Röm 6, 3. 4. sagt der Apostel: „Wir sind getauft είς Christum Jesum είς den Tod“, – [XVIII] mithin: „begraben durch die Taufe είς den Tod“. – Wollte man übersetzen: „getauft in Christum“, so würde man auch, dem Zwecke dieser Handlung zuwider, sagen müssen: „getauft in Mosen“; und ein ähnliches Hinderniß würde der Ausdruck „an Christum“ bieten, indem es dann auch gegen allen Sprachgebrauch: „an den Tod“ heißen würde. – Für den Uebersetzer handelt es sich indeß nicht um eine Lehre von der Taufe, sondern um eine äußerst genaue Uebersetzung, deren Ausführung, wie schon gesagt, sehr erschwert ist, weil die deutsche Sprache für das griechische είς kein entsprechendes Wort hat. Dieses, eine Richtung bezeichnend, kann, wenn von einem Orte die Rede ist, ohne Schwierigkeit übersetzt werden; z. B. „Ich gehe nach Rom“, oder: „zu Rom hin“. – Wenn es jedoch in Beziehung auf einen moralischen Zweck, den man erreichen, oder auf eine Person oder Sache, der man sich anschließen will, angewandt ist, so ist für den Uebersetzer das Hinderniß nicht auf befriedigende Art zu besiegen. – Jene Frage des Apostels (Apostelgesch. 19.) drückt die Bedeutung des Wortes klar und bestimmt aus. „Wozu“, – sagt er – „seid Ihr getauft?“ – Wie wollen wir antworten? – Ein in jeder Beziehung völlig genügendes Wort fehlt, um durch dasselbe den Zweck, die Richtung, oder die Anschließung an irgend eine Person oder Lehre, – sei es an Mose, sei es an Christum, sei es an die Lehre Johannes, sei es an den Tod, – zu unserer Zufriedenheit ausdrücken zu können. Wir sind daher, gleich mehreren andern Uebersetzern, gezwungen die Frage mit Hülfe des Wörtchens „auf“ beantworten zu müssen, so wenig uns auch unsere Wahl befriedigt.
Der Ausdruck: „zweit-erster Sabbath“ (Luc. 6, 1.) bietet auf den ersten Blick dem Verständniß einige Schwierigkeit dar, die jedoch bei einer näheren Beleuchtung der judäischen Gebräuche schwinden wird. Das Jahr, in Betreff des Gottesdienstes der Juden, begann mit dem Monat Abib (he- [XIX] bräisch: grünes Korn) und dauerte von Mitte März bis Mitte April. In dem 23. Kapitel des dritten Buches Mosis, wo wir die jüdischen Feste beschrieben finden, bemerken wir neben dem allgemeinen und wöchentlich wiederkehrenden Feste des Sabbaths, daß die Hauptfeste mit dem Passah (14. Abib) beginnen, und daß in unmittelbarer Verbindung damit verordnet wird, am Tage nach dem darauf folgenden Sabbath die Erstlinge des Korns in der Aehre zu opfern, – ein Vorbild der Auferstehung Jesu, die am Morgen nach dem Sabbath der Passahwoche oder des ungesäuerten Brodes stattfand. Der auf den Tag des Passah unmittelbar folgende Sabbath war also der „erste“ oder Hauptsabbath, und nach der am andern Morgen, dem ersten Tage der Woche, stattfindenden Darbringung der Erstlinge durfte man ernten und neues Korn essen, was vorher, selbst wenn die Frucht schon reif im Felde stand, nicht erlaubt war. An dem folgenden Sabbath, welcher mithin der „zweite“ nach dem „ersten“ oder Hauptsabbath war, sehen wir, da schon am ersten Tage der Woche die Opferung der Erstlinge geschehen war, daß die Jünger auf dem Wege Aehren aßen; und da man von diesem Tage an sieben Wochen oder Sabbathe bis zum Pfingstfeste zählte, so war folglich derselbe der „erste“ dieser sieben Sabbathe, aber der „zweite“ in Bezug auf den Hauptsabbath des Passah. – Nach diesen Erläuterungen glauben wir die Beziehung: „zweit-erster Sabbath“ gerechtfertigt und die Schwierigkeit für das Verständniß des Lesers gehoben zu haben.
Wir gehen noch zu einigen andern Bemerkungen über. Das Wort δαιμόvιov (daimonion) im Allgemeinen „der Teufel“ übersetzt, wo wir lesen, daß Christus „die Teufel“ ausgetrieben hat, ist ein anderes, als wenn von dem Teufel (Satan) διάβoλoς (diabolos) die Rede ist. Das Wort „Teufel“ heißt Verläumder oder böser Verkläger; darum ist der große Verkläger der Brüder, der auch ein böser Geist ist, „Teufel“ genannt. „Die Teufel“ δαιμόvια (daimonia) [XX] sind aber mit Satan oder Beelzebub verbunden. (Mt 12, 22–27. Marc. 3, 20. 25.) Das Wort δαιμόvια ward von den Heiden für gewisse Mittler-Geister gebraucht, die sie sich in einem guten Sinne als mächtig waltende Geister dachten, welche einem Volke oder einer Person Schutz gewährten. Die Schrift (5. Mos. 32, 17. 1. Cor. 10, 20.) lehrt uns, daß die Götter der Heiden von diesen bösen Geistern waren; und so ist uns Beelzebub als Gott der Philister und anderer mit diesem Stamme verwandten Heiden bekannt. Da wir nun für δαιμόvιov kein entsprechendes Wort finden konnten, so waren wir in die Nothwendigkeit versetzt, dasselbe gleich Andern durch „Teufel“ zu übersetzen, obgleich eigentlich das Wort διάβoλoς (diabolos) Teufel heißt.
Die von uns gebrauchten, etwas fremd klingenden Ausdrücke: „der Christus, des Christus“ anstatt: „Christus, Christi“, sind von uns in der Absicht gewählt worden, um dadurch den Unterschied zwischen der Stellung und dem Namen des Herrn zu bezeichnen. „Christus“ ist nach dem Sprachgebrauch der Jetztzeit ein einfacher Name geworden; früher war dieses nicht der Fall. „Christus“ (griechisch) oder „Messias“ (hebräisch) heißt: „der Gesalbte“, den man nach der Verheißung Gottes erwartete. Es drückt also dieses Wort mehr als eine bloße Bezeichnung des Namens einer Person aus, wiewohl dieser Gebrauch schon in der Zeit, wo die Schriften des neuen Testaments geschrieben sind, in die Erscheinung trat; und da nach unserer Meinung die Bezeichnung der Stellung und die des Namens nicht verwechselt werden darf, so haben wir, um die Kraft des Wortes zu erhalten, da, wo es sich um den Namen handelt „Christus“, – wo aber die Stellung des Messias, des Gesalbten, bezeichnet werden soll, „der Christus“ gesagt. Im Griechischen gibt der Artikel (ό) den Unterschied an.
Ebenso haben wir oft das Wort „Gesetz“ ohne Artikel gebraucht, was allerdings in manchen Fällen eine ungewöhnliche [XXI] Sprachform ist. Der Unterschied ist aber sehr wichtig, weil man bei dem Ausdruck: „das Gesetz“ (mit dem Artikel) immer an das Gesetz Mosis denkt. Der Apostel aber spricht oft vom Gesetz als einem allgemeinen Grundsatz, und nicht vom Gesetz Mosis, und in diesem letztern Fall haben wir „Gesetz“ (ohne Artikel) gebraucht, obgleich dies allerdings nicht schön lautet.
Der Leser wird ferner finden, daß wir „Nationen“ anstatt „Heiden“ gesagt haben, und zwar aus dem Grunde, weil die letztere Bezeichnung, in unsern Tagen als Name für unbekehrte Götzendiener gebraucht, nicht überall an ihrem Orte ist. Allerdings waren alle Nicht-Juden der alten Zeit Götzendiener; denn die Menschen waren von Gott abgewichen. Die Gnade jedoch, welche die Nationen besucht hat, veränderte Alles; und obgleich sie im Gegensatz zu den Juden nicht aufgehört haben „Nationen“ zu sein, so sind sie doch keine „Heiden“ mehr. Dieses war die Ursache, daß wir „Nationen“ als eine allgemeine Bezeichnung wählten, obgleich dieses Wort ein eingeführtes ist. Wir konnten nicht „Völker“ sagen, weil die Juden das vornehmste Volk waren. Aus den Stellen, wo τάέϑνη (ta ethnä) eine Klasse bedeutet und nicht die Völker, haben wir das Wort durch den Ausdruck: „die aus den Nationen“ übersetzt.
Nicht minder auffallend wird man die Anwendung des nichtdeutschen Wortes „Hades“ finden. Der Grund zu dieser unserer Wahl war wichtig genug. Luther hat nämlich zwei Wörter durch „Hölle“ übersetzt, obwohl deren Bedeutung ganz und gar zu unterscheiden ist, indem durch den einen Ausdruck der Ort zukünftiger Qual, bereitet für den Teufel und seine Engel, durch den andern aber im Allgemeinen die unsichtbare Geister-Welt bezeichnet wird, auf welcher bis zur Ankunft Christi Dunkel und Finsterniß ruhte, wie wir dieses im alten Testament, wo dieses Wort Scheol heißt, finden können. De Wette hat die etwas heidnische Bezeichnung „Un- [XXII] terwelt“ gebraucht. Da wir aber dasselbe Wort auf Christum, der in=s „Paradies“ gegangen ist, angewandt finden, so zogen wir vor, das griechische Wort „Hades“ selbst beizubehalten, auf daß es nicht mit „Hölle“ γέεvvα (Gehenna), dem Orte ewiger Pein verwechselt werde. Im „Hades“, kann sowohl Freude als Pein sein. Der reiche Mann und der arme Lazarus waren beide im Hades. In der Hölle ist nur Pein.
Etwas ausführlicher müssen wir des gewöhnlich durch „Kirche, oder Gemeine“, von uns aber durch „Versammlung“ übersetzen Wortes έχχλησία (ecclesia) gedenken. Wenn wir auch im Allgemeinen in Betreff dieses Ausdrucks unbesorgt sein konnten, so dürfen wir es nie in Betreff einer falschen Darstellung des Wortes Gottes sein. „Kirche“ (χυριαχή – kuriakä) ist ursprünglich ein griechisches Wort, und heißt so viel als: „dem Herrn gehörend“, während man nach dem Sprachgebrauche der Jetztzeit sich desselben bedient, um ein, der Predigt und andern Dienstverrichtungen geweihetes Gebäude damit zu bezeichnen. Auch gebraucht es die Schrift im Hinblick auf den Sonntag und das Abendmahl, wo man anstatt „des Herrn Tag – der Kirchen-Tag“, – und statt „des Herrn Mahl, – das Kirchen-Mahl“ lesen könnte. Das griechische Wort έχχλησία heißt „Versammlung“, und bezeichnet besonders eine Versammlung Derer, welche in den griechischen Staaten, wie auch in einigen jetzigen Republiken, Bürgerrecht hatten, gegenüber solchen Einwohnern, welche dessen ermangelten und die den schwer zu übersetzenden Namen πάρoιχoς (paroikos) trugen, den wir durch „Fremdling“, oder „ohne Bürgerrecht“ verdeutscht haben. Daß wir έχχλησία nicht durch „Gemeine“ übersetzt haben, geschah, weil diese Bezeichnung die wahre Bedeutung des Wortes in seinem ursprünglichen Charakter nicht darstellt. Um daher jeder Begriffsverwirrung vorzubeugen, haben wir es durch „Versammlung“ übersetzt; und es [XXIII] wird der Leser dasselbe Wort in Apostelgesch. 12, 40., wo wir lesen: „Der Stadtschreiber hob die Versammlung auf“, – unzweifelhaft also gebraucht finden. Um daher seine wahrhaftige Kraft nicht zu schwächen, glaubten wir uns veranlaßt, dasselbe zu ähnlicher Anwendung in allen Fällen gebrauchen zu müssen. Es ist daher auf jede Art von Versammlung angewandt, sowohl auf die der Kinder Israel in der Wüste, als auf die der in das Theater stürzenden Aufrührerischen und die der Gesetzlichen zu Ephesus (Apostelgesch. 19.); sowohl auf die allgemeine Versammlung der Christen im Himmel, als auch auf die sogenannte Gemeine auf der Erde, sei es die Versammlung in einem Orte oder auch in irgend einem Hause. – So hat also die Schrift das gemeinsame Wort, gebraucht, um die Zusammenkünfte der Bürger zu bezeichnen, auf die Versammlungen Gottes angewandt.
Wir wenden jetzt unsere Aufmerksamkeit auf das Wort „Buße“, einen Ausdruck, der uns, obgleich aufgenommen, nicht genügt, indem er mehr einen äußern Charakter trägt und ein Werkethun bezeichnet. Es wurde „Bekehrung“ als eine geeignete Bezeichnung vorgeschlagen, allein obwohl mehrere Uebersetzer dieselbe gebraucht haben, so sind wir doch nicht gefolgt, weil Bekehrung nicht die Bedeutung des Wortes μετάvoια (metanoia) ist. In Jer 31 lesen wir: „Als ich bekehrt war, that ich Buße“. μετάvoια ist das moralische Urtheil der Seele über alles Vergangene, über Alles, was sie, als im Fleische, vor Gott ist. Andere haben „Sinnesänderung“ vorgezogen, und sind allerdings der wahren Bedeutung etwas näher gerückt. Allein da in dieser Bezeichnung das Urtheil der Seele in Betreff der Vergangenheit fehlte, so sahen wir uns genöthigt, bei dem Worte „Buße“ zu bleiben. Wir machen jedoch keine weitere Einwürfe, wenn Jemand „Sinnesänderung“ vorziehen sollte, weil diese Bezeichnung sich in μετάvoια findet, ohne jedoch das Urtheil der Seele auszudrücken.
[XXIV] In Marc. 2, 26. 12, 26. finden wir die Ausdrücke „in Abjathar“ und „in dem Busch“, welchen ersteren Ausdruck oft Andere durch „in der Zeit Abjathars“ übersetzt haben. Man kann zwar diese Stelle έπί (epi) mit Hinzufügung der nicht im Text stehenden Worte „der Zeit“ übersetzen, aber man würde nie „in der Zeit des Busches“ sagen können. Die letztere Bezeichnung „in dem Busch“ ebenso Röm 11, 2., wo es heißt: „in Elias“, geben uns indeß nach unserer Meinung darüber Aufschluß, daß unter dieser Form eine Stelle des alten Testaments angeführt wird, welches die Ansicht von mehreren Gelehrten ist.
Das Wort „Aelteste“ entspricht nicht vollkommen dem griechischen πρεςβύτερoς (presbyteros), weil dieses letztere, obwohl es unzweifelhaft für ein Amt gebraucht ist, in verschiedenen Stellen einen Gegensatz zu νεώτερoς (neoteros) (Jüngern) bildet, der in dem deutschen Ausdrucke ganz und gar verloren ist. Der Ausdruck „die Aeltern“ aber, die wirkliche Kraft von πρεςβύτερoς, hat im Deutschen eine andere Bedeutung. Es ist wahr, πρεςβύτερoς ist nicht blos ein alter Mann πρεςβύτης (presbytes), sondern ist für die ganze Klasse der Alten, im Gegensatz zu den Jüngern gebraucht. Unter den Juden, welche Christen geworden, ist in der Schrift keine Spur von irgend einem bestimmten Amte: „Aelteste“ genannt, vorhanden.
Die Apostelgeschichte hat oft das Wort: „Anbeter“ oder „Anbetende“ σεβόμενoς (sebomenos), wodurch der Name einer zahlreichen Klasse aus den Heiden bezeichnet wurde, welche, die Eitelkeit des heidnischen Götzendienstes erkennend und seinen Unfug verabscheuend, dem jüdischen Gottesdienste beiwohnten, hier für ihre moralische Noth eine Zuflucht suchten und, wenn auch nicht hinreichend, dennoch, trotz der Untreue der Juden, – so kräftig ist die Wahrheit Gottes – eine solche daselbst fanden. Wir finden daher viele aus dieser Klasse, welche dem Apostel Paulus und andern Dienern Gottes nachfolgten. – „Proselyten“ ist ein anderes [XXV] Wort, obwohl die Anbeter auch solche gewesen sein mögen. Wir hätten gleich Andern das Wort durch „Gottesfürchtige“ übersetzen können, allein hierdurch würde zwar der Zustand einer Seele, nicht aber, wie in der Apostelgeschichte, der Name einer Klasse von Menschen bezeichnet sein, welche, ob zwar Heiden von Geburt, dem Gottesdienst der Juden beiwohnten.
Dem Leser wird in 2. Cor. 2, 16. der ungewöhnliche Ausdruck: „Süßer Geruch des Todes“ auffallen. Zum Verständniß desselben wird ihm die Bemerkung dienen, daß dieser Ausdruck ein bildlicher ist, welcher auf die römischen Triumphzüge anspielt. Man bediente sich nämlich bei denselben der Wohlgerüche, und tödtete bei dieser Gelegenheit oft viele Gefangene, während andere Gefangene dagegen verschont wurden. Der „süße Geruch“ war also ein „Geruch des Todes“ oder „des Lebens“. Ebenso, sagt der Apostel, sei auch das Evangelium, wenn es angenommen werde, ein Mittel des Lebens; wenn es aber nicht angenommen werde, – so süß es auch sei, – ein Anlaß zur Verurtheilung.
Der mit den Sitten, Gebräuchen und Einrichtungen der damaligen Zeit wenig vertraute Leser wird nicht selten auf noch andere Ausdrücke stoßen, die unsers Erachtens, da wir sie ohne Umschreibung im Deutschen nicht wiederzugeben vermochten, einer kurzen Erläuterung bedürfen. Wir lassen sie der Reihe nach folgen:
1. Das „Prätorium“. Durch dies Wort wurde das Hauptquartier eines römischen Lagers, wo der Oberbefehlshaber seine amtliche Stellung hatte, oder in Rom das der kaiserlichen Garde bezeichnet, und war also im Allgemeinen das befestigte Hauptquartier der Kriegsknechte, und weil die von dem Kaiser abhängigen Landpfleger einer Provinz, Prätoren genannt wurden, so wurde der Saal, weil diese hier, wie der Oberbefehlshaber in dem Hauptquartier, Anordnungen trafen und Urtheile fällten, „Prätorium“ genannt. Das [XXVI] Wort wird in allen diesen Bedeutungen, die erste Bedeutung ausgenommen, im neuen Testament gebraucht, und wir haben es deshalb unverändert gelassen.
2. Das „Synedrium“ war der in Jerusalem gehaltene Hauptrath der Juden, der, bestehend in 72 Mitgliedern, aus Priestern, Schriftgelehrten und Aeltesten gebildet wurde und in welchem der Hohepriester den Vorsitz führte.
3. Die „Synagoge“ war in Beziehung auf das Judenthum dasselbe, was man jetzt in Beziehung auf das Christenthum Kirche nennt. Man brachte zwar die Opfer nur im Tempel dar; aber in den Synagogen fanden die gewöhnlichen Gottesdienste Statt. Hier las man das Wort, hier predigte man, von hier ging die Züchtigung aus, indem man diejenigen, welche man nicht für treue Juden hielt, ausschloß. –
4. „Asiarchen“ waren Beamte in der Provinz des proconsularischen Asiens (eines Theiles von Kleinasien), welche jährlich von den Vornehmsten der Provinz gewählt wurden, um die Stellung als Vorsteher bei den verschiedenen Götzendiensten einzunehmen, sowie die zu Ehren der Götter gefeierten Wettkämpfe anzuordnen.
5. Der „Areopagus“ war ein von Solon, dem Gesetzgeber in Athen, eingerichtetes Tribunal, um sowohl über die Sitten der Athener zu wachen, als darüber, daß den Göttern die gebührende Ehre erwiesen würde. Diese Einrichtung, obgleich ihrer Wichtigkeit beraubt, wurde auch unter der Herrschaft der Römer beibehalten. Dieses Tribunal hielt auf dem Hügel des Mars oder Ares, wovon der Name „Areopagus“, d. h. Ares- oder Marshügel, abgeleitet ist, seine Sitzungen, und man kann daher Apostgsch. 17, 19. durch: „Sie führten ihn zu dem Areshügel“, oder: „vor das Tribunal, genannt Areopagus“, – übersetzen.
6. „Sandalen“ sind Sohlen, welche mit ledernen Riemen unter die Füße gebunden wurden. Als die römische [XXVII] Ueppigkeit sich ausbreitete, trugen die Männer Schuhe oder Halbstiefeln àπoδήματα χoιλα (hypodemata koila) und wie es scheint, später blos ύπoδήματα (hypodemata) genannt. Im neuen Testament ist sowohl „Hypodema“ als auch „Sandalen“ gebraucht worden. Es ist jedoch nicht wahrscheinlich, daß jene Ueppigkeit die Jünger erreicht hat; und da die Schriftsteller des neuen Testaments zwei Wörter für dasselbe Ding gebrauchen, so wird der Leser unter „Sandalen“ jene mit ledernen Riemen unter die Füße gebundenen Sohlen verstehen.
Münzen und Maaß. – Die
genauere Kenntniß des Werthes der verschiedenen Geldmünzen ist nicht
sehr wichtig, weil sie im N. T. im Allgemeinen nur gebraucht werden, um
große oder geringe Summen zu bezeichnen, und dieser Unterschied in den
betreffenden Stellen selbst vorkommt. Weil wir aber einige griechische
Namen gebraucht haben, so geben wir hier den Werth der verschiedenen
Münzen an, ohne dabei eine vollkommene Genauigkeit zu suchen.
Hinsichtlich der Drachme bemerken wir nur, daß Einige den Werth derselben geringer angeben als wir.
Lepton. – 2 Pfennig oder noch weniger. – Die kleinste Geldmünze.
Quadrans. – So viel als 2 Lepta.
Assarion. – Der Werth dieser Münze ist ungewiß. Einige geben 4 Pfennige, andere 2 Pfennige an.
Denar. – Beinahe so viel als eine Drachme.
Drachme. – (100 eine Mine) etwa 7 Groschen.
Didrachme. – Zwei Drachmen = 14 Groschen.
Mine. – (60 Ein Talent). Ungefähr 222 bis 23 Thaler.
Talent. – Der Werth eines Talents war in den
verschiedenen Ländern verschieden. Das babylonische Talent hatte 12
Minen mehr als das am meisten gebräuchliche attische Talent. Im N. T.
ist es wahrscheinlich das Syrische Talent. Das silberne Talent betrug in Syrien [XXVIII] etwas über 320 Thaler, das goldene 3935 Thaler. (A. Böckh rechnet die Drachme zu 72 Sgr.; die Mine zu 25 Thaler, und das attische Talent zu 1500 Thaler.)
Chönix. – Gewöhnlich der Bedarf einer Tageskost für eine Person.
Bath = 6 Hin oder ungefähr 1 Eimer.
Corus = 10 Bath oder 10 Eimer.
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So glauben wir nun über den uns bei dieser Uebersetzung geleiteten Zweck, über die dabei angewandten Mittel, und endlich über die Art und Weise, in welcher verschiedene Stellen übersetzt sind, hinreichende Andeutungen gegeben zu haben. Wir bemerken noch, daß wir zu Anfang, um den Christen etwas Genaueres über wichtige Punkte der christlichen Lehre darreichen zu können, die Absicht hatten, nur die Episteln zu übersetzen, ein Unternehmen, das weit weniger Ansprüche gemacht haben würde. Um jedoch die Allen augenscheinliche Unbequemlichkeit, die es dem Leser verursacht haben würde, wenn er genöthigt worden wäre, neben der Epistel noch ein anderes Testament zur Hand zu haben, vorzubeugen, entschlossen wir uns zu einer vollständigen Uebersetzung des neuen Testaments. Diese Absicht ist nun erreicht, und indem wir unser Werk der Oeffentlichkeit übergeben, befehlen wir es, und gewiß nicht zum ersten Male, von ganzem Herzen Dem, von welchem allein die Segnung kommt, und Dessen Genehmigung mehr gilt, als die aller Menschen. Wir maßen uns keineswegs an, unser Buch als fehlerfrei anzusehen, hoffen aber, daß es für jeden christlichen und aufrichtigen Leser von einigem Nutzen sein werde. Unser Ziel war stets Genauigkeit, und wir haben daher, wie schon bemerkt, unter Benutzung mehrerer Uebersetzungen, um passende Ausdrücke zu finden und die Kraft betreffender Stellen zu begreifen, – ausschließlich von Anfang bis zu Ende nach dem griechischen [XXIX] Urtext übersetzt. – Sollte es aber Jemand der Mühe werth achten, uns entweder persönlich oder öffentlich über einige Fehler Bemerkungen machen zu wollen, so werden wir, selbst wenn sie in feindseligem Geiste gegen uns gerichtet sind, die Feindseligkeit vergeben, und sie zu dem Zweck verwenden, um das Wort Gottes in deutscher Sprache so genau als möglich darzustellen.
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[Zeichengetreuer Abdruck des Originals (lediglich die Fußnoten sind in den Fließtext mit eckigen Klammern angepasst worden). Sperrdruck der Vorlage ist durch Kursivdruck, Antiqua durch serifenlose Schrift wiedergegeben. Die Seitenzahlen des Originals sind in eckigen Klammern und kleinerer, roter Schrift eingefügt. Bei einigen eBook-Readern kann es zu einer falschen Darstellung der griech. Buchstaben kommen.]